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  Die Dritte Welle Neocharismatik
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  Die Dritte Welle
Zentrale Begriffe
aus: Informationsblatt Nr. 2/1994-4/1994

Die sogenannte "Dritte Welle des Heiligen Geistes" ist die wohl meistbeachtete Strömung des amerikanischen evangelikalen Christentums der achtziger Jahre. Ihr Versuch, die charismatischer Geistesgaben wie Heilung, Prophetie und Befreiung von dämonischer Gebundenheit unter Vermeidung der trennenden pfingstlerischen Theologie der Geistestaufe in nichtcharismatische Kreise einzuführen, ist auf einiges Interesse gestossen. Grossen zahlenmässigen Erfolg haben auch die weltweit organisierten Heilungskongresse des Dritte-Welle-"Vaters" John Wimber und dessen Gemeindeverband, die "Vineyard Christian Fellowship". Im folgenden sollen einige der für die Dritte Welle typischen Begriffe anhand der Schriften ihrer Vertreter dargestellt werden.

Inhalt
Befreiungsdienst
Der Befreiungsdienst bezweckt die Befreiung von Menschen aus Besesserheit durch Dämonen und anderer dämonischer Einwirkung. Der Befreiungsdienst ist der "Nahkampf" der -> Geistlichen Kriegführung. Besessenheit ist nach Meinung der Dritte-Welle-Vertreter heute genauso eine Tatsache wie zur Zeit Jesu, zu ihrer Bekämpfung steht heutigen Christen im Prinzip dieselbe -> Vollmacht zur Verfügung wie Jesus selbst: "Christus gibt seinen Nachfolgern uneingeschränkte Vollmacht über Dämonen" (Wimber 1, S. 99). Der Befreiungsdienst kann bei Dritte-Welle-Organisationen in Kursen erlernt werden, so bei der Vineyard Christian Fellowship (Wagner 1, S. 165). Erkannt wird Besessenheit im allgemeinen an starker emotionaler Reaktion des Besessenen auf eine christliche Handlung. Der Befreiende erkundigt sich zu Beginn der Befreiung nach der Zahl der dem Opfer innewohnenden Dämonen, welche recht hoch sein kann: Wimber berichtet von einer Frau, die von 47 Dämonen gleichzeitig besessen war (Wimber 1, S.100). Dann werden die Dämonen nacheinander nach ihrem Namen befragt, sie äussern sich durch den Mund des Opfers und nennen sich meist nach einem Laster, das sie auslösen, wie Ehebruch oder Trunksucht, oder nach einer negativen Emotion, wie Groll, Zorn, Müdigkeit oder Lust. Nach Nennung des Namens und einem allenfalls daran anschliessenden kurzen Disput zwischen Dämon und Befreier weist letzterer der Dämon kraft des Namens Jesu aus dem Opfer hinaus. Der Anführer der Dämonen weicht oft als letzter, und erst nach einiger Bearbeitung. Die ganze Befreiung dauert eine bis mehrere Stunden, abhängig natürlich von der Anzahl der auszutreiberder Dämonen (z.B. etwa: Wagner 1, S. 165ff., Peretti 1, S. 282ff.). Vielfach soll die Befreiung beim Opfer eine Offenheit für das Evangelium bewirken, die vorher durch die Dämonen verhindert wurde.
Dritte Welle
Die "Dritte Welle des Heiligen Geistes" geht hervor aus der Gemeindeaufbau-Bewegung (s. Informationsblatt 3/93). Als eigentlicher Beginn der Dritter Welle wird das Jahr 1980 angegeben, den Begriff brachte C. Peter Wagner 1983 in einem Interview mit der Zeitschrift "Pastoral Renewal" auf. Grund für das ab 1980 zunehmende Interesse der Gemeindeaufbau-Bewegung an den pfingstlerischen und charismatischen Gemeinden war deren im Verhältnis zu nichtcharismatischen Gemeinden stärkeres Wachstum. "Das bei weitem häufigste Phänomen ist ... dass das lebhafteste Wachstum christlicher Gemeinden überall dort stattfindet, wo es von übernatürlichen Zeichen und Wundern, charakteristisch für die Pfingstgemeinden und die charismatische Bewegung, begleitet ist" (Wagner 1, S. 14). Und: "Keine andere nichtpolitische, nichtmilitärische Bewegung in der gesamten Geschichte ist so schnell gewachsen wie die Pfingst- und die charismatische Bewegung in den letzten Jahren" (Wagner 1,S. 62).

Insbesondere die -> Geistliche Kriegführung rückt als besonders missionsförderlich ins Zentrum des Interesses: "Wir haben praktisch alles ausprobiert. Warum sollten wir es nicht mit dem geistlichen Kampf versuchen?" (Wagner 3, S. 91). Dennoch verstehen sich die Dritte-Welle-Vertreter weiterhin als Evangelikale, die jedoch zwecks Förderung der Evangelisation pfingstlerische Praktiken aufnehmen: "lch schlage nicht vor, dass wir uns jetzt alle der Pfingst- und der charismatischen Bewegung anschliessen sollen. Aber ich schlage allen Ernstes vor, dass wir uns der Bewegung des Heiligen Geistes anschliessen" (Wagner 1, S. 62). Resultat dieser Bemühung ist die Dritte Welle, die sich in evangelikalen, nichtcharismatischen Gemeindeverbänden verbreitet und dort eine Offenheit gegenüber den charismatischen Gaben und der Geistlichen Kriegführung bewirken soll. Denn: "Ein Haupterkennungsmerkmal der Dritten Welle ist es, Spaltungen um jeden Preis zu vermeiden" (Wagner 1, S. 24). Der sich daraus ergebenden Allianz zwischen Evargelikalen und Charismatikern will Wagner dann auch die "an Christus gläubigen Liberalen in Amerika" zuführen (Wagner 2, S. 31).

