Besuch in einem Gottesdienst der Church of Pentecost, Switzerland

Regina Zoller, 2017

Eine Fotografie im Magazin 43/2017 des Tages-Anzeigers inspirierte mich. Sie wurde, wie ich später erfahre, schon vor Jahren in der Church of Pentecost Switzerland in Zürich aufgenommen. In der Legende zum Bild heisst es u.a.: „Unter Führung ihres Predigers halten sie Zwiesprache mit Gott – aber nicht wispernd, nuschelnd oder brummelnd, wie das hierzulande gängig ist, sondern voller Inbrunst den Herrn lobpreisend.“

Vor meinem Besuch in dieser Pfingst-Gemeinde lese ich in Meyers Grossem Taschenlexikon (1998) nach:
„Pfingstbewegung: Sammelbezeichnung für verschiedene, aus der amerikanischen Heiligungsbewegung des 19. Jh. entstandene religiöse Gemeinschaften (Pfingstgemeinden, Pfingstkirchen), in deren Zentrum die Taufe im Hlg. Geist („Geisttaufe“) steht, die sich in verschiedenen Geistesgaben (Zungenreden, Prophetie, Krankenheilungen) zeigt. Allen gemeinsam sind fundamentalistisches Bibelverständnis, rigoristische Ethik (Heiligung des Alltags), ekstatische Frömmigkeit, ein von der Apokalyptik geprägtes Geschichtsverständnis und ein starker Missionsdrang. Die Pfingstkirchen sind heute besonders in den USA und der dritten Welt vertreten.“

Aber nicht nur. Auch in der Schweiz ist das pfingstliche Christentum seit über 100 Jahren gut vertreten, zu denken etwa an den zurzeit grössten Freikirchenverband im Lande, die Schweizerische Pfingstmission SPM. Wachstum erfährt die Pfingstbewegung heutzutage aber besonders unter den sog. Migrationsgemeinden, zu welchen die Church of Pentecost Switzerland gehört.

Die Website der Church of Pentecost ist sehr professionell aufgebaut und informiert darüber, dass sie in der Schweiz auch Tochterkirchen in Genf, Lausanne, Neuenburg, Sion, Basel, Bern und Biel hat, wobei das erklärte Ziel ist, mindestens noch zwei weitere Ableger zu gründen. Ich denke mir, dass das natürlich u.a. davon abhängt, wo in der Schweiz es noch Menschen ghanaischer Herkunft gibt, denn die Mitglieder dieser Kirche stammen zumeist ursprünglich aus Ghana, wo ihre „Mutterkirche“ in der Hauptstadt Accra zu Hause ist. Es gibt aber auch einige wenige Schweizer Besuchende sowie solche aus Nigeria.

Der Besuch eines Gottesdienstes in Wallisellen/ZH erfolgt an einem kalten Wintertag. In einem längeren vorgängigen Telefongespräch mit dem Leiter der Zürcher Sektion, der eigentlichen Hauptträgerin dieser Kirche in der Schweiz, erfahre ich bereits einiges. Reverend G. Opoku Boakye gibt mir gerne und sehr höflich Auskunft. Dass ich mich darauf berufen kann, 1989 Freunde in Ghana besucht zu haben, ist sicher hilfreich. Die Gründung dieser Pfingstkirche in der Schweiz erfolgte durch drei Personen aus Ghana, darunter Rev. Opoku und seine Frau. Beim Aufbau erhielten sie die Unterstützung von Missionaren aus ganz Europa. Gemäss Website unterhält die Kirche in der Schweiz diverse sog. Ministries (Dienste), für welche eigentliche Ausschüsse zuständig sind: Kinder, Evangelisation, Männer, Frauen, Jugend.

Seine theologische Ausbildung absolvierte Rev. Opoku am Seminar in Ghana und in England. Im Jahre 2009 hatte ihn seine „Berufung“ ereilt. Eine solche erfolgt im pfingstkirchlichen Verständnis in der Regel durch Visionen, Träume, Prophezeiungen etc. Er war dank seiner Frau zur Pfingstkirche konvertiert, denn seine Eltern in Ghana waren Adventisten. Frau Opoku lebt schon seit ca. 30 Jahren in der Schweiz, er selbst seit ca. 20 Jahren. Vor kurzem hat er seinen Beruf als Logistiker im Universitätsspital Zürich aufgegeben, um sich ganz seiner Kirche zu widmen.

Ihre Ausgaben finanziert die Kirche durch sog. „offerings“, d.h. durch die Kollekte. In einen sonntäglichen Gottesdienst kommen offenbar durchschnittlich 50 Personen, an hohen Feiertagen können es 180 – 300 Personen sein, darunter viele Familien. Die ghanaischen Einwohner der Schweiz seien zumeist gut integriert und berufstätig. Das ist eine grosse finanzielle Leistung der Gläubigen, denn allein die monatliche Miete ist beträchtlich. Erst vor Weihnachten fand der Umzug von einem Gebäude in Zürich in ein Industriegebiet in Wallisellen statt. Zu einem früheren Zeitpunkt hielt man die Gottesdienste in der St. Anna Kapelle in Zürich ab.

