Warum bleibt man bei einer Gruppe wie den Munies hängen?

Was jedem passieren könnte, wenn er oder sie nicht bemerkt, welche Mechanismen bei der Anwerbung bewusst angewandt werden. Als Mitglied ist man sich bewusst, dass man dem Neuling einiges vorenthält, aber da es ja für eine „gute Sache“ ist, fühlt sich niemand irgendwie schuldig.

Da wurde ich doch am ersten Abend ins Seminar eingeladen. Sofort nachdem ich mich dafür entschieden hatte, wurde ich gebeten, in der Jugendherberge meine Sachen abzuholen, mit der Aussage: „Du bist niemandem Rechenschaft schuldig, hole einfach Deine Sachen und sage Du schläfst bei Freunden.“ Dies so zu tun war schon das erste Mal, als ich nicht so gehandelt hatte, wie ich es normalerweise getan hätte, nämlich keine Ausrede angewendet, sondern, gesagt was Sache ist, falls es nötig gewesen wäre. So hätte mich eventuell auch noch jemand von meinem Plan in das Seminar zu gehen abhalten können. Denn die Jugi wusste schon zu jenem Zeitpunkt bescheid über die Munies.

Wenn man dann ins Camp kommt, weiss man nicht, was die andern schon alles über einen erfahren haben. (Das wird alles per Telefon schon vor der Ankunft übermittelt) Daraus entsteht dann eine Herzlichkeit, die auf einem sehr spontan wirkt, es aber nicht ist, da sie im Camp schon mehr wissen über den Neuling, als dieser erahnen kann.

Da man, einmal drinnen, keine Informationen von der Aussenwelt mehr erhält, ist man auch nicht mehr in der Lage, objektive Entscheidungen zu treffen. Infos von aussen sind notwendig, um objektiv zu entscheiden.

Man ist überrascht, dass in den Lektionen viel über Religion gesprochen wird. Obwohl man damit nach dem Einführungsvortrag am ersten Abend nicht rechnete. Dieses Unbehagen behält man dann aber für sich, da man sich damit ziemlich alleine fühlt, denn es spricht niemand negativ, da …

In den ersten Lektionen werden ein paar Verhaltensregeln durchgegeben, um ein „tolles Zusammensein“ zu ermöglichen. Zum Beispiel: „Versuche Unstimmigkeiten in dir nicht zu nähren“ oder „gib negativen Gedanken keinen Nährboden“ („no give and take with negativity“ oder später: „no give and take with satan/or evil“).

Wenn man während den Lektionen Fragen hatte, wurde man angewiesen, jene bis zum Schluss aufzubewahren, weil sie meist während dem Vortrag sowieso beantwortet würden (aber alles zu seiner Zeit und Folge, kritische Gedanken sind nicht erwünscht) oder da man es bis zum Schluss eh wieder vergessen hatte, da man so verblüfft war über die Einfachheit des Gesamtinhaltes der Lektionen. Die Devise hiess ‚Don’t feed a steak to a baby‘, also durfte man Neulingen nicht Dinge erläutern, die sie noch gar nicht verdauen konnten.

Mit einem jungen, spontanen Auftreten wird versucht, von der Manipulation abzulenken und Vertrauen zu schaffen: Zum Beispiel im Park beim ersten Kontakt. Sie wirken ganz spontan, wenn sie sagen ‚wir treffen heute junge Leute, um sie für diesen speziellen Internationalen Abend einzuladen. ‚Dies ist aber in Wirklichkeit ihre tägliche Arbeit. Oder eine mir schon ziemlich vertraute Person sagte zu mir am Einführungsabend, ‚ich gehe zu diesem Workshop der morgen beginnt, komm doch auch mit.‘

Die folgenden Grundsätze wurden uns immer wieder vermittelt:

  • wir tun Gottes Wille, andere nicht
  • alles, was wir hinterfragen ist teuflisch (evil)
  • alle Taten, die wir in der Organisation tun, sind für einen höheren Sinn. (= higher purpose, Muniesprache)
  • wir sollten absolut vertrauen haben, wie die Kinder (= be like a child)

Wenn man andere auch überredete, fühlte man sich selber gut, da man ja in den Augen der andern das einzig richtige gemacht hat. Man wolle ja dazugehören. ‚ I want to be in one heart with God‘ = ein Herz mit Gott sein: Man hatte gelernt, was Gott am liebsten mag, und wenn man das tun konnte, fühlte man sich wohl und geborgen.

Man beginnt sich anzupassen!

Im totalitären Milieu ist die Welt streng geteilt in Rein und Unrein, in das absolut Gute und das absolut Schlechte. (Good and Evil) Zum Guten gehören natürlich die Ideen, Gefühle und Handlungen, die sich mit der Ideologie und ihrer Politik vereinbaren lassen. Alles andere gehört zum schlechten und Unreinen.

Das bedeutet, der Manipulierte wird dazu gebracht, seine eigenen Mängel als Ergebnis äusserer Einflüsse zu sehen, als Einflüsse einer bedrohlichen Welt ausserhalb, gegen die er sich zur Wehr setzen muss, um sein eigenes Schuldgefühl loszuwerden.

