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Chinmoy Kumar Ghose - Leben und Entwicklung zum Guru
Als jüngstes von sieben Kindern wird der Bengale Chinmoy Kumar Ghose am 27. August 1931 in Shakpura in der Nähe von Chittagong im heutigen Bangla Desh geboren. Mit elf Jahren verliert der Junge seinen Vater und mit zwölf Jahren seine Mutter, worauf die Geschwister in den Ashram von Sri Aurobindo nach Pondicherry gebracht werden; Chinmoys ältester Bruder hat schon vorher mit dem Ashram in Kontakt gestanden. Bis 1964, also 20 Jahre lang, bleibt Chinmoy im Ashram, eine ungewöhnlich lange Zeit, die ihn nachhaltig geprägt haben dürfte. Sri Aurobindo (1872 - 1950), ein bengalischer Brahmane, sah in sich einen Teil der herabgekommenen göttlichen Wahrheit realisiert. Er entwickelte den "Integralen Yoga", der in den herkömmlichen Yoga künstlerische und sportliche Impulse integriert, um eine kosmische Höherentwicklung zu erreichen. Dabei wird der Begriff der "Religiösen Evolution" bedeutsam: Die Grenze zwischen Gott und Mensch ist fliessend. Die individuelle Seele erreicht im Verlaufe der persönlichen Evolution das höchste Selbst und wird vergöttlicht. Den "Integralen Yoga" wird Chinmoy in seine Lehre mit einigen Änderungen aufnehmen.

Der Ashram Aurobindos wird nach dessen Tod geleitet von Mira Richard (1878 - 1973), überall nur "Die Mutter" genannt. Anfänglich eine Anhängerin Aurobindos wird sie nach dem Tode dessen erster Frau zu seiner Lebensgefährtin.

In Pondicherry erhält Chinmoy eine Schulausbildung, wird aber auch in Kunst und Sport gefördert. Er soll in dieser Zeit bereits grosses künstlerisches Talent besessen haben und über Jahre hinweg der schnellste Läufer im Ashram gewesen sein. Auch spirituell scheint Chinmoy besonders begnadet, denn bereits im Alter von zwölf Jahren habe er "Nirvi Kalpa - Samadhi", höchstes transzendentales Bewusstsein erreicht.

1965 verlässt Chinmoy den Ashram und zieht nach New York, wo er eine Stelle im indischen Konsulat annimmt. Ab 1967 beginnt er öffentlich aufzutreten und erste Schüler um sich zu sammeln. Ab Mitte der 70-er Jahre wird er zunehmend auch in Europa tätig und scheint vor allem zu Deutschland eine besondere Liebe zu entwickeln. So bezeichnet er sich heute auch als "Geistiger Vater von ganz Deutschland und der deutschen Soldaten". Nach dem Fall der Mauer gewinnt Chinmoy viele Anhänger mit Hilfe seiner Friedensveranstaltungen. In Deutschland soll auch der erste Tempel der Chinmoy-Bewegung errichtet werden.

Chinmoy versteht sich als Guru, was zu Deutsch etwa mit "spiritueller Lehrer" übersetzt werden könnte. Gleichzeitig ist er aber mehr als das:

"Chinmoy, so wird gelehrt, befinde sich auf einer Ebene mit den 'grossen Meistern wie' Buddha, Krishna oder Christus. Er sei wie diese ein erleuchteter Lehrer, der das universale Bewusstsein besitze, und damit Zugang zu allen Bewusstseinsebenen habe. Dadurch könne er auch jederzeit die geistige Vereinigung mit allen seinen Schülern durchführen. Er als Meister habe den Körper eines Menschen und das Leiden aus freien Stücken auf sich genommen - im Gegensatz zu den unbewusst lebenden Menschen.Offensichtlich wird Chinmoy in seiner Bewegung als 'Avatar', als herabgestiegene Erscheinung (des Gottes Brahma) angesehen." (Gandow: 22)

Chinmoy ist geprägt von indischer Spiritualität (mit allen wesentlichen Elementen indischer Philosophie wie Reinkarnation, Karmalehre und Verständnis des Gurus als personifizierter Erleuchtung). Das "Sri" in seinem Namen bedeutet in etwa "Göttlicher" oder "Majestät". Viele indische Gurus führen diesen Beinamen, zum Beispiel auch Aurobindo.

