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Swami Omkarananda und die tragische Karriere östlicher Meister in der westlichen Welt

 

Der Swami stirbt im Exil

Am 4. Januar 2000 starb kurz nach seinem 70. Geburtstag in Langen bei Bregenz Swami Omkarananda, der Swami von Winterthur, zehn Monate vor der Beendigung der vom Bundesgericht in Lausanne über ihn verhängten Landesverweisung. Der Swami hat das über ihn verhängte Urteil nie anerkannt. Mit grossem Engagement hatten seine Anhänger denn auch für seine Rehabilitierung gekämpft. Sie sind nach wie vor überzeugt, dass das Bundesgericht seinerzeit den Swami völlig zu Unrecht verurteilt hat. Aber bisher sind die Bemühungen um eine Korrektur dieses vermeintlichen "Justizirrtums" erfolglos geblieben.

 

Der Ruf nach spirituellen Meistern für die westliche Welt

Das Schicksal des Swamis von Winterthur ist bezeichnend auch für manche anderen spirituellen indischen Meister in der westlichen Welt. Oberflächlich betrachtet sind die Wege der östlichen Gurus durch die westliche Welt eigentliche Erfolgsgeschichten. Prabhupada bricht in alten Tagen noch in den Westen auf und beginnt beinah mittellos die enorm expandierende Bewegung für Krishnabewusstsein. Osho, alias Bhagwan, sammelte vor allem in seiner Zeit in Oregon Zehntausende opferwillige Fans um sich, alle bereit, ihrem Meister alles zu schenken, was er sich von ihnen wünscht. Amma, die göttliche Mutter aus Kerala, umarmt auf ihren Europareisen kaum endende Kolonnen von liebeshungrigen Verehrern und baut mit deren Spenden in Indien die eindrücklichsten Sozialprojekte auf. Maharishi Mahesh Yogi führte ungezählte Wirtschaftsführer, Manager und engagierte Zeitgenossen in seinen Hotels in Seelisberg in die Geheimnisse einer scheinbar unfehlbar wirksamen Meditationstechnik ein. Oberflächlich besehen ist Indien das Land uralter mystischer Weisheit und der sog. Westen ist an seiner Spiritualität gemessen ein fast hoffnungslos armseliges Entwicklungsland, eine Region extremer spiritueller Unterernährung. Der Ruf nach neuer spiritueller Erfahrung erschallt in der westlichen Gesellschaft so unüberhörbar laut, dass sich niemand darüber wundern kann, dass östliche Meister und meditativ begabte indische Erleuchtungsaspiranten diesen Ruf vernehmen und mit ihrer Spiritualität dem Westen schenken, was dieser scheinbar so dringend braucht.

 

Warum werden aus Erfolgsgeschichten Kriminalgeschichten und Sektenprobleme?

Kaum ist der Meister in der westlichen Welt angelangt und durch gutes Management auch öffentlich bekannt geworden, stellen sich auch die ersten engagierten und spendefreudigen Wahrheitssucher ein. Die Rechnung scheint aufzugehen. Der Westen braucht Geist. Der Meister ist Geist. Der westliche Wahrheitssucher hat Geld. Die Organisation des Meisters braucht Geld. Fürs Erste ist nicht einzusehen, warum mit jeder Ankunft eines indischen Meisters in der westlichen Welt nicht eine ungebrochene und ungetrübte Erfolgsgeschichte einsetzt. Wie lässt es sich erklären, dass der Swami von Winterthur zuerst im Gefängnis sitzt und dann des Landes verwiesen wird, dass Osho/Bhagwan aus den USA ausgewiesen und ein Teil seiner Anhänger verurteilt wird, dass von Prabhupad eingesetzte Nachfolger mit den Gesetzen in Konflikt geraten und dass die meisten anderen indischen Meistern in der westlichen Welt fast zwangsläufig in Sektenverdacht geraten? Ist die westliche Welt nur halbwegs an Spiritualität interessiert? Hassen wir, was wir zutiefst uns wünschen? Rufen wir nach Spiritualität und bekämpfen wir sie beinah im gleichen Atemzug? Oder sendet uns Indien nur den Ausschuss seiner Mystiker? Tingeln nur die Pseudomeister, die Scharlatane und Möchtegernmystiker durch die westliche Welt, während die wahren Meister in Indien bleiben? Oder kann die indische meistergebundene Spiritualität sich in der westlichen Welt zwar wunderbar anbieten, aber nicht wirklich verkaufen? Bauen sich zwischen dem indischen Meister und der westlichen Welt Missverständnisse auf, die notwendigerweise in schmerzlichen Konflikten enden? Das Selbstverständnis des Swamis von Winterthur und das Swamiverständnis seiner Gemeinschaft kann uns vielleicht helfen, etwas Licht ins Dunkel dieser oft tragischen spirituellen Karrieren zu bringen.

