Ausstellung: Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze

Die Maag-Halle 622 in Zürich beherbergt noch bis zum 1. November die Ausstellung von Replikationen aus dem Grab des ägyptischen Pharaos Tutanchamun. Die Tickets können online vorbestellt werden. Die Besuchenden werden in Abständen von je einer halben Stunde hineingelassen, dabei muss man pünktlich ankommen. Bereits am Eingang wird die Atmosphäre auf Ägypten eingestimmt, Palmen säumen die grossen Pforten. Wir waren unter den ersten Besuchern, trotzdem gab es bereits einige, die sich ebenfalls für die Ausstellung interessierten. 

Beim Eingang wurde den Besuchenden geholfen, das Handy mit dem angebotenen WLAN zu verbinden, denn so konnte es zu einem Audioguide umfunktioniert werden. Ich machte mir etwas Sorgen, da mein Akku eher schwach war, aber am Ende verbrauchte ich nur etwa 4% der Batterieleistung für die Ausstellung insgesamt. Es sind auch normale Museums-Audioguides vorhanden, diese werden nach jedem Gebrauch desinfiziert. Es wird aber wegen derer Anzahl zur Benutzung des Handys geraten. Powerbanks können gemietet, Kopfhörer gekauft werden, falls man wie ich Akkuprobleme hat oder etwas vergessen hat.

Der Eingangsbereich war mit Bildern der Umgebung der Fundstelle im Tal der Könige geschmückt und man wurde mit dem berühmten Rosetta-Stein willkommen geheissen. Der Audioguide bestand aus drei Stimmen, einem Erzähler, einer Ägyptologin und einer Stimme, die den Entdecker des Grabes, Howard Carter, zitierte. Die ersten drei Audios stimmten den Besucher auf das Kommende ein, es wurden generelle Informationen über die Pharaonen, die Fundstelle und die 18. Dynastie der Pharaonen, zu der Tutanchamun gehört, gegeben. Tutanchamuns Vater, Echnaton, hatte in seiner Regierungszeit die erste monotheistische Religion gegründet, indem er Aton, den Sonnengott, zuerst als “Gott über allen Göttern” bezeichnete, die Hauptstadt verlegte und seinen Sohn auch Tutanchaton nannte. In einem nächsten Schritt setzte er die Priester der anderen Götter ab und verfügte, dass nur Aton der Anbetung würdig sei, womit er sich bei der traditionellen Priesterschaft und deren Anhang sehr unbeliebt machte. Es war deshalb kein Wunder, dass sein junger Sohn nach seinem Amtsantritt (der jedoch nicht direkt auf den Tod Echnatons folgte, es gab Jahre einer Zwischenregierung) diese Massnahmen sofort wieder rückgängig machte. Vermutet wird eine Einwirkung der traditionellen Priesterschaft. Der junge Pharao bestieg mit acht Jahren den Thron und änderte darauf seinen Namen zu Tutanchamun (“Lebendes Abbild des Amun” anstelle von Tutanchaton, “Lebendes Abbild des Aton”).

Tutanchamuns Regierungszeit betrug nur 10 Jahre, er verstarb also sehr jung im Alter von 18 Jahren. Lange wurde er als ein verschollener Pharao angesehen, doch die Entdeckung seines bislang fast unberührten Grabes machte ihn zum berühmtesten der Herrscher Ägyptens. Howard Carter, als dessen Entdecker, erlangte ebenfalls Berühmtheit.

Nach der Eingangshalle werden die Besuchenden in einen Kinosaal geschleust, wo ein Film über den Vorgang der Entdeckung des Grabes gezeigt wurde. Es wurde über Carters Kindheit berichtet und sein langer Weg zur Entdeckung des Grabes. Auch wurde der Sponsor der Ausgrabung, Lord Carnavon, vorgestellt. Der Film wurde mittels Audioguide vertont, was interessant war. Es war ein lustiges Erlebnis, in einem Kinosaal zu sein, aber der Ton über Kopfhörer zu erlangen. Dieses Vorgehen war nötig, weil der Kinoraum von den anderen Räumen nur durch Vorhänge abgetrennt war.

