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  KURG / IURD Kirche Universal vom Reich Gottes / Igreja Universal de Reino de Deus
  Uebersicht
  Von offenen Türen, auszutreibenden Dämonen und finanziellem Erfolg
Ein Gottesdienst in der KURG (IURD)
"Wenn in Ihrem Leben die Türen verschlossen sind und Sie unter ... leiden:
- ständigen Streitigkeiten zu Hause
- unheilbaren Krankheiten
- Arbeitslosigkeit
- Schulden ohne Ende
- Einsamkeit
- Süchte ....
Es gibt nur eine Lösung - die Macht des Glaubens."

So heisst es auf dem Werbefaltzettel der KURG, der "Kirche Universal vom Reich Gottes", wie sich die Igreja Universal do Reino de Deus (IURD), die umstrittene Pfingstkirche unter Edir Macedo aus Brasilien, in Zürich nennt. Die nur halbwegs gelungene Eindeutschung des Namens steht für eine zwar beabsichtigte, aber doch auf halbem Wege stehengebliebene Inkulturation der KURG: Nach wie vor besteht die Mehrheit der Gottesdienstbesuchenden aus Menschen portugiesischer Muttersprache.

Drei Gottesdienste sind es, die der Mensch, der sich das Aufspringen von bis anhin verschlossenen Türen in seinem Leben wünscht, besuchen sollte. In diesem mehrfachen, gestaffelten und terminlich vorgeplanten Beten für eine Sache finden die zwei Traditionsstränge, die in der KURG aufgehen, zusammen: die "Wort des Glaubens"-Richtung der charismatischen Bewegung, die in der Welt Gesetze und Regelmässigkeiten des Glaubens zu erkennen meint, mit deren Hilfe und konsequenter Anwendung im Grunde alle Wünsche zu erreichen sind, und ein Volkskatholizismus traditionalen Zuschnitts, der die liturgischen Strukturen der katholischen Kirche zu magischen Zwecken einzusetzen wusste. Das terminlich gestaffelte Beten findet sich in der KURG vor allem in der Idee der "Gebetskette"; für ein konkretes Gebetsanliegen ist eine im Voraus in Absprache mit dem Pastor bestimmte Zahl von Gottesdiensten, zumeist deren sieben, zu besuchen, wobei nach Erfüllung dieser Zahl mit dem Eintreffen der gewünschten Sache gerechnet werden darf.

Im Tempel
Rund 60 Menschen finden sich am Samstagabend um 19.00 Uhr im "Tempel" der KURG in Zürich ein, welcher sich in einem ehemaligen Geschäftslokal in einem Quartier Zürichs befindet, das an diesem Wochentag am belebtesten ist. Die Zahl der Gottesdienstteilnehmer bleibt während der Veranstaltung ungefähr konstant, nicht aber zwingend deren Identität, ergibt sich doch unter der jüngeren Generation ein reges Kommen und Gehen. Manche Jugendliche treffen just für die Höhepunkte der Veranstaltung ein, um sie daraufhin wieder zu verlassen. Dies Phänomen wird auf vorheriger Absprache beruhen und erinnert an Gepflogenheiten im volkstümlichen Katholizismus. In Freikirchen ist solches ansonsten nicht üblich.

Der Gottesdienst wird geleitet von einem Pastor, dessen brasilianische Herkunft nicht nur an seiner Physiognomie, sondern auch an seinen eher limitierten Deutschkenntnissen deutlich wird. Das Verständnis des Gottesdienstes wird durch Letzteres mitunter erschwert, insbesondere dann, wenn die Emotionalität des jeweiligen Vorganges erhöhte Lautstärke und beschleunigte Sprechkadenz erfordert. Dennoch wird strikte Deutsch gesprochen, es fällt kein einziges portugiesisches Wort. Der Ausrichtung aufs deutschsprachige Publikum wird Treue gehalten, auch wenn sie nicht sehr erfolgreich zu sein scheint.

