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Was ist ein "Mormonen-Bischof"?

Zum Bischofsamt in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage HLT

 

Im Zusammenhang mit einer Kandidatur eines Bischofs der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) für ein politisches Amt in der Stadt Zürich wird auf diesem Platz, der mit Bischöfen in den letzten Jahren einschlägige Erfahrung machen durfte, des öftern die Frage laut, was denn ein Mormonen-Bischof für einen Rang bekleide. Im folgenden sollen Stellung und Aufgabe des Bischofes anhand von mormonischen Texten kurz dargestellt werden. Für eine Orientierung über Geschichte und Lehren der Mormonen sei auf die diesbezüglichen Texte unserer Informationsstelle verwiesen, insbesondere auf unsere Einführung und den Abriss der Geschichte der Mormonen.

 

Die Einsetzung des Bischofsamtes durch Joseph Smith

Stifter des Bischofsamtes in der mormonischen Gemeinschaft ist der Gründer der Mormonen, der "Prophet, Seher und Offenbarer" Joseph Smith. Auf die Funktion des Bischofs kommt Joseph erstmals im "Book of Commandments" von 1833 zu sprechen. Das "Buch Mormon", die Hauptschrift der Mormonen, die 1830 ediert wurde, kennt eine solche Charge noch nicht. Im "Book of Commandments", das Offenbarungen umfasst, mit welchen Joseph Smith organisatorische Fragen seiner Gemeinschaft regelte, die im Buch Mormon noch nicht vorgesehen waren, wird eine Offenbarung angeführt, die Joseph Smith im Januar 1831 in Kirtland, Ohio, bekommen haben will. Hier heisst es: "And again, I (Gott, gos) have called my servant Edward (Partridge, gos), and give a commandment, that he should be appointed by the voice of the church, and ordained a bishop unto the church, to leave his merchandise and to spend all his time in the labors of the church; to see all things as it shall be appointed unto him, in my laws in the day that I shall give them. And this is because his heart is pure before me; for he is like unto Nathaniel of old, in whom there is no guile" (Book of Commandments, 42,11f.). Im 1835 erschienenen Buch "Lehre und Bündnisse", das z.T. auf dem "Book of Commandments" beruht, liest sich die Stelle in der deutschen Uebersetzung so: "Und weiter, ich habe meinen Knecht Edward Partridge berufen, und ich gebe ihm das Gebot: Er soll, durch die Stimme der Kirche bestimmt, zum Bischof für die Kirche ordiniert werden, sein Handelsgeschäft aufgeben und seine gesamte Zeit auf die Arbeit der Kirche verwenden, dass er alles erledige, wie es ihm in meinen Gesetzen bestimmt wird an dem Tag, da ich sie geben werde. Dies geschieht, weil sein Herz vor mir rein ist, denn er ist ohne Falschheit wie vorzeiten Nathanael" (LuB 41,9-11).

Edward Partridge, ein früher Mitstreiter von Joseph Smith, wird hier als erster ins Bischofsamt eingesetzt. Ueber dessen Funktion ist noch nichts zu erfahren, ausser der Tatsache, dass es sich um einen Vollzeitdienst handelt. Weitere Vorschriften werden hier ausdrücklich für die Zukunft vorbehalten. Bedingung für die Einsetzung als Bischof ist jedoch besondere Reinheit. Bischof kann bei den Mormonen also nur werden, wer sich besonders strikt an die Regelungen der Gemeinschaft hält.

 

Funktion des Bischofs der Mormonen gemäss Joseph Smith

Die Ankündigung, dass er später Genaueres über die Funktion des Bischofs bestimmen werde, macht Joseph Smith denn auch wahr. Die 1835er Ausgabe des Buches "Lehre und Bündnisse" bringt einen Einschub in eine schon 1833 im "Book of Commandments" veröffentlichte Offenbarung (Offenbarungen können sich offenbar nachträglich ändern) zu diesem Thema: "Jeder Präsident des Hohen Priestertums (oder präsidierende Aelteste), jeder Bischof, Hoherat und Hohe Priester soll nach Weisung des Hohen Rates oder einer allgemeinen Konferenz ordiniert werden" (LuB 20,67). Der Mormonen-Bischof wird hier mit der mormonischen Hierarchie verzahnt. Es ist nicht etwa wie beim reformierten Pfarrer die Ortsgemeinde, die den Amtsträger demokratisch wählt, sondern die Hierarchie, die den Bischof von oben einsetzt.