Theologische Differenzen der Dritten Welle zu den ersten beiden Wellen bestehen in der Einschätzung der Geistestaufe als -> Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist und in der Bewertung der -> Zungenrede. Daneben ist aber die Grundtendenz, die Motivation der Dritter Welle eine deutlich andere als die der Pfingst- und der charismatischen Bewegung: Während es den letzteren Strömungen vor allem um ein vom Heiligen Geist getragenes, ganzheitliches Christsein des Einzelnen geht, legt die Dritte Welle, getreu ihrer Entstehungsgeschichte, allen Wert auf die Evangelisation. Salopp gesagt: Weil die charismatischen Gemeinden mehr Erfolg in der Mission erzielen, wurden die Gemeindewachstumsforscher Charismatiker. Aber ihr Hauptinteresse bleibt das Gemeindewachstum. Wagner meint denn auch: "Für Gott hat Evangelisation allerhöchste Priorität ... Mein Interesse am geistlichen Kampf wächst proportional damit, wie sehr er zu einer Effektivitätssteigerung von Evangelisation beiträgt" (Wagner 2, S. 15, zum Ganzen: Wagner 1, S. 21ff., Wimber 3, S. 232ff.).

Erfahrung, christliche
Neben der Bibel zweite Quelle, aus welcher sich die Erkenntnis der Dritten Welle über die -> Geistliche Kriegführung speist. Nach Wagner sind beide Quellen geeignet und vonnöten, um "das Wort und das Handeln Gottes in einer vernünftigen und systematischen Weise zu erklären" (Wagner 1, S. 22). Insbesondere die -> Territorialen Mächte lassen sich aus der Bibel nur sehr schwer begründen. Ihre Erfahrbarkeit macht ihre Existenz für die Dritte Welle aber zur Gewissheit. Ebenso beruhen -> Kampfgebet und strategische geistliche Kriegführung kaum auf biblischen Vorbildern. Ihre Wirksamkeit zeigt ihre Berechtigung. Die Heranziehung der christlichen Erfahrung zur Begründung von Glaubenssätzen ist einer der wesentlichen Kritikpunkte der Gegner der Dritter Welle (vgl. etwa Bühne 2, S. 99f.).

Faktisch führt die Dritte Welle neben der Bibel und der christlichen Erfahrung mit den "Worten der Erkenntnis" des -> prophetischen Dienstes gar noch eine dritte Offenbarungsquelle ein. Die beiden letzteren dürfen aber der Bibel nicht widersprechen, insofern die Bibel doch ein höheres Gewicht behält.

Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist
Das Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist stellt die Dritte-Welle-Variante der "Taufe im Heiligen Geist", der in den ersten beiden Wellen heilsnotwendigen (und für viele Theologen zwingend mit der Gabe der Zurgerrede verbundenen) zweiten Erfahrung nach der Bekehrung dar. Nach Ansicht der Dritten Welle wird der Christ nicht in einem zweiten Ereignis, sondern direkt bei der Bekehrung mit dem Heiligen Geist getauft. Eine spätere Erfahrung des Geistes, die durchaus mit Zungenrede in Verbindung stehen kann, wird als "durch der Heiligen Geist erfüllt oder bevollmächtigt werden" bezeichnet. Sie kann im Leben eines Christen immer wieder auftreten und ist nicht heilsnotwendig, steht aber vielfach in Zusammenhang mit dem Empfang neuer Gaben. Ziel dieser vor der Pfingst- und der charismatischen Bewegung deutlich abweichenden Interpretation von charismatischen Erfahrungen nach der Bekehrung ist ein theologischer Brückenschlag zwischen Charismatikern und Evangelikalen (Wagner 1, 8.23; Wimber 1, 8.137; Wimber 3, S. 232).
Evangelisation, vollmächtige
(Power Evangelism), auch "übernatürlich beglaubigte Evangelisation". Die vollmächtige Evangelisation ist das Hauptanliegen der Dritten Welle, Power Evangelism war in der Achtzigern denn auch beinahe ein Wechselbegriff zum Terminus "Dritte Welle". Die vollmächtige Evangelisation steht im Gegensatz zur sog. "programmatischen Evangelisation" herkömmlichen evangelikalen Stils, die durch rationale Argumente die Menschen vom Evangelium überzeugen will. Die vollmächtige Evangelisation will hingegen vor allem die Kraft Gottes durch Zeichen und Wunder erweisen. Wimber: "Mit 'power evangelism' meine ich eine Darstellung des Evangeliums, die für den Verstand zu begreifen ist, die aber auch Elemente enthält, die nicht vom Verstand erfasst werden können. Die Verkündigung des Evangeliums wird von sichtbaren Erweisen der Macht Gottes begleitet, von Zeichen und Wundern. 'Power evangelism' ist eine spontane, vom Geist eingegebene und bevollmächtigte Darlegung des Evangeliums. Übernatürliche, sichtbare Zeichen der Gegenwart Gottes gehen ihr voraus und unterstützen sie" (Wimber 1, S. 45). Die Zeichen und Wunder bestehen vor allem in Worten der Erkenntnis (-> Prophetischer Dienst), die die konkrete Situation von Anwesenden aufdecken, und in Heilungen (-> Heilungsdienst).

Erfolgreich ist die vollmächtige Evangelisation vor allem in Ländern mit animistisch/dynamistischer Tradition, wo sich das Christentum durch die Wunder als die stärkere Macht erweisen kann. In durch die Aufklärung geprägten Gebieten ist sie weniger erfolgreich. "Vollmächtige Evangelisation hat grossen Erfolg in Ländern mit geringem technologischem Fortschritt" (Wimber 1, S. 50).

