| Das wiederbelebte Schamanentum verdankt einen guten Teil seiner Dynamik und Popularität dem Anthropologen Michael Harner, der seit den Siebzigerjahren die universalen Grundmuster des Schamanismus aufdeckt und dem zivilisationskritischen Zeitgenossen als persönlichen spirituellen Weg anbietet. Schamanismus habe, meint Harner, während Jahrzehntausenden weltweit Menschen geholfen, ihr spirituelles Potential zu entwickeln und anstehende gesundheitliche und psychische Probleme zu lösen. Die Schamanen unserer Vorfahren führten durch Bewusstseinsveränderung (meditatives Trommeln) in verborgene Welten. Diese Welten voller hilfreicher Kräfte öffnen sich bei entsprechender Anleitung auch dem modernen Menschen. Diese verborgenen Welten und damit auch die universale Schamanismuskultur will Harner uns wieder erschliessen. Harner gründete in Kalifornien die Foundation for Shamanic Studies (FSS), schrieb Bestseller zum Thema, und erreicht nun mit seinen Kursen weltweit mehr als 5 000 Personen pro Jahr.
Sein Schamanismus ohne Bindung an eine spezifische Stammeskultur ist wahrscheinlich ein Widerspruch in sich selbst. Schamanismus ist Stammeskultur und Stammesreligion und vom konkreten Stamm nicht zu abstrahieren. Was immer aber Harner als sog. Schamanismus anbietet, er präsentiert in seiner Offenheit für die Experimentierfreude und die spirituellen Nachholbedürfnisse der Gegenwart und in seiner Liebe zum eingängigen Ritual und zum vieldeutig schillernden Symbol ein eigentliches spirituelles Erfolgsrezept. Andere Schamanismuskreise mögen traditionsbewusster und authentischer arbeiten. Ohne Michael Harner hätte der sog. Schamanismus nie die heute sichtbare Bedeutung erlangt.
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