Vor Beginn des Gottesdienstes sieht man den Pastor an einem separaten Tisch im Raum sitzen, einer Frau mittleren Alters gegenüber. Der Pastor übt Seelsorge, Beratung, eine Tätigkeit, die das Pflichtenheft eines KURG-Amtsträgers neben den drei Gottesdiensten täglich auszufüllen hilft. Zur Inanspruchnahme der Seelsorge wird in Gottesdiensten und auf Werbefaltzetteln ausrücklich ermuntert, sie dient dazu, die für das jeweilige Anliegen richtige Vorgehensweise zu bestimmen (welche Gottesdienste, wie oft?). Für Seelsorge-Sitzungen wird eine freiwillige Spende erwartet, ein schöner Teil des Einkommens der KURG wird so zustandekommen. Kurz vor 19.00 Uhr ist das Seelsorgegespräch beendet, der Pastor begibt sich zu seinem Rednerpult, wo er unter Zuhilfenahme eines Mirkophons zu sprechen beginnt.

Die Aufforderung, sich zu erheben und die Hände aufs Herz zu legen, eröffnet die Veranstaltung. Der Pastor stimmt nun aus voller Kehle an: "Immanuel, Gott mit uns, dein Name heisst: Immanuel". Die Gemeinde fällt ein, jede und jeder auf derjenigen Tonhöhe, die ihm gerade die Angenehmste ist, und unter Einsatz des vollen Stimmvolumens. Rücksichten auf den Wohlklang des Gesanges im Ganzen werden keine genommen. So ergibt sich eine Kakophonie, die zu den ansonsten sehr musikalitätsbewussten Freikirchen eine markante Differenz darstellt, und die zum Leidwesen des Aussenstehenden über unzählige Repetitionen des zitierten Verses hin anhält. Ein Mann hält seine Hände nicht aufs Herz, sondern im Sinne der charismatischen Anbetung zum Himmel. Er ist auf der falschen Veranstaltung.

Sagen Sie: "Gott sei Dank"
Die anschliessene Kürzestpredigt weist auf die Grundelemente der "Wort des Glaubens"-Lehre hin: Wer glaubt, wer über übernatürlichen Glauben verfügt, dem ist alles möglich. Gesundheit, Wohlstand, Erfolg, alles ergibt sich für den, der den Glauben "anzuwenden" weiss. Glaube ist kein existentielles Vertrauen auf Gott, sondern eine Methode zur Erlangung beliebiger Zwecke. Und die richtige "Anwendung" des Glaubens ist dasjenige, was die KURG lehren will. Zur Erhebung der richtigen Anwendung des Glaubens kommen eigentümliche Interpretationen neutestamentlicher Stellen zum Einsatz, so heute Mt. 7,7: "Sucht, so werdet ihr finden, bittet, so wird euch gegeben, klopft an, so wird euch aufgetan." Anklopfen an eine Tür führt zur Erlangung des Gewünschten. Und diese Tür Gottes ist an der Veranstaltung sinnenfällig präsent, durch eine Tür samt Rahmen, die neben dem Rednerpult des Pastors aufgestellt worden ist. Dass diese Tür keinesfalls nur Symbol ist, sondern ganz ähnlich wie das Heiligenbild für den Volkskatholizismus tatsächlich mit der Kraft des Abgebildeten besonders erfüllt ist, wird deutlich, wenn der Pastor betont, dass Dämonen, die in anwesenden Menschen innewohnen, diese von der Türe zurückschrecken lassen würden. Dämonisierte könnten sich der Türe nur unter grösster Mühe nähern.

Eigentümlichkeiten der Predigtsprache sind gewöhnungsbedürftig. So finden zwei von drei Sätzen des Pastors ihren Abschluss in einer der folgenden Formeln: mit "Amen", mit einem schnell, ja nachlässig dahingesagten "Gott sei Dank", oder mit "Sagen Sie: Gott sei Dank"; wobei die Gemeinde letztere Aufforderung mit einem Raunen der gewünschten Aussage beantwortet. Ein paar dutzend Mal wird so raunenderweise Gott gedankt. Der Sinnzusammenhang zwischen vorlaufender Aussage und dem Dank durch die Gemeinde wird dem Aussenstehenden nicht immer plausibel.