Klassisches Beispiel für vollmächtige Evangelisation ist die Verkündigung des argentinischen Predigers Carlos Annacondia, den Wagner für den "effektivsten Evangelisten, der je gelebt hat", hält (Wagner 2, S. 20). Annacondias charismatische Grossevangelisationen, welche nach Wagner "dem Uneingeweihten als Chaos in Reinkultur" erscheinen, werden stets von einem -> Kampfgebet-Team begleitet. Während der Veranstaltung reizt und provoziert der Prediger die im Saal anwesenden Dämonen, auf dass sie sich offenbaren und ihre Opfer dem -> Befreiungs-dienst im speziellen Zelt ("geistliche Intensivstation") zugeführt werden können. Daneben geschehen vielerlei Heilungen: In Annacondias Dienst am häufigsten finden sich zahnmedizinische Wunder, z.B. das sog. übernatürliche Plombieren von Zähnen: Besuchern des Seelsorgezelts werden wundersam die defekten Zähne plombiert, und zwar offenbar in solcher Zahl, dass nur noch Menschen, bei denen mehr als zwei Zähne in den Genuss von übernatürlicher dentistischer Behandlung kamen, dieses Wunder als Zeugnis vortragen dürfen (zum ganzen: Wagner 1, S. 74; Wagner 2, S. 20f.).

Heilungsdienst
(Healing Ministry) Der Heilungsdienst ist ein wesentliches Element der Dritten Welle. Übernatürliche Heilungen geschehen sowohl im Rahmen von -> Vollmächtiger Evangelisation als auch beim spezifischen Gebet für einzelne Kranke. Auch der Heilungsdierst ist Teil der -> Geistlichen Kriegführung, insofern Krankheiten auch von Satan gewirkt sein können. Wimber:

"Die Ursachen der Krankheit können körperlicher, psychischer oder geistlicher Art sein. Ungeachtet der Ursachen haben Christen jedoch die Vollmacht über Krankheit" (Wimber 1, S. 100). Der Heilungsdienst, das Gebet für Kranke, kann in Kursen bei Dritte-Welle-Organisationen erlernt werden. Bekannt sind vor allem die weltweit angebotenen Heilungskongresse John Wimbers, bei deren Leiter der verschiedenstern Denominationen in der Heilungsdierst eingeführt werden. Wimbers Gemeinde, die Vineyard Christian Fellowship, kennt eigentliche Heilungsteams, deren alleinige Aufgabe es ist, für Kranke um Heilung zu beten.

John Wimber gibt fünf Punkte an, die im Rahmen eines Gebets für Kranke beachtet werden sollen (Wimber 2, S. 191ff.):

1. Das Interview. Der Kranke wird nach seinen Beschwerden, nach den Symptomen befragt. Ziel ist es, herauszufinden, wofür gebetet werden soll. Ausführliche medizinische Erörterungen jedoch würden das Verfahren nur verzögern.

2. Die Diagnose. Dabei geht es nicht um eine Diagnose in medizinischem Sinn, die Frage lautet vielmehr: "Warum ist dieses Leiden da?" Vielfach stehen Krankheiten im Zusammenhang mit allenfalls unbewussten Sünden, die zuerst bearbeitet werden müssen.

3. Der dritte Schritt gibt Antwort auf die Frage: "In welcher Weise soll ich beten, um diesem Menschen zu helfen?" Hierzu gehört, erst Gott zu fragen, ob er den betreffenden Menschen überhaupt heilen will. Ist dies der Fall, schenkt Gott eine "Salbung": "Eine Salbung zu empfangen bedeutet, tief in unserem Herzen zu wissen, dass Gott einen Menschen heilen will" (Wimber 2, S. 197). Zwei Gebetsformen sind für den Heilungsdienst möglich: einerseits eine Bitte an Gott, andererseits eine im Namen Gottes gesprochene Weisung an die Krankheit, zu schwinden, wie: "Im Namen Jesu breche ich die Macht dieser Krankheit."

4. Der eigentliche Gebetseinsatz besteht aus Gebet, Handauflegung und einer Fortführung des Interviews, um das Ergehen des Patienten laufend zu erforschen. In dieser Phase kommt die Kraft des Heiligen Geistes auf den Patienten, bei welchem sich oft, aber nicht zwingend, "Manifestationen" dieser Kraft zeigen, wie Zittern, Schluchzen, Lachen, Schreien oder Umfallen ("Ruhen im Geist"). Die in gewissen pfingstlerischen Kreisen vertretene These, dass das "Ruhen im Geist" zwingend auftretendes Zeichen des Heiligen Geistes sei, wird von der Dritten Welle scharf abgelehnt ("eingeübtes Verhalten, Religion in schlechtestem Sinne", Wimber 2, S. 205). Nach einiger Zeit erfolgt entweder die Heilung, oder der Betende merkt an einem Nachlassen der Kraft des Geistes, dass Gott zu diesem Zeitpunkt keine Heilüng schenken will.

5. Der letzte Schritt beantwortet je nach Erfolg oder Misserfolg der Heilungsbemühung folgende Fragen: "Was kann man tun, um die Heilung zu bewahren?" oder "Was soll man tun, wenn man nicht geheilt wurde?" In ersterem Fall geht es darum, dass der Geheilte nicht mehr sündigt und sich verbindlich einer Gemeinde anschliesst. Im letzteren Fall soll der Betreffende bei anderer Gelegenheit wieder für sich beten lassen.

Der Heilungsdienst wird vor Dritte-Welle-Vertretern als Gabe gesehen, die ein Christ geschenkt erhalten kann oder auch nicht. Der Erlernbarkeit sind somit Grenzen gesetzt. Die Gabe scheint bei verschiedenen Dritte-Welle-Vertretern ausserdem auf bestimmte Symptome beschränkt zu sein; so erhielt C. Peter Wagner im Herbst 1984 von Paul (inzwischen David) Yonggi Cho das "Wort der Erkenntnis", dass Gott ihm die Gabe gegeben hätte, durch Gebet Beine zu verlängern. Diese Gabe übt Wagner seither offenbar mit einigem Erfolg aus (vgl. Wagner in: Wimber 3, S. 57f.).

