Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen

Opfer für Krishna in einer christlichen Kirche?

 

Viele Zeitgenossen liebäugeln mit östlicher Spiritualität, bewundern die östliche Toleranz gegenüber allen Religionen und Glaubensweisen und erwarten vom zeitgenössischen Christentum eine entsprechende Toleranz und Offenheit. In jedem neueren Hindutempel und auch auf unzähligen neuhinduistischen Hausaltären ist Raum für ein Christusbild. Wenn jeder Mensch in seinem Wesenkern Gott ist, warum sollte ausgerechnet Jesus Christus nicht Gottes Sohn sein? Auch als Avatar, als Herabkunft Gottes in menschlicher Gestalt, als Gott unter Menschen, der die Verirrten auf einen guten Weg zurückführt, wird heute unter Hindus Jesus geschätzt. Warum halten wir Christen nicht Gegenrecht und verehren in unseren Kirchen den Krishna, wie Anhänger östlicher Spiritualität "unseren" Christus verehren? Sind wir hoffnunglos borniert und intolerant oder hat der nie verstummende christliche Vorbehalt gegen Synkretismus, gegen die Religionsvermischung, sein gutes Recht?

Toleranz ist - christlich verstanden - Verständnis und Wohlwollen gegenüber dem anderen Glauben. Toleranz ist für Anhänger östlicher, vor allem neohinduistischer Spiritualtität das Gefühl für die Einheit in allen Religionen. Das Wohlwollen der östlichen Religionen gegenüber Christus ist getragen vom Wissen, dass letztlich Nichts den Christus und den Krishna, den Christus und den Buddha unterscheidet. Konkret heisst das: Der Christus der östlichen Religionen wird unter der Hand so dem Krishna angeglichen, dass er zum Zwillingsbruder der östlichen Meister wird. Kritisch betrachtet heisst dies: Wenn Anhänger östlicher Spiritualität von Christus sprechen, reden sie gar nicht von dem Christus, der uns in den biblischen Texten begegnet, sondern von dem indienkonformen Christus, der vegetarisch lebend und Reinkarnationsphilosophie dozierend wie ein indischer Weiser durch ein imaginäres Palästina wandert. Weil Christus und Krishna Zwillingsbrüder sind, Krishna allerdings der ältere, reifere, und unendlich bedeutsamere von beiden, deshalb lassen sich Krishnajünger gerne zu gemeinsamen Feiern in christliche Kirchen einladen. Sie verkünden ein Krishnabewustsein, verbunden mit einem Christusbewusstsein, indem zuletzt die Ungebundenen alle ins Gefühl fürs eine Göttliche finden und die Krishnajünger ihren höchsten Gott in allen Spiegelungen der niedereren religiösen Welt feiern. In ihrem Christus grüssen die Krishnajünger ihren Krishna. Dagegen ist nichts einzuwenden. Zur östlichen Spiritualität gehört dieser Hang zur völligen Vereinnahmung aller Andersdenkenden. Ob allerdings christliche Toleranz bei diesem Spiel mitmacht, möchte ich bezweifeln. Als Christ diene ich weder Christus noch dem Krishnabewusstsein, wenn ich beide in einer Feier und einem Kirchenraum verbinde. Das Konzept vom einen Göttlichen in allen Religionen sei allen zugestanden, die am liebsten ins eine Göttliche tauchen. Aber das an der Bibel orientierte Christentum liebt weniger die mystischen Ekstasen, als die konkrete Begegnung, in der Ich nicht Du wird und Mensch nicht Gott und Welt nicht Illusion. Christentum ist Liebe zum Unverwechselbaren. Oestliche Spiritualität ist Liebe zum All-Einen. Christlicher Glaube steht dafür ein, dass Christus Christus bleibt und Krishna Krishna.

Natürlich beide - Krishna und Christus - verkörpern göttliche Liebe. Aber der eine tändelt und scherzt mit allen in ihn verliebten Hirtenmädchen. Der andere liebt die Randsiedler der Gesellschaft und riskiert sein Leben, weil er mit ihnen isst. Der eine spielt tausend lustige Streiche, und vertreibt sich als göttlicher Lausejunge seine Zeit. Warum sollte er nicht spielen und scherzen? Die ganze Welt ist ein grosses göttliches Spiel. Wohl dem, der mitspielt. Der andere liebt, wenn es sein muss, grenzenlos ernst. Der eine besiegt die legendärsten Dämonen ohne Zahl, spielerisch, wie einer, der mit einem einzigen Finger die ganze Welt aus den Angeln hebt. Der andere ringt im Garten Gethsemane mit den Schattenseiten dieser Welt und seines eigenen Schicksals im Schweiss seines Angesichts. Der göttliche Spieler stirbt - wie es seinem Leben entspricht - an einem Jagdunfall, beinah zufällig. Ein Jäger verwechselte ihn mit einem Wild. Der andere stirbt am Kreuz den Tod der Verbrecher, zwei Verbrecher neben ihm. Je länger ich göttliche Liebe in Krishna und Christus bedenke, desto deutlicher spüre ich, dass ich aus Krishna und Christus keine Zwillingsbrüder machen möchte und dass ich nicht Christus dem Krishna angleichen möchte.

Toleranz ist Verständnis für die Andersartigkeit des andern und Respekt für diese Andersartigkeit. Wenn ich erleben muss, wie Christus dem Krishna angeglichen wird, dann gebietet mir meine Toleranz innezuhalten und nicht mehr mitzutun. Krishnafeiern in christlichen Kirchen - verbunden mit Opfern an Krishna - sind ein Signal in der falschen Richtung. Was opfern wir eigentlich, wenn wir in christlichen Kirchen opfern? Mir scheint, wir opfern den eigentlichen, den unverwechselbaren Christus einem Krishna, der für mein Empfinden durch diese Opfer auch nichts gewinnt. Auch Krishna leisten wir keinen Dienst, wenn wir alle spirutellen Autoritäten der Menschheit ihm angleichen. Denn gerade der göttliche Spieler braucht neben sich andere unverwechselbare Leitbilder göttlicher Liebe. Auf Krishnaopfer in Kirchen möchte ich als Christ verzichten.

Georg Schmid, 1997


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