Die Türe
Das zentrale Element des Gottesdienstes ist jedoch nicht die Predigt, sondern die Türe. Der Pastor fordert die Anwesenden auf, sich der Reihe nach zur Tür zu begeben, und dort anzuklopfen. Der Hilfspastor wird daraufhin die Tür von der dem Publikum abgewandten Seite her öffnen, so dass die anklopfende Person durch die Tür hindurchschreiten kann. Hinter der Tür wartet der Pastor, der der Person die Hände auflegen wird. Das Durchschreiten der Tür wird, zusammen mit der Handauflegung, dafür sorgen, dass die Türen, die im Leben verschlossen sind, sich öffnen werden. Dabei betont der Pastor, dass sich mit unfehlbarer Sicherheit bei jedem, der die Tür durchwandern wird, in den nächsten Tagen etwas tun wird. Allerdings richtet sich die Grösse des von Gott zu erwartenden Wunders nach der Massgabe des Glaubens, den die empfangende Person mitbringt. Ungläubige werden nur "etwas ganz kleines erhalten", das ein Zeichen von Gott sein soll, dass er wirkt. Die Ungläubigen werden aber, so meint der Pastor desillusioniert, dieses "Kleine" als Zufall interpretieren können (womit sich allerdings fragt, wozu das Zeichen von Gott dann nütze sein soll, wenn es in seiner Zeichenhaftigkeit fraglich bleibt). Gläubige Anhänger der KURG werden aber, getreu der "Wort des Glaubens"-Lehre, umso mehr empfangen, je grösser ihr Glaube ist: Heilung, finanzieller Erfolg, eine glückliche Wendung in einer zerrütteten Ehe, Finden eines Traumpartners etc. Allerdings warnt der Pastor erneut: Dämonisierte Menschen werden nur mit Mühe durch die Tür gelangen.

Nun reihen sich die Menschen auf, und die ersten begehren Einlass. Der Pastor legt jeweils die Hand auf, und brüllt in bedrohlicher Nähe des Trommelfells der betreuten Person: "Die Türen gehen auf! Sie gehen auf!", ergänzt durch vermutete oder aus Seelsorgegesprächen bekannte Bereiche, in welchen Türöffnungen erlangt werden sollen: "Die Türen gehen auf im Beruf, in der Ehe, in den Finanzen, in der Gesundheit." Nach diesem lautstarken Vortrag wird angenommen, dass die "Türöffnung" erfolgt ist. Man darf wieder an seinen Platz gehen, der/die nächste ist an der Reihe.

Vom Verscheuchen von Dämonen
Schon bei der dritten Person, die zur Tür eingeht, wird klar, dass es sich heute jedoch keinesfalls nur um Handauflegung und "Türöffnung" handelt. Der Pastor meint, dass der Mann Mitte dreissig, der jetzt vor ihm steht, von einem Dämon besessen ist. Selbstverständlich muss dieser raus. Nun glaubt die KURG offenbar, dass sich Dämonen durch hohe Phonzahlen einschüchtern lassen. Der Pastor, der seine Stimmgewalt bisher, wie jetzt klar wird, noch nicht voll ausgeschöpft hat, herrscht den Dämon im stärksten Fortissimo an: "Raus! Geh raus da! Der Mann ist durch die Tür gegangen! Du kannst nicht da bleiben! Raus! Pschsch". Der ans Verscheuchen einer Katze gemahnende Zischlaut beendet den Exorzismus. Der Geist ist draussen. Der Mann kann wieder Platz nehmen.

Rund jede vierte Person, so stellt sich heraus, war von einem Dämon belastet. Wie der Pastor Besessenheit diagnostiziert, wird nicht klar. Manche Diagnose wird er aus seinen Vorkenntnissen bei Seelsorgegesprächen geschöpft haben. Interessant ist aber die demographische Verteilung der "Besessenen". Während der Pastor Kinder auffällig kurz behandelt, eine Handauflegung und ein Satz im Sinne von: Die Türen sind auf, genügen hier, gelten dem Pastor junge Frauen in Pubertät und Adoleszenz mit einer Ausnahme alle als besessen. Fünf sechs junge Frauen werden dergestalt exorziert. Manche sinkt beim Exorzismus um, eine sucht ihren Platz nachher unter Schluchzen auf und muss betreut werden. Eine andere, die den Gottesdienstraum speziell für das Türritual aufgesucht hat, verlässt ihn nach dem Exorzismus schnurstracks und sichtlich wutschnaubend. Ein drittes, rund 13jähriges Mädchen begibt sich nach dem Exorzismus lächelnd, als wäre nichts geschehen, an ihren Platz, und scherzt weiter mit ihrer Freundin.

