Ein Besuch im Hilfszentrum Universal

Laura Meyer, 2019

Am 24. Juli 2019 besuchte ich einen Gottesdienst in der Igreja Universal do Reino de Deus. Der brasilianische Name heisst übersetzt so viel wie „Universalkirche des Reiches Gottes“. Beim Ort des Gottesdienstes angekommen, einem Mehrzweckgebäude in Zürich-Altstetten, war ich zuerst ziemlich verwirrt, da die ganze Umgebung beinahe menschenleer war. So stand ich nun zur angegebenen Zeit um 14.50 Uhr vor der Tür und wusste nicht recht, ob ich überhaupt am richtigen Ort war. Eine so berühmte Gemeinschaft mit so vielen Anhängern, doch keine Menschenseele weit und breit: da kann doch etwas nicht stimmen, dachte ich mir. Deshalb kontrollierte ich nochmals Zeit und Ort, wie sie auf der Website der Gemeinschaft zu finden waren. Tatsächlich war alles korrekt und ich betrat den Saal.

Dann stand ich in einem grossen Raum, der mit unzähligen Stühlen gefüllt war. Im Saal lief ein brasilianisches christliches Lied. Am Eingang lagen Bibeln und CDs zum Verkauf bereit, vorn im Raum stand ein Podest mit einem riesigen Kreuz. An den Wänden hingen Collagen, Fotos von Familien und Kindern, und Poster, welche von Mitgliedern gestaltet wurden. Oftmals stand ein grosses „Dankeschön“ auf diesen Postern als Geste der Dankbarkeit für die Kirche. Vermutlich soll Interessenten damit gezeigt werden, wie sehr die Gemeinschaft das Leben ihrer Anhänger verändert und bereichert hat, was sehr einladend wirken kann.

Etwa um 14.55 Uhr betrat dann die erste Person ausser mir den Raum. Sie kam aber nicht vom Haupteingang her, sondern durch eine Seitentür. Es war eine Frau, um die 50 Jahre alt, die im Zentrum arbeitet. Sie begrüsste mich sehr herzlich in portugiesischer Sprache, gab mir die Hand und sagte mir, ich dürfe hinsitzen, wo ich wollte. Da alle Stühle noch leer waren, blieb mir die freie Wahl und ich setzte mich etwa in die 10. Reihe. Schon da lächelte mich die Mitarbeiterin verdächtig oft und intensiv an und musterte mich neugierig.

Erst um 15.02 Uhr betrat dann endlich ein Mitglied der Gemeinschaft den Raum, welches ebenfalls den Gottesdienst besuchen wollte. Kurz darauf kamen dann noch drei weitere Mitglieder dazu. Schliesslich waren ausser mir fünf Frauen mittleren Alters anwesend, von denen eine ihr Kleinkind dabei hatte. Genau genommen waren es also nur vier Frauen, die den Gottesdienst wirklich besucht haben, wenn man mich und die Frau, die dort arbeitet, nicht mitzählt. Ich nehme an, dass die Anwesenden alle Brasilianerinnen waren, da der Gottesdienst auf Portugiesisch stattgefunden hat.

Der Pastor betrat um etwa 15.05 Uhr den Raum und begann mit dem Gottesdienst. Er war nicht so gekleidet, wie man sich einen Pastor vorstellt, sondern trug Jeans und ein einfaches T-Shirt. Er begann mit der Predigt zum Thema Aufrichtigkeit und zur Frage, wie man sein Leben nach Gottes Wille gestalten soll.

Dabei erzählte er uns eine Geschichte von einem Handwerker, welcher dringend ein bestimmtes Stück Holz benötigte. Jeden Tag auf dem Arbeitsweg sah er das gleiche Stück Holz, welches er perfekt für seine Arbeit einsetzen könnte. Jedoch war es nicht sein Stück Holz, deshalb stand es ihm nicht zu, es mitzunehmen, auch wenn es jeden Tag an der gleichen Stelle lag und es nicht so schien, als würde es jemals jemand gebrauchen. Man müsse sein Leben nämlich so führen, dass man alles, was man macht, immer nach Gott ausrichte. Gott sehe alles, immer und überall. Deshalb sei es einem nicht gestattet, etwas mitzunehmen, was einem nicht gehört, auch wenn es andere es nicht schlimm finden würden. Dabei ging er sehr interaktiv vor: Immer wieder stellte er Fragen ins Publikum, deren Antworten offensichtlich waren.

Den Pastor empfand ich persönlich als etwas einschüchternd, da er während des Gottesdiensts so wirkte, als würde er nur schwarz und weiss kennen. Ich habe das Gefühl, andere Auffassungen der Bibel oder gar andere Religionen würde er nicht dulden. Allgemein kann man sagen, dass er die Bibel ziemlich strikt auslegt und keinen Platz für andere Interpretationen lässt. Manchmal bat er uns, eine Seite aufzuschlagen, wo er uns dann einen Abschnitt vorlas. Dann erklärte er uns diesen Abschnitt Wort für Wort.

