Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen

Gemeinde für Urchristentum (GfU)

Artikel aus dem Jahr 1998

 

Die Gemeinde für Urchristentum (GfU), im Volksmund auch "Urchristen" genannt, stellt den zweitgrössten pfingstlerisch ausgerichteten Gemeindeverband in der Schweiz dar. War die GfU in der Vergangenheit für ein recht kompromissloses Vertreten pfingstlerischer Positionen bekannt, eine Haltung, die unter den Mitgliedern der GfU noch da und dort anzutreffen ist, befindet sich der Verband im Moment in einem Wandlungsprozess, der sowohl Lehre und Struktur als auch das Verhältnis zu anderen Kirchen und Gemeinden betrifft (1).

 

Die Anfänge der Gemeinde für Urchristentum

Die GfU geht zurück auf das Wirken von Christian Drollinger (2), einem Pfarrer der baden-württembergischen Kirche (3), welcher nach seiner Pensionierung 1919 ins Berner Oberland zieht. Drollinger beobachtet die Pfingstbewegung in Deutschland mit einigem Interesse, allerdings ohne ihr organisatorisch verbunden zu sein. Drollinger arbeitet vielmehr mit der Heilsarmee zusammen, so predigt er 1927 bei einer Heilsarmee-Evangelisation in Rüti bei Riggisberg südlich von Bern. Bei dieser Gelegenheit bekehrt sich eine bisher traditionell landeskirchliche Frau (4) zu einer pietistisch geprägten Frömmigkeit und stellt ihr Haus auf der Plötschweid oberhalb Riggisberg für Bibelwochen zur Verfügung. Im Rahmen dieser Bibelwochen, die von Christian Drollinger geleitet werden, werden nach und nach die "Gaben des Geistes" der Pfingstbewegung eingebracht. Insbesondere Offenbarungen und Worte der Erkenntnis werden wichtig: Sie enthüllen Sünden von Bibelwochenbesuchern, die daraufhin bereuen. Der Kampf gegen die Sünde und das Ringen um Reinheit werden für die entstehende GfU so prägend. Diese enge Verbindung von Geistesgaben und dem Bemühen um heiligenmässiges Leben ist typisch für die Pfingstbewegung im Gegensatz zur charismatischen Bewegung und zur Dritten Welle, wo die Heiligung in ihrer Bedeutung klar zurücktritt.

Die werdende Gemeinde führt die Erwachsenentaufe ein: Christinnen und Christen werden nach einer Bewährungszeit durch Untertauchen getauft (5).

Im Laufe der Jahre entwachsen aus den Bibelwochen verschiedene Hausgemeinden, die mangels eines anderen Namens von der Umwelt als "Drollinger-Sekte" angesprochen werden (6). Die Gemeinschaft gibt sich deshalb im Jahr 1933 einen Namen, der durch eine göttliche Offenbarung empfangen sein will: "Gemeinde für Urchristentum".

 

Die Ausbreitung der Gemeinschaft

Die weitere Entwicklung der GfU ist insbesondere mit zwei Namen verbunden: Johann Widmer und Robert Willenegger. Johann Widmer (7) ist Apothekergehilfe und methodistischer Laienprediger, als er 1936 in Kontakt zu Drollinger tritt. Widmer wird durch Drollinger für die Praxis der Geistesgaben gewonnen und sucht diese nun auch in methodistischen Gottesdiensten umzusetzen. Insbesondere in der Methodistengemeinde Signau stösst Widmer mit seiner pfingstlichen Verkündigung auf fruchtbaren Boden, es bildet sich eine Hausgemeinde in widmerschem Sinne, die die Methodistenkapelle benutzt. Bald kommt es allerdings zu Spannungen mit der Leitung der Methodistenkirche, 1938 erfolgt die Trennung der Anhänger Widmers von den Methodisten und deren Anschluss an die GfU (8). Johann Widmer wird für die GfU als Buchautor wichtig (9), wobei seine Werke unter anderem dem Kampf gegen die Dämonen (10) und gegen jede Form von Alternativmedizin (11), aber auch schulmedizinische Praktiken gewidmet sind, eine Stossrichtung, die die heutige GfU relativiert (12).

Robert Willenegger (13) ist angehender Pfarrer der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Bern (14), als er sich aufgrund der Lektüre eines Buches von Johann Widmer im Jahr 1941 der GfU anschliesst. Willenegger wird schnell zum theologischen Vordenker des Verbandes. Seinen landeskirchlichen VDM-Titel behält Willenegger bei (15) und wird für die GfU als Verbindung zu intellektuellen Kreisen wichtig (16). Unter Willeneggers Leitung wird Hasli ob Signau zum Zentrum der Bewegung.

In ihrer ersten Zeit darf die GfU ein starkes Wachstum erleben. Es sind nicht zuletzt Mitglieder der Pfingstgemeinden, die für dieses Wachstum verantwortlich sind: Sie finden in der GfU als einer Bewegung, die zwanzig Jahre jünger ist als die Pfingstmission, die Aufbruchstimmung und die starke Betonung der Geistesgaben wieder, welche ihre eigenen Gemeinden in deren Anfangszeit prägten, inzwischen aber abgeflacht sind (17). Daneben spielt der Zuzug von Menschen, die nach einem Heilungsdienst durch GfU-Vertreter eine Heilung wahrnehmen, eine grosse Rolle (18).

 

Zunehmende Bedeutung der Prophetie

Schon seit den Anfängen der GfU kann die grosse Bedeutung des prophetischen Dienstes als das typische Merkmal der Bewegung gesehen werden (19). Diese Bedeutung wächst in den folgenden Jahren noch an. Prophetien werden, insbesondere von Frauen, im Gottesdienst eingebracht. So wird berichtet, dass Drollingers Frau Clara (20) dessen Predigten des öftern durch Offenbarungen unterbrochen habe. Aber auch die Frau von Robert Willenegger ist mit der Gabe der Weissagung ausgestattet (21). Die Leitung der GfU ist sich der gemeinschaftsstiftenden Bedeutung des prophetischen Dienstes wohl bewusst, weshalb zwei diesbezüglich begabte Frauen dem Leitungsgremium der Gemeinschaft angehören. Mit der Zeit wird dazu übergegangen, die Offenbarungen aufzuschreiben (22) und im Kreise der GfU-Mitglieder zu lesen. Die Prophetien erhalten de facto denselben oder für die Praxis gar noch einen höheren Rang als die Bibel. Die GfU ist so auf dem Weg zur Sondergruppe.