Jesus-Märsche
(Marches for Jesus) Die Jesus-Märsche sind keine ursprüngliche Dritte-Welle-Aktivität, erfreuen sich aber in den Kreisen, in denen die Bewegung auf Zustimmung stösst, einiger Beliebtheit (wenn auch weit darüber hinaus). Ziel der als Demonstration organisierten Jesus-Märsche ist neben dem missionarischen Anliegen die Proklamation der Herrschaft Jesu über die Stadt, durch welche marschiert wird. Diese Zielsetzung steht in einer gewissen Nähe zum Dritte-Welle-Konzept der -> territorialen Mächte.
Kampfgebet
(Warefare prayer) Das Kampfgebet, oder wie die offizielle deutsche Übersetzung neuerdings weniger martialisch lautet: das "offensive Gebet", stellt die Hauptwaffe der Christen in der -> geistlichen Kriegführung dar. Es soll die Kraft der -> Territorialen Mächte brechen und Dämonen im -> Befreiungsdienst austreiben. Die Praxis des Kampfgebets reicht weit über die Dritte-Welle-Kreise hinaus, verantwortlich für diese Beliebtheit ist nicht zuletzt Frank E. Peretti mit seinen Romanen. Für Peretti ist das Kampfgebet die eigentliche Kraftquelle der himmlischen Heerscharen in ihrem Vorgehen gegen die satanischen Mächte, ihre Kampfeskraft wächst proportional mit der "Gebetsdeckung" der Christen. So scheint bei Peretti die Kraft Gottes von der Anzahl der Beter und deren Gebetsintensität abhängig zu sein: Perettis himmlische Krieger stellen z.B. fest: "Die Kraft Gottes war jetzt stärker; irgendwo mussten die Heiligen beten" (1, S. 209) und "Es ist noch nicht der ganze Überrest gesammelt. Die schon zusammen sind, beten nicht, nicht genug. Wir haben noch nicht die notwendige Stärke" (1, 8.253). Dass eine solche Abhängigkeit der Kraft Gottes vom Gebet der Menschen als Leugnung der Allmacht Gottes verstanden werden könnte und ihre Parallele in altorientalischen polytheistischer Religionen hat (so geht im Alten Ägypten der Sonnengott Re morgens nur auf, weil er durch die Gebete der Priester die nötige Kraft dazu erhält), scheint Peretti nicht zu stören. Die Notwendigkeit des Kampfgebets für jegliche geistliche Kriegführung scheint auch den Dritte-Welle-Autoren nicht zweifelhaft (vgl. etwa Wagner 2, S. 7ff.). Über die genaue Wirkweise des Gebets wird aber nicht spekuliert, wodurch das theologische Problem umschifft wird.
Kriegführung, geistliche
(spiritual warefare) Der geistlichen Kriegführung wurde schon in der Pfingst- und der charismatischen Bewegung einige Aufmerksamkeit zuteil. Die Dritte Welle knüpft an diesbezügliche Bemühungen an, weil sie der Überzeugung ist, dass die geistliche Kriegführung sich auf die Evangelisation förderlich auswirkt (-> Dritte Welle). Das allgemeine Interesse am Thema wurde nicht zuletzt auch durch die vor allem in Amerika viel gelesenen Romane von Frank E. Peretti mitbegründet. Für Peretti wie für die Dritte Welle präsentiert sich die Weltgeschichte als fortwährender Kampf zwischen Gott und seinen Himmlischen Heerscharen auf der einen und Satan samt seinen Dämonen auf der anderer Seite. Wir Christen sind dazu aufgerufen, mittels geistlicher Kriegführung auf seiten Gottes in diese Schlacht einzugreifen, ebenso wie Okkultisten und New-Age-Vertreter (dass die Bewegung in letzter Zeit etwas inaktuell wurde, tut für geistliche Kriegführer nichts zur Sache) bewusst oder unbewusst im Solde Satans streiten. In Perettis erstem Roman, "Die Finsternis dieser Welt", kämpft eine kleine, bibeltreue christliche Gemeinde mittels Kampfgebet gegen den als Bhagwan/Osho-Verschnitt gezeichneten Guru Alexander M. Kaseph, der eine an die "Universelle Weisse Brüderschaft" angelehnte und mit ein paar "Scientology"-Elementen angereicherte Lehre verkündigt, und gegen seine Gesinnungsgenossen und Verbündeten, z.B. eine liberale Grosskirche, dieweil, für die Menschen unsichtbar, Engel und Dämonen gegeneinander in den Kampf ziehen.

Die geistliche Kriegführung trägt für die Dritte Welle einige theologische Probleme ein. Eigentlich wurde der geistliche Kampf durch die Zurückweisung des Satans durch Jesus in der Versuchungsgeschichte und durch Jesu Tod am Kreuz bereits entschieden. Warum also noch kämpfen? Wimber meint: "Unsere Situation gleicht der einer Untergrundarmee in einem Land, das immer noch von einem besiegten Feind besetzt ist" (Wimber 1, S. 23). Der besiegte Feind zeigt sich aber immer noch sehr vital, deshalb gilt: "In unserem Krieg gegen den Satan gibt es keine entmilitarisierte Zone. Es gibt keine Ruhepause im Kampf. Wir wurden in den Kampf hineingeboren, und - wenn nicht der "Tag des Herrn" in der Zwischenzeit kommt - werden wir in diesem Kampf sterben. Alles, was wir in dieser Welt kennen sollen, ist Kampf" (Wimber a.a.O.).

Der geistliche Krieg findet an drei Fronten statt. Der geistliche Nahkampf gegen einzelne Dämonen wird im -> Befreiungsdienst ausgefochten, an der Front des Okkulten steht der Christ gegen die expliziten Verbündeten Satans, und im strategischen geistlichen Kampf werden die -> Territorialen Mächte gebrochen (S. Wagner 2, S. 11ff.).