Für mich in der Organisation bedeutete dies:

  • Es gibt das absolut Gute und das absolut Schlechte
  • je mehr wir über Reinheit sprachen, desto schuldiger fühlten wir uns bei jedem „unreinen“ Gedanken. Das musste gar nichts Schlimmes sein. Zum Beispiel der Gedanke ‚diese Person sieht jetzt aber gut aus‘ oder ‚diese Person gefällt mir‘ konnte zur totalen Belastung werden.

Deshalb bestraften wir uns auch immer wieder durch noch härter arbeiten, rennen von Haus zu Haus, noch weniger schlaf, fasten, Gebetsrituale u.s.w. Da niemand perfekt ist, gab es immer Fehler, die als Schuld und demzufolge Bestrafung genutzt werden konnten. Leute, die an sich zu viele Schwächen zu erkennen glaubten, neigten zu selbstzerstörerischen Taten: sich schlagen, kalte Duschen, langes Fasten, Schlafentzug etc.

Weiter musste alles, was man tat für einen guten Zweck sein, also zum Nutzen der Organisation, denn sie handelte ja nur für das Gute. (( Das ist eben die grösste Täuschung )). Man beichtete seine Schwächen und Fehler dem Vorgesetzten, das war für die Reinheit sehr wichtig. Damit machte man sich wieder empfänglich, um neue Anweisungen entgegenzunehmen. Für den guten Zweck, liess sich alles rechtfertigen. Auch Lügen war erlaubt, solange es dem Zweck diente.

Als Mitglied hörte man in Reden und Vorträge von hochrangigen Mitgliedern immer wieder, welche aufopfernden Leben diese führten und würdigte ihre Lebensweise. Dementsprechend fühlte man sich selbst noch unwürdiger überhaupt mitreden zu können und war dankbar, doch wenigstens als Mitglied aufgenommen zu sein. Das Ziel war, auch einmal so perfekt zu werden.

In enger Verbindung mit der Forderung absoluter Reinheit, wird verlangt, dass Vergehen gebeichtet werden. Es sind zum Teil auch Bekenntnisse die man ablegt, die einem künstlich auferlegt werden. Bereuung ablegen dient verschiedenen Zwecken. Es ist zunächst ein Mittel persönlicher Reinigung, zweitens aber auch ein Akt symbolischer Selbstaufgabe. Drittens ist es ein Mittel, alles über die Lebenserfahrungen, Gedanken, und Leidenschaften jedes einzelnen Mitgliedes zu erfahren und über jenen zu richten. In meiner Erfahrung wurden diese Schwachpunkte im geeigneten Zeitpunkt wieder aufgegriffen um zum Beispiel eine Überheblichkeit zu vermeiden.

Einige Beispiele:

  • Es wurden uns 40 Punkte auferlegt für die wir täglich Bereuung ablegen mussten, auch wenn sie uns persönlich nicht betrafen, die aber im Leben vorkommen können und deshalb musste man dafür beichten.
  • Ein Leiter redete in einem Referat so oft von zwischenmenschlichen Beziehungen, dass man am Ende das Bedürfnis hatte für all die unreinen Gedanken, die einem da durch den Kopf gingen, zu beichten.
  • Man wurde immer wieder darauf aufmerksam gemacht, sich ganz zu öffnen und keine privaten Gedanken zu hegen, da sonst der Teufel davon gebrauch machen könnte.
  • Man musste offen sein zu seinen Vorgesetzten, durfte nichts für sich behalten ( don’t keep anything for yourself, don’t give satan a chance )
  • Man sollte weinende Gebete haben, sonst sollte man dafür bereuen.
  • Man bereute für die sogenannte „Aussenwelt “ und fühlte sich dann gestärkt, da man zu den einzigen Leuten gehörte, die die Wahrheit besassen.

Die Lehre ist die absolute Wahrheit und es ist nicht erlaubt, diese Dogmen irgendwie in Frage zu stellen. Während man selber die üblichen Gesetze der Logik ignorierte, wurde gleichzeitig Anspruch auf absolute Logik und Präzision erhoben. So wurde die moralische Vision letztlich zur Wissenschaft und der Mensch der wagte , sie zu kritisieren oder auch nur unausgesprochene andere Ideen hegte, wurde als respektlos und unmoralisch bezeichnet.

Als Mitglied versuchte man, sich abzuschirmen und mied jegliche Arten von Wissens- und Erfahrungsaustausch, die nötig gewesen wären für echte Selbstverwirklichung und schöpferische Entwicklung.

Es war zum Beispiel nicht erlaubt Lehre oder Moon als Messias in Frage zu stellen.