 

Nachfolgeprobleme und Spaltungen

Christian Drollinger stirbt im April 1943. Drollingers Witwe Clara sieht sich als die neue Leiterin der Bewegung. Es kommt zur Spaltung, ein Teil der Bewegung geht mit ihr. Diese Trennung von Clara Drollinger gibt dem gemässigten, freikirchlichen Flügel der GfU die Gelegenheit zur Uebernahme der Kontrolle über die Gemeinschaft. Die beiden Prophetinnen werden aus dem Leitungsgremium entfernt, die Funktion der Frauen wird auf Seelsorge und Gottesdienste beschränkt. Eine Verschriftlichung von Prophetien kommt fürderhin nicht mehr vor. Die Gefahr des Sondergruppe-Werdens ist damit gebannt, allerdings um den Preis eines Hinausdrängens der Frauen aus der Verantwortung (23).

Nachfolger Drollingers als "Gemeindevorsteher" wird Johann Widmer. Widmer etabliert 1943 eine eigene Gemeindezeitschrift: Das Periodikum "Ich komme bald".

 

Gemeindeaufbau

Die folgende Zeit ist durch eine fortlaufende Konsolidierung des Verbandes gezeichnet. Neben die Geistesgaben tritt die Betonung biblischer Lehre, den spontan und "charismatisch" organisierten Gemeinschaften wird eine am neuen Testament orientierte Aemterhierarchie gegeben.

1946 tritt die GfU über einen dänischen Jongleur beim Zirkus Knie (24) in Kontakt mit der "Apostolske Kirke" in Dänemark (25). Nach dem Vorbild dieser Gemeinschaft führt die GfU die sog. "apostolischen Aemter" des Apostels, des Lehrers und des Propheten ein, wobei es in der GfU nicht zur Ausbildung eigentlicher Chargen kommt. Statt dessen wird bei einzelnen Mitgliedern ein diesbezüglicher apostolischer Dienst diagnostiziert, welcher von den Lokalgemeinden zu unterstützen wäre.

Im Jahr 1947 wird das Amt des Aeltesten in den Lokalgemeinden eingeführt, das den Männern vorbehalten bleibt.

Ende der fünfziger und anfangs der sechziger Jahre erfolgt die Ausbreitung der GfU in die Romandie. Die dort entstandenen Gemeinden schliessen sich als "Eglise Apostolique Primitive", später als "Eglise Apostolique Evangélique" (EAE) dem GfU-Verband an.

Im Jahr 1959 wird das Amt des GfU-Präsidenten geschaffen. Erster Inhaber ist Robert Willenegger (bis 1968). Willenegger löst damit Johann Widmer als Leiter der Gemeinschaft ab (Widmer stirbt 1963, Willenegger 1975).

Daneben finden regelmässige Pastorentreffen statt, die von harten Auseinandersetzungen gekennzeichnet sind. Insbesondere die Fragen von Scheidung und Wiederverheiratung und der Dämonologie sind in den Reihen der GfU umstritten.

 

Ausbildung und Zusammenarbeit mit anderen Pfingstgemeinden

Im Jahr 1958 erwirbt die GfU das Parkhotel in Gunten (26), das jeweils im Winter für eine gemeindeeigene Bibelschule genutzt wird (27). Seit 1964 wird diese Ausbildung gemeinsam mit der Schweizerischen Pfingstmission SPM geführt, wobei jeweils das erste Ausbildungsjahr bei der GfU in Gunten stattfindet, das zweite Jahr bei der SPM in Emmetten.

Die Zusammenarbeit mit der SPM und dem dritten pfingstlerischen Verband, den 1994 aufgelösten Freien Christengemeinden der Schweiz FCGS wurde schon 1961 in einer Einheitskonferenz in Gunten institutionalisiert.

Im Jahr 1969 führt diese Zusammenarbeit zur gemeinsamen Herausgabe der Zeitschrift "Wort&Geist", die bis heute erscheint.

1974 gründen die drei Verbände den Bund Pfingstlicher Freikirchen BPF als lose Dachorganisation.

Parallel zur geschilderten organisatorischen Verfestigung der GfU und zur Eingliederung des Verbandes ins freikirchliche Umfeld läuft eine Abnahme der konkreten Wirkungen von Geistesgaben in der Praxis der GfU (28).

 

Die "Jesus People": Arbeit unter Randgruppen

In den siebziger und achziger Jahren, unter der Präsidentschaft von Fritz Schmutz (1969-1974), Erich Schwegler (1975-1978) und Walter Eggenberg (1979-1991) erfährt die Arbeit der GfU eine neue Ausrichtung. In der Folge der Jesus People-Bewegung und unter dem Eindruck von David Wilkersons "Teen Challenge" engagiert sich die GfU nun insbesondere in der Arbeit mit Randgruppen Jugendlicher. Im Rahmen dieser Bemühung entstehen "One Way-Keller" und in den darauffolgenden Jahren verschiedene sozialdiakonische Werke, die z.T. interdenominationell geführt werden. Zu nennen sind u.a.: Die Stiftung "Hilfe für Dich" in Trubschachen und Signau zur sozialen Wiedereingliederung junger Erwachsener (gegründet 1979), der Verein "Zem Wäg" in Basel und Münchenstein, der begleitete Wohngemeinschaften anbietet (gegründet 1981), und die überkonfessionelle Gassenarbeit "Eggstei" in Burgdorf (gegründet 1987).

Daneben findet auch die gemeindeinterne Jugendarbeit grosse Beachtung.