 

Die absolute Erkenntnis

"Es ist nicht schwer, den geistigen Standort Swami Omkaranandas zu erkennen, von dem aus er diese Perspektiven gewinnt. Es ist dies der Standpunkt des Absoluten, des unendlichen Bewusstseins, des zeitlos-raumlosen Seins und der höchsten Wirklichkeit, deren Erfahrung sein ganzes Sein und Denken zutiefst prägte und ihn ein für allemal auf diesen Standpunkt festlegte, während sich bei Jung deutlich eine innere Weiterentwicklung auf geistigere Ebenen seines Denkens und seiner psychologischen Einsichten verfolgen lässt, wobei er jedoch stets bei der Sichtweise des Psychiaters und des Psychotherapeuten von Beruf und Berufung bleibt." (1) Wenn eine Schülerin eines indischen Meisters uns diesen kulturhistorischen Vergleich ihres Swamis mit einem westlichen Psychologen vorlegt, dann müssen wir je nach Standpunkt entweder den indischen Meister oder den westlichen Psychologen bedauern. Der westliche Psychologe kann, selbst wenn er C.G. Jung heisst, nie die Begrenzungen seiner Perspektive durchbrechen. Der absoluten Erkenntnis kann er sich im besten Fall annähern. Er ist zu ständigem Umdenken und Sich-Korrigieren gezwungen. Der östliche Meister, vom absoluten Geist erfüllt, kennt keine Begrenzung seines Erkenntnisraums und seiner Erkenntnistiefe. Er kann nichts mehr dazulernen. Er kann sich nicht mehr korrigieren. Aus ihm spricht absolute Erkenntnis in einzigartiger Klarheit. Der westliche Betrachter kann nun aber diese beiden Erkenntnisweisen sehr unterschiedlich bewerten. Für die einen ist das ewige Unterwegssein der westlichen Erkenntnisbemühung eine Sisyphusarbeit, die anderen fürchten die absolute Erkenntnis wie die Pest. Sie raubt dem menschlichen Geist seine beste Eigenschaft, die Fähigkeit sich zu korrigieren und dazuzulernen. Kurz - ein Mensch, der absolute Erkenntnis vertritt, muss in der westlichen Welt polarisieren. Ob er ein überzeugender oder ein mehr verspielter Meister ist oder gar ein mystischer Zirkusclown, spielt gar keine entscheidende Rolle. Der Standpunkt der absoluten Wahrheit polarisiert in der westlichen Welt schon mehr als genug. Wie aber reagiert der ins westliche Umfeld versetzte östliche Meister auf die zwangsläufige extrem gegensätzliche öffentliche Reaktion? Setzt er sich mit seinen Gegnern auseinander? Kann er die Ablehnung verstehen, die ihm entgegenschlägt? Ein Blick auf die Methoden der Wahrheitsvermittlung in den Gemeinschaften indischer Meister beantwortet manche Fragen.