Der Film endete mit dem ersten Blick Carters in die Vorkammer des Grabes, die er gerade erst entsiegelte. Sofort wird der Besucher weiter geschleust und man kriegt den ersten Geschmack auf das Kommende. In der Ausstellung werden nämlich zuerst die Grabkammern so gezeigt, wie sie Carter aufgefunden haben solle. Das heisst, alle Replikationen wurden so aufgestellt, wie sie in Carters Dokumentation aufgezeichnet wurden. Dies war sehr eindrücklich und ich musste mich auf den Audioguide konzentrieren, um nicht von den schönen Schätzen abgelenkt zu werden. In den folgenden Abschnitten der Ausstellung wurden die Fundstücke noch einzeln gezeigt, denn natürlich war es schwierig, in der vollgestellten „Kammern“ alles genau zu sehen.

Auf die mit Schätzen gefüllte Vorkammer  und Schatzkammer folgten die vier vergoldeten Schreine der Grabkammer. Diese wurden im Gegensatz zur Vorkammer, die von antiken Grabräubern durchwühlt wurde, versiegelt vorgefunden. Ihre Wände zeigen Szenen, die üblicherweise auf der Wand eines Pharaonengrabes aufgefunden werden, aber Tutanchamun starb unerwartet bevor sein Grab gebaut werden konnte. So konnte seine Reise ins Jenseits trotzdem gewährt werden. Die Wände sind mit Texten aus dem Totenbuch beschrieben: Szenen der Unterwelt, Schutzgötter und die Reise des verstorbenen Pharaos werden dargestellt.

Der Sarkophag des Tutanchamun wurde ebenfalls gezeigt, seine Verzierungen von vier geflügelten Göttinnen an den Ecken zeigen jedoch, dass er vermutlich nicht für Tutanchamun hergestellt worden war, sondern wie schon das Grab selbst durch den frühen Tod des Pharaos für ihn umfunktioniert wurde. Die Mumie selbst war in drei Särge gelegt, die alle in der Form des Pharaos dargestellt worden waren. Jeder ist individuell gekleidet und verziert, alle vergoldet und zum Teil mit Glas und Schmucksteinen belegt, doch sind alle mit den königlichen Insignien versehen. Die Ausstellung legte den innersten Sarg auf einen Spiegel, sodass die Besucher auch die Rückseite betrachten können, denn die Nachbildung der Mumie wurde mit dem innersten Sargboden zusammen aufgestellt.

Schliesslich wurde die berühmte Totenmaske gezeigt, die auch das Titelbild der Ausstellung ziert. Sie ist vermutlich ein Idealbild des Pharaos. Sie ist aus Gold gearbeitet und mit blauem Glas bestückt. Die Augen sind aus Obsidian und weitere wertvolle Steine schmücken Details. Der Kragen bildet den Sonnenuntergang nach.

Auf dem Rücken der Maske befinden sich Texte, die Körperteile mit Gottheiten gleichsetzt. So sind die Augen, die Augenbrauen, der Scheitel, der Hinterkopf, die Finger und die Haare genannt. Interessant ist, dass die Mumie goldene Finger- und Zehenschütze aufweist.

Damit war der Kontext des Grabes gezeigt und es wurden in den folgenden Räumen einzelne Fundstücke genauer beschrieben und gezeigt. Die Kanopen, Gefässe für die Eingeweide der Toten, sind von einem Anubis auf einem Schrein beschützt und in einem goldenen Schrein von vier Göttinnen umringt. Bei Tutanchamun ist speziell, dass diese Kanopen ebenfalls Mini-Särge sind. Ausserdem wurden im Grab noch die Mumien der Kinder des Tutanchamun gefunden. Sie waren beide vor oder kurz nach der Geburt verstorben, eines wurde zu früh geboren. Auch Dienerstatuen, sog. Uschebtis, und Schiffsmodelle, die das Leben im Totenreich erleichtern sollten, wurden gefunden.