 

Die neunziger Jahre: Gemeindeaufbaubewegung

Während die GfU seit ihrer Gründung bis Ende der achziger Jahre kontinuierlich gewachsen ist, erfährt sie in den neunziger Jahren wie die meisten Freikirchen eine Stagnation. Dies gibt den Verantwortlichen zu denken, eine Neuorientierung scheint not zu tun. Zu diesem Zweck wird auf die Rezepte der amerikanischen Gemeindeaufbaubewegung zurückgegriffen. Wachsende Gemeinden sollen den Verband beleben. Als Ausdruck dieser neuen Zielsetzung wird 1992 Herbert Hänggi, der Pastor der grössten GfU-Gemeinde, der "Arche" in Winterthur, zum GfU-Präsidenten. Das Wachstum der "Arche" (heute 600 Mitglieder) soll zum Vorbild für alle GfU-Gemeinden werden. Allerdings dauert die Präsidentschaft Hänggis nur zwei Jahre. Dann erfolgt die Trennung unter Umständen, die der Oeffentlichkeit nicht mitgeteilt werden. Für 1994 und 1995 wird kein neuer Präsident bestimmt, der GfU-Sektretär Tony Niffenegger führt den Verband kommissarisch.

 

Die Gegenwart: Zusammenarbeit und Modernisierung

Unter der gegenwärtigen Leitung wird die Zusammenarbeit der GfU mit anderen Pfingstgemeinden, aber auch nichtpfingstlichen Freikirchen betont. So tritt das GfU-eigene Bekenntnis in den Hintergrund, es wird de facto durch die Lausanner Erklärung und das Manifest von Manila ersetzt. Damit wird anstelle des Trennenden das Gemeinsame mit anderen Kirchen zur Grundlage.

Pfingstlerische Spezifika wie Zungenrede und Geistestaufe werden weiterhin geübt, aber auf der theologischen Ebene weniger exklusiv formuliert.

Die Rolle der Frau wird im Moment neu bedacht. Die Leitung der GfU möchte den Frauen alle Aemter öffnen. Ob die Gemeinschaft der Leitung in diesem Punkt folgt, ist zur Zeit noch unklar.

Problematische Tendenzen in Lokalgemeinden werden vom Verband angegangen, was mitunter zu Trennungen führen kann: So scheidet die Zürcher GfU-Gemeinde in der Friedenskirche unter ihrem Pastor Christian Tobler per Anfang 1998 aus dem Verband aus. Streitpunkte waren die aus Sicht des GfU-Verbandes zu starke Betonung der Dämonologie und der Autorität der Leiterschaft in der Friedenskirche, verbunden mit der Tatsache, dass sich Christian Tobler nicht bereitfand, diese Tendenzen zu überdenken.

 

Die Lehre der GfU

1. Unfehlbarkeit der Bibel

Mit allen evangelikalen und charismatischen Gemeinden verbindet die GfU das Bekenntnis zur Unfehlbarkeit der Bibel. "Das Alte und Neue Testament sind in ihrer Ganzheit der entscheidende Massstab für alle Fragen des Glaubens und des Lebens. In diesem Sinne gilt uns die Bibel als das autoritative Wort Gottes." Dieses Verständnis der Bibel als unfehlbar ist in der Gegenwart der GfU aber dafür offen, dass bestimmte Weisungen der Bibel als zeitbedingt wahrzunehmen sind, wie die Bemühung der GfU um die Gleichberechtigung der Frau belegt.

 

2. Die Taufe

Die GfU lehrt die Erwachsenentaufe und sieht sich damit in der Tradition des Täufertums des 16. Jahrhunderts. Es werden nur "entscheidungsfähige Christen" getauft, wobei die Frage, ab welchem Alter Entscheidungsfähigkeit vorausgesetzt wird, in den einzelnen GfU-Gemeinden unterschiedlich beantwortet wird. In der Regel kann eine Taufe ab dem 14. Lebensjahr erfolgen.

Der Taufe kommt nach Ansicht der GfU keine Heilsbedeutung zu, sie ist kein Sakrament.

 

3. Heiligung

Die GfU ist ein Kind der Pfingstbewegung. Als solches teilt sie die typisch pfingstlerische Tradition der Kombination von Geistesgaben und Heiligung. Die Lehre von der Heiligung geht davon aus, dass es Christinnen und Christen möglich ist, schon auf dieser Welt sündlos zu leben, oder doch diesem Ziel zumindest nahezukommen.

In den Anfangszeiten der GfU hat dieses Bemühen um Heiligung das eigentlich Bewegende der Gemeinschaft ausgemacht, die Geistesgaben haben sich in den Dienst dieses Ringens um Reinheit gestellt, insofern durch Prophetien die Sünden der Anwesenden offengelegt wurden.

Auch für die Gegenwart der GfU kommt dem Bemühen um Heiligung grosse Bedeutung zu, wobei der Platz dieser Bemühung heute die Seelsorge ist. Oeffentliche Blossstellung von Verfehlungen einzelner sind in der heutigen Praxis der GfU nicht mehr die Regel.

 

4. Die Geistestaufe

Zusammen mit der ganzen Pfingstbewegung vertritt die GfU die Lehre von der Geistestaufe, die beinhaltet, dass die Christin, der Christ nach der Bekehrung zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Heiligen Geist erfüllt wird. Zeichen dieses Erfülltseins ist die Fähigkeit, in Zungen zu reden (in der Praxis der GfU geschieht das Zungenreden als Singen von sprachlich sinnlosen Silben, die als Engelssprache oder unbekannte Fremdsprache gedeutet werden).

In der Vergangenheit lehrte die GfU die Notwendigkeit der Geistestaufe für ein Christsein im Vollsinne (29) (einzelne Vertreter lehrten gar ihre faktische Heilsnotwendigkeit (30)) und die Zungenrede als zwingendes äusseres Zeichen derselben (Lehre von der Initial Evidence).

Heute werden beide Lehren nicht mehr in dieser Absolutheit vertreten. Der Heilige Geist wird in heutiger Sicht den Gläubigen schon bei der Bekehrung geschenkt, die Geistestaufe ist eine Erfahrung des Durchbruchs dieser Präsenz des Geistes, die sich im Grunde wiederholen kann. Damit hat sich die Lehre der GfU an die Interpretation der Dritten Welle stark angenähert.

Zur Zungenrede wird ermuntert, sie wird aber nicht mehr als zwingendes Merkmal der Geistestaufe gelehrt.

 

5. Die Geistesgaben

Wie in allen pfingstlichen und charismatischen Gemeinschaften ist für die Praxis der GfU die Ausübung der "Geistesgaben" wichtig.

