Ministério Semeando em Terra Fértil

Laura Meyer, März 2020

Im Februar 2020 wurde bekannt, dass der Schweizer Teilnehmer der deutschen Casting-Show „Deutsch- land sucht den Superstar“, Marcio Pereira Conrado, im Alter zwischen 15 und 20 Jahren Mitglied einer Freikirche war, die seine Homosexualität verändern wollte. Es handelt sich um die in Zürich ansässige Organisation Ministério Semeando em Terra Fértil. Unsere Mitarbeiterin Laura Meyer hat dieser Gemeinde einen Besuch abgestattet.

Am 6. März 2020 besuchte ich einen Gottesdienst im Ministério Semeando em Terra Fértil. Der brasilianische Name der Gemeinde heisst so viel wie „Dienst, der im fruchtbaren Land aussät“. Beim Ort der Gemeinde angekommen, in der Militärstrasse in Zürich, war ich zuerst ziemlich verwirrt. Am Eingang stand nichts, was mich darauf hätte hinweisen können, dass ich am richtigen Ort war. Kein Name der Gemeinde, kein Anzeichen für einen bevorstehenden Gottesdienst. So stand ich nun zur angegebenen Zeit um 19.20 Uhr vor dem Gebäude und wusste nicht recht, ob ich überhaupt am richtigen Ort war. Ich kontrollierte nochmals Zeit und Ort, wie sie auf der Website der Gemeinde zu finden waren. Es schien alles zu stimmen. Genau in diesem Moment liefen zwei Frauen an mir vorbei, die brasilianisches Portugiesisch miteinander redeten und das Gebäude betraten. Dann wusste ich, dass ich am richtigen Ort war. Erst als ich durch die Tür ging, sah ich, dass auf einem kleinen Plakat etwas leicht zu Übersehendes stand: Gottesdienst im 3. Stock.

Auf der Website der Gemeinde stand zwar, dass der Gottesdienst erst um 19.30 Uhr anfängt, doch als ich den Raum um 19.25 Uhr betrat, wurde schon laut gesungen, und zwar durch den Apostel Ezaú Casales, den Begründer und Präsidenten der Gemeinde. Ausser ihm waren noch acht Leute anwesend.

Es war ein eher langer, schmaler Saal. Ganz hinten war ein Beamer und einige Stühle für Mitarbeitende, in der Mitte sehr viele Stühle für Besucher, vorn im Raum das Podest mit einem Mikrophon und einigen Instru- menten, denn die Musik wurde live gespielt. Auch gab es zwei Bildschirme, wo jeweils die Texte der Lieder eingeblendet wurden. Die Wand hinter dem Podest war mit einem Kreuz bemalt. Allgemein fand ich, dass der Gottesdienstraum schön in bläulicher Farbe dekoriert war. Er wirkte sehr einladend.

Ich setzte mich weiter hinten hin, so dass ich einen Überblick über alles und alle hatte. Ganz hinten sassen einige Mitarbeitende und Offizielle.

Sogar nach mehr als einer halben Stunde nach Beginn des Gottesdienstes betraten noch die letzten Leute den Saal. Schlussendlich waren etwa 18 Leute im Publikum, mich eingeschlossen. Später erfuhr ich, dass beim Gottesdienst, welcher sonntags stattfindet, in der Regel um die 40 Leute anwesend sind. Unter den in der Schweiz lebenden Brasilianern ist die Gemeinde sehr bekannt. Anders als beim Hilfszentrum der Igreja Universal do Reino de Deus IURD (Universalkirche des Reiches Gottes), deren Gottesdienst ich letztes Jahr besucht hatte, wurde ich mit Ausnahme von ein paar neugierigen Blicken in Ruhe gelassen.

Die Mehrheit des Publikums war weiblich und mittleren Alters. Einige kamen mit ihren Kindern. Insgesamt zählte ich sechs Kinder. Offenbar waren auch die Kinder von den Mitarbeitenden anwesend. Die Kollekte am Ende des Gottesdienstes hat nämlich ein Mädchen eingesammelt. Sie schien sich in ihrer Arbeit gut auszukennen. Ich hatte den Eindruck, dass sie regelmässig dort ist. Alle schienen den Ablauf und die gesungenen Lieder zu kennen. Klar in der Unterzahl waren die Männer. Mit dem Apostel und dem Pastor zählte ich bloss vier Männer.

Nachdem gesungen wurde, redete der Apostel für einige kurze Minuten über die Wichtigkeit, sich selbst treu zu bleiben. Egal was man im Leben durchmache, man dürfe nie vergessen, wer man ist. Dann übergab er dem Pastor das Wort. Zwar wurde er mit einem Mikrophon ausgestattet, trotzdem empfand er es für nötig zu schreien.

Manchmal wurde er so laut, dass es in den Ohren schmerzte. Ich denke, dass dies den Effekt mit sich bringt, dass man eine höhere Präsenz spürt. Das laute Volumen seiner Stimme führte nämlich dazu, dass man Gänsehaut bekam.