Meta-Gemeinden
(Metachurches) Meta-Gemeinden sind Grossstadtgemeinden mit mehr als 10000 Gemeindegliedern. Gemeinden mit 1000 - 10 000 Gemeindegliedern werden Mega-Gemeinden genannt. Meta-Gemeinden erwecken wegen ihres meist schnellen Wachstums das besondere Interesse der Dritte-Welle-Vertreter, wie denn auch die meisten Meta-Gemeinden charismatisch orientiert sind. Grösste Meta-Gemeinde ist die Yoido Full Gospel Church des David (vormais Paul) Yonggi Cho in Seoul, Korea mit 900 000 regelmässigen Gottesdienstbesuchern. Weiters zu erwähnen sind die "Evangelical Cathedral of Jotabeche"-Church des Javier Vasquez in Santiago de Chile mit 300 000 und die "Vision of the Future"-Gemeinde des Omar Cabrera in Argentinien mit 145 000 Mitgliedern.
Namen
John Wimber:
Wimber ist als der eigentliche Initiator der Dritten Welle zu bezeichnen. Er bekehrte sich 1962 als 29-jähriger Rock 'n' Roll-Musiker und wurde 1970 erst Hilfspastor, dann zweiter Pastor einer Quäkergemeinde. In diesem Amt evangelistisch sehr erfolgreich, ereilte ihr 1974 ein Ruf C. Peter Wagners an das von diesem gegründete "Charles E. Fuller Institute for Evangelism and Church Growth" in Pasadena, Kalifornien. Wimber legte sein Pastorenamt nieder. 1976/77 wurden seine Frau und er Mitglieder eines um die Geistesgaben bemühten Hauskreises ihrer Quäkergemeinde. Dieser erlebte einiges Wachstum, wurde aber von den Quäkern ausgeschlossen. Am Muttertag 1977 gründete Wimber aus dem Hauskreis die "Vineyard Christian Fellowship" in Anaheim, Kalifornien. Wimber trat als Dozent am Fuller-Institute zurück, um sich voll dem Gemeindeaufbau widmen zu können. Februar 1978 erfolgte in der Vineyard-Gemeinde die erste Heilung, ein paar Monate später erhielt Wimber sein erstes "Wort der Erkenntnis". Muttertag 1979 wird als Datum der Erfüllung der Gemeinde mit dem Heiligen Geist, Muttertag 1981 als Beginn der -> Vollmächtigen Evangelisation angegeben. Ab Januar 1982 führte Wimber am Fuller-Institute seinen Kurs MC:510 "The Miraculous and Church Growth" (Zeichen, Wunder und Gemeindewachstum) durch, der zur eigentlichen Keimzelle der Dritten Welle wurde und Wimber seinen Übernamen "Mr. Signs and Wonders" eintrug. Seither setzt sich Wimber neben seinem Amt in der Vineyard-Gemeinde durch eine weltweite Vortragstätigkeit für die Anliegen der Dritten Welle und vor allem den -> HeiIungsdienst ein (Wimber 1, S. 13ff., Carol Wimber in: Wimber 3, S. 33ff.).
C. Peter Wagner:
(s. auch Informationsblatt 3/93) Wagner begann seinen Dienst 1954 mit 23 Jahren aIs Missionar eines nichtcharismatischen Missionswerkes (South America Mission) in Bolivien. 1971 wurde er an die "School of World Mission" des "Fuller Theological Seminary" in Pasadena berufen. Er beschäftigt sich hier vor allem mit der Erforschung des Gemeindewachstums und gilt als "führender Kopf der weltweiten Gemeindeaufbau-Bewegung". Seit 1980 wurde Wagners Aufmerksamkeit durch das verhältnismässig stärkere Wachstum der charismatischen Gemeinden und durch die Freundschaft mit John Wimber vermehrt auf den charismatischen Dienst gelenkt. Wimbers Kurs am Fuller-Institute wurde von Wagner mitinitiiert. In seiner nichtcharismatischen Gemeinde, der "Lake Avenue Congregational Church", begründete Wagner darauf "The 120 Fellowship", eine Art Hauskreis zur Ausübung des Heilungsdienstes. 1984 erhielt Wagner nach eigenen Angaben die Gabe der Heilung mit Spezialgebiet Verlängerung vor zu kurzen Beinen (Wagner 1, S. 35ff., Wagner in: Wimber 3, S. 45ff.).
Organisationen
Im Gegensatz zur Pfingstbewegung will die Dritte Welle keine eigenen Gemeindeverbände begründen, sondern vielmehr ihr Gedankengut und ihre Praxis in bestehende evangelikale Gemeinden hineintragen. Wagner meint: "Ein Hauptmerkmal der Dritter Welle ist es, Spaltungen um jeden Preis zu vermeiden. Der Kern der Dritten Welle setzt sich aus Gläubigen zusammen, die mit ihrer gegenwärtigen Gemeindebindung zufrieden sind und die den Wunsch haben, dass das so bleibt." (1, S. 24) Nichtsdestotrotz hat John Wimber mit seiner "Vineyard Christian Fellowship" einen eigentlichen Dritte-Welle-Gemeindeverband gegründet, der vor allem in Nordamerika (200 Gemeinden) und England mit bis vor kurzem steigenden Wachstumszahlen vertreten ist. Im deutschen Sprachraum werden die Impulse der Dritten Welle hauptsächlich von charismatischen Gemeinschaften aufgegriffen.

Verlegt werden die Werke der Dritte-Welle-Autoren bei folgenden Verlagen: Projektion J Verlag, Hochheim; Verlag Gottfried Bernard, Siegen und Wolfgang Simson Verlag MEG, Lörrach. Die renommierten evangelikalen Verlage halten sich (bisher) zurück.

Positive Faith
Mit "Positive Faith" wird die spezifische Theologie David (ehedem Paul) Yonggi Chos bezeichnet, die sich als Verbindung von charismatischem Glauben mit Elementen des "Positiven Denkens" nach Norman Vincent Peale beschreiben lässt. Zu nennen sind hier Chos Überlegungen über "Die schöpferische Kraft des gesprochenen Wortes" (Cho 1, 8.55) und die Bedeutung des Träumens oder seine Ansicht über Gebetspraxis und Erhörung ("lnkubation": Nach intensivem und detailliert-konkretem Beten mittels Imagination soll der Betende die Erhörung bereits vor Erhalt des Erbetenen in Anspruch nehmen, denn er trägt das Objekt, um das er betet, bereits in sich, geht quasi mit der Gebetserhörung schwanger, und nach Ende dieser Schwangerschaft wird das Erbetene sich einfinden; Cho 1, S. 7ff.).

