Die Neuapostolische Kirche in Berlin

Heidlinde Brandt, 41, und Karl-Heinz Brandt, 43, sind beide, wie fast alle Mitglieder der NAK, in die Kirche hineingeboren worden. Vor einigen Jahren verliessen sie ihre Gemeinde in Prenzlauer Berg. „Diktatorisches System“ ist noch einer der harmlosen Vorwürfe. Es sei nicht mehr so viel verboten wie früher. Kino ist erlaubt, vorehelicher Geschlechtsverkehr wird „nicht empfohlen“. Aber die Frommen drohten bei abweichendem Verhalten jeder Art: „Da liegt nicht der Segen drauf“. Und wer meint, zur wahren Elite zu gehören, hat beim Ausstieg Angst, alles zu verlieren. „Das ist eine Art von Abhängigkeit“, sagt Heidlinde Brandt. „Es gibt Amtsträger, die ihre Frau sexuell missbrauchen, es gibt Kindesmissbrauch. Man weiss davon, redet aber nicht darüber“. Nachdem das Ehepaar den Kontakt zu Gleichgesinnten gesucht hatte, nennen sie sich Sektenaussteiger.

Holger Bohm (Name von der Redaktion geändert), 36, Lehrer aus Frohnau, war in seiner Gemeinde für die Jugend zuständig. Als er verkündete, er wolle der Kirche den Rücken kehren, „dachten die, ich mache einen dummen Witz“. Sein stärkstes Motiv: die Verantwortung gegenüber seinen drei Kindern. „Neuapostolische Jugendliche wissen, dass sie Aussenseiter sind“. Das wollte er seinen Töchtern nicht antun. Er wirft der NAK vor, die Lehre ihrer Apostel wichtiger zu nehmen als die Bibel. Jetzt ist er bei den Evangelen untergeschlüpft: „Die dürfen alles“.

Elke Berger, 35, Krankenschwester aus Tegel und Aussteigerin, kritisiert die allgegenwärtige Furcht vor dem strafenden Gott. Als ihre Tochter in die Sonntagsschule sollte, entschloss sie sich endgültig zum Bruch. „Das ist keine frohe Botschaft, sondern eine Angstbotschaft“.

Im Gebälk der strenggläubigen Gemeinschaft knirscht und knackt es. Intern beschweren sich die Wessis über die feindliche Übernahme durch die Ossis. Die Zentrale der NAK in der Schweiz hat nach der Wiedervereinigung verfügt, die West-Berliner Neuapostolischen müssten sich den Ost-Berlinern unterordnen. Der oberste Berliner „Apostel“ Fritz Schröder ist gelernter DDR-Bürger, redet noch charismatischer als Honecker, lehnt die verderbte westliche Dekadenz ab und empfiehlt, sich ein Beispiel an den frisch missionierten Neuapostolischen in Kasachstan zu nehmen.

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