Chinmoy ist aber nicht nur spiritueller Meister, er ist ein Wunderkind und Genie auf vielerlei Ebenen. So wird oft betont, wie er in kürzester Zeit Hunderte von Büchern und Tausende von Liedern geschaffen habe, ohne deren künstlerische Qualität unter die Lupe zu nehmen. Ausserdem spielt Chinmoy diverse Instrumente und verfügt über aussergewöhnliche Kräfte, mit denen er sogar Elefanten in die Luft stemmen können soll (s.u.).

"Der Weg des Herzens": Die Lehre Sri Chinmoys
Sri Chinmoy lehrt nach eigenen Angaben "einen modernen, ganzheitlichen Yoga, der viele Aspekte des menschlichen Wesens und westlichen Lebens miteinbezieht" und seine Wurzeln im Hinduismus hat. Die tägliche, regelmässige Meditation auf das Herzzentrum hin (Bhakti-Yoga), bildet den Hauptinhalt der Lehre und soll als "Weg des Herzens inneren Frieden, Freude, Licht und Liebe" vermitteln. Dem Schüler soll es so gelingen, zur tiefsten, befreiendsten Erfahrung zu gelangen, zum Einssein mit Gott. Der "Supreme" (in der Bewegung Name für Gott) kann durch regelmässige Meditation verinnerlicht werden. Hier wird der Einfluss Aurobindos mit seinem Gedanken der "religiösen Evolution" deutlich. Die individuelle Seele kann durch stete Übung aufsteigen und sich immer näher zu Gott hin entwickeln. Der ursprünglichen hinduistischen Auffassung, dass der Mensch in einer unendlich langen und mühseligen Kette von Wiedergeburten sich langsam dem Göttlichen zu nähern vermag, wird hier eine Abkürzung entgegengehalten: Durch die Meditation auf das Bild vom Meister Sri Chinmoy kann schon im jetzigen Leben die eigene Göttlichkeit realisiert werden. Dabei behilflich ist insbesondere die Erfahrung des "Transzendierens", der Grenzüberschreitungen des eigenen Ichs. Grenzen auferlegen sich Menschen stets selber, und die meisten wissen gar nicht, wozu sie fähig wären, wenn sie ihre Kräfte erst einmal richtig mobilisieren würden. Das Durchbrechen von Ängsten setzt Lebensenergien frei. Auch dieser Lehransatz hat eine Tradition; er hat seine Wurzeln im Kundalini-Yoga. In der Chinmoy-Bewegung wird der Gedanke des "Transzendierens" aber zu einer regelrechten Rekordjagd und die Schüler müssen versuchen, sich stets selber neu zu übertreffen. Dabei ist jede Tätigkeit recht - sei sie noch so absurd - solange sie nur in einem genügend hohen Mass ausgeführt wird, zum Beispiel 10'000 Radüberschläge machen oder 10'000 Minuten non-stop-Meditation. Auch künstlerische Leistungen sind stets willkommen, so spielen viele der Mitglieder mehrere Instrumente, wobei das Niveau wiederum eher sekundär zu sein scheint.
Meditation als Kommunikation mit dem Guru
Die Meditation, wie Chinmoy sie lehrt, ist Teil eines dreifachen Yoga, der aus Konzentration, Meditation und Kontemplation besteht. Alle drei Elemente sollen täglich geübt werden und den Schüler zu einem bewussteren und erfüllteren Leben führen. Am Anfang steht jeweils die Konzentration, die aus Atemübungen, der richtigen Körperhaltung und Mantra-Rezitation besteht. Als Mantra empfiehlt sich entweder "Supreme" oder der Name des Gurus selber, "Chinmoy". Dabei soll das Bild des Meisters intensiv angesehen werden. Aus dieser grossen Konzentration heraus folgt die Meditation. Die Schüler meditieren dabei immer vor dem "Transzendentalen Bild", einem Bild Chinmoys, auf dem er mit leerem Blick, die Pupillen unsichtbar nach hinten gedreht, abgebildet ist. Chinmoy beschreibt dieses Bild folgendermassen:
"Doch meinen ergebenen Schüler (sic!), die an mich glauben, kann ich versichern, dass mein Transzendentales Bild nicht meinen physischen Körper oder meine menschliche Persönlichkeit darstellt. Es stellt nicht mich, Chinmoy Kumar Ghose dar. Dieses Bild wurde aufgenommen, als ich in meinem höchsten Bewusstsein war, und in diesem Bewusstsein bin ich völlig eins mit dem Supreme. Dieses Bild stellt für jeden Sucher, der mich als seinen Guru angenommen hat, den Supreme dar. Wenn meine Schüler vor diesem Bild meditieren, dann fühlen sie, dass sie nicht vor mir, sondern vor ihrem wirklichen Guru meditieren, und der wirkliche Guru ist der Supreme. Der Supreme ist der ewige Guru - mein Guru, Ihr Guru, der Guru aller Menschen. Ich stelle ihn nur für jene dar, die Glauben an mich haben, wie es andere Meister gibt, die den Supreme für ihre Schüler darstellen. Wenn sie also auf mein Bild meditieren, betrachten Sie dieses Bild bitte nicht als Bild eines Menschen. Denken Sie daran, was dieses Bild darstellt. Zumindest für meine Schüler stellt dieses Bild jemanden dar, der das Höchste verwirklicht hat." (Meditation: 231)

