Frauen von Amtsträgern in der NAK

Es ist für einen Außenstehenden schwer nachzuvollziehen, wie sehr unser gesamtes Familienleben durch die Amtstätigkeit meines Mannes für die Neuapostolische Kirche geprägt war. Aus meiner heutigen Sicht muss ich sagen, dass ich damals wirklich über weite Strecken für meine Kinder Eine „Alleinerziehende“ war. Jeden Abend, selbst am Sonntag zwischen den beiden Gottesdiensten, war mein Mann für das „Werk des Herrn“ unterwegs und hatte somit keine Zeit für uns. Feiertage wurden seitens der NAK-Organisation vorrangig für Gemeindeaktivitäten wie zusätzliche Jugend- oder Seniorenveranstaltungen verplant, an denen er als Amtsträger ebenfalls teilzunehmen hatte, so dass oft auch diese Tage für die Familie verloren waren. Die Kinder erlebten ihren Vater entweder als gehetzt, zumal er auch noch mit dem Aufbau seiner beruflichen Karriere beschäftigt war, oder als völlig abwesend.

Von der Ehefrau, die man als Gehilfin (also nicht etwa als gleichgestellte Partnerin) bezeichnet, wird völlig selbstverständlich die unterstützende Logistik zu Hause erwartet, das bedeutet: dem Ehemann den Rücken frei halten, ungezählte allein verbrachte Abende, nicht geführte Gespräche, ungezählte gebügelte weiße Hemden und ausgebürstete schwarze Anzüge. Das erklärt meiner Meinung nach auch, warum man in der Regel nur verheiratete Männer in ein Priester- oder höheres Amt setzt, ein Single könnte diesen zusätzlichen Aufwand neben dem Beruf alleine kaum bewältigen.

An den eigentlichen Amtsaufgaben Ihres Mannes soll eine Ehefrau aber möglichst kein Interesse zeigen, mit erhobenen Zeigefinger wird gerne darauf verwiesen, wozu schon Evas Neugierde im Paradies geführt hat. Für die Mühen hat sie allenfalls teil am Status ihres Mannes in der Gemeinde. Verheiratet sein mit einem Amtsträger sichert innerhalb der Gemeinde einen gewissen höheren Status zu, d.h. der Status und Wert einer Frau definiert sich sehr stark über den Status des Ehemanns. Daran orientiert ergibt sich auch unter den Frauen in der Gemeinde eine Hierarchie; es kommt da zu grotesken Situationen. Mehr als einmal habe ich erlebt, dass nach Amtseinsetzungen und Amthöherstufungen ein gewisser Neid unter den zugehörigen Ehefrauen auftrat und es einige Zeit dauerte, bis die „Gemeindehackordnung“ sich wieder eingependelt hatte.

Das Verhalten dieser Frauen, zu denen ich auch bis vor 2 Jahren gehörte, ist durchaus verständlich. Der ihnen zugewiesene Wirkungskreis fokussiert sich auf das Putzen der Kirche, das Singen im Chor, die Systemkonforme Sozialisation der Kinder (Der Erziehungserfolge und Wert einer Mutter misst sich zum Beispiel daran, wie schnell ein Kind lernt in der Kirche stillzusitzen) und darauf, sich ihrem Mann, dem Hauspriester unterzuordnen.

Die Herrschafts- und Machtpositionen sind ausschließlich von Männern besetzt. Es fehlt auch in Predigt und Liedgut völlig an geeigneten, weiblichen Identifikationsfiguren. Die enge geschlechtsspezifische Rollenzuweisung wird hier ständig eingetrichtert. Wenn ab und zu denn doch einmal eine Frau vorkommt, dann sind das demütige, unterwürfige Persönlichkeiten oder sie werden zumindest so dargestellt, auch wenn es dazu nötig ist, Zitate völlig aus dem Zusammenhang zu reißen oder zu verdrehen. Spontan fällt mir dazu die viel zitierte Ruth aus dem Alten Testament ein. Oft wird sie den Frauen als Vorbild dargestellt: „Wo du hingehst, will auch ich hingehen.“ Es wird allerdings weggelassen, dass sie das nicht zu einem Mann sondern zu ihrer Schwiegermutter gesagt hat.

Die Unterdrückung der Frauen bewirkt in vielen Fällen ein verheerendes Selbstbild. Wie kann Individuation und Persönlichkeitsentfaltung möglich sein, wenn Frauen als Randfiguren in völliger Abhängigkeit zu einem von Männern konstruierten und beherrschten Mikrokosmos stehen? Wenn sich Selbstwert einzig und allein über den Mann als Segensträger definieren soll, bedeutet dies für die Frauen ein permanentes „Von sich weg sein“, abgespalten von eigenen Empfindungen, Gefühlen und Bedürfnissen.

