Christina von Dreien: Neues Buch erschienen

Christina von Dreien: Christina. Band 3: Bewusstsein schafft Frieden, Govinda Verlag, Dezember 2019

Mit grosser Verzögerung ist der ursprünglich auf Anfang 2019 angekündigte dritte Band der Buchreihe um die Toggenburger Trendesoterikerin Christina von Dreien erschienen. Während die vorangegangenen Bände von Christina von Dreiens Mutter Bernadette geschrieben wurden, tritt beim dritten Band nun Christina von Dreien als Autorin auf. Allerdings werden die Lesenden gleich in einer dem Buch vorangestellten „Vorbemerkung des Herausgebers“ darüber belehrt, dass Christina von Dreien die Texte nicht selbst verfasst hat, sondern dass sie auf mündlichen Ausführungen von Christina bei Vorträgen und in der Sendung „Time To Be“ mit Norbert Brakenwagen beruhen, welche der Govinda-Verlagsleiter Ronald Zürrer niedergeschrieben und in Buchform gebracht hat.

Repetitive Darstellung

Die Herkunft der Texte aus mündlichen Ausführungen an Seminaren ist dem Buch denn auch deutlich anzumerken. Bei seiner Redaktion hat Ronald Zürrer die verschiedenen Seminare, die alle unter dem Titel „Bewusstsein schafft Frieden“ standen und mutatis mutandis dasselbe Thema mit ähnlichen Gedanken behandelten, nebeneinandergestellt, sodass sich Ausführungen Christinas zum selben Stoff und in ähnlichen Worten doppelt, dreifach, vierfach und gelegentlich auch fünffach im Buch wiederfinden. Für die Leseerfahrung ist dies eher unerfreulich, um es mal vorsichtig auszudrücken. Was die Hintergründe dieses Vorgehens sind, bleibt offen: Hat Ronald Zürrer die Zeit gefehlt, die verschiedenen Ausführungen zum selben Thema zusammenzufassen?

Ein Bestseller auf die Schnelle?

Eindeutig ist, dass eine redaktionelle Zusammenstellung von Christinas Gedanken die Textmenge deutlich verringert hätte, vermutlich um mindestens die Hälfte des Umfangs des Buchs. Damit wäre der dritte Band aber gegenüber den beiden vorangegangenen viel kürzer ausgefallen. Wurden die Doubletten und Tripletten in Kauf genommen, um trotz dünner Datenbasis endlich den lange versprochenen dritten Band publizieren zu können? Wurde hier auf die Schnelle ein Buch kompiliert, um an den beachtlichen Verkaufserfolg der beiden vorangegangenen Bände anknüpfen zu können, bevor andere Trends die Christina-von-Dreien-Begeisterung überlagern?

Christinas Wort als Heilige Schrift?

Zur Erklärung der repetitiven Wiedergabe von Vorträgen zum selben Thema wäre noch eine dritte Variante denkbar: Wenn Christinas Worte als inspirierte, göttliche Wahrheit verstanden würden, dann könnte die Vorstellung aufgekommen sein, dass sie auch dann, wenn sie mehrfach auf ähnliche Weise dasselbe beschreiben, trotzdem vollständig wiedergegeben werden müssen, damit keine göttliche Wahrheit verloren geht. Zu denken ist hier etwa an Doubletten in Heiligen Schriften, welche dieselben Ereignisse und Aussagen ebenfalls mehrfach in unterschiedlichen Varianten berichten, etwa die vier Evangelien des Neuen Testaments, oder aber der buddhistische Pali-Kanon, der für seine Repetitionen derselben Ausführungen berühmt ist. Ist Christinas Wort für ihre Fans bereits derart heilig, dass eine redaktionelle Zusammenfassung ein undenkbarer Eingriff wäre?

Christinas Weltsicht: Die Quelle

Wie dem auch sei, hier soll gewagt werden, Christinas Weltsicht kurz zusammengefasst wiederzugeben: Christina von Dreien führt alles Sein auf einen Ursprung, die Quelle, das Göttliche zurück, das alles geschaffen hat. Die Seelen der Menschen sind stets mit diesem Göttlichen verbunden, egal ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Dennoch bleibt das Göttliche ein von der menschlichen Seele zu Unterscheidendes, zu dem Kontakt aufgenommen werden kann.