Das Ziel der Meditation ist die Kommunikation mit dem Guru, der während seiner Meditation auch die Bilder all seiner Schüler vor sich haben soll. Indem man sich in der Meditation ganz in den Guru hinein versenkt, soll man eins werden mit ihm. Als "innerer Pilot" kann Chinmoy seine Schüler führen und ihnen Energie vermitteln. Ein weiteres Ziel der Meditation ist das Streben nach Reinheit und Wahrheit. Das Herz soll sich ganz dem "Supreme" zuwenden und seine Liebe in sich aufnehmen, um frei zu werden von irdischen Gelüsten und Abhängigkeiten. Dabei behilflich sind auch gewisse praktische Regeln, die das Leben der Chinmoy-Schüler prägen wie zum Beispiel die vegetarische Kost oder die sexuelle Enthaltsamkeit (s.u).

Leben als Chinmoy-SchülerIn
Den Weg zu Sri Chinmoy finden die meisten über einen Meditationskurs. Dabei handelt es sich um Vorträge, die dem Titel nach meist wie objektive Einführungen in diverse Meditationstechniken wirken (zum Beispiel "ABC der Meditation"). Bei grösseren Werbekampagnen werden die Vorträge meist vom Zürcher Diplompsychologen und Europa-Leiter der Chinmoy-Bewegung Andreas Beyer (Gruppenname Kailash) geleitet, ansonsten von anderen Mitgliedern. Letztlich sind die Veranstaltungen aber doch meist eine Hinführung zu Sri Chinmoy als Meditationslehrer. Auf den Plakaten mit den Veranstaltungshinweisen findet sich selten - oder wenn, dann nur kleingedruckt - der Name von Chinmoy, und die Vorträge finden meist in neutralen öffentlichen Räumlichkeiten statt (Pfarreiheime, Gemeindesäle), was den BesucherInnen der Vorträge eine klare Meinungsbildung im Vornherein verunmöglicht. Auf den ersten Vortrag folgen meist weitere Abende, zu denen herzlich eingeladen und vor allem auf deren Wichtigkeit gepocht wird. Wer die Gruppe um Sri Chinmoy besser kennenlernen will, wird eingeladen ins "Center", dem Versammlungsort der Gruppe. Centers in der Schweiz finden sich in Zürich, Basel, Bern, Genf, Schaffhausen und Winterthur. Nach etwa einem halben Jahr loser Verbindung zu einem der Centers, können Interessierte als SchülerInnen aufgenommen werden. Einen eigentlichen Initiationsritus gibt es nicht; eine Fotografie des Anwärters oder der Anwärterin mit Angaben zur Person (wie etwa Beruf und Zivilstand) auf der Rückseite des Bildes wird an Sri Chinmoy persönlich gesandt. Akzeptiert dieser den neuen "persönlichen Schüler" ist das Mitglied aufgenommen. Ablehnungen von neuen SchülerInnen seien selten, kämen aber doch vor.

