Ein Besuch bei der Assembléia de Deus – Ministério do Belem

Geschichte und politischer Einfluss

Die Vereinigung der Assemblies of God wurde 1914 in Hot Springs USA während einer Konferenz mit internationalen pfingstlerischen Gemeindeleitern gegründet. Die Konferenz war einberufen worden, um die grundlegenden Eigenschaften und Richtlinien der Pfingstbewegung festzulegen. Kurz darauf schlossen sich weitere, mehrere Hundert Gruppierungen an. Heute bilden die Assemblies of God die weltweit grösste pfingstlerische Denomination.

In Brasilien wird die Glaubensgemeinschaft Assembléia de Deus genannt und ihr Hauptsitz liegt in Santa Rosa, Rio Grande do Sul, Brasilien. Dort geniesst sie grossen politischen Einfluss, der als rechtsreligiös beschrieben werden kann, und ist sogar an der Regierungskoalition des brasilianischen Präsidenten, Jair Bolsonaro, beteiligt.

Glaube

Die Gemeinschaft vertritt eine pfingstlich-evangelikale Glaubensrichtung. Dabei halten sie sich sehr stark an die Bibel. Sie glauben an eine göttliche Heilung, und auch die «himmlisch inspirierte» Zungenrede als Ausdruck der Kommunikation mit dem Heiligen Geist ist sehr typisch. Die konservativ-radikalen Charakteristika in der Pfingstbewegung sind in der Assembléia de Deus also deutlich spürbar. An dieser Stelle ist es vielleicht noch interessant zu erwähnen, dass die Website der Assembléia de Deus nur für diejenigen vollumfänglich zugänglich ist, welche der Gemeinschaft einen gewissen Beitrag gespendet haben. Ganz egal wie oft man versucht auf andere Links und Funktionen zu drücken, auf der Website wird man über die Gemeinde nicht schlau: als Nicht-Spender landet man nur immer wieder auf der Homepage, bei der oben rechts ein blauer, schwer übersehlicher Balken erscheint, in dem steht: «Leisten Sie Ihren Beitrag». Wenigstens gingen sie dort nicht sparsam mit der Auswahl um, wie man jetzt gerne bezahlen möchte.

Besuch bei der Gemeinde in Zürich

Am Sonntag, den 11.04.2021, machte ich mich dann selbst auf den Weg nach Zürich, um einen Gottesdienst der Assembléia de Deus live vor Ort mitzuerleben. Bevor ich jedoch gehen konnte, musste ich mich in ein Online-Formular auf Facebook einschreiben, da die Regelungen besagen, dass maximal 50 Leute vor Ort mitdabei sein dürfen. Zwar konnte man den Gottesdienst auch über Youtube-Live mitverfolgen. Ich war jedoch der Meinung, dass mir dadurch viele Eindrücke vorenthalten bleiben würden. Der Gottesdienst fing um 18.00 Uhr an, weshalb ich um 17.55 Uhr am Ort der Gemeinschaft war. Am Eingang traf ich auf eine Frau mittleren Alters, die etwas verunsichert schien. Sie fragte mich, ob man den Raum betreten dürfte. Daraufhin antwortete ich, dass ich davon ausgehe, es jedoch mein erstes Mal dort sei. Zufälligerweise war sie auch zum 1. Mal dort, woraufhin ich dann mit ihr den Raum betrat und mich neben sie setzte.

Begrüssung der «Neuen»

Unsere Gesichter wurden natürlich gleich als neue, erstmalige Besucher erkannt. Mehrere Leute kamen kurz vor Beginn der Gottesdienstes auf uns zu und hiessen uns willkommen. Wie sich später herausstellte, waren wir und noch zwei weitere Frauen zum ersten Mal dort. Dies erfuhr ich, weil während des Gottesdienstes eine junge Frau vorbeikam, um unsere Personalien aufzunehmen. Sie gab uns einen kurzen Fragebogen, in dem wir unsere Namen, E-Mails und Telefonnummern angeben mussten. Auch wurde im Fragebogen gefragt, welcher Konfession wir angehören und wie der Name der Person lautet, die uns die Gemeinschaft empfohlen hat.