Das Spiel des Vergessens: Vollnarkose

Die Seelen der Menschen treten ein in das „Spiel des Vergessens“ in der dreidimensionalen Welt. In diesem leben sie in „Vollnarkose“, wie sich Christina von Dreien ausdrückt. Die Seelen vergessen ihre Verbindung zur Quelle und werden von einer ausserirdischen Rasse versklavt und systematisch manipuliert, unter anderem, indem sie in Angst versetzt werden.

Krieg als Lerninhalt

Das Spiel des Vergessens war notwendig, damit die Menschen wichtige Lernfortschritte machen können. So muss die Menschheit die Schrecken dies Krieges erfahren, um sich bewusst zu werden, dass sie keinen weiteren Krieg mehr will.

Erwachen

Seit 100 oder 80 Jahren – Christina von Dreien nennt an unterschiedlichen Stellen im Buch beide Zahlen – ist die Menschheit nun dabei, zu erwachen. Dieses Erwachen beinhaltet z.B. die Erkenntnis der Einheit mit dem Göttlichen und die Sehnsucht nach Frieden.

Verschwörungstheorien als Notwendigkeit

Zum Erwachen dazu gehört, Christina betont es in den abgedruckten Texten immer wieder, auch das Akzeptieren von Verschwörungstheorien, welche Christina von Dreien vertritt, etwa der Glaube an Chemtrails, an die Anwesenheit von Ausserirdischen auf der Erde und an die systematische Manipulation und Überwachung der Menschheit durch übelwollende Kreise. Christina befeuert damit die ohnehin schon starke Tendenz esoterisch-spiritueller Kreise zu Verschwörungstheorien weiter.

Alles in Ordnung?

Immer wieder betont Christina von Dreien, dass auch tragische Ereignisse in der Weltgeschichte notwendig und damit in ihrer Auswirkung gut gewesen seien: „Die gesamte Vergangenheit von jedem einzelnen von euch und auch von der Erde insgesamt ist komplett in Ordnung und musste so sein. Sonst hätten wir als Menschheit gewisse Dinge nicht erfahren und nicht erkennen können, was ja der Grund für dieses Spiel war.“ (s. 105) „Letztlich kann nichts geschehen, was unsere Seele nicht will … Aus Sicht der Quelle wird also niemals etwas geschehen, ohne dass alle betroffenen Seelen ihr ‚Ja’ zu der Situation gegeben haben.“ (s. 115). „Alles, was jemals passiert ist, war gut so.“ (s. 191).

Wenn Christina von Dreien die massiven gesundheitlichen Probleme ihrer Kindheit im Nachhinein als notwendig ansieht und sich auf diese Weise mit ihrem Leben versöhnen kann, dann sei ihr dies vergönnt. Wenn sie aber den Opfern schwerster Verbrechen oder verheerender Armut sagt, dass ihr Schicksal selbstgewählt und für die Menschheit gut sei, dann wirkt dies aus dem Mund einer jungen Frau, die in einer liebenden Familie und einem idyllischen Schweizer Weiler aufwachsen konnte, unerträglich zynisch.

Der Aufstieg: in einer Sekunde oder erst in hundert Jahren

Nach dem Erwachen der Menschheit erfolgt der Aufstieg in die fünfte Dimension, eine ideale, friedliche Gesellschaft. Wann sich dieser Aufstieg, den Christians Fans teilweise schon seit Jahrzehnten herbeisehnen, ereignen wird, darauf will sich Christina nicht festlegen. Schon in einer Sekunde könne es so weit sein, aber auch noch hundert Jahre dauern, wie sie im Buch mehrfach betont. Im Jahr 2016 hat Christina den Aufstieg noch als nahe bevorstehend gesehen, wie ihre Mutter im zweiten Band der Christina-Buchreihe berichtete. Nun scheint es nicht mehr so sehr zu eilen. Hat sich Christina angesichts ihres Erfolgs mit der Welt versöhnt? Wie dem auch sei, für manche ihrer Fans dürften Christinas Spekulationen über weitere 100 Jahre in der dritten Dimension eine Enttäuschung sein.

Panikmache vor 5G

Ins Buch geschafft haben es auch die Ängste vor dem neuen Mobilfunkstandard 5G, welche Christina von Dreien im Frühling 2019 auf ihrer Website und in einer Sendung „Time To Be“ mit Norbert Brakenwagen geschürt hatte. So wird wiederholt, dass die Menschen durch 5G gegrillt werden (s. 270), dass 5G „Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindelanfälle und dergleichen hervorrufen oder auch ernstere physische Krankheiten“ bewirken kann (s. 269), und dass 5G dazu dient, die Menschheit zu manipulieren und zu überwachen (s. 269).