Sri-Chinmoy-SchülerInnen meditieren täglich und zwar am besten drei Mal pro Tag:

"Wenn ihr ein spirituelles Leben führen wollt, müsst ihr mindestens einmal am Tag meditieren. Dies ist unerlässlich. Besser ist es, mindestens dreimal am Tag zu meditieren - früh am Morgen, um zwölf Uhr mittags oder während der Mittagspause und am Abend. Die Meditationen am Morgen und am Abend sollten länger dauern - mindestens eine halbe Stunde - während für eure Meditation am Mittag fünf oder zehn Minuten genügen. Wenn es nicht möglich ist, eure Seele dreimal am Tag zu ernähren, ernährt sie wenigstens einmal." (Meditation: 109)

Die beste Zeit für die Morgenmeditation ist zwischen 3 und 4 Uhr morgens. Chinmoy erwartet von seinen SchülerInnen, dass sie einmal vor 6.30 Uhr in der Früh meditieren, weil Chinmoy sich zwischen 2 Uhr und 6.30 Uhr auf sie konzentriert und nur so eine geistige Kommunikation mit ihnen zustande kommen kann (die offenbar auch eine Zeitverschiebung überwindet...). Nebst der individuellen Meditation treffen sich die Mitglieder einmal wöchentlich im Centre zur Gruppenmeditation. An diesem Anlass werden auch Texte des Gurus gelesen und gemeinsam Lieder gesungen zu Ehren des "Supremes". Zusätzlich finden einmal im Monat Week-ends statt, an denen sich Mitglieder aus ganz Europa versammeln. Mehrmals im Jahr besteht zudem die Möglichkeit, den Guru in New York persönlich kennenzulernen oder ihn auf einer seiner Konzert-Tourneen zu begleiten.

Um den Weg der Liebe zu gehen und sich ganz auf das Essentielle konzentrieren zu können, halten sich die SchülerInnen auch an Regeln, die das Alltagsleben betreffen, wie zum Beispiel die vegetarische Ernährung:

"Die vegetarische Diät spielt im spirituellen Leben eine äusserst wichtige Rolle. Für den Strebenden ist Reinheit von grösster Wichtigkeit. Wir müssen diese Reinheit im physischen, vitalen und mentalen Bereich fest verankern. Wenn wir Fleisch essen, dringt das aggressive tierische Bewusstsein in uns ein. Unsere Nerven werden erregt und rastlos. Das kann unsere Meditation stören. Wenn ein Sucher nicht aufhört, Fleisch zu essen, wird er normalerweise keine subtilen Erfahrungen, subtilen Visionen oder subtile Verwirklichungen haben. (...) Fisch zu essen ist noch schlimmer. Tiere sind von Natur aus aggressiv, doch gleichzeitig ist im tierischen Bewusstsein ein gewisser dynamischer Vorwärtsdrang enthalten. Ein Fisch hingegen ist eine Kreatur voller Faulheit, Trägheit, Regungslosigkeit, Unreinheit und Unbewusstheit." (Meditation: 86f)

Eine ausgewogene, gesunde Ernährung soll den Chinmoy-AnhängerInnen ein Hilfsmittel sein zu einer gelingenden Meditation. Gemieden werden auch Genussmittel wie Alkohol, Nikotin und Koffein. Ebenso sollen die SchülerInnen sich von Leidenschaften befreien lernen. Dazu gehört auch die sexuelle Enthaltsamkeit. In der Ehe gelten Sonderregelungen, aber auch hier bleibt Enthaltsamkeit als Ideal bestehen. Unverheiratete Mitglieder wohnen oft in nach Geschlechtern getrennten Wohngemeinschaften.