Selbst kein eigentlicher Dritte-Welle-Vertreter, wurde Cho von Wagner wegen des Wachstums seiner "Yoido Full Gospel Church" in Seoul (Korea) hoch geschätzt (-> Meta-Gemeinden). Seine speziellen Ansichten werden in letzter Zeit aber vermehrt als am Rande einer Sonderlehre stehend wahrgenommen. Im deutschen Sprachraum ist im Sinne Chos u.a. die Christliche Gemeinde Köln tätig.

Prophetischer Dienst
Der prophetische Dienst beinhaltet die "Worte der Erkenntnis", die in der Dritten Welle vor allem im Rahmen der -> Vollmächtigen Evangelisation und des -> Heilungsdienstes eine grosse Rolle spielen. Es handelt sich bei ihnen um übernatürliche Einsichten über das Leben des Gesprächspartners, meist geht es um verborgene Probleme oder Sünden oder über die vorliegende Krankheit bzw. ihre wahre Ursache. Auf die Zukunft bezogene "Worte der Erkenntnis" sind seltener, kommen aber durchaus auch vor. Die Art und Weise des Zuteilwerdens eines "Worts der Erkenntnis" ist durchaus verschieden; so sah Wimber auf der Stirn eines Mitreisenden im Flugzeug das Wort "Ehebruch" geschrieben, darauf trat Wimber der Name der Geliebten ins Bewusstsein (Wimber 1, S. 43). Im Rahmen des Heilungsdienstes spürt Wimber oft Schmerzen an der Körperstelle, die beim Patienten von der Krankheit betroffen ist (Wimber 1, S. 60). Charles H. Kraft berichtet von einem Fall, bei dem ihm plötzlich eine Melodie in den Sinn kam, deren zugehöriger Text sich dann als "Wort der Erkenntnis" an den Gesprächspartner entpuppte (Kraft, S. 200). Am häufigsten scheint jedoch eine wörtliche Übermittlung des "Wortes der Erkenntnis" ins Bewusstsein des Empfängers zu sein.

Ziel des prophetischen Dienstes ist im Rahmen der Vollmächtigen Evangelisation das Überzeugen des Gesprächspartners durch das offensichtlich übernatürliche Wissen, im Rahmen des Heilungsdienstes das Ermöglichen der Heilung durch Eruieren der wahren Ursache. In den Gottesdiensten der "Vineyard"-Gemeinden hat der prophetische Dienst noch eine zusätzliche Bedeutung gewonnen: Gemeindeglieder empfangen, vor allem durch Träume, die Zukunft anderer Gemeindeglieder betreffende "Worte der Erkenntnis" und teilen sie diesen mit.

Als Beispiel eines eigentlichen "Berufs"-Propheten ist Dick MilIs zu nennen, "einer der anerkanntesten Propheten Amerikas, der schon eine sehr lange Liste von eingetroffenen und überprüften Prophetien vorweisen" kann. Von MilIs stammt die Prophetie anhand von Koh. 4,12, derzufolge C. Peter Wagner fürderhin eine Allianz aus Evangelikalen, Charismati kern und Liberalen bewirken werde (Wagner 2, S. 31).

Territoriale Mächte
(territorial spirits) Territoriale Mächte sind für bestimmte geographische Einheiten, meist Städte oder gar Länder, zuständige Dämonen und damit Hauptgegner der strategischen -> geistlichen Kriegführung. Der Glaube an die Existenz territorialer Mächte ist jüngeren Datums, grössere Verbreitung erfuhr er erst durch die Romane Perettis und die Dritte Welle. Das Aufgreifen dieser bisher eher randständigen und Dämonenspezialisten vorbehaltenen Vorstellung durch die Dritte Welle begründet sich in der für die Gemeindewachstumsforschung auffälligen Tatsache, dass dieselben evangelistischen Mittel in einem geographischen Gebiet ausgesprochen wirksam, in einem anderen mit durchaus derselben soziologischen Struktur hingegen praktisch wirkungslos sein können. Die Konzeption der territorialen Mächte vermag solches glatt zu erklären, indem das für das Evangelium "offene" Gebiet dämonisch unbelastet ist, das "verschlossene" aber von einem renitenten territorialen Dämon beherrscht wird, der die Menschen davon abhält, sich der Botschaft des Evangeliums zu öffnen. In der Tat berichten Dritte-Welle-Vertreter von markant angestiegenen Wachstumskurven in Gebieten, in denen zuvor die Macht des betreffenden territorialen Dämons gebrochen wurde (Wagner 1, S. 180ff.; Wagner 2, S. 15ff.; Wagner 3, S. 83ff.). Die biblische Abstützung der Existenz territorialer Mächte ist schwach, einigermassen plausibel hierher zu zählen sind nur der "Fürst des Perserreichs" und der "Fürst Griechenlands" aus Daniel 10. Mit einiger Mühe lassen sich weitere Stellen des Alten Testaments unter diesem Gesichtspunkt auswerten, z.B. Dtn 32,8 oder Jer 50, 23.

Neutestamentliche Belege lassen sich nur unter Ausführung einiger exegetischer Winkelzüge gewinnen; so soll nach Wagner die Hure aus Offenbarung 17 "höchstwahrscheinlich der einflussreichste territoriale Geist, der überhaupt in der Schrift erwähnt wird" darstellen (Wagner 2, S. 67). Dafür spricht eigentlich gar nichts. Welches wäre dann ihr Territorium? Wagner muss aus diesem Mangel an neutestamentlichen Belegen heraus gar die apokryphen Apostelgeschichten des Andreas und des Johannes zur Stützung seiner Argumentation bemühen (Wagner 2, S. 7Sf.). Wie dem auch sei, die weiteren Ausführungen der Dritte-Welle-Vertreter zum Thema "Territoriale Mächte" stützen sich ohnehin nicht auf die Bibel, sondern auf die -> christliche Erfahrung.