Auch meine inhaltlichen Fragen eher religiöser Natur werden beantwortet. Absolut zentral sind gemäss Rev. Opoku die Gebete und der Heilige Geist. Für eine Heilung brauche es weder Rituale noch Symbole noch Salbungen mit Öl usw., nur der Heilige Geist könne heilen. Die Kirche orientiere sich an der Apostelgeschichte, Kapitel 2+3. Das pfingstkirchliche Zungenreden, die Glossolalie, kann nicht erlernt werden. Man wird vom Heiligen Geist „getauft“, d.h. man wird dazu auserwählt und davon überrascht.

Sonntags finden zwei Gottesdienste statt. Einer von 9.30-12.30 in deutscher und englischer Sprache für die Jugendlichen und einer von 12.00 bis 14.30 in Akan, der heimatlichen Ashante-Sprache. Zusammenkünfte gibt es aber auch an andern Tagen.

Ich finde mich zuerst mal für den ersten Gottesdienst ein in einem grossen, schlichten Raum, wo vorne ein grösserer Platz freigelassen ist, und werde sehr freundlich empfangen von einer jüngeren Frau, die sich als Vicky vorstellt und die seit 15 Jahren in der Schweiz lebt, in einem Hotel arbeitet und beinahe perfekt Schweizerdeutsch spricht. Sie ist mit ihrem Mann zusammen verantwortlich für die Jugend-Gottesdienste. Er stellt mich anderen Besuchenden vor, denn ich werde immer wieder beäugt, es scheint nicht allzu oft vorzukommen, dass Aussenstehende den Gottesdienst besuchen. Die Jugend der Gemeinde ist in der Schweiz aufgewachsen, der Gottesdienst wird in Englisch abgehalten.

Die noch kleinen Kinder von Frau V. sind auch anwesend. Einige Jugendliche in Alltagskleidung treffen ein, auch ein junger Vater aus Zug mit seinen zwei ganz kleinen Mädchen, die wunderhübsch gekleidet und frisiert sind und sich zwei Stunden lang recht ruhig verhalten, während ihr Vater aktiv am Gottesdienst teilnimmt. Es wird viel gesungen und gebetet, dies immer laut, d.h. alle sprechen vor sich hin, während Frau V. etwas lauter ins Mikrophon spricht. Der Fokus liegt auf dem Dank an Gott, dass er uns Jesus schenkte und dass er in uns wirkt. Ein Lied-Text ist mir in Erinnerung geblieben: „Reign Jesus, reign! King of Zion, Joshua’s Lyon! Reign Jesus, reign!“ Die Melodien sind sehr eingängig und harmonisch. Der Ablauf des Gottesdienstes wird mittels Powerpoint-Präsentation auf diverse Bildschirme projiziert. Die Jugendlichen können sich auch die jeweiligen Bibelstellen auf dem Handy anschauen (z.B. Epheser 6).

Ich werde von einem Mädchen eingeladen in den Kreis, der sich gebildet hat und wo sich alle mit geschlossenen Augen an den Händen halten. Als Ethnologin werte ich das als „teilnehmende Beobachtung“. Inbrünstig rufen Frau V. (die sich als sehr gute Motivatorin erweist), ihr Mann und ein weiterer Mann Gott an. Mit der Zeit sind über 20 Jugendliche anwesend. Sechs davon werden in die Mitte des Kreises gebeten. Sie sind erst vor einer Woche aus der Kindergruppe entlassen und in die Jugendgruppe aufgenommen worden und wirken noch etwas scheu auf mich. Der Prediger legt jedem die Hand auf den Kopf und bittet um Gottes Segen für sie. Der Gesang wird lauter, als auch junge Mädchen ins Mikrophon singen und einige Jugendliche auf den Instrumenten spielen, die auf einem leicht erhöhten Rand des Saales stehen. Die Jugendlichen bedienen auch die techni- schen Apparate, u.a. eine Videokamera.

Zum Schluss hält der Prediger eine eindrückliche Predigt zum Thema Standfestigkeit. Humorvoll und mit viel Bezug zum Alltag weist er auf die Not- wendigkeit hin, stets standfest zu bleiben, bis zur Wiederkunft Christi (s. den pfingstlichen Bezug auf Apokalyptik). Ein junges Mädchen übersetzt fast simultan und ausgezeichnet vom Englischen ins Schweizerdeutsche. Wie mir später gesagt wird, ist sie die Tochter von Rev. Opoku. Nicht alle Jugendlichen waren mit der gleichen Konzentration und demselben Engagement bei der Sache, was aber durchaus akzeptiert wurde.
Interessant dünkt mich bei diesem Anlass auch, dass die Jugendlichen immer wieder aufgefordert werden zur gemeinschaftlichen Interaktion, wie z.B. einander per Handschlag Gottes Segen zu wünschen. Auch ich komme in diesen Genuss.

