Shaolin

Shaolin (少林) bezeichnet den chinesischen zen-buddhistischen Klosterorden sowie deren Mönche und wird heute auch mit der Kampfkunst Kung Fu in Verbindung gebracht. Der Name kommt vom ersten Zeichen des Berges Shaoshi (少室) und dem Zeichen für „Wald“, lin (林). Das Kloster befindet sich in der chinesischen Provinz Henan, in Dengfeng.

Der erste Abt des Klosters war Batuo (跋陀) oder auch Bodhidharma, ein südindischer Dhyana-Meister, der 464 v. Chr. nach China reiste, um Buddhismus zu lehren. Dessen Schüler waren Kampfmeister vor deren Einführung. In 477 v. Chr. wurde das Kloster erbaut. Es wurde mit der Zeit zum Zentrum des Zen-Buddhismus (oder Chan-Buddhismus) und war oft ein Fokus politisch wie auch geistlich. Kaiser besuchten das Kloster regelmässig. Der Legende nach gab es noch ein weiteres, südlicheres Kloster, das heute aber verschollen ist sofern es jemals existiert haben sollte.

Das Kloster erlange weiter Berühmtheit als im Jahre 728 13 Kampfmönche entsandt wurden, die der Tang-Dynastie beistanden und diese vor dem Untergang bewährten. Somit wurde es zu eines der wichtigsten Klöster Chinas.

Doch Buddhismus war nicht immer gut angesehen in der chinesischen Geschichte und so wurde das Kloster mehrmals geplündert und zerstört. In der Erzählung des Klosters wurden durch die Zeit aus Verlusten Siege gemacht, denn die moralische Oberhand gewinnt immer. 1351 oder 1356 wurde das Kloster sogar für mehrere Jahre verlassen nachdem Banditen es attackierten und zerstörten. Nach der Wiedereroberung der Region wurde es 1359 wieder aufgebaut.

Die Mönche verliessen das Kloster für die längste Zeit zwischen 1641 und 1732, da die Regierung die Zerstörung befahl. Durch fünf Wandermönche soll die Shaolin-Kampfkunst nationale Berühmtheit erlangt haben, dies ist wohl eher Legende. Doch die Kampfkunst gelangte trotzdem bis nach Japan.

Im Jahre 1928 wurde das Kloster über mehrere Tage lang verbrannt, damit auch die Tempelbibliothek. Das war aber nur der Auftakt, denn 1966 mit der Kulturrevolution wurden die Mönche verhaftet, öffentlich gedemütigt und danach zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Nachdem das Kloster und vor allem die Kampfkunst durch Hong Kong- und später Hollywood-Filme in die Populärkultur aufgenommen wurden, gab es eine Flut von Spenden, die das Kloster wieder aufleben liessen. Weiter wurden diverse Schwester-Schulen gebildet die sich an das Prinzip von Shaolin halten und heute Teil einer Lizenz sind. Die Regierung erlaubte den Mönchen, Buddhismus wieder zu praktizieren und heute sind Gebäude des Tempels geschützt. Nachdem Shi Yongxin (释永信), der heutige Abt, die kommerziell erfolgreichen Kampfschulen des „Shaolin Village“ abbauen liess, wurde er Ziel von Kritik. Das Kloster wurde 2018 zu politischen Zwecken gebraucht, denn die Staatsflagge der Volksrepublik China wurde zum ersten Mal gehisst, was ein Zeichen der staatlichen Macht an andere Klöster und Konfessionsangehörige war.

Die Kunst des Shaolin Kung Fu (少林功夫) oder Shaolinquan („Shaolinfaust“, 少林拳) ist eine Kampfkunst (chin. wushu, 武術). Ein Shaolin-Mönch kann wählen, sich der Buddhistischen Lektüre zu widmen oder sich der Kampfkunst hinzugeben. Buddhismus ist jedoch immer mit dem Ausüben von Kung Fu verbunden.

Der Begriff Kung Fu beschreibt eine durch Übung erlernte Fähigkeit. Der Aspekt der Arbeit (gong, 功) ist eng mit dem Begriff verbunden. So wird die Kunst auch im Kloster täglich geübt, für mehrere Stunden. Heute gilt der Begriff „Shaolin Kung Fu“ als Deckmantel für viele verschiedene Richtungen der Kampfkunst und auch Shaolin Kung Fu selbst ist sehr vielfältig, da Waffen und Körper auf viele Weisen zum Kämpfen benutzt werden können.

Die berühmteste Waffe des Shaolin Klosters ist der Stab und die waffenlose Kampfkunst. Doch die Vielfältigkeit des Shaolin Kung Fu ist heute Teil dessen Bekanntheit und kann deshalb nicht vernachlässigt werden.

Shaolin Kung Fu besteht grundsätzlich aus zwei Teilen: Chan und Quan. Chan ist der Buddhismus, Quan ist die Faust, also der körperliche Aspekt. Chan ist hierbei wichtiger da Quan als Teil von Chan angesehen wird.

Quan besteht weiter aus drei Teilen: Basis, Kraft und Kampf. Die Basis wird in den Mönchen von Kind auf antrainiert und besteht aus Flexibilität, Ausdauer und Balance. Die Basis wird das ganze Leben lang trainiert und bildet die Grundlage für die Kampfkunst. Hierbei werden Übungen auch tausende Male wiederholt, bis sie sitzen und dann weiter geübt.

Krafttraining besteht aus einem Mix von Qi Gong-Übungen, den sogenannten 72 Künsten. Diese sind in 36 „harte“ und 36 „weiche“ Übungen unterteilt und stärken den Körper und Geist. Sie sind ebenso Teil der Kampfkunst wie das Schwingen eines Schwertes und dessen Wirksamkeit ist nicht zu unterschätzen.