- Die Prophetie spielte in der Gründungszeit der Bewegung eine grosse Rolle. Prophetien kommen auch heute noch in den Gottesdiensten der GfU zum Tragen. Meist erhalten Gemeindeglieder während der Anbetungszeit "Bilder", die sie dann dem Gottesdienstleiter melden mögen, worauf dieser entscheidet, ob diesem Bild, dieser Botschaft Raum gegeben wird oder nicht. Durch diese Kontrollfunktion des Gottesdienstleiters ist prophetischem Wildwuchs ein Riegel geschoben.

- Die Krankenheilung wird nach Vorbild von Jakobus 5 insbesondere durch die Aeltesten geübt, die auf Anfrage hin für Kranke beten. In manchen Gemeinden bestehen Seelsorgeteams, die das Gebet für Kranke übernehmen. Eigentliche Heilungsdienst-Teams, wie sie aus Vineyard-Gemeinden bekannt sind, bestehen in der GfU nicht.

- Zungenrede und Auslegung kommen in den Gottesdiensten der GfU nur noch selten vor. Die Zungenrede hat ihren Platz so vorwiegend als individuelle Erfahrung im Zusammenhang mit der Geistestaufe.

 

6. Die apostolischen Aemter

Durch den seit 1946 bestehenden Kontakt zur Apostolischen Kirche Dänemarks wurde die Aufmerksamkeit der GfU auf die apostolischen Aemter nach Epheser 4,11 (Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer) gelenkt. Deren Einrichtung wäre, so die damalige Ansicht in der GfU, zur Wiederherstellung des "Urchristentums" unerlässlich (31).

Im Gegensatz zu anderen apostolischen Kirchen kam es in der GfU allerdings nie zur Etablierung eigentlicher Chargen, die diesen Aemtern entsprechen würden. Es wurden keine Apostel oder Propheten offiziell eingesetzt (32).

Anstelle einer Institutionalisierung dieser Aemter spricht die GfU von einem "apostolischen Dienst". Die GfU geht davon aus, dass einzelne Menschen von Gott zu einem Dienst im Sinne der genannten Aemter berufen sind. Diese Berufung zum "apostolischen Diener" wird auf der Ebene der Lokalgemeinde festgestellt, die Träger dieses Dienstes werden soweit wie möglich in die lokalen Gemeindevorstände integriert, oder gelten, wo dies nicht möglich ist, als "freie apostolische Diener".

Die GfU legt also, wohl eine weise Entscheidung, bei der Einrichtung der apostolischen Aemter alles Gewicht auf die Ausübung der Amtsfunktion und keinerlei Gewicht auf das Innehaben des Amtes selbst.

In der Praxis kommt dem Gedanken der apostolischen Aemter nur eine geringe Bedeutung zu, da deren Träger im Grunde Dienste leisten, die auch in nichtapostolischen Kirchen wahrgenommen werden, dort aber nicht als "apostolischer Dienst" bezeichnet werden. Von aussen besehen reduziert sich das apostolische Erbe der GfU damit auf eine Frage der Terminologie.

 

7. Weitere Punkte aus Lehre und Praxis

7.1 Finanzen

Wie die meisten evangelikalen und charismatischen Gemeinschaften motiviert die GfU ihre Mitglieder, gemäss Maleachi 3 den "Zehnten", zehn Prozent des Einkommens, für die Sache Gottes zu spenden. Die Zahlung des Zehnten kann sich auf verschiedene Empfänger verteilen (was der Normalfall sein wird): Die Gemeinde, Missionswerke, Werke der inneren Mission, karitative Organisationen etc. Die GfU-Gemeinden werden so in der Praxis nur einen Teil des Zehntens ihrer Mitglieder erhalten.

Die Pastoren der GfU erhalten einen festen, vom Verband ausbezahlten Monatslohn und haben damit vom Spendenaufkommen in ihrer jeweiligen Gemeinde keinen direkten persönlichen Gewinn. Indirekt sind sie natürlich vom Gesamtspendenaufkommen des ganzen Verbandes abhängig.

 

7.2 Scheidung und Wiederheirat

Die Wiederverheiratung Geschiedener ist seit 1979 in der GfU grundsätzlich möglich, wenn vorgängig in einem Gespräch mit zwei Pastoren die Vergangenheit aufgearbeitet wird. In diesem Punkt ist die GfU moderner als manche andere Freikirche und als die römisch-katholische Kirche.

 

7.3 Dämonologie und Befreiungsdienst

In ihrer Anfangszeit war die GfU von Dämonologie und Befreiungsdienst stark geprägt, insbesondere durch die Person Johann Widmers, welcher in diesem Punkt nebst seinem Kampf gegen missliebige medizinische Verfahren sein eigentliches Spezialgebiet erblickte. Die heutige GfU distanziert sich von dieser Zentriertheit auf die Dämonen-Thematik.

Die heutige GfU sieht okkulte Mächte weiterhin als wirksam und belastend, will diesen aber nicht mit Einzelaktionen wie Exorzismen und Lossage-Gebeten zu Leibe rücken, sondern präferiert den Weg einer längerfristigen, ganzheitlich-seelsorgerlichen Beratung.

Dass die GfU eine Betonung der Dämonologie heute nicht nur in Worten, sondern auch in Taten ablehnt, belegt die Trennung von der Friedenskirche in Zürich.

 

7.4 Homosexualität

Während die GfU in anderen Fragen, wie der Wiederheirat Geschiedener und der Gleichbereichtigung der Frau, dabei ist, eine moderne Kirche zu werden, ist dies in der Frage des Umgangs mit Homosexualität nicht der Fall.

Die grundsätzliche Sündhaftigkeit der Homosexualität wird gegen alle Erkenntnisse der Humanwissenschaften, die auf die Unfreiwilligkeit der Homosexualität hinweisen, von der GfU nach wie vor festgehalten.

Das Verständnis der Homosexualität als "schöpfungsgemässe Variante zu anderen Beziehungsmodellen" wird von der GfU ausdrücklich verworfen.

"Uneinsichtige" Homosexuelle werden aus der GfU ausgeschlossen.

