Judentum

Das Judentum ist aus dem Volk Israel des Alten Testaments hervorgegangen. Bereits während des Römerreichs betanden auch an zahlreichen Orten ausserhalb Palästinas jüdische Gemeinden. Nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem (70 n. Chr.) und den darauffolgenden Wirren kam es zu breiter Auswanderung aus Palästina, die in ihren neuen Wohngebieten ihre jüdische Identität und Religion weiter pflegten. Das Gefühl einer Verbundenheit mit dem Herkunftsland erlosch nicht. Das Verhältnis zu den umgebenden Mehrheitsgesellschaften schwankte zwischen oft prekärer Tolerierung und brutaler Verfolgung und Vertreibung.

1848 wurde der Staat Israel begründet, daneben bestehen aber weiterhin jüdische Gemeinden in zahlreichen Ländern.

Massgebliche Schriften fürs Judentum sind das Alte Testament, hier insbesondere die Thora, die fünf Bücher Mose, und der Talmud, welcher rabbinische Kommentare und Auslegungen zur Thora enthält und Fragen des Glaubenslebens beantwortet.

Im Zentrum des jüdischen Glaubens steht der Monotheismus, der Glaube an deinen alleinexistierenden und alleinwirkenden Gott. Der Mensch, geschaffen nach dem Bild Gottes, ist von Natur aus gut. Er braucht keinen Mittler zwischen Gott und sich. Im Gesetz tut sich Gottes Wille kund. Wichtig ist auch Hoffnung auf ein zukünftiges, göttiches Reich.

Jüdische Gemeinden werden von Rabbinern, in liberalen Gemeinden auch von Rabbinerinnen, geleitet. Die einzelnen Gemeinden sind autonom, eine übergeordnete Hierarchie besteht nicht.

Neben dem Sabbat als wöchentlichem Ruhetag werden die folgenden Feste gefeiert: im Frühling Pessach (das Passa-Fest zur Erinnerung an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und im Gedenken an den Beginn der Getreideernte in Israel), sieben Wochen später Shawuot (Tag der Offenbarung der zehn Gebote und der ersten Früchteernte), Sukkot (Laubhüttenfest im Herbst, Erntedankfest und Gedächtnis an die Wüstenwanderung), ferner Rosh Hashanah (das Neujahrsfest) und Jom Kippur (Versöhnungstag).

Für den Erhalt jüdischer Identität wesentlich waren  die intensiven Strömungen jüdischer Mystik, vor allem Kabbala und Chassidismus.

Zu all diesen traditionellen Strömungen und Grundanliegen des Judentums gesellte sich in Europa seit der Aufklärung das sog. liberale Judentum, das dem göttlichen Gesetz neue möglichst menschliche und menschennahe Interpretationsmöglichkeiten beigesellte und die jüdische Identität in bisher kaum bekannter Offenheit gegenüber der Welt der Andersgläubigen lebte.

Das liberale Judentum – im englischen Sprachraum wird auch vom progressiven Judentum gesprochen – hält bewusst am jüdischen Gedankengut fest, möchte es aber lernend weiterpflegen. Tora und Talmud werden als Grundlage des Glaubens ernst genommen, aber nicht als absolut verpflichtend betrachtet. Gott teilt seine Lehre zu allen Zeiten durch inspirierte Menschen mit. Innerhalb des liberalen Judentums wird, anders als im orthodoxen Judentum, den Frauen die gleiche Stellung und Verantwortung wie den Männern zuerkannt. Sie nehmen am Schabbat an den gottesdienstlichen Riten teil und sitzen mit den Männern und Kindern zusammen im Gottesdienst. Die Einhaltung der Speisegesetze wird dem Einzelnen überlassen; an den Veranstaltungen in der Synagoge werden sie eingehalten.

In liberalen jüdischen Gemeinden können Menschen jüdischer Religion unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Familienstand Mitglied werden, dies im Unterschied zu orthodox geführten Gemeinden, bei denen nur Personen mit einer jüdischen Mutter als jüdisch gelten.

Eine relativ neue Bewegung innerhalb des Judentums ist der Zionismus, der zur Gründung des Staates Israel führte und der sich heute in seiner Liebe und seiner Treue zu dieser alten, neuen Heimat dokumentiert – wobei die Meinungen, wie jüdisch oder wie gesetzeskonform dieser Staat zu ordnen sei, bei aller Liebe zu Israel, im Einzelnen beträchtlich divergieren.

Eine kleine, aber aktive neue Gruppierung innerhalb des Judentums, vor allem, aber nicht nur in Israel, nennt sich «messianische Juden». In evangelikal-christlichen Kreisen sehen sie das biblisch verstandene Christentum als Erfüllung des Judentums, nicht als Gegensatz.

Menschen jüdischer Religion lebten im Gebiet der Schweiz im Mittelalter vor allem in den Städten. In der Pestzeit (1348/49) wurden sie verfolgt oder vertrieben, dann wohl wieder befristet aufgenommen, aber schliesslich im Laufe des 15. Jahrhunderts aus allen Ständen verbannt. Im Verlaufe des Dreissigjährigen Krieges entstanden die «Judendörfer» Lengnau und Endingen (im Surbtal, Kanton Aargau). Hier und nur hier konnten während zweier Jahrhunderte Juden offiziell im Gebiet der heutigen Schweiz Heimat finden. Das 19. Jahrhundert brachte nach und nach die Aufhebung der einschränkenden Bestimmungen sowie 1966 die Niederlassungsfreiheit für Menschen jüdischer Religion.

Die Judenverfolgungen in der Nazizeit führten zu einem – wie heute schmerzlich bewusst wird – eingeschränkten, zeitweilig offiziell verbotenen Zuzug von Menschen jüdischer Abstammung in die Schweiz. Heute sind die meisten von ihnen Schweizer Bürger. Unter den Schweizer Juden der Gegenwart bezeichnen sich viele als liberal, andere nennen sich konservativ oder moderat-orthodox. Drei bis vier Gemeinden gelten als vorwiegend strenggläubig, orthodox (z.B. die Israelitische Religionsgesellschaft Zürich, IRG). In Genf und Zürich gibt es liberale Gemeinden. 1904 ist als Dachorganisation der jüdischen Gemeinden der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) gegründet worden.

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