Sowie die Jugendlichen entlassen sind, treffen immer mehr Erwachsene zum zweiten Gottesdienst ein, im Alter von ca. 25 bis 70 Jahren. Das ist die „ältere Generation“. Rev. Opoku ist leider nicht anwesend, er befindet sich bei der Gemeinde in Genf. Ich werde jedoch verschiedentlich begrüsst und will- kommen geheissen. Natürlich werde ich auch gefragt, ob ich wiederkommen werde. Eine Grossmutter, die bei einer Tochter in Italien lebt und gegenwärtig bei einer andern Tochter in der Schweiz zu Besuch ist, erzählt mir, es würde ihr hier in der Schweiz viel besser gefallen. In Italien gebe es auch keine Arbeit für sie. Wie mir schon auf der Website auffiel, sind die Frauen sehr, sehr schön gekleidet, viele trotz der winterlichen Temperaturen in ihren traditionellen, figurbetonten und bodenlangen ghanaischen Gewändern mit wunderschönen Kopfbedeckungen, alle mit hohen Absätzen. Der Gottesdienst-Besuch ist nicht nur eine Gelegenheit, Gott seine Referenz zu erweisen, sondern auch ein gesellschaftlicher Anlass. Viel Gold ist zu sehen, Ghana ist ja auch bekannt für seinen Goldschmuck, dank seiner Goldminen. Auch die Männer sind gut gekleidet, einige traditionell, die Mehr- heit mit Anzug und Kravatte. Und alle in eleganten Schuhen. Es sind über 50 Personen eingetroffen. Sechs Herren reiferen Alters, die sog. „elders“, sitzen etwas erhöht vorne im Raum, mit Blick zu den Gläubigen. Sie werden z.T. eine Funktion im Gottesdienst ausüben. Kinder im Schulalter befinden sich in einem Nebenraum (in einer Art Sonntagsschule), aus dem Gelächter dringt. Kleinere Kinder und Babies werden gehalten und rumgetragen. Sie schauen mich aus grossen Augen interessiert an.

Dieser Gottesdienst gerät sogleich in medias res mit viel Gesang und Musik, Gebeten und Anbetungen, immer wie- der beginnt eine Stimme ein Lied, ande- re schliessen sich an, mit geschlosse- nen Augen und voller Hingabe werden die Arme nach oben gestreckt. Es wird oft auch getanzt, der Klangteppich ist enorm. Ein Bild von einem leeren Kreuz wird gezeigt, zu welchem ein Mensch seine Arme hochstreckt. Einzelne, v.a. Frauen, begeben sich ans Mikrofon und werden sogleich von andern begleitet, wie um ihnen Beistand zu leisten. Zwischendurch hört man bestätigende Rufe und Amen-Rufe. Vielleicht sind es Bekenntnisse, vielleicht Anrufungen, vielleicht Lobpreisungen, vielleicht Dankesbezeugungen an Gott? Auf jeden Fall empfinde ich die Stimmung als sehr intensiv und auch als sehr gemeinschaftlich. Die afrikanischen Frauen spielen eine sehr aktive Rolle, wie eigentlich immer auch in Afrika. Als nach eineinhalb Stunden eine Predigt beginnt, die ich sprachlich leider nicht verstehen würde, begebe ich mich diskret zum Ausgang.

Das Fazit, das ich für mich ziehe: Die Church of Pentecost Switzerland erfüllt ganz offensichtlich ein Bedürfnis ihrer Gläubigen, die hier auch ein Stück Heimat finden. Sicher ist dies auch ein Ort, wo die Menschen Talente ausüben können, die in ihrem Schweizer Alltag und Berufsalltag nicht verwirklicht werden können. Und die aus Meyers Grossem Taschenlexikon eingangs zitierten Aspekte der Pfingstbewegung sind auch hier auffindbar. Auffallend sind die grossen Bemühungen um die Kinder und Jugendlichen der Pfingstgemeinde. Aus einer kleinen Broschüre in englischer Sprache (Children’s Syllabus) für die Unterweisung von Kindern zwischen sieben und neun Jahren, die auf einem Tisch zusammen mit andern Unterlagen zur freien Verfügung aufliegt, wird ersichtlich, dass der betont auf der Bibel basierende Lehrplan über 63 Lektionen schon sehr detailliert und anspruchsvoll ist.

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