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  Die Amischen Amish
  Uebersicht
  Die Amischen
aus: Leben & Glauben 1997
Frage
Ich bitte um Auskunft über die Amischen, über ihren Gründer, ihre Lebensweise, ihre Gebote und Verbote

T. Z. in W.

Antwort
Jakob Amann - nach dem sich die Amischen benennen - war im aus gehenden 17. Jahrhundert ein Mennoniten-Ältester im Emmental. Wie alle Täufer, die sich auf das Schleitheimer Bekenntnis berufen, verwarf Amann die Kindertaufe, den Militärdienst, die Todesstrafe, das Engagement des Christen in staatlichen Ämtern und jeden Eid. Mit allen Täufern unterstrich er die Notwendigkeit einer möglichst reinen Kirche und einer Distanz zur Welt. Sünder sind zu ermahnen, wenn sie nicht Busse tun, werden sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen ("gebannt"). All diese Forderungen empfanden und empfinden die landeskirchlichen "Normalprotestanten" schon als radikal. Doch für Amann war dieser übliche Mennonitenglaube noch nicht radikal genug. Nach seinen Vorstellungen darf kein Christ, dessen Ehepartner gebannt wurde, mit der gebannten Person Tischgemeinschaft haben und eheliche Gemeinschaft pflegen, bis der Bann aufgehoben wird. Und echte Christen - dies verlangte Amann überdies - bekämpfen alle neuen Kleidermoden, weil Moden nur den Hochmut reizen. Knöpfe an Kleidern galten damals als neue Mode. Amann wollte von Knöpfen nichts wissen. Der wahre Christ trägt Kleider mit Häkchen. Die korrekte Männerkleidung ist schwarz. Alle tragen den breiten Hut. Schlicht kleidet sich und lebt der Christ, schlicht ist sein Denken, Fühlen und Verhalten. Wie lässt sich diese Schlichtheit einüben? Der einzelne Christ verzichtet so weit wie nur irgend möglich auf Entfaltung seiner Individualität. Jeder und jede integriert sich in die Gemeinschaft. Die Fusswaschung, die Amann als religiösen Ritus in seine Gemeinde einführte, wird zum Symbol dieser Schlichtheit und Bescheidenheit. Ein rechter Christ im Sinne von Amann ist die Bescheidenheit in Person. Die radikalen Forderungen von Amann führten zu einer Spaltung in der Mennonitenbewegung der Schweiz und Süddeutschlands. Amann belegte alle mit dem Bann, die nicht so radikal dachten wie er. Wo aber liess sich dieses möglichst perfekte christliche Gemeinschaftsleben am besten verwirklichen?

Nach 1700 ziehen die Amischen in die Neue Welt, wo sie noch heute um Pennsylvania ihr Hauptverbreitungsgebiet haben. Die weiten, noch kaum bevölkerten Landschaften erlaubten ein Leben in grösstmöglicher Distanz zu den Weltkindern. Allerdings kann niemand ganz ohne Welt leben. Die Amischen waren im Verlauf ihrer weiteren Geschichte ständig vor die Aufgabe gestellt, auf Neuerungen in ihrer Umgebung zu reagieren. Und nicht alle Amischen reagierten in der gleichen Weise. Manche liessen gewisse Konzessionen an die neue Zeit zu, andere blieben so rigoros wie nur möglich in ihren Kleidermoden und in ihrem Arbeitsstil im späten 17. Jahrhundert, in der Zeit von Jakob Amann, stehen. Missionarisch wirkte keine dieser Gruppen. Nur durch Kindersegen vermehrten sich die Gemeinschaften. Die radikalsten lehnen noch heute alle Knöpfe ab, fahren nur mit Pferdekutschen, besuchen keine höheren Schulen, versammeln sich sonntags reihum in den Häusern zu einem dreistündigen Gottesdienst in einem alten Deutsch und stärken die Gemeinschaft zum Beispiel dadurch, dass alle miteinander für Glaubensgeschwister in einem einzigen Tag eine neue Scheune errichten. (Wie alle Mennoniten, sind die Amischen fleissig und tüchtig; Arbeit ist Gottesdienst.) In ihrem Verzicht auf Kirchenbauten und Gemeinschaftsräume betonen sie die geforderte Identität von Alltag und Gottesdienst. Die liberalsten unter den Amischen - die Beachy Amish, so benannt nach dem amischen Bischof Moses Beachy - verwenden an ihren Kleidern Knöpfe, bauen Gemeinschaftshäuser und benutzen neuerdings auch Autos, Telefone, Traktoren und in ihren Häusern elektrisches Licht. Zwischen diesen radikalsten und den liberalsten Gruppen finden sich heute noch Amisch-Gemeinschaften mit sanften Neuerungen, zum Beispiel amische Gruppen, die sich in ihren Gottesdiensten der englischen Sprache bedienen. Alle Amischen demonstrieren der übrigen Christenheit, wie notwendig und wie schwierig es für Christen ist, in dieser Welt und nicht von dieser Welt zu sein. Keine christliche Gemeinschaft hat - abgesehen von klösterlichen Ordensgemeinschaften - so radikal wie Jakob Amann den Weg der grösstmöglichen Distanz zur Welt gewählt. Dass die Welt Mühe hat, diese "gläubigen Exoten" wirklich zu respektieren, zeigt der Umstand, dass die Amischen zu einer Touristenattraktion wurden. Und dass menschliche Gemeinschaft sich nur mit grossen Schwierigkeiten in derartiger Isolation erhalten kann, zeigt der andere Umstand, dass die Amischen - wie könnte es nach drei Jahrhunderten isolierter Gemeinschaft anders sein? - unter Inzucht leiden.

Georg Schmid, 1997
Letzte Aenderung 1997, © L&G 1997, Infostelle 2000
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