 

Der geistige Lehrer braucht keine Vernunft

"Der geistige Lehrer braucht keine Vernunft, um spirituelle Weisheit mitzuteilen. Weisheit ist sein wirkliches Wesen, unendliche Erkenntnis seine Natur, sie ist selbstgeboren, eine spirituelle Fähigkeit, ist intuitiv ohne den Anschein zu erwecken, sie sei intuitiv, das heisst, sie ist so natürlich, ist ein Teil seines Wesens und nicht eine besondere Fähigkeit, die in einer bestimmten Weise funktioniert, und folglich in ihm eine Art Gefühl erzeugen könnte, dass etwas geschehe. Es ist ein vollkommen natürlicher Zustand." (2) "Die Reinheit ist die Seele meiner Kraft. Die Wahrheit ist die Quelle meiner Macht. Gott ist mein Leben und ausserhalb von ihm habe ich keine Existenz. Sein Bewusstsein ist mein Licht. (...) Das Gebet ist mein Atem, und die Meditation ist das Brot meines Lebens." (3) "Die Freuden des Lebens, der Gesellschaft und der Zivilisation haben keine Anziehungskraft und keinen Wert für mich, denn ich lebe in der fortwährenden, sich selbst erhaltenden Ekstase des göttlichen Bewusstseins, das sich in dynamischer Tätigkeit ausdrückt." (4) "Ich lebe in der Seligkeit eines Gemüts, das mit der Weisheit Gottes vereint ist, und in der Wonne eines Herzens, das in der allabsorbierenden Liebe für den höchsten Geliebten geborgen ist." (5) Der Swami muss die absolute Erkenntnis also weder mit anderen zusammen suchen oder anstreben, er muss sie auch nicht anderen des langen und breiten darlegen, noch muss er sie verteidigen oder argumentativ absichern, er ist und lebt absolute Erkenntnis. Er strahlt sie intuitiv aus. Diese absolute Erkenntnis gleicht dem Klang der Mantras, der meditativ und magisch wirksamen Gebetssilben, die den Swami einhüllen wie der Weihrauch eine Heiligenstatue. Das Mantra überzeugt nicht argumentativ. Das Mantra ist kein Argument, sondern ein Klang, der mich inspiriert und mich - wenn ich mich inspirieren lasse - in andere Stimmung versetzt. Wie aber wird der Kritiker und Gegner reagieren, wenn der Meister auf seine Einwände mit Mantras statt mit Argumenten antwortet? Wird er sich überzeugen lassen oder wird er sich, weil er sich nicht verstanden und in seinen Zweifeln nicht ernstgenommen fühlt, in seiner Gegnerschaft noch versteifen?

 

Der Zweifel als Erkenntnisweg

Seit den Gesprächen des Sokrates mit seinen Schülern ist das Grunddogma hilfreicher westlicher Wahrheitsfindung das Wissen um das eigene Nichtwissen, und im gemeinsamen Nichtwissen das gemeinsame Erwägen der Erkenntnis, die beide, den Lehrer und den Schüler, weiterführt. Der Meister, wenn denn in der Tradition westlicher Philosophie und Spiritualität von Meistern gesprochen werden soll, ist nicht die personifizierte absolute Erkenntnis, die intuitiv auf andere ausstrahlt. Der Meister ist genau so nichtwissend wie der Schüler, mit dem einzigen Unterschied, dass er sich seines Nichtwissen etwas klarer bewusst ist und dass er die Kunst des Dialogs beherrscht, der zwar nie absolute Erkenntnis erschliesst, aber zu besserer Erkenntnis führt. Der Zweifel ist aus dem Prozess westlicher Wahrheitsfindung seit Sokrates nicht mehr wegzudenken. Dieser Zweifel umgreift nicht zuletzt auch die Grundlagen und Axiome des eigenen Denkens. An allem - sagt uns die westliche Schule der Erkenntnis - ist zu zweifeln. Denn der umfassende und gemeinsam erwogene Zweifel erschliesst zwar nie die absolute Wahrheit. Sie liegt jenseits unserer irdischen Existenz. Aber der Zweifel macht den Blick frei für immer wieder neue - zwar grundsätzlich fragmentarische, aber oft genug äusserst hilfreiche - Einsichten.

 

Absolute und relative Erkenntnis können sich nicht verstehen.