Leider lässt sich nicht feststellen, ob der Pastor auch junge Männer exorziert hätte. Solche sind nicht zugegen. Männer der mittleren Lebensjahre gelten dem Pastor zu rund 50% als besessen, Frauen gleichen Alters seltener, ältere Menschen scheinen hingegen gegenüber Dämonen immun zu sein. Wahrscheinlich diagnostiziert der Pastor, aber das muss hier eine Vermutung bleiben, Besessenheit insbesondere dann, wenn ihm Mütter von Erziehungsschwierigkeiten berichten. Das zunehmende Autonomiestreben der jungen Menschen würde so als dämonisch gewirkt interpretiert.

Angemerkt sei, dass der Schreibende und seine Begleiterin als einzige der Anwesenden auf ein Durchschreiten der Türe verzichteten, wobei bei diesem Entscheid zugestandendermassen nicht nur Rücksichtnahmen auf die Gesundheit des Gehörs eine Rolle spielten. Manche Gemeindeglieder mochten diese Zurückhaltung nicht verstehen und forderten uns zum Mitmachen auf. Mit der Kraft Gottes würden wir es schon schaffen, meinte jemand.

Die geöffneten Türen
Nach Abschluss des Rituals - als letzter durchschreiten der Hilfspastor und dann der Pastor selbst die Türe, wobei sich keine dämonische Störung zeigt - folgt eine Zeugnisrunde. Vom Pastor ausgewählte Gemeindeglieder dürfen davon berichten, welche Erfolge ihnen das Mittun bei der KURG schon gebracht hat. Eine Person meint, dass sie mit dem Durchschreiten der Türe am Vorabend das Rauchen losgeworden sei. Die Gemeinde reagiert mit Applaus für den Herrn. Ein Mann berichtet vom geschäftlichen Erfolg, den er der KURG verdankt. Applaus. Eine Frau spricht davon, dass ihre Tochter jetzt, seit die Mutter in der KURG mittut, in der Schule aufpasst und zu Hause lernt. Und die Mutter verprügelt das Kind, seit sie in der KURG ist, nicht mehr. Weider Applaus.
Finanzen, Ringe und Kundenbindung
Zur Sammlung von Spenden, die für die Raummiete und "das Weitergehen dieses Werkes" bestimmt sind, stellt sich eine Hilfskraft mit grossem Sack in der Hand vor die Gemeinde. Der Spendenwillige kommt nach vorn und gibt sein Geld vor aller Augen in den Sack. Ein metallisches Klimpern würde von jedem gehört. Die Freiwilligkeit der Spende wird vom Pastor mit einer etwas sonderbaren Formulierung betont: "Das Spenden ist ganz freiwillig. Ich würde sagen, diejenigen, die heute das erste Mal da sind, müssen nichts geben."

Dass die KURG in ihrem Heimatland insbesondere ein Publikum anspricht, das in einem volkstümlichen Katholizismus verwurzelt ist, wird beim nun folgenden Ritual deutlich. Die KURG kann sich nicht wie protestantische Gemeinschaften auf die Weitergabe des Wortes beschränken. Sie braucht ein Konkurrenzprodukt zur Messe, einen materiellen Träger göttlichen Segens, welcher vom Publikum wenn nicht einverleibt, so doch auf sich getragen werden kann. So verteilt der Pastor Imitate von Goldringen, die an sich zwar wertlos seien, aber auf den wertvollen Beistand Gottes verweisen würden. Diese Goldringe salbt der Pastor, einer nach dem anderen - erneut wird angestanden - mit Oel, das er selbst als "heilig" bezeichnet. Der Ring soll nun am Finger oder im Portemonnaie getragen werden, mithin an den Orten, wo sein Segen besonders spürbar sein soll.

Der Schluss der Veranstaltung ist der Kundenbindung gewidmet. Dass die grossen Türen nur dann aufgehen, wenn man am folgenden Tag nochmals durch die Türe schreitet, wird mehrfach betont. Und zudem, geöffnete Türen können sich auch wieder schliessen. Zu verhindern ist das nur, wenn weiterhin KURG-Veranstaltungen besucht werden. Intensiv geworben wird ferner für die regelmässige Veranstaltung am Samstagabend, die sich der Fragen der Ehe und Partnerwahl widmet. Nicht ohne Stolz bemerkt der Pastor, dass durch Gebetsketten zur Partnersuche sich innerhalb der KURG schon zwei Paare gefunden haben. Wer regelmässig am Samstag abend die KURG aufsucht, wird einen Traumpartner finden. Die gewünschten Eigenschaften des Traumpartners sind dabei auf einem am Ausgang verteilten roten Papierherzen zu notieren und am nächsten Samstag mitzubringen. Das gesprochene wie geschriebene Wort schafft Realität, so der Glaube der "Wort des Glaubens"-Bewegung.