Neben der Entscheidung, ein Leben als Chinmoy-SchülerIn zu führen, kann durchaus einem normalen Beruf nachgegangen werden, betonen die Pressesprecher immer wieder. Ins Alltagsleben des Individuums mische sich keiner ein. Tatsächlich ist es aber so, dass gerade junge SchülerInnen, die noch in der Ausbildung stecken, oft ihre Pläne aufgeben und stattdessen in einem der "Devine Enterprises" arbeiten. Sri Chinmoy ermutigt seine Leute immer wieder, kleine Firmen oder Geschäfte zu gründen, was zum Teil sogar auch als transzendierende Handlungen aufgefasst wird. Solche Unternehmen sind etwa "Supreme-Buchläden", Reformhäuser und "love-and-serve-Restaurants", in welchen immer auch Werbung für Chinmoy betrieben wird. Bei der "Madal Bal AG" mit Sitz in Zürich handelt es sich sogar um eine Aktiengesellschaft, welche Chinmoy-Bücher, Zitronensaft-Schlankheitskuren, Ahornsirup und weiteres mehr vermarktet. Im vom Chinmoy-Verlag herausgegebenen Büchlein "Eltern treffen Sri Chinmoy" finden sich zwar zum Teil sehr positive Äusserungen von Eltern, die Chinmoy quasi als Retter ihrer Kinder sehen. Allerdings finden sich auch zwielichtige Passagen, wie zum Beispiel die Entgegnung Chinmoys auf folgende Aussage einer Mutter: "Mein Sohn studiert Chemie, und jetzt will er in einem Bioladen arbeiten. Das passt mir nicht..." Chinmoy entgegnet ihr: "Wenn die Mutter durch das Glück ihres Sohnes nicht glücklich wird, dann werden andere Leute dadurch glücklich werden. (...) Ihrem Sohn scheint es keinen Spass zu machen, ein Chemiker zu sein. Gott ist reine Freude. Er will uns auf unsere eigene Weise Freude geben. Wenn es mir mehr Freude macht, in einem Restaurant zu arbeiten, als ein grosser Arzt oder Jurist zu werden, dann wird Gott sagen: Mach, was dir Freude macht." Auf das Unverständnis der Mutter: "Ich meine, wenn jemand etwas höheres (sic!) tun könnte, dann sollte er nicht einfach einen Laden auftun.", reagiert Chinmoy relativ oberflächlich mit einem fragwürdigen Vergleich: "In einem Theaterstück spielt jemand die Rolle des Königs, jemand spielt die Königin, ein dritter ist nur ein Diener. Es wäre spasslos, wenn alle die Rolle des Königs spielen würden." (Seiten 18ff). Auf jeden Fall ist das Leben als Chinmoy-SchülerIn, nimmt man es ernst, bestimmt so zeitaufwendig, dass nebst dem Engagement für die Gruppe und der eigenen Meditation nicht viel Zeit und Raum für Freundschaften, Hobbies oder berufliche Pläne bleibt.