Dem östliche Meister ist dieses radikale und hilfreiche Zweifeln der westlichen Wahrheitssucher wahrscheinlich so fremd wie die Verblendung der Unerleuchteten seiner Erleuchtung. Der östliche Meister steht auf dem Standpunkt der absoluten Wahrheit. Er kann alle, die in ihrer relativen Wahrheit herumirren, nur bedauern und durch sein Dasein belehren. Verstehen kann er sie nicht. Er kann sich nicht vorstellen, dass die relative Erkenntnis die absolute Erkenntnis so feurig zurückweist wie Liebe zur Erde den ewigkeitslüsternen Wahn. Der Standpunkt der absoluten Erkenntnis kann den Standpunkt der relativen Erkenntnis ebenso schlecht verstehen und würdigen wie umgekehrt. Wenn indische Meister in der westlichen Welt ihre absolute Wahrheit leben, sind Konflikte unvermeidbar. Meistens brechen diese Konflikte nicht auf einer intellektuellen Ebene aus. Wenn zwei sich nicht verstehen, gehen sie sich zuerst aus dem Weg. Aber wo sie sich nicht mehr aus dem Wege gehen können, wo sie sich gegenseitig mit ihren Bauplänen oder ihren politischen Ambitionen im Wege stehen, wie seinerzeit in Winterthur oder im Fall von Osho/Bhagwan in Rajneeshpuram, Oregon, da wächst sich das grundlegende Missverständnis zur Kriminalgeschichte aus.

 

"Sektenkriege"

Warum verbeissen sich die Welt der absoluten Erkenntnis und die Welt der relativen Einsicht manchmal so wütend ineinander, dass alle Regeln nicht nur eines fairen, sondern auch eines sinnvollen Kampfes vergessen gehen? Vergiftete Pralinen in Winterthur, ausgelegt offenbar, um den Nachbarn zu treffen, vergiftetes Gemüse in Oregon, hingelegt, um die Gegner von einem entscheidenden Urnengang abzuhalten, ein Bombenanschlag im Kanton Zürich, geeignet, dem Zentrum des Swami weit mehr zu schaden als seinen Gegnern und eine "rote Armee", geleitet von Sheela Birnstiel in Oregon als weiterer Anlass zur zwangsweisen Auflösung der Kommune des Osho - umstrittene Gurugemeinschaften kämpfen, wenn die Devotees und ihre Gegner sich nicht mehr ausweichen können, kämpfen vielleicht deshalb mit derart skurrilen und realitätsfernen Methoden, weil der Kampf zur Welt der bedingten Einsicht gehört, zu einer Welt, in der sich die absolute Erkenntnis nur dilettantisch bewegen kann. Die absolute Erkenntnis sucht sich zu wehren und schadet sich selbst mit jeder Kampfaktion mehr, als ihre Feinde ihr schaden könnten. Gurus - so scheint mir - funktionieren standesgemäss und selbstbewusst, solange sie göttliche Verehrung geniessen. Aber einmal unter Beschuss, agieren sie beinah kopflos, ohne Sinn für eine Welt, die ihnen Verehrung schuldet und Verachtung zeigt.

 