Weitere Schätze waren die vergoldeten Streitwagen, zeremonielle Waffen, Kosmetikartikel, Nahrung und ein weiteres Prunkstück: der Thron des Tutanchamun, auf dem abgebildet seine Frau und (Halb-) Schwester Anchesenamun seine Schulter zärtlich mit Salbe einreibt. Auch wurden in der Schatzkammer zahlreiche versiegelte Kisten gefunden, die goldene Götterstatuen enthalten, darunter auch einige des Tutanchamun selbst. Da der Pharao nach seinem Tod wahrhaftig zum Gott wurde und schon zu Lebzeiten göttlichen Rang genoss, sind Statuen vom Pharaonen unter den Göttern keine Seltenheit.

Der ägyptische Totenkult

Als Pharao war Tutanchamun der lebende Gott, die Verbindung zu den Göttern unter den Sterblichen. Nach seinem Tod wird er zum richtigen Gott. Dem Glauben nach ist der Körper des Verstorbenen ein Teil des Jenseits, denn der Geist besucht den zurückgelassenen Körper immer wieder. Der Mensch setzt sich aus sechs Aspekten zusammen.  Zu den drei weltlichen, sterblichen Aspekten gehören die Körperhülle (Chet), der Name (Ren) und der Schatten (Schut). Darüber hinaus gab es drei geistige, unsterbliche Aspekte im Menschen: Ka, Ba und Ach. Das Ka versorgt den Menschen mit der Nahrung, die er im Jenseits braucht. Es ähnelt ihm wie ein Bruder. Das Ba ist mit dem Herzen des Menschen verbunden, verlässt den Körper nach dem Tod und kann nur zu ihm zurückkehren, wenn es ihn wieder erkennt. Mit dem Ba verschwindet auch die Persönlichkeit des Menschen. Mit seiner Hilfe kann der Mensch wie ein Vogel am Tag die Welt der Lebenden besichtigen. Im Ach vereinten sich diese Teile durch die Körperhülle. Durch ein Ritual während der Bestattung, das sogenannte Mundöffnungsritual werden die Toten wieder befähigt, die Sinne benutzen und erneut Nahrung aufnehmen zu können.

Somit ist die Mumifizierung ein wichtiger Teil des Sterbens, denn nur so kann die Erhaltung garantiert werden und das ewige Leben im Tod stattfinden. Der Prozess dauert 70 Tage und dabei werden zuerst die Organe entfernt und separat konserviert. Sogenannte Kanopen enthalten die vier Hauptorgane: Lunge, Milz, Leber und Darm. Diese besitzen jeweils eine Schutzgottheit, die auch bei Tutanchamun die Kanopen zieren oder bei älteren Mumien einfach genannt werden. Nach der Reinigung der Organe werden diese in den Kanopen beigelegt. Das Herz und die Nieren bleiben im Körper, das Gehirn wurde zum Teil entfernt.

Nach der Entfernung der Organe wurde der Körper in ein Natronbad gelegt und die leeren Stellen der Organe ebenfalls mit Natron gestopft. Somit wurde die Verwesung durch die Entfernung aller Flüssigkeit verhindert. Nach einer Zeitspanne von ungefähr 40 Tagen wurde die Mumie in ein Balsambad gelegt, um die Haut geschmeidig zu machen. Danach wurde der Körper mit Einbalsamierungsflüssigkeit gefüllt und mit Leinen oder Sägespäne die Organhöhlen ergänzt. Die Augen wurden ersetzt.

Danach folgte das sorgsame Einbalsamieren, jedes Glied wurde einzeln eingebunden bis schliesslich die bekannte Mumie entsteht. Zudem werden Amulette, Schmuckstücke und die Totenmaske mitgegeben. Die Totenmaske ist nur bei sehr reichen und mächtigen Menschen aus wertvollen Materialien. Bei anderen weist sie lediglich eine Karton-artige Konsistenz. Natürlich gilt dies für weitere Teile des Mumifizierungsprozesses, ärmere Leute müssen mit weniger wertvollen Prozessen zufrieden sein. Die ganz armen konnten sich den Vorgang nicht leisten. Durch ein Begräbnis in der Wüste konnte eine Art Mumifizierungsprozess für Ärmere erreicht werden. Man versuchte, mit den Toten in Kontakt zu bleiben. Feste wurden in den Namen der Toten veranstaltet und auch Briefe an die Toten waren keine Seltenheit.

