Ein Besuch bei der Metropolis Church Zürich

Laura Patrizzi, 2016

Die Metropolis Church wurde 2014 von Claude Hunkeler, Tim Lindsay und dessen Frau Rebecca mit der Unterstützung der amerikanischen Seacoast Church (Charleston SC) in Zürich Oerlikon gegründet und aufgebaut. Claude Hunkeler machte eine Lehre als Offsetdrucker, kam zufällig ins Partygeschäft und ist nun schon seit langem Clubbetreiber. Sein 2007 gemeinsam mit seinem Bruder begründetes Projekt „Der Klub“ hatte allerdings grosse Verluste eingefahren und musste nach eineinhalb Jahren abgebrochen werden. Hunkeler verschuldete sich mit 600’000 Franken und fand in dieser Krisensituation dank dem Pastoren Tim Lindsay zum christlichen Glauben.

Leadpastoren sind Tim Lindsay und seine Frau Rebecca, eine Schweizerin deutscher Herkunft. Tim Lindsay ist der Sohn eines schweizerisch-irischen Ehepaars, das in Irland eine freikirchliche Gemeinde aufgebaut hatte. Seine Kindheit verbrachte Tim Lindsay in Irland, erst als Jugendlicher kam er in die Schweiz, wo er eine Schreinerlehre absolvierte und später im Verkauf tätig war. Es war die amerikanische Seacoast Church, die ihn zum Pastoren gemacht hatte und welche die Metropolis Church, die sich als unabhängige Tochtergemeinde der Seacoast Church versteht, auch heute finanziell unterstützt. Zum Lead Team gehören ausserdem das Ehepaar Martin und Simone Strupler, Oliver Genenger und Amie Heath.

Drei Monate nach seiner Gründung zählte die Metropolis rund 100 Gläubige, dazu kamen 40 ehrenamtliche Helfer. Heute gehören noch rund 45 Personen zum Kern der Gemeinde, doch meist sind bei den Gottesdiensten nicht alle anwesend. Die Metropolis Church bietet nebst den wöchentlichen Gottesdiensten („Experiences“) auch sog. Mentoring Gruppen oder Huddles an, die den Kleingruppen anderer Gemeinschaften entsprechen. Dort werden laut Tim Lindsay besonders zwei Fragen ins Zentrum gestellt: Was sagt dir Gott? und: Was machst du damit?

Die Metropolis Church richtet sich an junge Menschen und versucht, diese über die Party-Kultur zu erreichen. Mitbegründer Hunkeler gibt an, sie wollten „dem aktuellen Zeitgeist von jungen Leuten Rechnung tragen“. Die Gottesdienste nennen sich dementsprechend auch nicht Gottesdienste, sondern Experiences, und finden jeweils am Sonntagabend um halb sechs Uhr im BLOK-Club in Zürich statt. Die Metropolis Church bietet keine Mitgliedschaft an und finanziert sich durch freiwillige Spenden, zum Teil auch von christlichen Gemeinschaften in Amerika wie der Seacost Church. Hunkeler gab im Gespräch mit dem Tagesanzeiger an, die Kirche sei liberal und sage niemandem, wie er zu leben habe.

Wer den Gottesdienst der Metropolis Church in Zürich besucht, darf am Sonntagmorgen ausschlafen: Einlass ist ab 17:30. Dementsprechend ist es bereits dunkel, als ich vor dem Gebäude eintreffe und im Eingang begrüsst werde. Ich erwähne, dass ich im Auftrag von Relinfo komme und werde herzlich Willkommen geheissen und an Tim Lindsay, Lead Pastor der Gemeinde, vermittelt. Er steht mir für all meine Fragen gerne zur Verfügung, und ich unterhalte mich mit ihm, bis der Gottesdienst beginnt. Um uns stehen beinahe ausschliesslich junge Leute in Gruppen zusammen, Clubmusik wird gespielt. Als alle auf ihren Plätzen sitzen, zähle ich rund 20 Besucher.