Siehe auch den Lexikoneintrag zu Qi Gong

Zuletzt der Kampf selbst, bestehend aus diversen Waffen, waffenloses Kämpfen sowie deren Methoden und Stil. Als Stil bezeichnet man eine Ansammlung von sog. Formen, deren Ausübung Teil einer Gruppierung ist, z.B. wenn zwei Formen sich ähneln werden sie in eine Gruppe gebracht, die mit anderen, wiederum ähnlichen Gruppen in einen Stil untergeordnet werden. Es gibt Stile mit sehr vielen Formen aber auch mit nur einer einzigen Form. In der Zeit der Qing-Dynastie (1644-1911) wurden 18  dieser Stile auserkoren, die heute als die berühmtesten gelten, es gibt aber tausende Stile.

Wu De (Moral der Kampfkunst, 武德) ist ein geistlicher Aspekt der Shaolin Kung Fu Lehre. Es wurde durch Shaolin Kung Fu gebildet und ist heute auch Teil von anderen Kampfkünsten. Wu De besteht aus Tugenden, die ein moralisches Grundgerüst für einen Praktizierenden Shaolin Krieger stellen.

Diese Tugenden sind weiter in 13 Themen und 3 Teile geordnet:

 

Die erwartenden Tugenden:

– Barmherzigkeit, Mitgefühl (Ci Bei,  慈悲)

– Selbstbeherrschung, Selbstständigkeit (Zi Zhi, 自制)

– Bescheidenheit, Demut, Zurückhaltung (Qian Xu, 谦虚)

 

Die Tugenden des Handelns:

– Demut, Bescheidenheit, Zurückhaltung (Qian Xu谦虚)

– Respekt, Achtung (Zun Jing, 尊敬)

– Gerechtigkeit (Zheng Yi, 正义)

– Vertrauen, Glaubwürdigkeit (Xin Yong, 信用)

– Loyalität, Treue, Gehorsam (Zhong Cheng, 忠诚)

 

Die Tugenden des Geistes:

– Wille, Ambition (Yi Zhi, 意志)

– Ausdauer, Durchhaltewille (Ren Nai, 忍耐)

– Beharrlichkeit, fester Wille (Yi Li, 毅力)

– Geduld (Nai Xin, 耐 心)

– Mut, Tapferkeit, Kühnheit (Yong Gan, 勇敢)

Der Chan-Buddhismus, die Ursprungsform des Zen-Buddhismus, ist ein Teil von Shaolin. Das buddhistische Kloster wurde von einem legendären buddhistischen Mönch gegründet, Bodhidharma (Putidamo, 菩提達摩 oder auch nur Damo, im Japanischen Daruma/Bodhi-Daruma). Dieser ist historisch nachgewiesen, ist aber in diversen Legenden zur  mystischen Figur aufgestiegen. Er war der Urvater vom Chan-Buddhismus in China, das durch seine Wanderjahre verbreitet wurde. Schlussendlich wurde ein Kloster unter ihm errichtet, das Shaolin Kloster.

Der meditative Aspekt des Chan-Buddhismus ist Teil des täglichen Rituals für die Mönche. Dabei werden Koan (Gendakenrätsel und Weisheiten von Chan-Meistern) behandelt, an denen der Fortschritt des Schülers gemessen wird.

Das buddhistische Mönchsleben besteht aber nicht nur aus einigen Meditationen am Tag, sondern das gesamte leben und damit auch die Kampfkunst wird auf den Chan-Buddhismus angewandt. Dabei gilt Arbeit, Gehorsamkeit und Bescheidenheit als einige der Kerntugenden. Das Ziel des Chan-Buddhismus ist die Erleuchtung zu erreichen.

Das Shaolin Kloster hat die heutige Bekanntheit den Action-Filmen aus Hong Kong (vor allem „Shaolin Temple“, 1982 mit Jet Li) und später auch Hollywood zu verdanken. Das Kloster war in China schon vorher bekannt, aber durch die Kulturrevolution wurde die Angehörigkeit illegal und die noch existierenden, freien Mönche verliessen es. Durch die Filme erlangte das Kloster internationalen Ruhm und die Kampfkunst wurde von vielen imitiert. Somit wurde auch das Kloster selbst Ziel von Besuchen, Spendenaktionen sowie Restorationsprojekten.

Die heutige Sicht auf das Shaolin Kung Fu ist geprägt von Medien und Fantasiegeschichten. Nicht umsonst sind Filme mit Kung Fu Choreographie auch heute noch populär. Doch durch diese Sicht der Öffentlichkeit auf die Praktiken und das tägliche Leben wurde vieles übertrieben. Die Mönche sind sehr an Showeinlagen gewöhnt, denn Touristen und Kameras sind fast immer vorhanden. Die altehrwürdigen Räume des Klosters werden nur noch für den Tourismus oder für Filme genutzt, inzwischen haben die Mönche private Trainingsräume und müssen nicht länger in den fast zerstörten Gebäuden trainieren.

Der Tourismus ist eine sehr wichtige Geldeinnahmequelle für das Kloster und finanziert es heute zu einem grossen Teil. Noch immer wird das Shaolin Kloster für das Buddhismus-Studium und als Trainingsort für die berühmten Kampfmönche benutzt, doch der wahrhaftige Tagesverlauf ist bei weitem weniger glamourös als die Medien es einem unerfahrenen Beobachter schmackhaft machen wollen.

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