Der Guinness-Guru - Ein rekordverdächtiger Mann
Immer wieder taucht der Name Sri Chinmoys im Zusammenhang mit den verrücktesten Rekorden auf. Auch die Schüler sind angehalten, sich selber unlösbar scheinenden Aufgaben zu stellen, um via der Selbstüberschreitung, des Transzendierens, Energie zu gewinnen. Diese Idee muss im Zusammenhang mit dem Kundalini-Yoga gesehen werden:
"Der Kundalini-Yoga will, kurz gesagt, durch Überschreiten von Grenzen, z.B. körperlichen, oder, in anderen Richtungen auch: moralischen oder religiösen Grenzen, durch 'Transzendieren' die sexuelle Energie, die 'Lebenskraft', in 'geistige Energie' überführen." (Gandow: 30)

Nebst dem Einfluss des Kundalini-Yoga findet sich aber in Chinmoys Transzendieren auch der Einfluss Aurobindos, der in seinen "Integralen Yoga" auch künstlerische Elemente miteinbezog. Bei Chinmoy werden beide Ansätze reduziert auf eine Suche nach stets neuer Selbstübersteigerung, die manchmal Gestalt einer regelrechten Rekordjagd annimmt. Zu den Verpflichtungen der Schüler gehören deshalb nebst den Meditationen auch Daueraktivitäten und Rekordversuche (s.0.). Aber auch der Guru selber tritt immer wieder mit den unglaublichsten Zahlen an die Öffentlichkeit. Innerhalb von elf Monaten soll er 100'000 Bilder vollendet haben oder zum Zwecke des Friedens bereits verschiedene Staatsoberhäupter, ja sogar Elefanten, auf einer Plattform in die Höhe gestemmt haben. ("Lifting up the World with a Oneness-Heart" werden diese Aktionen genannt.) In den Medien wurde Chinmoy deshalb auch schon als "Guinness-Guru" bezeichnet. Ob seine Aktionen auch wirklich seriös rekordverdächtig sind, oder ob die Rekordjagd den Guru nicht eher in Verdacht bringt, seine Legitimität und Grösse mit Zahlen unterstützen zu müssen, bleibe dahingestellt. Auf jeden Fall sieht sich der Guru gerne im Zusammenhang mit möglichst vielen Rekorden erwähnt.

Laufen und Singen für den Frieden
Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Transzendieren stehen die Friedensläufe, insofern Laufen für Chinmoy nebst Langlauf und Schwimmen ideal ist, um die eigenen Grenzen überwinden zu lernen. Gleichzeitig fungieren sie aber auch als wirkungsvolle PR-Aktionen. Der Weltfrieden ist Sri Chinmoy ein äusserst wichtiges Anliegen und für diesen Frieden organisiert die Gruppe diverse Veranstaltungen sportlicher und künstlerischer Art.

Die Weltfriedensläufe, "Sri-Chinmoy-Oneness-Home-Peace-Run", werden seit 1987 alle zwei Jahre durchgeführt und haben zum Ziel, den Frieden mit einer brennenden Fackel von Land zu Land zu tragen. Mit der Zeit soll so die ganze Welt "belaufen" und das Netz des Weltfriedens gesponnen werden. Als Werbezweck ist dieser Lauf unschlagbar: Wer will sich schon gegen ein Friedensprojekt negativ auslassen? Dennoch warnte der Deutsche Städtetag vor dieser Veranstaltung und empfahl den Gemeinden, durch die der Lauf führen sollte, sich von der Idee zu distanzieren, "weil der Veranstalter, die Chinmoy-Bewegung, keine unterstützenswerte Vereinigung sei." (Gandow: 38)

Auch die Friedenskonzerte haben den Anspruch, den Menschen den Frieden zu bringen und sich für ihn einzusetzen. Im Zentrum der Konzerte steht jeweils der Guru selber, der eine Unsumme von Instrumenten beherrschen soll. Die Musik ist auch auf CD's erhältlich und ähnelt den meisten üblichen Esoterik-Klängen, die harmonische Tonfolgen bewusst vernachlässigen zugunsten von sphärisch wirkenden Klängen.