Der Gottesdienst wird mit zwei Liedern begonnen, die sehr zeitgenössische Musik dröhnt aus den Lautsprechern, eine junge Frau singt dazu live auf einer kleinen Bühne und wird hin und wieder von einer Kollegin oder einem Mann unterstützt. Als die Lieder verklingen, tritt Rebecca Lindsay auf die Bühne, begrüsst uns alle und übergibt das Wort ihrem Mann Tim. Links von mir übersetzt eine Frau ihrer Kollegin die Predigt auf Englisch, neben ihr wird ein Säugling in den Armen seiner Mutter gewiegt.

Tim Lindsay kündigt als erstes den kommenden Weihnachts-Event an und beginnt dann den Power-Talk, also die Predigt, die durch eine einfache Power-Point-Präsentation unterstützt wird. Bald wird das Thema der heutigen Ausgabe der Serie „The Blessed Life“ klar: Es geht um Geld. Als Grundlage dient die Geschichte der Schwester des Lazarus, die Jesus die Füsse mit teurem Öl salbte, und das zentrale Wort lautet: Grosszügigkeit. Als erstes wird der Leitsatz vorgestellt: Warte nicht, bis Gott dich segnet, sondern stelle dein Leben unter Gottes Segen. Immer wieder fliessen kleine persönliche Anekdoten aus dem täglichen Leben in die Predigt ein. So erzählt etwa Lindsay, wie einem Bekannten unverhofft ein Geldsegen durch die Krankenkasse zuteil wurde, denn dem, der gibt, wird gegeben, und „Gott kann nicht anders, als grosszügig zu sein“. Doch so sehr es im ersten Teil auch um unser persönliches finanzielles Wohl geht, betont Pastor Tim im zweiten Teil, dass wir vielmehr in Menschen als in Materielles investieren sollen, denn alles Weltliche vergeht. Wir alle sind nicht etwa neutral, sondern als Sünder geboren und brauchen deshalb einen Retter, nämlich Jesus Christus.

Am Ende seiner Predigt gibt es die Gelegenheit, Kerzen anzuzünden, was einige auch tun. Danach folgt ein gemeinsames Gebet und Rebecca Lindsay tritt erneut auf die Bühne und bittet um Kollekten. Drei Röhren werden herumgereicht, dazu wird auf der Leinwand ein Bild von einer gezückten Hunderternote gezeigt. Musik wird eingeschaltet, verstummt aber bald wieder, denn die Kollektensammlung ist bei zwanzig Leuten eine kurze Sache. Rebecca Lindsay macht auf das help-you-Angebot der Gemeinde aufmerksam, bei dem es sich um eine kostenlose Beratung im Bereich Finanzen und Arbeit handelt. Der Gottesdienst wird mit einem gemeinsam gesprochenen Segensgebet und einem Song abgeschlossen. Er dauerte gut eine Stunde.

Ich stelle mich noch an die Bar und unterhalte mich mit einigen der Anwesenden. Es wird Alkohol ausgeschenkt und Musik schallt aus den Lautsprechern, wie ein Club wirkt es trotzdem nicht. Mit meinen Gesprächspartnern unterhielt ich mich über die Finanzierung der Gemeinde: das in der Kollekte gesammelte Geld fliesst einerseits in den Unterhalt des Gebäudes und die Aufrechterhaltung der Gottesdienste, zum andern werden damit Projekte wie ICF Kambodscha unterstützt. Ausserdem hat die Gemeinde seit Beginn Dezember 2016 einen Angestellten für drei Tage die Woche, den Leadpastoren Tim Lindsay. In den Kleingruppen (Huddles) können Themen wie die Evolutionstheorie oder Homosexualität besprochen werden, Teil der Predigten seien sie aber nicht, und die Gemeinde habe keine Richtlinien im Bezug sexuelle Orientierung, Evolution oder Erziehung.

Der ganze Anlass ist eher kurz – nach weniger als zwei Stunden stehe ich wieder auf der dunkeln Strasse. Die Gemeinde ist sehr klein und die familiäre Atmosphäre und die Schlichtheit der Predigt mit Powerpoint haben mir gefallen, auch wenn die Predigt mich inhaltlich nicht wirklich überzeugte, da sie sich hauptsächlich ums Thema Geld gedreht hat. Wie ein Club oder eine Party erschien mir die Veranstaltung trotz Bar mit Alkohol nicht – dafür waren es wohl schlicht zu wenig Leute.

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