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  Freikirchler als Pflegeeltern
  Zur aktuellen Diskussion um Freikirchler als Pflegeeltern
Häufig gestellte Fragen
In den letzten Tagen wurde in verschiedenen Medien die Frage aufgeworfen, wie weit sich Menschen aus Freikirchen als Pflegeeltern eignen, insbesondere im Fall von Pflegekindern, die aus einer anderen Weltanschauung stammen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Schreibende gelegentlich zitiert, was zu den Nachfragen führte, die im Folgenden beantwortet werden sollen.
Wo liegt das Problem bei Platzierungen von Pflegekindern bei freikirchlichen Pflegeeltern?
In meiner Arbeit bin ich immer wieder mit Konflikten konfrontiert, die ihre Ursache darin haben, dass im Fall einer Pflegekindplatzierung die Weltanschauung der Ursprungsfamilie des Kindes von derjenigen der Pflegefamilie stark abweicht. Gehäuft begegnet mir diese Konstellation im Zusammenhang mit Pflegefamilien, die aktive Mitglieder von Freikirchen sind, aber Pflegekinder zugeteilt erhalten, die aus einem liberal-christlichen, säkularen oder atheistischen Haus stammen. Wenn die Pflegschaft länger dauert als ein paar Monate, entwickeln viele Pflegekinder begreiflicherweise den Wunsch, am Gemeindeleben der Pflegefamilie teilhaben zu können. Dort bekommen die Pflegekinder früher oder später mit, dass ihre biologischen Eltern nach Massgabe der Theologie der Gemeinde nicht damit rechnen können, erlöst zu sein. Es ist nachvollziehbar, dass diese Situation für Kinder Anlass zu tiefer Sorge um ihre leiblichen Eltern sein kann. Manche reagieren so, dass sie es sich zur Aufgabe machen, ihren Eltern das freikirchliche Christentum nahe zu bringen. Andere entwickeln Furcht vor den Eltern, die sie nun als ungläubig wahrnehmen. Beide Reaktionen irritieren dann die leiblichen Eltern und machen sie hilflos. Vermieden werden kann diese Situation nur, wenn nach Möglichkeit darauf geachtet wird, dass Ursprungsfamilie und Pflegefamilie eine ähnliche Weltanschauung vertreten.
Verhalten sich freikirchliche Pflegeeltern in dieser Sache nicht korrekt?
In allen Fällen, in die ich detaillierteren Einblick erhielt, verhielten sich die freikirchlichen Pflegeeltern korrekt. Den Pflegekindern wurde freigestellt, ob sie sich an Veranstaltungen der Freikirche beteiligen wollen, und Aussagen über den Heilszustand der leiblichen Eltern wurden bewusst vermieden. Allerdings können freikirchliche Pflegeeltern nicht verhindern, dass ihre Pflegekinder von anderen Kindern in der Gemeinde Bescheid erhalten, dass ihre leiblichen Eltern in ihrer bisherigen Weltanschauung in Ewigkeit verloren sein werden.
Kann man freikirchlichen Pflegeeltern nicht einfach verbieten, ihre Pflegekinder in ihre Freikirche mitzunehmen?
Dies scheint mir eine schlechte Lösung zu sein. Pflegekinder haben, gerade wenn die Pflegschaft über Jahre dauert, in der Regel das Bedürfnis, zur Pflegefamilie dazuzugehören. Und für freikirchliche Familien ist das Mittun in ihrer Gemeinde meist ein ganz wesentlicher Teil des Lebens. Die Pflegekinder davon zwangsweise auszuschliessen würde heissen, das Gefühl, Kind zweiter Klasse zu sein, massiv zu verstärken.
Sind Freikirchler als Pflegeeltern überhaupt geeignet?