 

7.5 Oekumene

Während der GfU die Zusammenarbeit mit anderen, insbesondere pfingstlichen Freikirchen wichtig geworden ist (33), lehnt sie die Oekumene im Sinne einer offiziellen Zusammenarbeit auch mit der katholischen Kirche ab. Die GfU sieht in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass um den Preis der Zusammenarbeit wichtige Lehrelemente verloren gehen würden. Ein lokales Zusammenwirken mit einzelnen Katholikinnen und Katholiken ist aber möglich (34).

 

Organisation

Die Leitung der GfU liegt in den Händen des Vorstandes, bestehend aus neun Personen, welche von den Delegierten der Lokalgemeinden gewählt werden. Besonders herausgehoben sind im Vorstand der Präsident (z.Z. Tony Nyffenegger aus Burgdorf) und der Sekretär (z.Z. Meinrad Schicker aus Thun).

Die Leitung liegt in den Händen des Pastors,wobei er in von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlichem Mass von den Aeltesten unterstützt wird.

Manche Ortsgemeinden kennen das Amt des Diakons/der Diakonin, welche unterstützende Tätigkeiten wahrnehmen. Diese Tradition ist allerdings rückläufig.

 

Verbreitung und Mitgliederzahl

Gemeinden der GfU resp. der EAE bestehen heute in Aarburg, Aigle, Ambilly (Frankreich), Avenches, Basel, Bern, Biel, Bulle, Burgdorf (unter dem Namen "Christliches Lebenszentrum Burgdorf"), Dielsdorf, Dietikon, Frutigen, Genf, Glarus, Grenchen, Grindelwald, Hindelbank, Horgen, Interlaken, Konolfingen, Langnau, Lausanne, Le Locle, Liestal, Luzern (unter dem Namen "Markuskirche"), Matzingen, Monthey, Münsingen, Neuchâtel, Obersimmental, Reinach, Rüti ZH, Saanenland, Sierre, Signau, Sion, Sissach, Solothurn, Spiez, Stans, Thun, Winterthur, Wohlen, Worb und Zug (unter dem Namen "Christlicher Treffpunkt"). In Zürich ist die GfU seit der Trennung von der Friedenskirche nicht mehr vertreten.

Die Mitgliederzahl beträgt 1996 ungefähr 4600 Menschen.

 

Anmerkungen:

1. Die Jubiläumsschrift der GfU: Begeistert von Gott, hrsg. durch Schicker et al., ist im folgenden als Quelle immer vorausgesetzt und wird nicht im einzelnen nachgewiesen.

2. Hollenweger lässt die Geschichte der GfU erst mit Widmer beginnen und erwähnt Drollinger quasi als Mitarbeiter Widmers (Hollenweger 276). Diese Darstellung vereinfacht zu stark. Generell ist zu Hollenwegers Darstellung der GfU einzuwenden, dass ab und an ein gewisser Zynismus durchbricht, der Hollenwegers Ausführungen über die SPM, welcher der Verfasser selbst angehörte, fehlt. Dieser Befund ist wohl durch die Konkurrenzsituation zwischen GfU und SPM, die erst in den sechziger Jahren einer Zusammenarbeit weicht, nicht unbeeinflusst. Dass sich GfU-Vertreter gegen Hollenwegers Darstellung deutlich verwahren, ist wohl Spiegelung desselben Sachverhalts. Vgl. etwa den Brief von Werner Scherrer an Oswald Eggenberger vom 28. August 1970: "Die im Buch von W. Hollenweger erwähnten enthusiastischen Erscheinungen sind stark übertrieben. Er ist nicht kompetent, über das geistliche Leben in der GfU ein massgebendes Urteil abzugeben."
Aeltere Autoren aus der SPM gehen mit der GfU noch zurückhaltender um. So widmet Leonhard Steiner im Rahmen eines Kapitels über die Ausbreitung der Pfingstbewegung in der Schweiz der SPM zweieinhalb Seiten, der GfU gerade mal einen Satz, den sie erst noch mit den FCG teilen muss (Steiner s. 65).
Erst SPM-Präsident Jakob Zopfi räumt in seiner Darstellung der Pfingstbewegung beiden Verbänden gleich viel Raum ein (Zopfi s. 46f.).

3. Drollinger soll "einer gottesfürchtigen Familie" entstammen und 28 Jahre im Pfarrdienst gestanden haben, zuletzt in Pforzheim. Eine Prägung im Sinne der Erweckungsbewegung erfuhr Drollinger durch Elias Schrenk (Schmutz, 1927-1972, s.1)

4. Es handelt sich um eine Frau Messerli von der Sonnhalde auf Plötschweid ob Riggisberg (Schmutz, 1927-1972 s.1)

5. Zu diesem Zweck wird vor dem Haus Messerli ein Taufbassin errichtet, in welchem die Täuflinge in weissen Taufkleidern getauft werden (Schmutz, 1927-1972 s. 3). Die Taufpraxis durch Untertauchen verdankt sich in Europa dem Baptismus.

6. s. dazu Schmutz, 1927-1972 s. 5 und Schicker et al. s. 15.

7. Hollenweger beschreibt Widmer als "originell, aber gewalttätig" (Hollenweger s. 276). Schicker et al. pflichten der Originalität bei, betonen aber anstelle einer Gewalttätigkeit eine besonders starke Ausstrahlung, und zitieren, leider ohne Nachweis, einen Zeitgenossen: "Nur schon beim Anblick von Bruder Widmer beginnen die Dämonen zu zittern!" (Schicker et al. s. 17).

8. Die Ereignisse in Signau werden beschrieben in Widmer, s. 71ff., in Schmutz, 1927-1972, s. 3ff. und in Schicker et al., s. 16f.

9. Vgl. Widmers Buchreihe: "Mein Kampf gegen Satans Reich" 1938-47 (aus naheliegenden Gründen in den vierziger Jahren auf "Im Kampf mit Satans Reich" umbenannt, s. Widmer s. 8), 3 Bde. Widmers Schriften bringen v.a. Zeugnisse, die die Wirksamkeit "urchristlichen" Glaubens in den Bereichen der Weissagung, der Krankenheilung und der Dämonenaustreibung belegen. Für die Ausbreitung der GfU ist die Wirkung von Widmers Schriften nicht zu unterschätzen (s. Schmutz, 1927-1972, s. 5), was auch Willenegger (Brief vom 1. Februar 1957) bestätigt, vgl. auch den Werdegang Willeneggers.

