Göttinnen-Bewegung

Die Göttinnen-Bewegung wird auch als «Awakening-Bewegung» oder «Female Awakening» bezeichnet. Seit den 70er Jahren beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen intensiv mit dem weiblichen Gottesbild. 1978 wurde auf der Konferenz «Great Goddess Re-Emerging» an der Universität von Santa Cruz der Aufsatz von Carol P. Christi «Warum Frauen die Göttin brauchen» vorgetragen. Daraufhin nahm die Anzahl an Veröffentlichungen zum Thema Weiblichkeit und Gottheiten zu. Die heutige Göttinnen-Bewegung umfassen spirituelle Praktiken, welche in den 1970er Jahren in Nordamerika, Westeuropa, Australien und Neuseeland entstanden. Die Bewegung, welche die Weiblichkeit als Magie verehrt, wuchs dabei schnell an. Die Praktiken der einzelnen Anhängerinnen variieren heute jedoch stark.

Im Vordergrund der Göttinnen-Bewegung steht das Bedürfnis, zu einer weiblichen «Urkraft» zurückzukehren und sich auf die «Geheimnisse weiblicher Schöpfung» zurückzubesinnen. Dieses Ziel wird unter anderem mit der Durchführung von speziellen Zeremonien und der Anbetung insbesondere weiblicher Göttinnen verfolgt. Weitere Motive der Bewegung sind die Belebung von Magie und Schwesternschaft, sowie die Loslösung von weitgehend patriarchalen religiösen Vorstellungen. Im Zuge dessen findet sich ein Fokus auf die weiblichen Geschlechtsorgane und den weiblichen Zyklus, was als Gegenbewegung zu einer Tabuisierung dieser speziell weiblichen Aspekte gesehen werden kann. In der Göttinnen-Bewegung kommen diverse Ansätze des Neo-Tantras, des Schamanismus und der Esoterik zusammen. 

Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Göttinnen-Bewegung steht das weibliche Bewusstsein für zyklischen Körper. Der Gebärmutter und dem weiblichen Zyklus werden in der Göttinnen-Bewegung verschiedenen Bedeutungen zugeschrieben. Beispielsweise wird die Gebärmutter auf der einen Seite als magisches Organ betrachtet, aus dem Kraft, Weisheit, Kreativität und Intuition geschöpft werden kann. Allerdings sei sie auf der anderen Seite empfänglich für einschneidende Erlebnisse. So würden sich Traumata besonders in diesem Bereich des Körpers verankern. In sogenannten Sacred Womb Ritualen rufen versammelte Frauen das göttlich Weibliche an und verbinden sich in einer Meditation mit ihrer Gebärmutter.

Um die Verankerung der weiblich-zyklischen Natur zu würdigen, werden die Rituale oft in der Natur im Wasser, im Wald, auf Felsen und Wiesen durchgeführt. Die Bewegung sieht sich als wichtiger Faktor eines Gesellschaftswandel weg von patriarchalen Strukturen mit weniger Gewalt und Ausbeutung. 

In sogenannten Frauenkreisen treffen sich Frauen, um zu meditieren, tanzen, Yoga zu praktizieren und Atemübungen durchzuführen. 

Um die Göttinnen-Bewegung bestehen verschiedene Kontroversen.

Erstens sieht sich die Bewegung dem Vorwurf der kulturellen Aneignung ausgesetzt. Gängige Praxis ist, sich an den (weiblichen) Gottheiten und Praktiken verschiedener Religionen und Kulturen zu bedienen. Dies wird mitunter besonders dann als problematisch betrachtet, wenn:

  1. Die angewendeten Praktiken marginalisierten Gruppen entstammen.
  2. Diese Gruppen dem Einsatz der Praktiken durch westliche, mehrheitlich weisse Anbietende nicht zugestimmt hätten oder dies nicht tun.
  3. Wenn die Gruppen durch den Einsatz der Praktiken diskriminiert worden sind, während für westliche Anbietende die Möglichkeit besteht, sich an den Praktiken zu bereichern.

Zweitens wird kontrovers diskutiert, ob durch den Fokus auf den weiblichen Zyklus und die weiblichen Geschlechtsorgane eine Zementierung alter Rollenbilder geschaffen wird, anstatt diese aufzulösen. Insbesondere der Fokus auf die weibliche Reproduktionsfähigkeit wird dabei als patriarchales Überbleibsel gesehen. Dem entgegnen Anhängerinnen der Göttinnen-Bewegung, dass die Betonung der weiblichen Aspekte selbstbestimmt geschehe und als neuer, stärker auf weibliche Bedürfnisse abgestimmter Feminismus zu verstehen sei.

Drittens wird kritisiert, dass Anbietende der Göttinnen-Bewegung durch ihre Betonung von Trauma und Heilung unweigerlich Personen anziehen, die möglicherweise tatsächlich traumatisiert sind oder mit anderen psychischen Problemen zu kämpfen haben. Auch wenn Anbietende immer wieder betonen, dass sie keine psychotherapeutische oder ärztliche Behandlung ersetzen, bleibt offen, inwiefern sie den einem entsprechenden Umgang mit dieser vulnerablen Personengruppe gerecht werden.

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