Aber nicht nur mit Veranstaltungen zugunsten des Friedens macht die Gruppe auf sich aufmerksam. Öffentliche Sehenswürdigkeiten und Naturdenkmäler werden als Friedensplätze dem Guru gewidmet. Entsprechende Tafeln finden sich zum Beispiel beim Matterhorn, bei den Niagara-Fällen oder im Flughafen von Teneriffa. Einige der Tafeln wurden von den Behörden nach einer kritischen Überprüfung wieder entfernt, so zum Beispiel im Tiergarten Berlin oder am Rheinfall in Schaffhausen. Was diese angebrachten Tafeln mit Frieden zu tun haben und nicht bloss eine uneingeschränkte Verehrung des Gurus darstellen, der an möglichst vielen berühmten Plätzen dieser Welt erwähnt sein will, scheint schwer nachvollziehbar.

Sri Chinmoy und die UNO
Ebenfalls im Zusammenhang mit Chinmoy als Friedens-Guru steht seine Tätigkeit als Meditationslehrer im Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York. Die Chinmoy-Bewegung beschreibt das Verhältnis folgendermassen:
"1970 wurde Sri Chinmoy an die UNO berufen, um eine Meditationsgruppe zu gründen. Zweimal wöchentlich leitet er die Meditationen für Delegierte und Angestellte an den Vereinten Nationen in New York."

In Wirklichkeit werden hier die Verhältnisse aber verdreht:

"Wichtig für Chinmoys Erfolge ist seine Aussendarstellung als UNO-'Mitarbeiter' im weitesten Sinne, UNO-Meditationslehrer usf. Seit 1970 bietet Chinmoy tatsächlich eine regelmässige Meditationsveranstaltung im Gebäude der Vereinten Nationen in New York an, was in der Werbung aber wie eine offizielle Veranstaltung der UNO dargestellt wird.

Tatsächlich sind es Meditationsstunden für Chinmoys Eigengründung 'United Nations Meditation Group'. (...) Diese 'United Nations Meditation Group' ist aber eine private Einrichtung des Gurus, die in Räumen tagt, die frei angemietet oder reserviert werden können. (...) Dass die Chinmoy-Gruppe die Benutzung des offiziellen Andachts- und Meditationsraumes im Hause der UNO als Unterstützung der Bestrebungen der UNO interpretiert, verkehrt die Verhältnisse." (Gandow: 56f)

Auf jeden Fall haben die Aktivitäten Chinmoys in den Räumlichkeiten der "Vereinten Nationen" dazu geführt, dass Chinmoy immer wieder in Kontakt kam mit führenden Politikern aus der ganzen Welt. So sind auch zahlreiche Bilder entstanden, auf denen der Guru mit weltberühmten Personen abgebildet ist. Diese Fotografien werden dann zu Werbezwecken verwendet; sicherlich trägt es zur Glaubwürdigkeit einer Gruppe bei, wenn sie offenbar Unterstützung von Leuten wie Michail Gorbatschow, Mutter Theresa oder dem UNO-Generalsekretär erhält. Es ist allerdings offensichtlich, dass zumindest ein Teil der Bilder auf dubiose Art und Weise zustande kommen, indem die Politiker gar nicht Bescheid wissen, wer dieser Friedens-Guru genau ist und sich später auch davon distanzieren, mit ihm in Zusammenhang gebracht zu werden. So verhält es sich auch mit dem Vatikan, der sich in verschiedenen Briefen deutlich distanziert von der Bewegung (s.a. Gandow: 60). Abbildungen von Chinmoy und dem Papst werden aber zum Teil immer noch abgedruckt.

Tatsache ist aber doch, dass es immer wieder mal auch Prominente gibt, die gerne eine Auszeichnung der Gruppe annehmen oder sich für deren Projekte stark machen. Manchmal mag das Argument "Hauptsache, es ist für den Frieden..." sie dazu führen, in anderen Fällen wissen sie über die Organisation gar nicht Bescheid. Auf jeden Fall aber bleibt die Frage offen, ob ein wahrhaft grosser Meister es nötig hat, sich mit Prominentenkontakten zu brüsten, oder ob diese ihm nicht einfach zu mehr Legitimität verhelfen sollen.