10. Vgl. Widmers Inhaltsangabe zum dritten Band seines "Kampfs", wo Widmer seine besondere Befähigung auf diesem Felde hervorhebt: "Um den Rahmen dieses Buches nicht zu weit zu spannen, sind nur Zeugnisse über solche Krankenheilungen und Teufelaustreibungen aufgenommen worden, die der Herr ausschliesslich durch Werkzeuge der 'Gemeinde für Urchristentum' getan hat; letztere sind zu diesem Dienst besonders ausgerüstet worden..." (Widmer s. 5).

11. Dass Alternativmedizin im günstigeren Falle Quacksalberei, im ungünstigeren aber satanisch gewirkt ist, scheint Widmer nicht zweifelhaft zu sein: "Ein Bruder vom Lande gelangte mit folgender Frage an mich: 'In unserem Dorfe wirkt ein katholischer Heilkundiger - ein Laie -, der Kräuter und Naturheilmittel verabreicht und behauptet, die Krankheiten aus dem Urin wie auch im Gesicht der Leidenden erkennen zu können; darf man ihm trauen?' Meine Antwort lautete: 'Nein, diese Heilmethode ist sehr zweifelhaft; denn ein Laie ist niemals fähig, eine Krankheit auf obige Art mit Sicherheit festzustellen, wenn ihm dabei nicht - der Teufel behilflich ist.' Meist sind bei solchen Heilkünstlern die Kräuter Nebensache und müssen nur mithelfen, den Schwindel zu verdecken. Die Hauptsache ist für sie dabei, auf diesem Wege recht viel Geld zusammenzubringen..." (Widmer s. 114).

12. Die Frage der Legitimität der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe blieb in der GfU allerdings noch lange umkämpft. Zwar galt die Einnahme natürlicher Heilmittel nicht grundsätzlich als verboten, da sich solches auch im Neuen Testament findet (Widmer s. 37), das Vertrauen auf ärztliche Hilfe stand andererseits gelegentlich im Verdacht, mit dem Vertrauen auf Gott zu konkurrieren (Widmer s. 40). Eine Auseinandersetzung zu diesem Thema ergab sich in der GfU insbesondere in den sechziger Jahren unter dem Einfluss der Schriften des amerikanischen Pfingstheilers Tommy Lee Osborn (vgl. etwa Osborn s. 251). Der damalige GfU-Präsident Fritz Schmutz sah sich deshalb gezwungen, die Frage der Legitimität medizinischer Behandlung recht ausführlich zu behandeln (s. Schmutz, s. 5f. und 11f.). Schmutz empfiehlt folgendes Vorgehen im Krankheitsfalle: "Erwarte in erster Linie direkte Hilfe vom Herrn. Sofern du die innere Gewissheit hast, dass der Herr dich direkt berühren und aufrichten will, dann vertraue ihm ganz. Du darfst es dabei bis aufs Aeusserste kommen lassen, und ich kann dir aus Erfahrung bezeugen, dass dich der Herr nicht enttäuschen wird... Tritt jedoch keine Aenderung ein, dann setze Gott eine Frist, während welcher ihm der Weg geöffnet bleibt, direkt einzugreifen. Nach Ablauf dieser Frist konsultiere den Arzt... Auch der Arzt kann übrigens der verlängerte Arm des Herrn sein" (Schmutz, Krank sein, s. 12).

13. vgl. seine Lebensgeschichte in Widmer, s. 11-18

14. Sein Titel ist, da Willenegger zwar ordiniert war, aber noch keine Pfarrstelle innehatte, der eines VDM (Verbi Divini Minister, Diener des göttlichen Wortes). Hollenweger bezeichnet Willenegger als "früheren Pfarrer der bernischen Landeskirche" (Hollenweger s. 276), was nicht korrekt ist, da Willenegger nie als Pfarrer der bernischen Kirche amtete. Derselbe Fehler unterläuft Schicker et al. s. 19, wozu allerdings erwähnt werden muss, dass sich Willenegger später selbst als "Pfarrer" bezeichnen konnte (Brief an O. Eggenberger vom 18. Dezember 1967). Die Umstände seiner Nichtaufnahme in den Dienst der Berner Kirche schildert Willenegger in Widmer, s. 15ff.

15. vgl. Brief an O. Eggenberger vom 29. Juli 1965. Robert Willenegger war um ein freundliches Klima den ref. Kirchen gegenüber besorgt: "Willenegger bemüht sich ununterbrochen um eine gute Presse bei der Landeskirche" (Hollenweger s. 277). Als Illustration von Willeneggers Argumentation gegenüber Kritik von reformierter Seite und als Beispiel für Willeneggers Stil sei aus einem Schreiben an Oswald Eggenberger vom 1. Februar 1957 zitiert: "Ich habe Ihre Schrift 'Evang(elischer) Glaube und Pfingstbewegung' (oder ähnlich) gelesen. Sie bemühen sich, sachlich zu berichten, aber Sie werden dem pfingstlichen Anliegen nicht überall gerecht. Ueber die Pfingsterfahrung kann man nur adäquat berichten, wenn man sie aus persönlichem Erleben bezeugen kann. Wie wäre es, wenn Sie den Herrn des Hl. Geistes bitten würden, Ihnen diese Gabe in pfingstlicher Fülle zu spenden?... Also: Betrachten Sie den Strom des Hl. Geistes nicht zu sehr vom Ufer aus, sondern treten Sie persönlich hinein! Oder: begnügen Sie sich nicht mit objektiven Analysen des Lebenswassers, sondern trinken Sie daraus mit dürstender Seele."

16. Es mag mit der Person und Tätigkeit Willeneggers zusammenhängen, dass es der GfU im Gegensatz zur SPM gelingt, auch Akademiker anzusprechen. Jedenfalls wirkt Willenegger bei evangelistischen Veranstaltungen offensichtlich positiv: "R. Willenegger hat mich beide Male, in seiner ruhig-ernsten Art, sehr angesprochen, u(nd) ich hätte ihm inhaltlich nichts widerlegen können..." (aus einem Brief eines Besuchers einer evangelistischen Veranstaltung mit Robert Willenegger an Prof. Blanke). Dieses Lob wird noch deutlicher vor dem Hintergrund der Beschreibung eines anderen GfU-Predigers, E(rich) Augstburger, aus demselben Brief: "Dieser letztere spricht mich weniger an; u(nd) ich bin fast versucht, ihn etwas wie einen religiösen Schwätzer zu nennen; aber ich könnte ihm unrecht tun, u(nd) der Mangel an theol(ogischer) Bildung könnte der Grund sein, dass er viele Worte macht und nicht eben logisch spricht."

