Vampirismus

Die Vorstellung von Wiedergängern, die aus ihrem Grab aufsteigen und die Hinterbliebenen verfolgen, findet sich schon im Mittelalter. Der Begriff Vampir entstammt den slavischen Sprachen, wobei seine Etymologie unklar ist. Ins Deutsche gelangte das Wort im 18. Jahrhundert in seiner serbischen Form вампир, vom Deutschen aus fand der Terminus Eingang in die anderen europäischen Sprachen.

Im 19. Jahrhundert entwickelt sich die Figur des Vampirs mit den typischen Attributen des bleichen Gesichts, der Fangzähne, des Capes und der spezifischen Stärken und Schwächen: ewiges Leben, ewige Jugend, aber auch Abhängigkeit vom Blutkonsum, Gefährdung durch Kreuze, Knoblauch, Licht.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind Versuche belegt, die Vampirfigur positiv zu deuten und ihr nachzustreben als einer Existenzform, welche ewiges Leben, andauernde Jugend und ununterbrochene Lust gewähren könnte. Diese Ansätze bewegten sich hauptsächlich im Randbereich der okkulten Szene.  Filme und Fernsehserien, in welchen Vampire als Sympatieträger dargestellt werden, führten in den Neunzigerjahren zu einem verstärkten Interesse insbesondere junger Menschen an der Frage, ob und wie die Verwandlung in eine vampirische Lebensform möglich wäre.

Zurzeit erfreuen sich vampiristische Ideen und Richtungen zunehmender Beliebtheit.

Unter den Spielarten des Vampirismus am weitesten verbreitet und in der Öffentlichkeit am sichtbarsten ist der Lifestyle-Vampirismus, der durch Styling und Events die Lebensweise der klassischen Vampirfigur des 19. Jahrhunderts umzusetzen versucht. Typisch sind Accessoires wie Cape, Rüschenkleider, Zylinder, Gehstock und Vampirzähne, die meist englisch als „Fangs“ bezeichnet werden. Fangs werden von dentistisch ausgebildeten Spezialisten, die sich als „Fangsmith“ bezeichnen, hergestellt. Nur eine Minderheit lässt sich Fangs fest montieren, die meisten Lifestyle-Vampire haben auch ein Tagleben, bei welchem sich Vampirzähne nachteilig auswirken könnten, und bevorzugen deshalb herausnehmbare Exemplare.

Viele Lifestyle-Vampire besuchen Anlässe der Gothic-Szene, wie denn überhaupt zwischen dem Gothic-Lifestyle und der Vampirszene eine gewisse Durchlässigkeit besteht.

Bei Events von Lifestyle-Vampiren werden gerne Drinks konsumiert, die an Blut erinnern sollen. Ein beliebtes Rezept mischt je zu einem Drittel Himbeerlikör, Cranberrysaft und Cabernet (Father Sebastiaan, Vampir-Tugenden, s.22).

Manche Lifestyle-Vampire organisieren sich in Clans, die sich online austauschen, und gelegentlich gemeinsame Events organisieren.

Der Energie-Vampirismus basiert auf theosophisch-esoterischen Vorstellungen einer Lebenskraft, einer Energie, die dem Menschen innewohnen und ihn am Leben erhalten würde. Diese Energie könnte, so die Vorstellung der Energie-Vampire, anderen Menschen abgezapft und auf sich selbst umgeleitet werden, was lebenserhaltend, gesundheitsfördernd und verjüngend wirken würde.

Die Vorstellungswelt des Energie-Vampirismus wird von einem Teil der Esoterik-Szene geteilt, wobei aber dort Energie-Vampire als Gefährder der Gesundheit gelten und durch Rituale, Amulette und innere Schutzmechanismen abgewehrt werden.

Der magische Vampirismus versucht, durch magische Rituale zu Lebenskraft und ewiger Jugend zu gelangen. Beispiele von magisch-vampirischen Ritualen präsentiert etwa „Das Buch Noctemeron“ von Frater Mordor, welches in Deutschland an unter 18jährige nicht verkauft werden darf. Die Rituale des magischen Vampirismus sollen Macht, Gesundheit und Glück verschaffen und Feinde vernichten. Zu der nichtvampirischen rituellen Magie besteht ein gleitender Übergang.

Sanguinistische Vampire verorten die Lebenskraft nach Vorgabe der klassischen Vampirfigur im Blut. Verschiedene Formen des Blutkonsums – Tierblut, gegenseitiger Blutkonsum – sind gebräuchlich. Sanguinismus kommt auch im Bereich jugendlicher okkulter Experimente vor, etwa wenn Tiere aus der Landwirtschaft entwendet und ausgeblutet werden, um das Blut dann gemeinsam zu konsumieren.

Über die Zahl vampiristisch interessierter Menschen ist nichts Verlässliches bekannt. Nach allen Hinweisen, die vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Szene in der Schweiz zurzeit wächst, vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

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