Selbstverständlich. Immer dann, wenn Kinder aus einer Familie kommen, die eine ähliche Weltanschauung vertritt, etwa aus freikirchlichem oder konservativ-landeskirchlichem Haus, ist eine freikirchliche Pflegefamilie eine gute Wahl. Wenn ein Kind, das freikirchlich aufgewachsen ist, in eine betont atheistische Pflegefamilie platziert wird, können ebenfalls Probleme entstehen (allerdings kommt diese Konstellation wegen des grossen Angebots an freikirchlichen Pflegefamilien kaum vor).
Züchtigen freikirchliche Pflegeeltern ihre Pflegekinder körperlich?
In Sachen Körperstrafen findet im freikirchlichen Bereich zurzeit ein Umdenken statt. Die heutige Elterngeneration lehnt körperliche Züchtigung weitestgehend ab. Andere Freikirchler verteidigen noch die herkömmliche Auffassung, gemäss welcher Körperstrafen in der Erziehung nach diesbezüglichen Versen im alttestamentlichen Buch der Sprüche fürs Wohlergehen des Kindes notwendig seien. Im Zusammenhang mit Konflikten um freikirchliche Pflegeeltern wird der Vorwurf der Züchtigung denn auch gelegentlich laut. Deshalb wäre eine klare Stellungnahme von Seiten der freikirchlichen Verbände, dass Körperstrafen in Schweizer Freikirchen keinen Platz mehr haben sollen, sehr hilfreich.
Sind Freikirchler radikal?
Das Wort radikal reserviere ich für Gemeinschaften und Bewegungen wie Scientology oder den Salafismus.
Sind Freikirchler Frömmler?
Gemäss www.duden.de meint das Wort Frömmler sowohl denjenigen, der von übertriebenem Glaubenseifer geprägt ist, als auch den Heuchler und Scheinheiligen. Was übertriebener Glaubenseifer ist, bleibt Ermessenssache. Aber dass es unter Freikirchlern mehr Heuchler und Scheinheilige gibt als anderswo, das anzunehmen habe ich keinen Anlass. Deshalb empfinde ich die Verwendung des Ausdrucks Frömmler für die Gesamtheit freikirchlicher Menschen als unangebracht.
Verbieten Freikirchen moderne Musik?
Es gibt manche konservative Freikirchen, die moderne Musik ganz grundsätzlich für problematisch halten. Die meisten Freikirchen sind aber für moderne Musikstile offen und verwenden sie auch in ihren Gottesdiensten. Allerdings besteht Zurückhaltung gegenüber säkularen Musikern, die Texte singen (oder sprechen), die von freikirchlicher Ethik weit entfernt sind. Deshalb wird in freikirchlichen Kreisen gern Musik von freikirchlichen und anderen christlichen Musikern gehört.
Ist in Freikirchen Homosexualität tabu?
Das ist leider (noch) weitgehend der Fall. Homosexualität wird zwar kaum mehr als Krankheit wahrgenommen, und einige der Organisationen, welche Homosexuelle zur Heterosexualität führen wollten, haben ihre Tätigkeit wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Die Möglichkeit der Heirat für Homosexuelle bietet aber bisher noch keine Freikirche an. Von Homosexuellen wird in Freikirchen heute meist erwartet, dass sie darauf verzichten, ihre Sexualität auszuleben. Wer dieser Erwartung nicht entspricht, befindet sich in einem Graubereich und kann mitunter Probleme bekommen.
Warum scheinen Sie mancherorts anders zu argumentieren, als es hier zum Ausdruck kommt?
Es steht Medienschaffenden frei, den Personen, welche sie in ihren Artikeln zitieren, deren Zitate vorzulegen oder auch nicht - und falls sie es tun, steht es im Ermessen der Medienschaffenden, allfällige Korrekturen aufzugreifen oder auch nicht. Zudem hat eine zitierte Person keinen Einfluss auf den Kontext, in welchem ihre Zitate erscheinen (und auch nicht auf dessen Bebilderung).
Georg Otto Schmid, 2014
Letzte Aenderung 2014, © gos 2014, Infostelle 2000
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