Die Zukunft der Weltreligionen

2016

Das Pew-Research-Center in Washington D.C. ermittelt seit 1996 Informationen, Trends und Meinungen in diversen Bereichen von Politik, Kultur und Religion, und hat nun eine umfassende Studie zu den Weltreligionen präsentiert. Alan Cooperman, verantwortlich für diese Forschung, präsentierte die Resultate am Gottlieb-Duttweiler-Institut in Rüschlikon.

Die Studie stützt sich zu einem grossen Teil auf demographisch erhobene Daten der UNO, die in den letzten 43 Jahren sehr genau waren. Anhand dieser weltweit erhobenen Daten hat das Pew-Research-Center unter Einbezug unzähliger Datensätze, die in nicht weniger als sechs Jahren gesammelt wurden, die Entwicklung der Weltreligionen bis zum Jahr 2050 berechnet.

Besonders wichtig für Cooperman sind folgende Aspekte: Die Altersstruktur, die Fertilitätsrate, die Migration und das „Switching“ (der Religionswechsel oder auch die Konvertierung). So haben insbesondere die Altersstruktur und die Fertilität auf globale Sicht gesehen einen sehr grossen Einfluss. Welche Religion am stärksten wächst, ist daher masslich vom Ort abhängig, an dem diese Glaubensgemeinschaft vertreten ist.

So wird der Islam bis zum Jahr 2050 am stärksten zulegen. Ein Blick auf die Weltkarte zeigt, in welchen Teilen der Welt der Islam aktuell verbreitet ist. Diese Regionen, der nahe Osten, Nordafrika, Teile Asiens und Sub-Sahara-Afrika weisen alle eine Altersstruktur mit vielen jungen Menschen (rund ein Drittel unter 15 Jahren) und verhältnismässig wenig älteren Menschen auf. Dies gepaart mit einer hohen Geburtenrate führt zu einem extremen Wachstum von rund 73%. Im Vergleich zum Bevölkerungswachstum weltweit von rund 35% doch eine sehr eindrückliche Zahl. 2010 gehörten aus globaler Sicht rund 23.25% der Weltbevölkerung dem Islam an, 2050 werden es 29.7% sein.

Das Christentum wächst insbesondere dank vielen Christen in den Ländern der Sub-Sahara (hohe Fertilität und grosser Anteil junger Menschen). Eine Steigerung von rund 35%, also genau gleich stark wie das Wachstum der Weltbevölkerung, wurde errechnet. Der Anteil an Christen von 31.4% weltweit im Jahr 2010 wird also laut Pew-Research-Center auch 2050 31.4% betragen.

Diese Zahlen zeigen; global wird der Islam mit dem Christentum gleich ziehen. Laut Cooperman wäre das wohl das erste Mal in der Geschichte, dass dies geschieht. Weitere Berechungen ergeben, dass der Islam im Jahr 2070 das Christentum überholen wird, woraufhin sich auch das Wachstum des Islam abschwächen wird. Im Jahr 2100 werden die beiden Religionen je rund einen Drittel der Weltbevölkerung umfassen.

In absoluten Zahlen gesehen legen auch alle anderen Religionen zu, doch in Bezug auf das weltweite Bevölkerungswachstum büssen sie an Bedeutung ein. So wachsen beispielsweise die Ungebundenen / Konfessionslosen von 1.13 auf 1.23 Milliarden, doch prozentual verlieren sie von 16.4% im Jahr 2010 auf 13.2% im 2050. Ähnlich ergeht es den Volks-Religionen, den Buddhisten, den Hindus und den anderen Religionen. Bei all diesen Kategorien zeigt sich ein absolutes Wachstum verbunden mit prozentualem Anteilsverlust.

Das Judentum bleibt stabil bei geringen 0.2%, insbesondere verursacht durch eine hohe Geburtenrate in Israel.

Für Europa sind diese Zahlen noch nicht sehr aussagekräftig, da das grosse Bevölkerungswachstum anderswo stattfindet. Die anfangs genannten Faktoren Migration und Konvertierung jedoch werden den Vorhersagen nach die religiöse Landschaft in Europa massgebend beeinflussen.

So wird die Bevölkerung Europas weiter wachsen. Insbesondere die Migration ist dafür verantwortlich. Mit den Einwanderern kommt auch deren Religion nach Europa. So werden Muslime in Europa zulegen. Beispielsweise lebten im Jahr 2010 in der Schweiz rund 4.9% Muslime, bis 2050 wird sich dieser Anteil auf 7.6% erhöhen. In gewissen anderen Staaten Europas, namentlich Schweden, Frankreich, Belgien und Deutschland werden Muslime sogar mehr als 10% der Bevölkerung ausmachen. Dies mag hoch klingen, doch handelt es sich um ein deutlich geringeres Wachstum, als es migrationskritische Parteien in Europa vorhersagen.

Noch ein weiterer Aspekt wird Europa massgebend verändern. Die Gruppe der Ungebundenen / Konfessionslosen wird europaweit zunehmen. Einerseits durch natürliches Wachstum, andererseits durch vermehrte Austritte wird dieser Teil der Bevölkerung wachsen. Insbesondere auf Kosten des Christentums werden immer mehr Menschen sich zur Gruppe der Konfessionslosen gesellen.

2010 betrug das Verhältnis der beiden Gruppen 72.7% Christen zu 20.9% Konfessionslosen. Für 2050 wird eine Veränderung auf 61.9% zu 28.4% prognostiziert. Doch im Gegensatz zu manch anderem europäischen Land werden die Christen in der Schweiz im Jahr 2050 immer noch in der Mehrheit sein.

In den manchen europäischen Ländern, in welchen das Christentum im Jahr 2050 nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung stellt, wird es aber die grösste Glaubensgemeinschaft bleiben. In anderen werden die Konfessionslosen zur stärksten Gruppe aufsteigen.

Die Prognosen des Pew-Research-Centers zeigen also so einige mögliche Entwicklungen auf, doch Cooperman betont, es sei nicht seine Aufgabe daraus zu schliessen, welche politischen und gesellschaftlichen Folgen diese herbeiführen können. Schlüsse und Wertungen sind jedem selber überlassen.

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