Frech und fromm – Willigis Jäger, 1925-2020, Benediktinerpater und Zenmeister

Am 20.März ist der Benediktinerpater und Zenmeister Willigis Jäger im Alter von 95 Jahren im Benediktus-Hof in Holzkirchen, Deutschland, gestorben.

Pater Willigis war der bekannteste der sog. „Zenediktiner“, d.h. der Benediktiner, die die Wege buddhistischer und christlicher Meditation aus tiefster Überzeugung miteinander verbanden.

In einem Gespräch zu seinem 90.Geburtstag sprach er im Rückblick auf seine Jugend, man habe ihn damals „fromm und frech“ genannt. Mir scheint, dieses Urteil habe über seine Jugend hinaus nichts von seiner Gültigkeit verloren. Erfahrungen mystischer Einheit mit dem Urgrund begleiteten ihn durchs ganze Leben. Ob auf buddhistischen oder christlichen Pfaden – Pater Willigis war eine fromme Seele.

Gleichzeitig ging er aber auch völlig unbeeindruckt seinen Weg, wenn man ihn zu disziplinieren suchte. Als die römische Glaubenskongretation, damals unter der Leitung von Kardinal Ratzinger, mit dem Vorwurf, er würde die eigene Erfahrung über die Dogmen stellen, über ihn ein Schreibe- und Redeverbot verhängte, hielt er sich einfach nicht ans kirchliche Verbot. Er referierte und publizierte unbeeindruckt weiter.

Von der Residenzpflicht in seinem Heimatkloster liess er sich entbinden. Er hörte aber nie auf, Mitglied seiner Klostergemeinschaft zu sein und wurde nun auch auf seinen Wunsch hin auf dem Friedhof seines Heimatklosters bestattet.

Die Bedeutung von Willis Jäger als Meister buddhistischer und christlicher Spiritualität kann kaum überschätzt werden. Unzähligen Zeitgenossen hat er uralte und trotzdem für die meisten neue Wege zu eigener spiritueller Erfahrung erschlossen. Der Mystik im allgemeinen und dem Zen-Buddhismus im Speziellen etwas ferner stehende Beobachter mussten sich fragen, ob dieses Nebeneinander, Miteinander und Ineinander östlicher und christlicher Spiritualität überhaupt möglich wäre. Nicht zuletzt auch das Leben von Willigis Jäger gab deutliche Antwort: Natürlich ist dies möglich. Es fragt sich nur, welcher Preis zahlt der Buddhismus und welcher Preis zahlt das Christentum, wenn wir sie so nahe nebeneinander rücken? Und es fragt sich auch, ob Willigis Jäger sich um das Ausmass dieser Kosten je wirklich sorgte.

Kritische Stimmen meinen, Buddhismus werde – so beinahe mit christlicher Mystik vereint – eindeutig pantheistisch, was er in seinem historischen Ursprung nie war, was sich erst im sog. grossen Fahrzeug angebahnt hatte. Das Christentum seinerzeit durchwehe – meinen kritische Stimmen – so deutlich von interreligiösen mystischen Erfahrungen geprägt auch ein pantheismusnaher Geist. Aber war dies schon mit dem Meister von Nazareth vorgegeben? Oder verlieren Jesus und Buddha in dieser Nähe zueinander nicht beide einen grossen Teil ihrer Eigenart?

All dies sind Kritikerperspektiven. Willigis Jäger war zutiefst von der letzte Einheit östlicher und christlicher Spiritualität überzeugt. Diese Überzeugung gewann er aus seiner eigenen Erfahrung. Er formulierte nicht nur seine Antworten auf spirituelle Fragen, er lebte seine Antworten engagiert, konsequent und für viele Zeitgenossen meisterhaft.

Prof. Georg Schmid, März 2020