Die Trance als Weg in die Einheit des Göttlichen

Ueberdies raubt der andauernde Konflikt der Gurubewegung auch das Beste, was sie Menschen zu geben verspricht: den sicheren Weg in die Einheit mit dem göttlichen Selbst. Das göttliche Ein und Alles, die Essenz alles Wirklichen, gilt zwar als Grund und Mitte aller Wesen. Aber - dies gehört zu den bezeichnenden Erfahrungen des neueren Hinduismus - während das Selbst in uns schläft, ist es im Guru erwacht. Während wir das göttliche Selbst in uns verkennen, lebt es der Meister mit beispielhafter Prägnanz. Durch seine suggestive Kraft und die Macht der Mantras, der Meditationsformeln, die wir als Schüler beinah endlos und hingebungsvoll wiederholen, taucht auch unser kleines Bewusstsein allmählich ins kosmische Bewusstsein ein, der kleine eigene Geist verbindet sich mit dem umfassenden göttlichen Geist und - Ist es Trance? Ist es Erleuchtung? - das eigene Gemüt erlebt Momente einzigartiger Freiheit. Doch beide, Suggestion und Trance, sind auf wohlwollende Trancebereitschaft angewiesen. Kritik, Einwände, Widerstand, Auseinandersetzungen blasen dem suggestiv wirkenden Meister wie eisige Brisen ins Gesicht. Der Meister muss entweder dem Widerstand ausweichen oder ihn brechen. Anders kann er überzeugend nicht Meister sein. Es ist mehr als nur begreiflich, dass die Meisterbewegung hie und da mit Methoden kämpft, die genau betrachtet mehr als nur hilflos sind. Der Meister müsste den Widerstand seiner Gegner verstehen können, wenn er adäquat darauf reagieren wollte. Aber kann die absolute Erkenntnis die relative Einsicht je verstehen? Beide, Omkarananda und Osho/Bhagwan bedrohten in der Augenfälligkeit ihrer Bauvorhaben und in der unüberhörbaren und unübersehbaren Präsenz ihrer Jünger das Heimatgefühl der Alteingesessenen. Plötzlich fühlt sich die Bevölkerung eines Quartiers oder einer Gegend in ihrer alten Heimat seltsam fremd und versucht nun den Einfluss der Fremden einzudämmen. Die indischen Meister aber, von absoluter Erkenntnis erfüllt, können auf diese "beschränkte", bornierte, menschlich-allzumenschliche Denkweise ihrer Nachbarn nicht antworten. Wer aber einen Gegner nicht verstehen kann oder will, wird ihn früher oder später dämonisieren. Wer aber verteufelt - darin liegt die Tragik aller Dämonisierung - der bekämpft am Ende sich selbst. Die absolute Erkenntnis führt in der konkreten Auseinandersetzung zuletzt zu einem derartigen Realitätsverlust, dass erleuchtete Jünger erleuchteter Meister meinen, sie könnten mit vergifteten Pralinen, mit infiziertem Gemüse und mit Bomben in einem Rechtsstaat ihrem Meister einen Dienst erweisen.

 

Götter überfordern uns

Omkarananda unterschreibt das Vorwort zu "Gebet und Meditation" mit: "Dein allgegenwärtiger Gott Swami Omkarananda." (6) Selbstverständlich ist in diesem Urteil mitverstanden, dass alle Wesen in ihrer Wesensmitte göttlich sind. Aber wie können wir, unserer möglichen eigenen Göttlichkeit unbewusst, mit den selbstverwirklichten Göttern kommunizieren? Wann merken die östlichen Meister, dass ausserhalb der kleinen Schar ihrer Jüngerinnen und Jünger der Westen mit lebenden Göttern nicht reden kann? Und wann merken wir Westler, dass östliche Meister uns in unserer Sehnsucht nach spiritueller Erfahrung vielleicht ansprechen, aber nicht wirklich auf unserem eigenen Weg weiterführen? Die göttlichen Meister überfordern uns Westler so gründlich wie unsere kritische Wahrheitssuche auch sie überfordert.

 

Die westliche Jüngerschaft als Brücke zwischen Ost und West?

Wenn ich das Schicksal östlicher Gurus in der westlichen Welt beobachte, muss ich mich fragen: Wissen sie, wenn sie in den Westen kommen, worauf sie sich einlassen? Sie kannten den kritischen westlichen Geist immer nur vom Hörensagen, und sie lernen ihn im Westen auch nicht wirklich kennen. In der Gemeinschaft ihrer Devotees, die sie umgibt, schwimmen sie auf Wellen der Anerkenunng. Die Entourage der östlichen Meister in der westlichen Welt hilft den östlichen Meistern in keiner Weise, den kritischen westlichen Geist zu verstehen. Sie fragt nicht kritisch. Sie übt sich nicht in Widerspruch. Sie verneigt sich vor den Füssen des Meisters und bestärkt den Meister in seinem Anspruch, die absolute Erkenntnis zu sein. Sie trägt damit auch nicht dazu bei, drohende Konflikte zu vermeiden.Was der Westen wirklich denkt, bleibt den Meistern so lange verborgen, bis ein Konflikt ihnen den Gegensatz der Erkenntnisweisen bis zur Unkenntlichkeit verzerrt vor Augen stellt. Kurz - die Geschichte östlicher Meister in der westlichen Welt endet häufig tragisch, weil wir uns auf unserer jeweiligen Erkenntnisebene und geprägt durch unsere je verschiedenen Erkenntnisweisen nicht verstehen. Und weil sich niemand findet,der freiwillig und ungestraft kritisches Denken in die geweihten Räume absoluter Einsicht trägt.