Einen Hinweis auf die Funktionsweise des übernatürlichen Glaubens zur Erreichung materieller Zwecke gibt uns der "Büchertisch" am Ausgang, der zwar keine Bücher, dafür aber nebst Devotionalien wie gerahmten Bibelversen auch CDs mit christlicher Musik und Tonbandkassetten gleichen Inhalts feilbietet. Die CDs sind Originale, produziert vom Hänssler-Verlag und versehen mit dessen Copyright. Nicht so die Musikkassetten. Sie zeigen auf dem Umschlagblatt zwar das Design der Original-CDs, ergänzt allerdings durch die weisse Taube im roten Herz, das Symbol der KURG, und reproduziert offensichtlich mittels eines Farbphotokopierers. Die Kassetten selbst stammen aus der Migros. Diese offensichtlichen Raubkopien werden nun zu 15.- verkauft. Alles ist möglich, dem der glaubt, offenbar auch eine sehr grosszügige Interpretation der Urheberrechtsgesetzgebung.

Kommentar
Der ausbleibende Erfolg der KURG in der Schweiz
Die Kirche Universal vom Reich Gottes kann als IURD in Brasilien auf eine Erfolgsstory ohnegleichen zurückblicken. Das Publikum lief ihr in Scharen zu. In der Schweiz hingegen will es der KURG nicht recht gelingen, Fuss zu fassen. Wie erklärt sich dieses Phänomen?

- Auf Schritt und Tritt merkbar wurde im von mir besuchten Gottesdienst, wie stark sich die KURG durch ihre Rituale auf ein Publikum ausrichtet, das von einem Katholizismus traditionaler und volkstümlicher Art geprägt ist. Die katholische Kirche im deutschen Sprachraum ist hingegen durch die Aufklärung tief geprägt. Damit sind Schweizer Katholikinnen und Katholiken ein wesentlich weniger dankbares Publikum für die KURG als ihre brasilianischen Glaubensbrüder und -schwestern.

- Eine Integration der KURG ins charismatische Milieu hat nicht stattgefunden, weil sie in Brasilien ja auch nicht nötig war. Die KURG betont bewusst ihre Differenzen, insbesondere in der Praxis. Transfergewinne aus charismatischen Gemeinschaften werden bei der KURG deshalb kaum anfallen.

- Die intensive Betonung der Wirksamkeit von Dämonen ist in Brasilien, wo weite Teile der Bevölkerung mit der Wirkung von Geistern im Sinne von Macumba resp. Candomblé rechnen, bestimmt plausibler als im rationalistischen Mitteleuropa.

- Es bleiben als Quell möglicher Attraktivität der KURG in Mitteleuropa die Versprechungen, die die KURG bezüglich physischen und materiellen Wohlergehens macht. Hier stolpert die KURG m.E. aber über ihr eigenes Design: Sie präsentiert sich in ihrer Werbung weniger als Gemeinde, sondern als Dienstleistungsbetrieb, der Rituale anbietet, die zur Erlangung bestimmter Zwecke dienen. So wird der Gottesdienstbesuch nicht mit der Treue zur Gemeinde oder zu Gott motiviert, sondern allein damit, dass dieser für die Erlangung des Gewünschten notwendig sei. Die KURG pflanzt so in ihr Publikum den Samen des Utilitarismus resp. bewässert den schon ohnehin vorhandenen Keim in dieser Richtung intensivst: Das Publikum besucht die KURG ausschliesslich deswegen, weil ihr dies Nutzen bringt. Nun gehört es zur Nutzenorientiertheit dazu, dass der persönliche Nutzen aus einer Sache immer wieder neu analysiert wird, d.h. die KURG wird nur so lange besucht, wie sich ein persönlicher Gewinn zeigt. Da nun die "Wort des Glaubens"-Rezeptur bei weitem nicht so glatt funktioniert wie von deren Vertretern erhofft, führt deren Anwendung schnell zu Enttäuschungen und damit zu Abgängen aus der Gemeinschaft. Die KURG wird so zu einer Gemeinschaft mit hohem Durchlauf. Die intensive Bemühung des Pastors, sein Publikum zum Besuch der nächsten Gottesdienste zu bewegen, spricht hier Bände. Auf die Treue der Gemeindeglieder, wie sie in Freikirchen der Normalfall ist, kann sich die KURG gerade wegen ihrer utilitaristischen Werbung nicht verlassen.