Die Naturgesetze existieren und sind wahr. Wer also Moons Wahrheit in Frage stellen würde, würde auch die Naturgesetze in Frage stellen, denn die Wahrheit ist auf ihnen aufgebaut. Moon zufolge gab es auch religiöse und moralische Naturgesetze, die wahr sind und die ganze Menschheit befolgen muss, wenn sie das Himmelreich auf Erden erleben will. Die Lehre war also das Zentrum des Lebens in dieser Gruppe, da gab es keine Abweichungen. Und da Gott absolut ist, war auch die Lehre absolut, die er – durch Moon – verkündete. Moon sagte: „Etwas, das nicht nach den Regeln der absoluten Wahrheit funktioniert, hat gar kein recht zu existieren.“

Da wir bereits alle unsere eigenen schmerzhaften Erfahrungen im Leben gemacht hatten, fühlten wir uns hingezogen zu einer Lehre, die sagte, dass Gott leidet beim Anblick der vielen Missstände auf dieser Welt, die ja die seine ist.

Die Sprache der totalitären Umgebung ist gekennzeichnet durch das Klischee, das jedes Denken ausschliesst. Die schwierigsten Probleme werden in kurze Parolen gepackt und damit endgültig geklärt und betitelt. Dadurch entsteht eine Verarmung des früheren Vokabulars oder man lernt Ausdrücke in einer Fremdsprache, die in Wirklichkeit gar nicht existieren. Auf der einen Seite ist man stolz darauf, speziell zu sein. Diese Überheblichkeit führt aber in der Kommunikation mit der „Aussenwelt“ zu enormen Schwierigkeiten, da man gewohnt ist alles zu betiteln und durch diese Brille zu sehen. (daran ist wieder Satan schuld, dass die Aussenwelt nicht so denkt wie ein Mitglied. )

Ein paar typische Ausdrücke der Munies: ‚fallen nature‘ = unwürdige Natur, auf einen Menschen bezogen, der arrogant wirkt. Spiritual = jemand denkt wie es von der Organisation geliebt wird. Horizontal = jemand denkt zu oberflächlich. Cain – Abel problem, Chapter two problem = jemand hat eine Vorliebe für einen Partner, was für nicht gesegnete Paare nicht erwünscht ist. Common base with satan = bedeutet in etwa, dass man seine Gedankenwelt mit Satan teilt.

Durch die sterile Sprache werden menschliche Erfahrungen den Ansprüchen der Lehre untergeordnet. So ändert man Menschen, indem man soziale und politische Dinge, aber auch charakterliche Eigenschaften mit Worten der „Kirche“ ersetzt und einordnet. Die Munies haben zum Beispiel eine klare Erklärung, weshalb die Berliner Mauer gefallen ist. Oder ich lerne, wie Gott mich im Leben zu dieser Organisation geleitet hat. Alles was geschieht wird spirituell erklärt; es hat alles einen Grund und eine Erklärung, es war der Einfluss von Gott oder Satan.

Die engagiertesten Mitglieder sind jene, die ihr Leben aus Gottes Gesichtspunkt sehen und mit der Lehre übereinstimmen und nach ihr leben. (according to the teaching = The Principle)

Nur wer sich der Organisation, deren Lehre und Praktiken total unterordnet, fühlt sich geborgen und elitär. Die Existenz jedes Mitgliedes wird vom Glauben abhängig gemacht. Ideologischer Totalitarismus kann einem Menschen äusserst beglückende Empfindungen vermitteln: ein Gefühl, über alles Gewöhnliche hinauszuwachsen, sich von der Last menschlicher Unsicherheit zu befreien, in eine nie gekannte Späre der Wahrheit, Wirklichkeit, des Vertrauens vorgedrungen zu sein. Daraus kann aber auch eine extreme Angst entstehen, den Ansprüchen nicht zu genügen und deshalb vor dem Nichts zu stehen.

Munies denken: wir sind die Leute, die sich direkt im Kontakt mit Gott befinden = God centred people = Unifacationists = wahre Kinder, Söhne und Töchter Gottes. Das Gegenteil wäre — not God centred people = die Aussenstehenden = Satans Leute. Nur wer Mitglied ist, ist errettet und in sicheren Händen.

Es wurde sogar gesagt, dass Leute, die die Organisation verlassen, Gefahr laufen, einen Unfall zu bauen, in den Drogen- oder Alkoholkonsum zu verfallen oder sich sogar das Leben zu nehmen. Dies, weil sie sich zurück in Satans Obhut begaben. Meine Erklärung dazu wäre: Ich kann mir als Ehemaliges Mitglied durchaus vorstellen, dass jemand, der die Organisation ohne gezielte Beratung verlässt, Schwierigkeiten haben kann ausserhalb der Gruppe, aufgrund aller oben erwähnten Indoktrinationspunkte. Mit guter Beratung ist ein Ausstieg aber durchaus empfehlenswert, dazu gäbe es viele tolle Beispiele. Ich bin eines davon.

Die Lehre aber vertritt die Idee, dass es nur einen lohnenswerten Weg zu gehen gibt: jenen der Organisation. Die Bewegung lehrt, was immer geschieht, verlasse nie die Organisation, sonst wäre es besser du würdest dein Leben verlieren als den Glauben. Wenn du die Gruppe verlässt, kann dich Gott nicht mehr beschützen. Es wird sogar behauptet, für jene, die die Wahrheit einmal gehört haben sei es viel schlimmer die Gruppe zu verlassen, als sich unter jenen zu befinden, die sie nie gehört haben. Innerhalb der Gruppe war man geistig am Leben, ausserhalb geistig tot.

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