17. vgl. Hollenweger, s. 276 und 277: "In diesem Kampf (SPM versus GfU, gos.) war die 'Gemeinde für Urchristentum' eindeutig im Vorteil. Sie war die jüngere, rasch wachsende Gemeinde. Was die Pfingstler der 'Schweizerischen Pfingstmission' sich von früher erzählten, das geschah täglich in der 'Gemeinde für Urchristentum': von erstaunlichen Prophezeiungen, Geistestänzen, Nachtgebetsstunden, Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen wurde berichtet."

18. vgl. etwa Widmer s. 108ff. und öfter. Willenegger bestätigt die Bedeutung des Heilungsdienstes für die Ausbreitung der GfU in seinem Brief vom 1. Februar 1957.

19. Den Weissagungen wird in Widmers Schrifttum viel Platz eingeräumt, etwa Widmer s. 19f. (Weissagungen über den Zweiten Weltkrieg), 21ff. (Weissagungen über die Zukunft der Menschheit) und 26ff. (Weissagungen an einer Gemeindekonferenz). Bei diesen Offenbarungen und Weissagungen spielt, so drängt es sich dem kritischen Leser auf, der Aschenputtel-Effekt ("Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen". Was sich bestätigt hat, wird erinnert, Voraussagen, die nicht eingetreten sind, werden vergessen). Jedenfalls wird in Widmers Werk der Dritte Weltkrieg als recht nahe erwartet (etwa s. 21). Zum anderen beinhalten Offenbarungen vor grösseren Versammlungen recht unspezifische Aussagen, von welchen sich allein schon nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit irgend jemand im Publikum angesprochen fühlen wird: "Jemand ist mit einem grossen Sorgenbündel beladen", "Jemand ist da, dessen Schatz sein Silbergeschirr ist", "Jemand lebt in Selbstgerechtigkeit", "Es sind etliche da, die nur gewisse Speisen lieben, andere dagegen verachten" (Widmer s. 26ff.). Für drei dieser vier Aussagen wird sich bei jedem Publikum hinreichender Grösse jemand finden, auf welchen der Satz zutrifft. Falls sich aber niemand finden sollte, der eine besondere Beziehung zu seinem Silbergeschirr pflegt, werden die Anwesenden nicht an der Prophetie zweifeln, sondern annehmen, dass die betreffende Person nicht den Mut hatte, sich zu melden. Prophetien dieser Art können also grundsätzlich nicht widerlegt werden.

20. Clara, geborene Petavell, Pfarrerstochter aus Neuenburg, war die zweite Frau Drollingers (s. Schmutz, 1927-1972 s. 2)

21. Vgl. hierzu den Bericht eines Zuhörers einer evangelistischen Veranstaltung mit dem Ehepaar Willenegger im Jahr 1944: "Im Gegensatz zum freien Gebet, das Frau W(illenegger) berndeutsch u(nd) fast befremdend schnell u(nd) laut spricht, äussert sie sich, vom Geist der Weissagung getrieben, schriftdeutsch, langsam u(nd) in Absätzen - feierlich, möchte ich sagen, u(nd) es überkommt einen etwas wie ein heiliges Erschaudern" (Brief eines Informanten an Prof. Blanke, Küsnacht 19. 11. 1944). Von Visionen und Offenbarungen, die sie auf ihrem Lebensweg begleiteten, berichtet Frau Willenegger in Widmer, s. 57ff.

22. In den Werken Widmers z.B., die nach dem Zeugnis von Willenegger eifrig gelesen wurden.

23. Die Ereignisse werden von Schicker et. al. mit erfreulicher Offenheit berichtet, obwohl sie für die GfU keinesfalls vorteilhaft sind (s. 21f.). Schmutz, 1927-1972 begnügte sich noch mit einer Zwei-Satz-Notiz (s.6).

24. Es handelte sich um Kaj Falbe Hansen (Schmutz, 1927-1972, s.7).

25. Die Apostolske Kirke ist eine autonome Zweigkirche der Apostolic Church mit Sitz in Penygroes in Süd-Wales, deren Wurzeln in der Erweckung in Wales 1903-05 liegen und die 1916 durch P.D. Williams konstituiert wurde. In Deutschland besteht eine Tochterkirche unter dem Namen Apostolische Kirche - Urchristliche Mission (Willenegger 1967 und Eggenberger, Kirchen s. 112). Weltweit verfügen die aus der Apostolic Church hervorgegangenen Kirchen heute über rund 400 000 Mitglieder.

26. Hollenweger spricht in diesem Zusammenhang von "einer erstaunlichen Tätigkeit auf dem Liegenschaftensektor" (Hollenweger s. 277).

27. Vorher besuchten angehende Prediger die Bibelschulen der Apostolske Kirke in Kolding und der Apostolic Church in Penygroes (Schmutz, 1927-1972 s. 8).

28. So findet Oswald Eggenberger in einem Gottesdienst 1970 von den von Hollenweger (s. 277) noch betont geschilderten Geistwirkungen fast nichts mehr vor und bemerkt keinerlei Unterschied zu Gottesdiensten der SPM (Eggenberger, Gottesdienst s. 10). Dafür stehen nun die "Pioniere der Anfangszeit" innerhalb der GfU in herausgehobenem Ansehen (vgl. GfU, Prospekt).

29. Willenegger präsentiert 1967 folgenden "Ordo Salutis": "Berufung, Bekehrung, Rechtfertigungsgewissheit, Wiedergeburt, Glaubenstaufe, Geistestaufe, Geistesfrüchte, Geistesgaben, Glaubensbezeugung, Leibesverklärung, Entrückung, Preisgericht, König- und Priestertum mit Christus" (Willenegger, Brief vom 18. Dezember 1967).

