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  AAO Aktionsanalytische Organisation
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  AAO - Aktionsanalytische Organisation
Kurzinformation
Die Aktionsanalytische Organisation wurde 1972 von dem aus dem österreichischen Burgenland stammenden Aktionskünstler und Bürgerschreck Otto Muehl gegründet. Der im Jahr 1925 geborene ehemalige Hauptschullehrer Muehl wurde bekannt durch seine blutigen Kunst-Happenings. Er sammelte Leute aus der linken Wiener 68er-Szene um sich und zog Kommunen auf in Wien und später in einem zerfallen Gehöft, dem Friedrichshof am Neusiedler-See. Zentrale Anliegen waren die Abschaffung von Privateigentum, das «Ende der Zweierbeziehung» und der «verbrecherischen» Kleinfamilie, was durch «freie Sexualität» und «gemeinsames Kinderaufwachsen» erreicht werden sollte. Kahlgeschorene Köpfe und Latzhosen galten als ihr Markenzeichen. Muehl sah sich nach einer abgebrochenen Psychoanalyse befähigt, ritualisierte Exorzismen zu leiten, die er «Aktionsanalyse», später «Selbstdarstellung» nannte.

Mit Kursen, der Gründung von AAO-Filialen (z.B. in Berlin, Paris, Zürich, Amsterdam und Oslo), mit «Kulturzentren» und Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben brachte es die Gruppe zu ansehnlichem Vermögen. Mitte der 80er-Jahre zog Muehl für sein «Jahrtausend-Experiment» mit 200 Anhängern auf die kanarische Insel La Gomera. Darauf heiratete er seine «erste Frau», die Schweizerin Claudia Weissensteiner, deren Sohn als «Thronfolger» bestimmt wurde. Es schlichen sich zunehmend hierarchische und feudalistische Strukturen ein. Das «Recht auf die erste Nacht» wurde dem Übervater Muehl denn auch zum Verhängnis. 1991 wurde er verhaftet und verurteilt wegen Drogendelikten, Unzucht mit Minderjährigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses. Die Kommune auf dem Friedrichshof wurde Genossenschaft. Nach seiner Haftentlassung 1997 zog Muehl mit einer Gruppe von Getreuen nach Portugal.

 

Die AAO versteht sich prinzipiell als unreligiös, als «Lebenspraxis der biologischen Grundbedürfnisse», als «neuen Humanismus». Die Lehre der AAO speist sich aus Ideen des Marxismus, von Rousseau, Psychodrama, Rebirthing, Wilhelm Reichs Theorie der Charakterpanzerung und Janovs Urschreitherapie. Die gesellschaftlichen Zustände werden auf die (Kleinfamilien-) Schädigung der Menschen zurückgeführt. Die so entstandene Charakterpanzerung soll durch die Methode der «Selbstdarstellung» aufgebrochen werden: In einem mit Trommeln und Klaviergeklimper des Meisters untermalten schauspielähnlichen Unterwerfungsakt sollen durch Schreien, Tanzen und Kotzen in einem trancehaften Zustand möglichst sämtliche Angst-, Scham-, Ekel- und Tabuschranken radikal durchbrochen werden. Die dadurch ermöglichte «echte Wiedergeburt» führt zu einem neuen Menschsein mit höchstem «AA-Bewusstsein». Die (angeblich) unverfälschte Natur kommt zum Vorschein, und ein neues Gesellschaftsmodell, eine «Weltbewegung» wird damit ausgelöst.

 

Die AAO wagte es, als romantisch-utopische Gemeinschaft radikale alternative Lebensmodelle auszuprobieren. Otto Muehl selbst bezeichnet das Experiment als gescheitert. Er lehnt inzwischen die «Kommuneideologie» samt «freier Liebe» ab, weil sie die wirklichen menschlichen Bedürfnisse negiert, und propagiert eine kleine Gruppe, da sie besser überblickbar und gefühlsmässig erfassbar sei. Die Abhängigkeit der Mitglieder von der Gruppe und der Führerpersönlichkeit, totale Kontrolle, gegenseitige Bespitzelung, die Abkapselung von der Umwelt und der Glaube an die Machbarkeit des «neuen Menschen» erweisen sich als problematisch. Ebenso, dass Lebensgesmeinschaft und Therapie eine Einheit bilden und es somit keine konkreten Therapieziele und damit kein Ende der Therapie mehr geben kann. Psychische Schädigungen bleiben denn auch nicht aus, da das Kollektiv immer über das Wohl des Einzelnen geht und die angestrebte Befreiung zu neuen Abhängigkeiten führt. Sozialisationsschäden bei den Kindern sind zu befürchten. Dass sich Menschen als Material für ein gesellschaftliches Experiment, ein Kunstwerk, missbrauchen lassen und insbesondere ihre Kinder dem aussetzen, ist bedenklich.

 

Statistik: Zu ihren besten Zeiten gehörten der Bewegung über 500 Leute an. Die Gruppen haben sich mittlerweile grösstenteils aufgelöst oder verselbständigt. Es verbleibt ein harter Kern von 20 Leuten um Muehl.

Martin Zürcher, 2000
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