Die Predigt fand ich etwas schwammig. Das soll nicht heissen, dass er sich nicht vorbereitet hat, sondern dass er die Stossrichtung seiner Predigten sehr gut kennt und deshalb alles eher wie ein Vortrag rüberkam. In der Predigt wurden sehr viele Themen abgedeckt, ohne dass es wirklich ins Detail ging. Mir war es etwas zu unstrukturiert und einfach mal drauf los gesprochen. Oft kamen Ausdrücke wie „man muss“ oder „man darf nicht“, und abgeschlossen hat er seine Aussagen immer mit einer direkten Frage ins Publikum wie „Stimmt doch, oder etwa nicht?“, oder „Hab ich recht?“, worauf das Publikum dann im Chor antwortete.

Als nächstes sprach er darüber, dass man für den richtigen Weg, den Weg Gottes, oftmals Opfer bringen muss. Nachdem man etwas geopfert hat, braucht es einige Zeit, bis es sich auszahlt. Dafür sind aber einige Dinge gefragt: Vertrauen, Geduld, Wille, Leben für den Glauben und Schutz der Seele. Zu diesem Thema verteilte er uns einen Flyer, auf dem diese fünf Punkte aufgelistet waren und erläutert wurden.

Zwischendurch wurde immer wieder gesungen, die anwesenden Frauen kannten offensichtlich die Texte der Lieder und waren auch während der Predigt immer sehr aktiv mit dabei. Ab und zu murmelten sie Kommentare vor sich hin. Ich schloss daraus, dass diese Frauen vermutlich regelmässig Gottesdienste der Universalkirche besuchen.

Gegen Ende des Gottesdienstes, der insgesamt ca. 50 Minuten dauerte, sagte der Pastor, dass man jetzt nach vorne gehen könnte um eine Spende abzugeben. Er meinte zwar, das Spenden sei freiwillig. Mir erschien es aber nicht so. Unter anderem lag dies daran, dass so wenige Leute da waren und es komisch rüberkäme, wenn ich die einzige wäre, welche nichts spendet. Ausserdem fühlte ich mich die ganze Zeit über von der Mitarbeiterin intensiv beäugt. Deshalb gab auch ich eine kleine Spende. Ich hatte zwar Bargeld dabei, aber man hätte auch mit Karte zahlen können.

Für mich war erstaunlich, dass nur so wenige Personen am Gottesdienst teilnahmen, obwohl es sich um eine unter Menschen brasilianischer Herkunft ziemlich bekannte Gemeinschaft handelt. Während des Gottesdiensts meinte der Pastor zwar, dass der geringe Publikumsaufmarsch daran liege, dass gerade Ferien sind und dass normalerweise mehr Leute präsent seien. Wie weit dies zutrifft, kann ich natürlich nicht beurteilen.

Seltsam fand ich auch das Gespräch, welches ich mit der Mitarbeiterin nach dem Gottesdienst hatte. Am Ende des Gottesdienstes kam die Mitarbeiterin auf mich zu und fragte mich einige Dinge: Wie ich heisse, wo ich wohne, wie alt ich bin, wie ich dazu kam, den Gottesdienst zu besuchen und was der Grund dafür sei. Dann sagte sie mir, dass sie in mir eine tiefe Trauer sähe und dass sie spüre, dass mich etwas bedrückt. Ich spielte mit, auch wenn ihre Aussagen nicht stimmten. Dann nahm sie meine Hand in ihre, lud mich herzlich zum nächsten Sonntagsgottesdienst ein und sagte, dass die Gemeinde ein Ort des Vertrauens und der Unterstützung sei.

Falls ich Familienmitglieder hätte, könnte ich diese mitnehmen, da sie mit uns unsere Familienkonstellation analysieren könnten. Oftmals läge nämlich die Trauer einer Person an der Unruhe in ihrer Familie. Wenn ich mit meiner Familie unsere Konstellation analysieren würde, könnte man den Grund meiner Trauer herausfinden.

Dann nannte sie noch weitere Dinge, welche die Kirche anbietet: Zum Beispiel könnte ich mich einer Jugendgruppe anschliessen, welche jeden Sonntag zusammentrifft und verschiedene Themen der Bibel behandelt. Dort würde man auch Unterstützung von Gleichaltrigen in schweren Zeiten erhalten.

Im Grossen und Ganzen kann man sagen, dass die Universalkirche für viele Menschen die Rolle einer Seelsorgerin spielt. Die Mitarbeiterin war zwar sehr freundlich und herzlich, trotzdem musste ich schmunzeln, als ich dann schliesslich den Raum verlassen habe.

Ich zweifle nicht daran, dass die Igreja Universal do Reino de Deus schon vielen Leuten geholfen hat, da man dort auf Gleichgesinnte trifft und dies ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt. Vielen Menschen könnte das Sicherheit und Kraft schenken.

Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass die Gemeinschaft von den Problemen der Leute profitiert, sodass der Schmerz der Menschen eine Art Lebenselixier der Gemeinschaft ist. Und genau das ist der Punkt, welcher mir problematisch erscheint. Dass angenommen wurde, dass ich innerlich sehr leide, bestätigt mir meine Annahme. Die Gemeinschaft will ein Ort des Vertrauens sein, doch ich fühlte mich nicht wirklich wohl. Es erschien mir alles eher wie eine Fassade.

Zurück zu Hilfszentrum Universal