Der Pastor erzählte unter anderem die Geschichte von David, dem bedeutendsten König der Geschichte Israels. Der Pastor ist wahrscheinlich davon ausgegangen, dass alle die Geschichte von David kannten. Deshalb redete er drauf los und fing an zu erzählen, dass David sehr viel Mut bewiesen hat und er aufgrund seiner Aufrichtigkeit immer die Unterstützung Gottes erhielt.

Da das Thema Coronavirus gerade aktuell war, konnte der Pastor es nicht unterlassen, darauf einzugehen. Er selbst habe keine Angst, sich anzustecken. Wieso Angst haben, wenn man Gott in seinem Leben hat, fragte der Pastor. Man solle sich keine Gedanken darüber machen. Ganz im Gegenteil: Je mehr man sich vor dem Virus fürchte, desto eher würde man an ihm erkranken. Mit Gott in seinem Leben bräuchte man sich nicht vor Krankheiten zu fürchten.

Dann erzählte der Pastor, wie Gott ihm einst den Auftrag erteilte, nach Japan zu reisen. Er nannte dabei einige Vorkommnisse, die er als Zeichen Gottes deutete. Ein Erlebnis geschah bei einer Predigt, die der Pastor vor etwa 20 Jahren bei einem Gottesdienst im Norden Brasiliens gehalten hatte. Gegen Ende des Got- tesdienstes sei eine alte Frau in der hintersten Ecke der Kirche aufgestanden und habe plötzlich angefan- gen von einem Mann zu erzählen, der sich unglücklich in einer Flagge verheddert hätte und mit ganzer Kraft versuchte, ihr zu entkommen. Als der Pastor davon erzählte, ahmte er das Verhalten der alten Dame mit gekrümmtem Rücken, nordbrasilianischem Dialekt und eingezogenen

Lippen nach. Das Publikum musste laut lachen. Der Pastor sagte dann, dass er die alte Dame gefragt hatte, was für eine Flagge das denn gewesen sei. Daraufhin antwortete sie ihm, dass sie das leider nicht wüsste. Sie könne sie ihm aber beschreiben: Die Flagge sei ganz weiss, mit Ausnahme eines roten Punkts in der Mitte, die japanische Fahne also.

Weiter erzählte der Pastor von seiner Reise nach Japan. Bis zu dem Punkt, an dem er im Flugzeug sass, wollte er nicht nach Japan reisen. Er habe es nur getan, weil es Gottes Wille gewesen sei. Im Flieger an seinem Platz angekommen habe er zu Jesus gesagt: ‚‚Wenn du in dieser Reise nicht neben mir sitzt, dann werde ich so tun, als wäre ich ein Verrückter, und täusche einen Anfall vor, so dass ich aus dem Flugzeug rausgeschickt werde, das schwöre ich Dir!’’ Das Publikum lachte wieder. Ich fand die Äusserung eher irritierend. Später witzelte der Pastor darüber, dass er selbst etwas verrückt sei.

Mir ist aufgefallen, dass der Pastor bei den Gemeindegliedern sehr beliebt ist. Seine Aussagen fand ich manchmal zwar etwas eigenartig, nichtsdestotrotz wirkte er sympathisch. Seine Predigt war sehr unterhaltsam, da er zwischendurch immer wieder Witze machte und das Publikum zum Lachen brachte. Einmal schweifte er auch etwas ab und vergass, wo er steckengeblieben war. Dann musste das Publikum ihm wieder auf die Sprünge helfen.

In Japan angekommen gab es laut dem Pastor anfangs Komplikationen, aus dem Flughafen zu kommen. Die Staatspolizei wollte ihn erst nicht ins Land lassen. Wieso genau, habe ich nicht ganz verstanden. In dieser Lage habe der Pastor seine Tasche durchsucht und wie durch ein Wunder ein ‚wichtiges’ Dokument gefunden. Daraufhin habe ihn die Polizei am Flughafen plötzlich völlig anders behandelt und sogar vor den Flughafen zu einem Wagen begleitet, welcher ihn abholen und zu seinem Hotel fahren sollte. Der Pastor zeigte sich davon überzeugt, dass Gott ihm in dieser Situation geholfen hat.

Später im Gottesdienst forderte uns der Pastor auf, uns alle gegenseitig zu umarmen. Eine Frau kam auf mich zu und umarmte mich. Es kam mir so vor, als wollte sie mich gar nicht mehr loslassen, so fest hat sie mich gedrückt. Die Umarmung dauerte mindestens 15 Sekunden.

Zum Schluss des Gottesdienstes sagte der Pastor noch, dass er sich über das neue junge Gesicht in der vorletzten Reihe freute. Daraufhin drehten sich alle um und lächelten mich an.

Als der Gottesdienst dann vorbei war, kamen noch drei Leute zu mir. Anders als bei der Igreja Universal do Reino de Deus, wo ich regelrecht ausgefragt wurde, haben mich die Leute des Ministério Semeando em Terra Fértil bloss willkommen geheissen.

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