Ausführlich auf das Amt des Bischofs zu sprechen kommt Joseph Smith im Abschnitt 107 des Buches "Lehre und Bündnisse". Hier liest man: "Das Amt des Bischofs besteht darin, alle zeitlichen Belange zu verwalten... sofern er durch den Geist der Wahrheit Kenntnis davon hat, ferner, um Richter in Israel zu sein, die Angelegenheiten der Kirche zu führen, über Uebertreter zu Gericht zu sitzen, und zwar aufgrund von Zeugnis, wie es ihm gemäss den Gesetzen vorgelegt wird, er soll das mit dem Beistand seiner Ratgeber tun, die er sich aus den Aeltesten der Kirche erwählt hat oder erwählen wird... So soll er Richter sein... in irgendeinem Zweig der Kirche, wo er zu diesem geistlichen Dienst eingesetzt wird..." (LuB 107, 68.72.74) Der Bischof der Mormonen ist von Joseph Smith folglich vor allem mit Verwaltungs- und Jurisdiktionsaufgaben betraut. In letzterer Funktion, als Richter über die Gemeinde, ist Rekurs gegen ein Urteil des Bischofs möglich: "Die wichtigsten Sachen der Kirche und die schwierigsten Fälle der Kirche sollen, wenn es über die Entscheidung des Bischofs oder der Richter Unzufriedenheit gibt, dem Rat der Kirche ausgehändigt und vorgetragen werden..." (LuB 107, 78).

Rekurs gegen Entscheide des Bischofs ist also möglich. Andererseits erhält der Bischof Schutz vor Kritik: "Kein Bischof oder Hoher Priester, der für diesen geistlichen Dienst eingesetzt worden ist, soll wegen eines Verbrechens verhört oder schuldig gesprochen werden, es sei denn vor der Ersten Präsidentschaft der Kirche; und wenn er von dieser Präsidentschaft für schuldig befunden wird, und zwar aufgrund von unanfechtbarem Zeugnis, dann soll er schuldig gesprochen werden; und wenn er umkehrt, soll ihm vergeben werden gemäss den Bündnissen und Geboten der Kirche" (LuB 68, 22-24). Der Bischof kann also nur von der Spitze der Mormonenhierarchie in Salt Lake City beurteilt werden. Irgendeine Aufsichtsbehörde vor Ort, etwa im Sinne einer Kirchenpflege oder eines Pfarreirates, hat hier keinen Platz.

 

Der Bischof der Mormonen in der heutigen Praxis

Der Mormonen-Bischof ist in der heutigen Mormonen-Gemeinschaft der Leiter einer lokalen Gemeinde. Seine Position ist die des Pfarrers und der Kirchenpflege in einer Person, er verkündigt, verwaltet und richtet. Gewaltentrennung ist nicht vorgesehen. Im Gegensatz zu Joseph Smiths ursprünglichen Absichten ist der Bischof kein Vollzeiter, er übt neben seinem Bischofsamt einen Beruf aus.

Im "Informationspaket" der Mormonen liest sich das so: "Der Bischof ist das geistliche Oberhaupt der Gemeinde. Er ist in der Regel verheiratet und erhält wie alle anderen Beamten der Kirche keine Bezahlung. Alle Bischöfe - gleich ob in Berlin, Johannesburg, Rio de Janeiro, Salt Lake City oder Tokio - beitzen die gleiche Vollmacht. Der Bischof ist einer der meistbeschäftigten Männer der Kirche. Jeder Bischof ist berufstätig und widmet einen grossen Teil seiner Freizeit den Mitgliedern seiner Gemeinde".

 

Quellen:

- Church of Christ (Ed.): A Book of Commandments, 1833

- Grant, Carter Eldredge: Das Königreich Gottes wiederhergestellt, Frankfurt am Main 1964

- Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Hrsg.): Lehre und Bündnisse, Frankfurt am Main 1980

- Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Informationspaket, o.O. o.J.

 

Georg Otto Schmid, 1998


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