Das Leben nach dem Tod verläuft für die Verstorbenen genauso wie vor dem Ableben: es gibt Arbeit, verrichtet werden muss, denn der ewige Wohlstand des Jenseits kommt nicht von alleine. Man muss schon die Äcker selber bearbeiten. Doch auch hat haben die reiche Schicht der Bevölkerung einen entscheidenden Vorteil: Die Uschebtis. Diese künstlichen Diener sind immer bereit, dem Ruf des Verstorbenen zu folgen und die Arbeiten an dessen Stelle zu verrichten. Wohlhabende konnten bis zu 365 Uschebtis in ihrem Grab haben, für jeden Tag des Jahres einer. Es gab aber auch Funde mit über 1000 Figuren in einem Grab. Auch die niederen Schichten hatten Uschebtis, doch deutlich weniger.

Der Verstorbene muss das Totenreich, die Duat, aber zuerst finden. Dabei müssen ein grosses Tor durchschritten, ein grosses Gewässer überquert und viele Gefahren überstanden werden. Der Pharao kann mit Re (der Sonnengott) auf dessen Barke fahren, während andere zu Fuss den Weg finden müssen. Der Verstorbene muss sich Tests unterziehen, welche die Rezitation von Namen der bewachenden Dämonen beinhalten. Nur so kann der Verstorbene weitergehen. Doch der grösste Test ist das Totengericht. Osiris, der Gott der ägyptischen Unterwelt, richtet über das Schicksal des Toten. Dabei wird das Herz des Verstorbenen auf eine Waagschale gelegt und als Gegengewicht eine Feder, das Symbol der Maat, der Gerechtigkeit, eingesetzt. Der Verstorbene muss schwören, dass nichts Sündhaftes in seinem Leben geschah. Darauf folgt eine erneute Rezitation der 42 Götter, die dem Totengericht beiwohnen. Ist die Waagschale mit dem Herz leichter als die Feder, so kann der Verstorbene ins Totenreich kommen. Ist das Herz jedoch schwerer, so wird es vom Ammit, einer hungrigen Gottheit, verschlungen. Ohne das Herz ist dem Verstorbenen ein Eintritt in das Jenseits verwahrt und der Verstorbene kommt ins Reich der ewigen Qualen. Kopfüber stehen die Toten für lange Zeit, bis sie schliesslich wieder vom Körper getrennt und die einzelnen Aspekte vernichtet werden. Dies bedeutet der endgültige Tod und die schlimmste Strafe.

Die Replikation der einzelnen Kammern ist sehr speziell und das Gefühl der Freude des Entdeckers Carter stellt sich ein. Es wird gut vorstellbar, wie er sich damals gefühlt haben musste. Die Atmosphäre ist am Anfang etwas dunkel, vor allem vor und nach dem Film, teilweise ist es etwas schwierig, die Anschriften zu lesen, wenn sie nicht gerade direkt beleuchtet sind. Dies ist jedoch nur an wenigen Stellen der Fall, ansonsten kommen die Besuchenden zu sehr viel Information. Ich habe hier nicht alles aufgeführt, es wurde zum Beispiel auch über den Tod des Tutanchamun spekuliert und neueste Forschungsergebnisse aufgeführt.

Die Ausstellung war sehr informativ und spannend, die Audioguides gaben eine abwechslungsreiche Ansicht auf die einzelnen Stücke. Durch Corona sind die Besucherzahlen beschränkt, was nur ein Vorteil sein kann, denn so hat man genug Zeit, sich die Replikationen genau anzuschauen, denn es gibt sehr spannende Details auf die zum Teil beim Audioguide selbst hingewiesen wird. Die Ausstellung ist auch für junge Besucher interessant, doch vielleicht haben nicht alle die Energie durch die 18 Audio-Stationen zu gehen. Es lohnt sich aber, wenn man sich die Zeit nimmt und alles anhört. Die nach Themen geordneten Stationen im zweiten Teil der Ausstellung, der Film und die volle Grabansicht sind sicherlich lohnend für alle an der ägyptischen Geschichte interessierten Personen.

Alain Liechti, 10. September 2020