Klammheimliche Korrektur von nicht eingetretenen Voraussagen

Anderes, was in Ländern mit aktivem 5G-Netz konkrete, nachprüfbare Auswirkungen hätte haben sollen, erscheint im Buch in abgeschwächter Form. So behauptete Christina von Dreien im Frühling 2019 auf ihrer Website über 5G: „Es zerstört z.B. auch das Immunsystem der Bäume, so dass diese alle absterben.“ Das hätte inzwischen in Südkorea, wo 5G flächendeckend zur Verfügung steht, überprüfbare Folgen haben müssen. Im Buch steht nur noch: „So greift 5G beispielsweise auch das Immunsystem der Bäume an“ (s. 269). Von der Zerstörung des Immunsystems und vom Tod der Bäume ist keine Rede mehr. Die Korrektur wird aber nicht als solche gekennzeichnet. Christina von Dreien nimmt sich offensichtlich das Recht, wilde Behauptungen aufzustellen, und diese nach Bedarf einfach umzuformulieren, wenn sich ihre Aussagen nicht bestätigen.

Problematische Aussagen zur direkten Demokratie

Panikmache betreibt Christina von Dreien auch gegenüber der direkten Demokratie. So meint sie: „Das Problem bei Abstimmungen ist, dass wir dadurch unsere Stimme sozusagen feinstofflich an die Politik ‚abgeben’. Aber eigentlich benötigen wir unsere Stimme ja selber. Selbstverständlich muss jeder selbst wissen, ob er abstimmen geht oder nicht. Doch wenn ihr das macht, dann holt euch anschliessend feinstofflich eure Stimme wieder zurück.“ (s. 154).

Bezeichnend ist hier einerseits das Wortspiel, das Christina von Dreien zu ihrer Aussage führt. Sie vermengt zwei unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs „Stimme“, um eine vermeintliche Gefahr zu behaupten. Konsequenterweise würde das bedeuten, dass die von Christina von Dreien beschworene Gefahr der direkten Demokratie in englischen Sprachraum nicht bestehen würde (vote vs. voice). Wie dem auch sei, aus sprachlichen Eigenheiten weitgehende Lehren herauszuspekulieren, das macht Christina von Dreien noch öfter.

Bemerkenswert ist aber auch der inhaltliche Widerspruch zu anderen Aussagen Christinas. So fordert sie ihre Fans auf, Petitionen gegen 5G einzureichen. Bei einer Petition wird dem Staat aber mit der eigenen Unterschrift der eigene Name und auch die Adresse übergeben. Warum müssen diese nicht feinstofflich zurückgeholt werden? Bei eigenen Projekten gelten die Regeln offenbar nicht – ein Merkmal, das sich bei Christina von Dreien ebenfalls öfters findet (etwa, wenn sie meint, dass 5G ihr selbst nicht schaden könne).

Verpasste Chance

Zwar spricht Christina von Dreien im Buch öfter davon, dass die Welt am Abgrund stünde, aber sie meint damit vor allem die Umtriebe der „unlichten“ Kräfte, die unsere Welt beherrschen und das Erwachen der Menschheit verhindern wollen.

Mit keinem Wort erwähnt wird das vielleicht drängendste Problem der Menschheit: der Klimawandel. Offenbar existiert dieser aus Sicht von Christina von Dreien nicht. Den Medien gegenüber hat Christina von Dreien behauptet, der Klimawandel sei eine „Lüge“. Das ist schade. Christina von Dreien hätte sich an die Spitze der Klimajugend in der Schweiz stellen und zu einer Schweizer Greta Thunberg werden können. Stattdessen propagiert sie Verschwörungstheorien, die von Personen einer älteren Generation stammen, in Fernsehsendungen mit einem älteren Herrn auf dem Sofa, und in einem Buch, das von einem ebenfalls nicht mehr ganz jungen Herrn redigiert wurde. Damit ist Christina von Dreien eines ganz bestimmt nicht: Die Vertreterin oder gar Vorreiterin einer neuen Jugend.

Lexikoneintrag zu Christina von Dreien