Die Notwendigkeit der Existenz territorialer Mächte begründet Wagner folgendermassen: "Es ist hilfreich, sich vor Augen zu halten, dass Satan nicht die Eigenschaften Gottes besitzt, darum ist er auch nicht allgegenwärtig. Er mag zwar in der Lage sein, mit ungeheurer Schnelligkeit von einem Ort zum andern zu gelangen, trotzdem kann er immer nur an einem Ort sein. Wenn er nun beabsichtigt, die Gedanken von drei Milliarden Menschen zu verblenden, die das Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi noch empfangen müssen, dann muss er diese Aufgabe an viele andere delegieren, nämlich an die bösen Geister" (Wagner 3, S. 77). Dieser Ansatz zu einer eigentlichen Satanologie, einer Lehre vom Wesen Satans, soll nach Maeinung Wagners noch weiter ausgebaut werden: "Haben wir als Diener Christi ... nicht die Verantwortung, nach Antworten auf die Frage zu suchen, wie Satan beim Verdecken des Evangeliums vorgeht? Paulus selbst sagte: 'denn seine (Satans) Gedanken sind uns nicht unbekannt' (2. Kor 2,11)". (Die zitierte Paulusstelle lässt sich aber ungezwungener interpretieren als Feststellung, dass wir Christen über Satans Ziele ohnehin alles Notwendige wissen. Ein satanologischer Forschungsauftrag wird hier jedenfalls kaum vergeben.)

Die diesbezüglichen Bemühungen der Dritten Welle tragen denn auch Früchte, so sind mittlerweile die Namen verschiedenster territorialer Mächte bekannt. So sollen direkt unter Satan sechs Weltmächte mit Namen Damian, Asmodeo, Menguelesh, Aros, Beelzebub und Nosferasteus stehen. Diesen untergeben sind für jede Nation ihrerseits sechs Dämonen, diejenigen der USA z.B. seien Ralphes, Anoritho, Manchester, Apolion, Deviltook und ein Namenloser (Wagner 1, S. 184; Wagner 3, S. 86). Neben diesen sog. "wirklichen Namen" können Dämonen auch "funktionale Namen" tragen: "Geist der Gewalt, Geist der Hexerei" u.a. (Wagner 2, 8.114). Diese dämonologische Namenkunde soll aber nicht nur ein akademisches Interesse befriedigen, denn wir sollten nach Wagners Meinung nicht vergessen, dass "diejenigen, die regelmässig mit höherrangigen geistlichen Ebenen zu tun haben, der Meinung sind, dass es zwar nicht unbedingt notwendig ist, die genauen Namen zu kennen, es aber in vielen Fällen hilfreich sein kann. Der Grund dafür scheint darin zu liegen, dass in einem Namen mehr Macht liegt, als viele in unserer Kultur glauben." (Wagner, a.a.O.)

Neben der Erforschung der Namen der territorialen Mächte entwickelt die Dritte Welle eine eigentliche dämonologische Geographie: Das Erstellen "geistlicher Landkarten", das heisst das geographische Ausscheiden dämonisch beherrschten Territoriums zwecks strategischer geistlicher Kampfführung in den betroffenen Gebieten ist zu einem wichtigen Vorbereitungsschritt missionarischer Grossprojekte avanciert. In diesem Zusammenhang feiern überkommene Gespenster-Geschichten in der Dritte-Welle-Literatur fröhliche Urständ, so ist nach Wagner "die Aktivität von Dämonen im allgemeinen innerhalb und in der Nähe von manchen Indianerfriedhöfen ganz besonders machtvoll" (Wagner 2, S. 100). Selbst das Eigenheim Wagners war von einem territorialen Geist besetzt, der "ungefähr 2,40 Meter gross war und leuchtend grüne Augen und Zähne hatte" (Wagner 2, S.62).

Zur Durchführung eines strategischen geistlichen Kampfes mit einem territoriaIen Dämon, der eine ganze Stadt beherrscht, d.h. zur "Einnahme" dieser Stadt für Jesus Christus, empfiehlt Wagner die Befolgung von sechs Grundsätzen (Wagner 2, S. 1 26ff.):

1. Das von dämonischer Herrschaft zu befreiende Gebiet ist dergestalt auszugrenzen, dass seine Grösse zu bewältigen ist.

2. Die christlichen Leiter und Pastoren des betreffenden Gebietes sind zu einem gemeinsamen Vorgehen und gemeinsamen -> Kampfgebet zu gewinnen.

3. Auch die nichtcharismatischen Gemeinden sollen beteiligt werden.

4. Die Gläubigen des betreffenden Gebietes haben sich durch Busse, Demut und Heilung auf den Kampf vorzubereiten.

5. Der fünfte Schritt, die "Forschungsarbeit", ergibt Aufschluss über die dämonischen Mächte, welche die Stadt beherrschen.

6. Den wichtigsten Part haben die speziell von Gott begabten Fürbitter, sie brechen mit ihrem Kampfgebet in steter Rücksprache mit Gott via "Worte der Erkenntnis" eine Festung Satans nach der anderen.

Vollmacht
Die Vollmacht Gottes ist der zentrale theologische Begriff, der das Wirken von Wundern, von "Werken der Kraft", durch die Christen erklären soll: "Nach Apostelgeschichte 1,8 kann jeder Christ vom Heiligen Geist Vollmacht empfangen. Vollmacht ist eine Fähigkeit, die Stärke und die Kraft, eine Aufgabe auszuführen. Vollmacht ist das Recht, die Kraft Gottes zu gebrauchen" (Wimber 1, 8.23). Für die Übertragung der Kraft Gottes auf die Christen stützt sich die Dritte Welle auch auf Joh. 14,12: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird diese Taten auch tun, die ich tue, und wird grössere Taten als diese vollbringen." Dabei hat sich die Dritte Welle mit der in evangelikalen Kreisen weitverbreiteten sog. dispensationalistischen Anschauung zum Thema "Wunderwirkung durch Christen" auseinanderzusetzen. Die dispensationalistische Anschauung ("dispensationalistisch", weil sie mit zeitlich gestaffelten verschiedenen Dispensationen, Heilsordnungen, im Laufe der Heilsgeschichte rechnet) geht in Sachen Wundern von zwei Prämissen aus:

