Bert Hellinger

Georg O. Schmid, 6. Oktober 2019

Am 19. September 2019 ist Bert Hellinger, der Begründer einer der erfolgreichsten Varianten des Familienstellens, im Alter von 93 Jahren in seinem Privathaus in Bischofswiesen bei Berchtesgaden gestorben.

Hellinger wurde am 16. Dezember 1925 als Kind einer katholischen Familie in Leimen, Baden, geboren. Sein bürgerlicher Vorname war Anton. Als Jugendlicher besuchte Anton Hellinger ein Jesuiten-Internat, wurde im Jahr 1942 in die Wehrmacht eingezogen und kam an der Westfront zum Einsatz, und geriet 1945 in Kriegsgefangenschaft, aus welcher er nach einem Jahr fliehen konnte.

Zurück in Deutschland trat Hellinger den Marianhiller Missionaren bei und erhielt den Ordensnamen Suitbert, dessen Abkürzung Bert er von da an als Vornamen trug. Im Auftrag seines Ordens studierte Hellinger in Würzburg Philosophie und katholische Theologie, empfing im Jahr 1952 die Priesterweihe und siedelte nach Südafrika über. Dort wirkte Hellinger zuerst als Gemeindepriester und absolvierte ein Studium in Pädagogik, darauf wurde er Leiter einer katholischen Missionsschule.

In Südafrika lernte Hellinger bei anglikanischen Geistlichen die damals trendige Gruppendynamik kennen. Nach einem Konflikt um seine fortschrittlichen theologischen Positionen legte Hellinger seine Ämter in Südafrika nieder und reiste im Jahr 1968 zurück nach Deutschland. Dort absolvierte er eine Lehranalyse und eine Ausbildung zum Psychoanalytiker.

Im Jahr 1971 legte Hellinger sein Priesteramt nieder und trat aus dem Orden aus. In den folgenden Jahren liess er sich in diversen alternativen Psychotherapieformen fortbilden, so in den USA in Primärtherapie bei Arthur Janov, in Transaktionsanalyse bei Eric Berne, und in Hypnotherapie. Fürs Familienstellen wichtig wurde insbesondere die familientherapeutische Arbeit von Virginia Satir.

Hellingers Familienstellen soll dysfunktionale Familien in ihre rechte Ordnung bringen und so den Beteiligten Lebenshilfe leisten. Als Psychotherapie wollte Hellinger sein Familienstellen nicht bezeichnet wissen, auch Versuchen, seine Methode wissenschaftlich zu fassen, stand er kritisch gegenüber.

Hellinger ging davon aus, dass es für Familienstrukturen eine vorgegebene richtige Ordnung gebe. Die Eltern hätten Vorrang vor den Kindern, diese wären den Eltern Dank schuldig, weil sie ihnen ihre Existenz verdanken – ganz unbesehen davon, ob die Eltern ihre Aufgabe besser oder schlechter wahrgenommen haben. Auch Missbrauch durch die Eltern entlaste, so Hellinger, Kinder nicht von der Pflicht zur Dankbarkeit. Unter den Geschwistern hätten die älteren Vorrang vor den jüngeren.

Wichtig fürs Familienstellen ist die Suche nach vergessenen Familienangehörigen – verstorbenen oder abgetriebenen Kindern, verstossenen Geschwistern oder ehemaligen Partnern der Eltern – die ins Familiensystem integriert werden müssen. Ziel ist ein harmonisches Bild der Familie, im Kreis aufgestellt, die Eltern den Kindern gegenüber, diese nach ihrem Alter aufgereiht.

Hellingers Familienstellen wird meist in grösseren Gruppen durchgeführt. Die zu beratende Person beschreibt ihre Familie, dazu werden aus den Teilnehmenden Stellvertreter für die einzelnen Protagonisten der Familie gesucht und aufgestellt. Ihre Lage zueinander gibt Auskunft über die Beziehungen untereinander. Die Stellvertretenden beschreiben ihre Gefühle.

Dass dies nicht nur Mutmassen in der Gruppe bleibt, sondern tatsächlich die Familie der zu beratenden Person abbildet, das ermöglicht das sog. „wissende Feld“. Dieses versorgt Aufstellende und Stellvertretende mit den notwendigen Informationen.

Die Aufstellung endet mit einer Korrektur der Familie durch ihre Gruppierung im Kreis und die Integration vergessener Familienangehöriger. Dieses Bild der wiederhergestellten Familie wirkt übers „wissende Feld“ auf die realen Personen ein.

Ende der Neunzigerjahre wurde Familienstellen in esoterischen Kreisen und weit darüber hinaus enorm populär. Zahlreiche Esoterik-Anbieter liessen sich in Familienstellen weiterbilden und nahmen Hellingers Methode in ihr Programm auf.

In den 2000er-Jahren ging Hellinger dazu über, auch nichtfamiliäre Systeme aufzustellen. So wurden etwa Nationen über Stellvertretende miteinander versöhnt. Eine nachhaltige Wirkung in der Realität war für diese Bemühungen nicht nachzuweisen.

Hellingers Familienstellen erfuhr vielfach Kritik. Hingewiesen wurde auf die fehlende wissenschaftliche Abstützung der Methode und auf die Tatsache, dass dem Familienstellen das Familienbild Hellingers quasi dogmatisch vorgegeben ist. Zudem wurde Hellinger sein direktiver und mitunter Klienten abwertender Ton vorgeworfen, welchen er bei Familienstellungen pflegte, so etwa im Rahmen eines Events im Oktober 1997 in Leipzig, bei welchem er eine Klientin massiv abkanzelte, worauf sie sich am Folgetag das Leben nahm.

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