30. s. dazu die Schrift des GfU-Vertreters D. Gantenbein: "Von Inhalt, Form, Berührung und Taufe": Die "Geistestaufe ist nicht von der Wassertaufe abhängig, in der Regel folgt sie aber dieser nach. Wenn keine Geistestaufen stattfinden können, ist die Echtheit der Wassertaufe-Praxis in Frage gestellt" (s. 29). "Durch diese Geistestaufe werden die Gläubigen einem Leibe, der Gemeinde, Jesus Christus einverleibt" (s. 30). "Wenn bei der Wassertaufe alles nach göttlichem Willen geschehen ist, wird ihn der erhöhte Jesus Christus mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen und als Glied seinem Leibe zufügen" (s. 33). "Der in Glauben Gehorsame verlangt die Wassertaufe und sehnt sich in völliger Hingabe und mit Flehen auch nach der Geistestaufe; denn er will doch Christus angehören und Glied an seinem Leibe sein" (s. 34). Nach diesen Texten ist doch sehr fraglich, ob ein Christ, der die Geistestaufe nicht empfangen hat, überhaupt als Christ gelten kann: Er gehört nicht Christus an, ist nicht Jesus Christus einverleibt, gehört nicht zur Gemeinde, und die Richtigkeit seiner Taufe ist zumindest fraglich. Hier ist die Geistestaufe de facto heilsnotwendig.

31. "Die Preisgabe des apostolischen Amtes war einer der verhängnisvollsten Irrtümer der alten Kirche. Damit verliess gleichsam der Lotse das Gemeindeschiff und geistlich Unreifere und Unfähigere rückten an seine Stelle nach. Zur Reformation der Kirche gehört es, dass sie wieder solche Männer an die Spitze stellt, die mit apostolischer Berufung, Salbung und Vollmacht ausgerüstet sind" (Willenegger zit. nach Hollenweger s. 281).

32. Dennoch sieht der SPM-Präsident Jakob Zopfi hier die entscheidende Differenz zwischen SPM und GfU: "Ein weiterer Erweckungszweig der schweizerischen Pfingstbewegung wurde durch Verbindung mit Vertretern der Apostolischen Kirche mehr apostolisch geprägt, was in einer zentralistischen Leitung der Gesamtbewegung mit stärkerer Betonung der Aemter zum Ausdruck kommt" (Zopfi s. 47). Tatsächlich ist die Autonomie der Lokalgemeinde in der SPM höher, der entscheidende Unterschied zwischen GfU und SPM ist heute aber das modernere Image, das sich die GfU gegeben hat. Während die SPM mancherorts zur Gemeinschaft mittelalterlicher und älterer Menschen zu werden droht, gelingt es so vielen GfU-Gemeinden, spezifisch junges Publikum anzusprechen.

33. Der Leib Christi setzt sich für die GfU aus "wiedergeborenen Christen" zusammen, "die in verschiedenen Gemeinden und Kirchen beheimatet sind". Entscheidend ist hierbei "die Erfahrung der Wiedergeburt durch den Glauben". "Bruderschaft" wird gesucht mit jenen, "die mit uns Jesus als persönlichen Heiland kennen und ihn als Herrn bezeugen wollen" (GfU, Zusammenarbeit). Durch diese Formulierungen wird der Bereich des Leibes Christi auf das durch den Methodismus geprägte Christentum eingegrenzt, welches die Begriffe der "Erfahrung" der Wiedergeburt und des "persönlichen" Heilandes für entscheidend ansieht.

34. "Kommt es aufgrund der gewachsenen, glaubwürdigen Beziehungen zwischen Vertretern von Kirchen und Freikirchen zu gemeinsamen Veranstaltungen, ist eine solche 'lokale, beziehungemässig orientierte Zusammenarbeit' von einem 'organisatorisch-strukturellen Oekumenismus' zu unterscheiden" (GfU, Zusammenarbeit).

 

Quellen:

Anonym, Brief an Prof. Blanke vom 19. 11. 44

Oswald Eggenberger: Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen, Theologischer Verlag, Zürich 6. Aufl. 1994

ders.: Der Gottesdienst in der Gemeinde für Urchristentum, Informationsblatt Nr. 2, Mai 1970, s. 9f.

D. Gantenbein: Von Inhalt, Form, Berührung und Taufe, Selbstverlag, St. Gallen o.J.

Gemeinde für Urchristentum (Hrsg.): Jubiläumskonferenz in Signau 1977, Prospekt

diess. (Hrsg.): Zusammenarbeit unter Christen. Chancen und Grenzen, GfU 1996

Walter J. Hollenweger: Enthusiastisches Christentum. Die Pfingstbewegung in Geschichte und Gegenwart, Theologischer Verlag Rolf Brockhaus, Wuppertal 1969

T(ommy) L(ee) Osborn: Krankenheilung, T. L. Osborn Evangelisationsgesellschaft, Düsseldorf 1955

Werner Scherrer, Brief an Oswald Eggenberger vom 28. August 1970

Meinrad Schicker et al. (Hrsg.): Begeistert von Gott! Jubiläumsschrift der Gemeinde für Urchristentum - Von den Anfängen bis in die Gegenwart, Thun 1997

Fritz Schmutz: Krank sein - im Willen Gottes? Verlag F. Schmutz, Oberburg 1970

F(ritz) Sch(mutz): Gemeinde für Urchristentum 1927-1972, Oberhofen 1972

Leonhard Steiner: Mit folgenden Zeichen. Eine Darstellung der Pfingstbewegung, Verlag Mission für das volle Evangelium, Basel 1954

Johann Widmer: Im Kampf gegen Satans Reich. Dritter Band, Selbstverlag, Bern 2. Aufl. 1952

Robert Willenegger: Brief an O. Eggenberger vom 1. Februar 1957

ders.: Brief an O. Eggenberger vom 29. Juli 1965

ders.: Brief an O. Eggenberger vom 18. Dezember 1967

Jakob Zopfi: ...auf alles Fleisch. Geschichte und Auftrag der Pfingstbewegung. Dynamis Verlag, Kreuzlingen 1985

Auskünfte des GfU-Sekretärs Meinrad Schicker

diverse Beratungsgespräche

 

Georg Otto Schmid, 1998


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