1. Jesus Christus wirkte seine Wunder aus seiner Göttlichkeit heraus. 2. Diese Kraft, Wunder zu wirken, wird nach Joh. 14,12 auf die anwesenden Jünger übertragen, aber nur auf diese. Mit dem Ende des apostolischen Zeitalters hören somit die Wunder auf. Letztere Prämisse wird von der Dritten Welle abgelehnt. Die Verheissung, Wunder wirken zu können, gilt für die heutigen Christen ebenso wie für die Apostel. Dabei wird Joh. 14,12 betreffs Ausmass der Wunder durchaus wörtlich genommen:

Wimber hält das Wirken von Naturwundern für möglich (Wimber 1, S. 104), und Wagner berichtet von einem koreanischen Pastor, der bisher 10 Tote auferweckt habe (Wagner 1, S. 64). Theologisch geht Wagner noch einen Schritt weiter als seine Mitstreiter, indem er eine eigentliche Dritte-Welle-Christologie (er nennt sie "Theologie der Menschwerdung") entwirft: So soll Christus bei seiner Menschwerdung auf alle göttlichen Eigenschaften verzichtet haben. "Die einzige Natur, die Jesus während seiner irdischen Lebenszeit auslebte, war seine menschliche Natur" (Wagner 1, S. 106). Seine Wunder wirkte Jesus mithin auch als Mensch, nicht aus seiner Göttlichkeit heraus, sondern nur mit der vom Vater ihm jeweils anvertrauten Vollmacht. Seine Wunderwirkungsvollmacht, und das ist für Wagner der Punkt, ist also eine Fähigkeit, die Gott einem Menschen verliehen hat und jedem Menschen verleihen kann. Auf grosses Echo ist Wagner mit seinem christologischen Entwurf nicht gestossen; er stellt denn auch fest, "dass ich damit ziemlich allein dastehe" (Wagner 1, 8.106).

Zungenrede
Die Bewertung der Zungenrede ist einer der beiden Bereiche, in denen sich die Dritte Welle theologisch von der Pfingst- und der charismatischen Bewegung abhebt. Während für letztere die Zungenrede ein regelmässiges sichtbares Zeichen der Geistestaufe darstellt, ist sie für die Dritte Welle eine Gabe Gottes unter andern und wird nur den spezifisch Begabten geschenkt. Sie hat keinen höheren Rang als die anderen Gaben. So sind zwar die meisten Dritte-Welle-Vertreter mit der Zungenrede begabt, nicht aber z.B. Charles H. Kraft, der aber dennoch z.B. die Gabe der Heilung erhalten hat (Wimber 3, S. 232). Die Zungenrede hat in der Dritte-Welle-Literatur im Gegensatz etwa zum Schrifttum der Pfingstbewegung eine randständige Bedeutung, weil das Hauptziel der Dritten Welle weniger die persönliche Heiligung als vielmehr die Evangelisation ist. Und hier wirkt sich eine besondere Betonung der Zungenrede wohl nicht unbedingt förderlich aus.
Zusammenprall der Mächte
(power encounter) Als Zusammenprall der Mächte wird in der Dritten Welle ein Ereignis verstanden, bei welchem Christen mit der Macht des Satans oder seiner Dämonen konfrontiert sind. Jegliche -> geistliche Kriegführung ergibt ein solches. Beispielhaft für die Dritte-Welle-Vorstellung sind auch hier Perettis Romane, z.B. "Die Finsternis dieser Welt": Während eine kleine bibeltreue Gemeinde mit Kampfgebet gegen eine okkult-esoterische Verschwörung vorgeht, findet im unsichtbaren Bereich ein Kampf zwischen Dämonen und Engeln statt: die Mächte stossen aufeinander. Den grössten Zusammenprall der Mächte in der Heilsgeschichte ortet die Dritte Welle in der Versuchungsgeschichte: Satan und Christus prallen unmittelbar aufeinander. Als weiteres Beispiel wird gern der Kampf zwischen Michael und dem Drachen aus 0ff. 12 angeführt. Auch die Auseinandersetzung

zwischen Paulus und Elymas aus Apg. 13 wird hier bemüht (z.B. Wagner 2, S. 54). Hier zeigt sich aber auch das Problem der Vorsteilung eines Zusammenpralls der Mächte: Hinweise darauf, dass dem Vorgehen der Christen gegen das Böse ein himmlisches Schlachtgeschehen unmittelbar parallel läuft (bzw. von jenem sogar abhängt), lassen sich aus der Bibel nicht gewinnen. Hier muss die -> christliche Erfahrung bemüht werden.

Literatur
Quellen:
David (Paul) Yonggi Cho:
Die vierte Dimension, Band 1, am. 1978, dt. 1987
Die vierte Dimension, Band 2, dt. 1987

Charles H. Kraft:
Abschied vom aufgeklärten Christentum, am. 1989, dt. 1991

Frank E. Peretti:
(1) Die Finsternis dieser Welt, am. 1986, dt. 1990

C. Peter Wagner:
(1) Der gesunde Aufbruch, am. 1988, dt. 1989
(2) Das Kampfgebet, 2. Aufl.: Das offensive Gebet, am. 1992, dt. 1992
(3) Hrsg.: Der Kampf mit satanischen Engeln, dt. 1993

John Wimber und Kevin Springer:
(1) Vollmächtige Evangelisation, am. 1985, dt. 1986
(2) Heilung in der Kraft des Geistes, am. 1986, dt. 1987
(3) Hrsg.: Die Dritte Welle des Heiligen Geistes, am. 1988, dt. 1988

Kritisch:
Wolfgang Bühne:
(1) Spiel mit dem Feuer. Die drei Wellen des Heiligen Geistes, 2. erw. Aufl. 1991
(2) Dritte Welle gesunder Aufbruch? 1991
Georg Otto Schmid, 1994
Letzte Aenderung 1994, © gos 1994, Infostelle 2000
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