Im Laufe des Gottesdienstes nahm der Pastor diese von uns ausgefüllten Fragebögen an sich und sagte, dass die neuen unbekannten Gesichter «auch Namen haben», und er diese gerne mit dem Rest teilen wollte. Der erste Name, den er vorlas, war meiner. Daraufhin machte ich mich bemerkbar, weil der Pastor mich voller Erwarten ansah. Kurz darauf waren alle Blicke auf mich gerichtet, und ich wurde von allen Besuchern von ihren Plätzen aus willkommen geheissen. Dabei sagten sie im Chor einen kurzen Willkommensspruch, welchen ich im Laufe des Abends von den Mitgliedern der Assembléia de Deus mehrmals gehört habe. Der Pastor fragte mich, ob ich zusammen mit der Frau gekommen bin, welche mir anfangs am Eingang begegnet ist, und die neben mir sass. Ich antwortete ihm, dass ich alleine gekommen bin. Alle Augen, immer noch auf mich gerichtet, lächelten kurz, bevor der Pastor die weiteren Namen vorlas und der Fokus von mir zu den anderen überging.

Das Publikum

Die Mehrheit der Besuchenden war weiblich, jedoch waren auch viele Männer mit dabei. Das Alter der Leute war sehr durchmischt. Von sehr jung, also Kinder, bis zu sehr alt: jede Altersklasse war repräsentiert. Da der Gottesdienst rein auf Portugiesisch stattfand, gehe ich davon aus, dass nur Brasilianer anwesend waren. Als ich mich etwas umhörte, habe ich auch keinen portugiesischen Dialekt gehört, sondern rein brasilianische. Man kann also sagen, dass die Gottesdienste der Assembléia de Deus Zürich hauptsächlich von Brasilianern besucht wird.

Was mir von Beginn aus aufgefallen ist, ist dass die anwesenden Leute so wirkten, als seien sie sehr oft dort. Jeder redete mit jedem, als würden sich alle kennen. Auch während des Gottesdienstes standen einige, vor allem Kinder, immer wieder auf, wechselten ihre Plätze, um neben anderen Bekannten zu sitzen und redeten auch miteinander, sogar während der Pastor sprach. Dies empfand ich jedoch nicht als sonderlich störend, sondern eher als angenehm, da es nicht allzu fest von der Predigt ablenkte und eine entspanntere Atmosphäre dadurch geschaffen wurde. Die Leute wirkten fast ein wenig wie eine kleine Familie.

Der Gottesdienstraum

Der Raum, in dem der Gottesdienst stattfand, war gross und schön eingerichtet. Die Decken waren ziemlich hoch, weshalb der Raum noch grösser wirkte, als er tatsächlich war. Die Wände waren holzig, die Farbe des Raums in einem bräunlich-orangenem Ton. Die Beleuchtung war sehr angenehm und trug zur entspannten Aura des Raums bei. Im Raum waren sehr viele Stühle, sodass selbst mit den 30 Anwesenden, die es in etwa schlussendlich waren, sehr viele Stühle leer blieben. Ganz vorne im Raum war die Bühne. Auf der Bühne gab es ein modern aussehendes Schlagzeug, einen schwarzen Klavierflügel, ein Redepult, Pflanzen und weitere Dekorationen. Die Bühne war weder überfüllt, noch leer. Wer auch immer den Gottesdienstraum eingerichtet hat, wusste, was er tat.

Beginn des Gottesdienstes

Der Gottesdienst begann etwa um 18.03 Uhr und endete um 20:00 Uhr. Zu Beginn begrüsste der Pastor alle kurz und dann ging es auch schon mit dem ersten Gebet los: wie aufeinander abgestimmt gingen alle automatisch auf die Knie und nahmen eine Bethaltung ein, in dem ihre ineinander verhakten Hände auf den Stühlen lagen und ihre Rücken zum Pastor zeigten. Ich tat es ihnen gleich. Das Anfangsgebet dauerte etwa 15 Minuten. Der Inhalt des Gebetes war vertrauter Natur, nichts sonderlich Aussergewöhnliches: Gott wurde verehrt und die Dankbarkeit gegenüber Jesus wurde mit viel Emotion und teils zittriger Stimme in Worte gefasst.

Piano-Begleitung während des Gottesdienstes

Etwa zwei Minuten nach Anfang des Gebets setzte das Klavierspiel ein. Wie ich nach dem Gebet sah, handelte es sich beim Pianisten um einen jungen Mann, den ich auf die 20 Jahre alt schätze. Er spielte die ganzen zwei Stunden durch. Dabei spielte er die meiste Zeit über eine begleitende Melodie, dessen Atmosphäre sich stets der Predigt anpasste: wenn der Pastor lauter wurde, wurde auch die Musik lauter und etwas harter gespielt. Wurde der Pastor leiser, passte sich der Pianist ebenfalls an.