Kritische Beurteilung
Als triftigster Kritikpunkt wird meist die Abhängigkeit der SchülerInnen vom Guru genannt. Dreimal täglich soll auf das Bild des Meisters meditiert werden, damit er seine SchülerInnen leiten kann. Als "innerer Pilot" wird er zum Ersatz für das eigene Ich des Anhängers. Dabei werden Aussenwelt und Alltagsleben zum Teil sehr negativ bewertet: Auf die Frage hin, was man tun soll, wenn man den ganzen Tag über in der Schule weilte und mit "unstrebsamen Leuten" zu tun hatte und so eine schlechte Stimmung in einem entstand, die man ablegen möchte, bevor man ins Center kommt, antwortet Chinmoy:
"Versuche dir vorzustellen, dass unmittelbar vor dir zwei Räume sind. Den Tag hindurch warst du mit unstrebsamen Leuten im unerleuchteten Raum. Fühle, dass du diese ganze Zeit von Gaunern gefangen gewesen bist, die versuchten, dich zu erwürgen und dich zu töten. Sie versuchten, dein Leben, dein Leben der Strebsamkeit, wegzunehmen.

Wenn du dann ins Centre kommst und vor mir meditierst, fühle, dass du plötzlich dieser Welt der Zerstörung entflohen bist. Diese Kräfte hätten dich töten können, doch du bist in einen Raum des Friedens, des Lichtes und der Wonne entflohen, und dieser Raum ist dein wahres Heim. (...) Wenn du in den Meditationsraum eintrittst, fühle, dass du nun ins wirkliche Leben eintrittst, während du zuvor ein unwirkliches Leben lebtest." (Meditation: 370f)

Gerade minderjährige Menschen werden so ihrer Umwelt stark entfremdet und verlieren den Halt im "unwirklichen" Leben, um sich desto stärker an das "wirkliche" Leben in der Gruppe zu binden.

Kritisiert werden muss auch die verdeckte Werbung, welche die Gruppe in ein zwielichtiges Licht rückt. Warum, wenn dieser propagierte "Weg der Liebe" uns Licht und Frieden schenken kann, wird der Name der Organisation oft nicht auf den Plakaten mit den Meditationsvorträgen genannt, oder wenn, dann nur kleingedruckt? Und wozu hat der von der Gruppe als bescheiden beschriebene Guru diese Prominentenkontakte und Rekordjagden nötig? Um den absoluten Frieden in einer nicht nur friedvollen Welt zu proklamieren und zu finden, muss offenbar ein wenig nachgeholfen werden.

Statistik und Adressen
Bei den Mitgliederzahlen und Anzahl Centers klaffen die genannten Zahlen massiv auseinander. Gandow kommt 1993 auf "weltweit höchstens 1500 'Schüler' (...), die in etwa 60 Zentren in den USA, Australien, Deutschland und der Schweiz zusammengefasst sind." (Gandow: 10) Der Pressesprecher der Chinmoy-Bewegung Schweiz nennt 1998 5000 Mitglieder weltweit, davon 200 in der Schweiz, und ca. 350 Centers. Ob die Gruppe in fünf Jahren so gewaltigen Erfolg hatte oder ob die eine oder andere Seite falsche Zahlen eruiert hat, kann hier nicht bestimmt werden.

 

Adressen in der Schweiz sind:

- Sri Chinmoy Center, Hardturmstrasse 68, 8005 Zürich

- Centre Sri Chinmoy, 31, Chemin Moise Duboule, 1209 Genève

Quellen
Zitate stammen aus:

- Gandow, Thomas: Guru Chinmoy und die Sri-Chinmoy-Bewegung.

München 1993. (=Münchener Reihe im Evangelischen Presseverband)

- Sri Chinmoy: Meditation. Menschliche Vervollkommnung in göttlicher

Erfüllung. Zürich 1979.

- Eltern treffen Sri Chinmoy.. Zürich 1985.

Infostelle 1998
Letzte Aenderung 1998, © Infostelle 1998, 2000
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