 

Das Erbe des Swamis

Was hinterlässt uns der Swami, nachdem seine Asche - oder wenigstens ein Teil davon - in den Ganges gestreut wurde? Wer nie zum Jünger irgendeines Swamis wurde und alle ihm bekannten Gurus des 20. Jahrhunderts in beobachtender Distanz vergleicht, wird dem Swami von Winterthur keine besondere spirituelle Originalität und auch keine besondere sprachliche Kompetenz zuerkennen. Der Swami verkündet und lebt populären neuhinduistischen Pantheismus, bereichert um viele biblische Assoziationen, mit zarter Eindringlichkeit. Alles und alle sind Gott. Dem Meister ist es geschenkt, dieses göttliche Selbst in sich und allen zu entdecken und anderen zu helfen, in das überglückliche Einssein mit dem Göttlichen zu finden. Omkarananda führt in dieses Einssein mit dem Göttlichen mit einer ihm eigenen Mischung aus Sanftheit und Penetranz. Unser Gottsein ist genau besehen das einzige Thema, das der Swami kennt. Dieses Thema besingt er in immer neuen Tönen. Er rühmt, er umkreist, er erläutert, er beschwört - kurz er streichelt und weckt das göttliche Selbst in uns, bis wir im Stande sind, es selbst zu erleben. Wenn aber - fragt sich der Aussenstehende - das göttliche Selbst, das sich in uns zu regen und sich zu entfalten beginnt, vielleicht doch wieder nur unser altes kleines Ego wäre, unser nie überwundenes Sehnen nach Geltung, nach Bedeutung, nach eigener Ewigkkeit? Gelingt es dem Swami, in sich und seiner Gemeinschaft zwischen dem eigenen kleinen Ego und dem göttlichen Selbst nicht nur theoretisch, sondern im Lebensvollzug zu unterscheiden? Manche Meister schockieren irgendwo immer den, der sich auf sie einlässt. Sie verwirren das kleine Ego, sie führen es an der Nase rum, sie schütteln und rütteln es, damit - wie sie meinen - ein grösseres Selbst Raum gewinnt. Die Swamireden wirken auf mich nur zart und eindringlich. Er streichelt das göttliche Selbst, wie wenn er in den Grund unseres Wesens direkt hineingreifen könnte. Kann eine Bewegung, die die Grundanliegen des indischen Pantheismus derart direkt ansteuert, über den Tod ihres Meisters hinaus noch eine lange Bedeutung haben? Oder verliert sich die Swami-Bewegung nicht bald einmal in ihrem widerspruchsfreien Menschenbild? Welcher moderne Mensch fühlt sich vom Swami wirklich verstanden? Wer begegnet im Swami seinen eigenen Widersprüchen, seinen eigenen Grenzen und Hoffnungen? Wird die Swamigemeinschaft, wie die Osho-Bewegung, zum mystischen Erfolgsrezept werden oder sich gar zur neuen Religion entwickeln? Wir würden den Swami und sein Zentrum wahrscheinlich überschätzen, würden wir ihnen diese Zukunft voraussagen. Die sanfte Einlinigkeit des Swami spricht zwar im Moment ihre eindringliche Sprache - aber spricht das sanft Naive auch noch, wo die Meisterstimme verstummte? Oder bleicht es im Licht der Erinnerung völlig aus? Wo immer schon Konturen fehlten, erkennt vielleicht das Auge bald nur noch fahles Alles und Nichts.

 

Anmerkungen

1. Eleonore Lauterborn, Swami Omkarananda und C.G.Jung, Die psychologischen Schatten und das überpsychologische Selbst, 1970,90

2. Swami Omkarananda, Stille ist dein wahres Sein, 1989,135

3. Swami Omkarananda, sein Leben in seinen eigenen Worten, 1971,14

4. Swami Omkarananda, sein Leben in seinen eigenen Worten, 1971,16

5. Swami Omkarananda, sein Leben in seinen eigenen Worten, 1971,16

6. Swami Omkarananda, Gebet und Meditation , Jahr 1, Vierteljahreszeitschrift, Nr. 2, o.J. 2

 

Georg Schmid, 2000


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