Der Gesang

Allgemein wurden viele christliche, stets portugiesische Lieder gesungen, die immer etwa gleich klangen. Jedoch wurde bei den gesungenen Liedern nicht das Klavier gespielt, sondern aus der Stereoanlage die Melodie wiedergegeben. Den Text sah man vorne auf einer Leinwand, sodass man mitsingen konnte. Gegen Ende des Gottesdienstes kamen sogar einige Kinder auf die Bühne, um ein Lied zu singen.

Die Predigt

Der Inhalt der Predigt umfasste fast nichts, was nicht auch aus herkömmlichen reformierten Gottesdiensten vertraut ist. Gott wurde verehrt und die Liebe und Dankbarkeit zu ihm wurde deklariert. Nebst dem Pastor kamen noch fünf weitere Leute, darunter ein Jugendlicher, auf die Bühne, die je eine 15-minütige Predigt gehalten haben. Dabei gingen sie immer gleich vor: Einen kurzen Einstieg mit Worten aus ihrem Herzen, eine Bibelstelle vorlesen, über diese Bibelstelle reden und ein Gebet zum Abschluss. Die Kernaussage dieser Leute war jedoch immer mehr oder weniger dieselbe: Wir müssen vollstes Vertrauen in Gott haben, egal was in unseren Leben gerade passiert.

Der Spendenaufruf

Allgemein empfand ich den Inhalt des Gottesdienstes als sehr redundant, weshalb mir die zwei Stunden Gottesdienst sehr lange vorkamen. Nicht untypisch war ausserdem der Spendenaufruf. Dabei stellte sich der Pastor mit einer hochkantigen Kiste vorne im Raum hin, während die Leute nach vorne kamen und Bargeld in die Kiste warfen. Während sie dies taten, segnete sie der Pastor mit ausgestreckter Hand, indem er ihnen an den Kopf langte.

Gebet für Italien

Eine Besonderheit gab es allerdings: Als eine Frau auf die Bühne kam, erwartete ich den gleichen Ablauf wie bei denen zuvor. Sie erzählte aber etwas anderes. Die Assembléia de Deus hat ein Projekt am Laufen, in dem jeden Monat ein anderes Land zum Fokus ihrer Gebete gewählt wird, quasi als Zielland. Diesen Monat war das Italien. Die Frau begann ihre Predigt, in dem sie einen kurzen Text über die Glaubenssituation in Italien vorlas. Anscheinend sind 6% aller Italiener Atheisten. Um dies zu ändern, wurden wir alle dazu aufgefordert, für diese Leute zu beten, so dass sie zu Gott finden. «Wer Jesus nicht kennt, ist orientierungslos.» Die Frau sagte, dass das Leben nur mit Gott und Jesus einen Sinn und Zweck habe. Daraufhin erklang ein lautes «Halleluja» aus dem Publikum.

Kirchenmitglieder oder christliche Gläubige

Was mir im Laufe des Abends mehrmals aufgefallen ist, war, dass die Leute immer von «wir als Kirche» sprachen, selbst dann, wenn der Ausdruck «wir als Christen» angebracht wäre. Es ist gut möglich, dass dies keine weitere Bedeutung hat. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass die Mitglieder der Assembléia de Deus dadurch zu zeigen versuchen, dass sie eine von Gott auserwählte Gruppierung sind. Es wirkte manchmal so, dass es nicht reicht, bloss Christ zu sein und an Jesus zu glauben, um in den Himmel zu kommen. Die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft sei unerlässlich.

24-Stunden-Gebet auf Zoom

Ebenfalls erfuhr ich, dass die Gemeinschaft eine 24-stündige Verehrung Gottes plant, wo sich alle gemeinsam auf Zoom treffen werden, um zu Beten. 24 Stunden lang. Ich schien mir dies als einzige nicht antun zu wollen.

Freundliche Konservative?

Die Assembléia de Deus hat mir von allen brasilianischen Gemeinschaften, die ich bislang in deutschsprachigen Raum im Namen von Relinfo besucht habe, am besten gefallen. Die Leute waren freundlich und einladend und obwohl die eine Situation womöglich etwas unangenehm war, fühlte ich mich weniger beobachtet als bei den anderen von mir besuchten Glaubensgemeinschaften. Was ich bei meiner Vorrecherche im Internet über die Gemeinschaft gelesen habe schien kontroverser als der eigentliche Gottesdienst. Dennoch machten sich einige pfingstlich-evangelikale charakteristische Merkmale bemerkbar, wie die lauten enthusiastischen Ausrufe der Besuchenden, den schreienden Pastor und auch die Abneigung gegenüber Andersdenkenden.

Laura Meyer, 12. April 2021