- Ueber längere Zeit bei der KURG bleiben diejenigen Menschen, die permanenten Nutzen aus ihrem Mittun beziehen können. Und dies sind vornehmlich die Menschen portugiesischer Muttersprache, für welche die KURG nicht nur religiöse Gemeinschaft, sondern auch eigenethnische Gruppe ist.

- Zuzüglich bleiben diejenigen Menschen der KURG erhalten, die ihren geschäftlichen Erfolg der KURG zu verdanken meinen. Sie könnten bei einer Reduktion ihres Engagements eine Abnahme ihrer wirtschaftlichen Prosperität befürchten.

Chancen und Gefahren der KURG
Es ist der KURG zuzugestehen, dass sie versucht, ihre Gemeindestruktur den gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen und auf die Bedürfnisse des Publikums zu reagieren. Allerdings richtet sich die KURG ausschliesslich auf die sozialen Umstände in Brasilien aus und exportiert die dort äusserst wirksame Rezeptur ohne jegliche Veränderung in ganz andere gesellschaftliche Umfelder. Ein Scheitern ist so vorprogrammiert.

Die Vermittlung des Göttlichen in erfahrbaren Ritualen ist ein Anliegen, das in weiten Kreisen des Christentums heute wiederentdeckt wird. Die KURG schiesst hier aber, für Schweizer Verhältnisse, übers Ziel hinaus. Ihre Indentifikationen von materiellen Objekten und göttlicher Wirksamkeit wirkt zu grobschlächtig, nicht postmodern, sondern voraufklärerisch.

Der Exorzismus der KURG mag befreiend sein für Menschen, die sich ohnehin als von einem Dämon besessen wahrnehmen. Das dürfte in Brasilien, wo Besessenheit durch Geister verschiedener Wertigkeit in Macumba und Candomblé eine grosse Rolle spielt, auch häufiger der Fall sein. In Mitteleuropa wird die KURG Besessenheit Menschen zuschreiben, die ihr Problem nicht als solche wahrnehmen, oder selbst gar keinerlei Problemkonstellation erkennen können - dies im Fall der Exorzierung von jugendlichen Töchtern überforderter Eltern. Hier besteht die Gefahr erheblicher psychischer Schädigung, gerade beim Exorzismus von Jugendlichen. Andererseits spielt auch bei der Dämonenaustreibung der Effekt der Gewöhnung. Den fünfzehnten Exorzismus wird auch eine 13-jährige ohne wesentliche Gefühlsregung über sich ergehen lassen.

Es bleibt als fragwürdigster Punkt der KURG-Lehre ihr Heilungsdienst, der den Verzicht auf jegliche ärztliche Betreuung beinhaltet. Diese Idee, die ausserhalb der Favelas Brasiliens, wo man eine ärztliche Konsultation ohnehin nicht vermag, schlicht gefährlich werden kann, wird in unserem einführenden Artikel eingehend dargestellt. Dort findet sich auch, was aus neutestamentlicher Sicht zur Wohlstandsorientiertheit der KURG zu sagen ist.

 

Zusammenfassend kann die "Wort des Glaubens"-Bewegung, zu welcher die KURG gehört, als Versuch gewertet werden, ein bedürfnisorientiertes Christentum zu leben. Die Bedürfnisorientiertheit wird dabei allerdings so stark, dass das Projekt scheitert. Religion muss zwar, will sie Erfolg haben und hilfreich sein, auf die Anliegen der Menschen eingehen, alle Bedürfnisse der Menschen befriedigen zu wollen, dies jedoch überfordert jede Religion.

Die KURG im Speziellen stellt sich mit ihrer Uebertragung brasilianischer Zustände in andere Konstellationen hinein noch eine zusätzliche Klippe in den Weg, eine Klippe, die für manche KURG-Anhänger durchaus gefährlich werden kann.

Georg Otto Schmid, 1999
Letzte Aenderung 1999, © gos 1999, Infostelle 2000
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