Bezirksapostel Klaus Saur sagte 1992 zu den Amtsträgern und ihren Frauen in einem Gottesdienst: „…noch ein Wort an unsere Schwestern speziell in Diesem Zusammenhang. Es wurde mir schon Übel genommen, dass ich in Ämtergottesdiensten auch im 20. Jh. noch immer den Begriff ‚Gehilfin‘ verwende. Auch hinter solchen Gedanken steht ein Zeitgeist, der heute viele Frauen in den Bann zieht. Für uns gilt immer noch die göttliche Ordnung in der Familie. Gott selbst hat Eva als Gehilfin des Adam geschaffen und auch so bezeichnet. Ist es nicht eine ehrenvolle und mit ewigem Lohn bedachte Aufgabe, Gehilfin eines Amtsträgers zu sein? Vielleicht denken jetzt unsere lieben Schwestern: ‚Lieber Bezirksapostel, sag uns einmal, warum hast du uns denn eingeladen, mit unseren Männern in den Gottesdienst zu gehen? Du sprichst heute immer die Brüder an, die Amtsträger, und sagst ihnen, dass sie Sterne sein und leuchten, glänzen und strahlen sollen. Was ist denn mit uns?‘ Gerne wende ich mich nun einige Augenblicke an Euch, liebe Schwestern, weil auch ihr Sterne am geistigen Firmament sein könnt, wenn ihr euch in der göttlichen Ordnung bewegt, die der liebe Gott gegeben hat. In der Schöpfungsgeschichte lesen wir, dass Gott, als er dem Mann eine Frau gegeben hat, sagte: ‚Ich will ihm eine Gehilfin machen‘… Wenn ihr Schwestern euch bewusst seid, dass euer Ehemann ein Amtsträger ist, wenn ihr wisst, dass ihr dazu bereitet seid, dem Amtsträger eine Gehilfin zu sein…dann seid ihr Sterne, die Licht und Glanz verbreiten. Solche Sterne hat es schon früher gegeben. Ich denke in diesem Augenblick an eine Rebecca. Seid eine Rebecca und sucht alle Tage die Verbindung zum Herzen und zur Seele Eures Ehemannes und Amtsträgers.“ Aus diesen Zeilen spricht deutlich die Auffassung der NAK-Leitung über die den Frauen zustehende Rolle.

In einer aktuell vom psychologischen Institut der Universität Hamburg durchgeführten Untersuchung über Sektenaussteiger wurden ehemalige Mitglieder der Zeugen Jehovas und der NAK befragt. Es heisst in dieser Forschungsarbeit: „Die Frauen zeigten während der Mitgliedschaft hinsichtlich etlicher Zufriedenheitsbereiche signifikant geringere Werte als die Männer. Sie hatten niedrigere Werte in den Variablen Selbstverwirklichung, psychisches Befinden, körperliche Gesundheit und Beziehung zu den Eltern. Ursache hierfür ist wohl die sektenspezifische Rollenverteilung, die den Frauen kaum eine Möglichkeit zur Entfaltung zugesteht. Nicht verwunderlich ist dabei auch, dass die Frauen im Vergleich zu den Männern wesentlich stärkere Probleme mit Schuldgefühlen hatten.“

Ich selbst war, als ich mein erstes Kind bekam, schon fast 30 Jahre alt. Die meisten anderen Schwestern, die mit mir im Müttersaalwaren, waren beim 1. Kind bis zu 10 Jahre jünger; Es ist nachvollziehbar, warum diese Frauen ihre Mutterrolle sehr früh einlösen, denn als Mutter hat man in der Gemeinde einen eindeutigen Statusgewinn zu verzeichnen und bekommt Anerkennung. Auch heute noch wird das als erste Aufgabe einer Frau angesehen. Die geforderte Reduzierung auf diese Rollenmuster gelingt verständlicherweise aber nicht allen Frauen mühelos. Der psychische Druck, dem man ausgesetzt ist, entlädt sich nicht selten bei den Kindern (die dann zum Beispiel während des Gottesdienstes gezüchtigt werden, weil sie nicht „brav“ genug sind und man sich böse Blicke der anderen Gemeindeglieder zuzieht) oder in Form subtiler Machtansprüche im häuslichen Bereich, wie ich es oft beobachten konnte (der Ehemann wird dann zum Beispiel als in Alltags- und Erziehungsdingen ungeschickte Person dargestellt, den Frau nichts machen lassen darf.

An der untergeordneten Stellung der Frau in der NAK hat sich bedauerlicherweise in den letzten Jahrzehnten nichts geändert. Da klingst es schon wie blanker Hohn, wenn der Medienreferent der NAK auf die Frage: „Wie stellt sich die NAK zur Emanzipation der Frau?“ lapidar antwortet: „Gar nicht. Jede Frau möge sich so emanzipieren, wie sie es persönlich verantworten will. Im Übrigen sind wir der Meinung, dass neuapostolische Frauen genauso emanzipiert sind wie die anderen Frauen in unserer Gesellschaft.“ Mein Leben ist nach dem Ausstieg nicht leichter geworden und ich musste wirklich schlimme Erfahrungen machen. Bis vor zwei Jahren gab es in meinem Leben immer diese Instanz NAK, auf die im Prinzip alle Entscheidungen delegierbar waren. Jetzt muss ich selbst herausfinden, was gut und schlecht für mich ist und habe schmerzhaft erfahren, dass man sich, wenn man die Freiheit hat zu entscheiden, eben auch falsch entscheiden kann. In dieser Hinsicht werde ich bestimmt noch einige Lern-und Entwicklungsprozesse nachzuholen haben.

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