Die Thelema Society (TS) (1) hat ihren Hauptsitz
in Bergen an der Dumme, einem kleinen Dorf in Niedersachsen am Rande
der Altmark, an der Grenze zu Sachsen-Anhalt. Das Dorf selbst hat
1000 Einwohner, mit den angrenzenden Teilen sind es insgesamt 1600.
(2)
Das Haus der TS liegt in der Hauptstrasse, Breite
Strasse. Von außen wirkt es ziemlich heruntergekommen,
innen ist es gut renoviert, ein Haus, das vermutlich aus dem
späten 18. oder frühen 19.Jh. stammt.
Außer Eschner und seiner Lebensgefährtin leben noch zwei
Paare auf dem Gelände der Gemeinschaft. Insgesamt rechnet die
Gemeinschaft mit 150 Mitgliedern, von denen nach eigenen Angaben 27
(3) verteilt in Bergen/Dumme wohnen.
Gegenüber des Hauses der TS ist der Eingang zu einer Gruppe, die
sich Nordmänner nennt, deren gegenseitige
Beziehungen jedoch undurchschaubar sind. Ferner gibt es in dem Ort
Therapieeinrichtungen, in denen angeblich Thelemiten mitarbeiten und
deren Häuser von Eschner angemietet seien.
Nach Angaben der zuständigen Pastoren gibt es im Ort eine
Menge Unmut, aber auch Unsicherheit und Angst über die
Anwesenheit dieser Gruppierung und deren Einfluss und Umfang, die man
jedoch kaum einschätzen könne. Man höre des Nachts
Schreie, man wisse nicht, was hinter deren Mauern vorgehe u.a.m. Die
Thelemiten selber sagen, dass es manchmal Schreie gebe, weil sich ein
Pärchen streite, aber man versuche darauf zu achten, dass sich
alle ruhig verhalten, denn man wisse, dass alles gleich der ganzen
Gruppe zur Last gelegt werde. (4)
Die Thelemiten betonen ferner, es gäbe umso mehr Vorbehalte und
Vorurteile gegen die TS, je weiter man entfernt sei. Im Ort
wären die Kontakte eigentlich gut. Man halte gute Nachbarschaft.
(5)
Im Bestreben, die Dorfbewohner und die Kirchengemeinde zu
stärken, begann der Kirchenkreisbeauftragte für Sekten- und
Weltanschauungsfragen während des Sommerfestes der Thelemiten im
Jahr 2004 Abendandachten zu organisieren. Jeden Abend fanden um 19.00
Uhr Andachten unter der Überschrift Herr stärke uns
den Glauben statt, an denen bis zu 40 Menschen teilnahmen. Im
Vorraum der Kirche standen Informationstafeln über die TS und
das Programm des Sommerfestes. An einem Abend schickten die
Thelemiten einen kleinen Trupp Beobachter in die Kirche. Sie
spotteten im Internet über die Andacht: Die TS, eine
Förderung für den christlichen Zusammenhalt in den
Gemeinden. (kursiv im Original) Liebe Freunde! Trotz
heftigsten Kampfbetens von 4-6 (sic) aktiven evangelischen
Gemeindemitgliedern in Bergen konnte das Abschlussfest erfolgreich
durchgeführt werden. Ich habe mich königlich
amüsiert. Wer das nicht gesehen hat, hat echt was
verpasst
. (6) Die Teilnehmer und
Teilnehmerinnen des Sommerfestes schienen nach den Autokennzeichen zu
urteilen aus ganz Deutschland zu kommen.
Aus der Initiative der Andachten entstand die Idee, einen groß
angelegten Informationsabend mit Experten, Expertinnen und Vertretern
der Presse zu machen. Am 9.Februar 2005 fand die Veranstaltung statt.
Diejenigen, die an der Vorbereitung und Durchführung beteiligt
waren, hatten geschätzt, dass 50 bis 100 Menschen kommen
würden. Es strömten 400 bis 500 herein, Menschen aus dem
Ort, aber auch aus dem ganzen Umland, aber auch eine Gruppe
Thelemiten, die sich diszipliniert verhielten.
An dem Abend ging es sowohl um die Ideologie, die sich in den
Schriften von Aleister Crowley ausdrückt, als auch um die Frage
nach Gewalttaten und sexuellem Missbrauch. Eine betroffene Frau
berichtete über das, was ihr zugestoßen war, die Leiterin
des örtlichen Frauenhauses unterfütterte den Bericht.
(7)
Diese Veranstaltung, die sämtliche Erwartungen übertroffen
hatte, führte bei den Thelemiten dazu, dass sie während des
Sommerfestes 2005 einen Nachmittag der Offenen Tür
für Samstag, den 20.August von 15.00 bis 18.00 Uhr in ihrem
Zentrum in Bergen/Dumme ankündigten. Dieser Nachmittag mit
Kaffee und Kuchen, Saft und Wasser, Führung über das
Gelände und Programm sollte eine vertrauensbildende
Maßnahme sein.
Beim Sommerfest 05 waren nach Angaben der Thelemiten ungefähr
40-50 Leute, davon 27 Thelemiten aus Bergen/Dumme zugegen. Die
nicht-thelemischen Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren
Gäste, die der TS nahe stehen, sei es, dass sie sich in einem
lockeren Rahmen an Veranstaltungen beteiligen, sei es, dass sie zu
befreundeten oder über das Internet verlinkten Gruppen
gehören, sich für Magie, Esoterik, Schamanismus
interessieren oder es selber ausüben. Eschner betonte, dass
jeder, der wolle, einen workshop auf dem Sommerfest anbieten
könne, das Sommerfest stände prinzipiell allen offen.
Workshop-Angebote sind esoterischen Inhalts, aber auch
Kommunikationstrainings. (8) Am Tag der
Offenen Tür lag Reklame herum für Event Horizon
&endash; Spiritual Evolution oder auch Gateway to
Recreation, workshops für Kinesiologie, Entspannung,
Kraftplatzwandern u.a.m. (9)
Im Jahr zuvor wirkte das Gelände indes eher hermetisch
abgeschlossen, im Jahr 2005 stand das Tor hingegen offen. Man
unterstrich, dass die Leute im Dorf klagen, die Rollos seien immer
herunter gelassen, das müsse aber wegen des Lichteinfalls auf
den Bildschirmen der PCs sein.
Auch während dieses Sommerfestes fanden Andachten in der Kirche
statt.
Vor diesem Tag der Offenen Tür waren die Leute der TS
nervös, denn angeblich hatten Autonome
angekündigt Krawall machen zu wollen, außerdem
wussten sie nicht, wer und wie viele Menschen überhaupt kommen
würden.
Eschner sagte, er habe Aussteiger eingeladen zur
Unterstützung beim Tag der Offenen Tür. Die
Aussteiger waren Männer, die trotz einigem Abstand
zur TS den Kontakt weiterhin pflegten.
Einen warnenden Artikel, man würde beim Sommerfest
eingewickelt, aus der lokalen Elbe-Jeetzel-Zeitung hatten
die Thelemiten selber ausgestellt.
Am Ende waren sie mit dem Verlauf zufrieden und kündigten an, im
nächsten Jahr solchen Tag zu wiederholen.
Alle waren höflich, offenbar galt die Verabredung, man habe höflich und gastlich zu sein. Wir wurden sofort angesprochen, uns wurden eine Begleitung durch die Räume sowie Kaffee und Kuchen angeboten, der Nachmittag hatte etwas von der Atmosphäre eines durchschnittlichen Gemeindefestes.
Als Gäste waren insgesamt acht Leute gekommen: außer meinem Mann und mir ein Journalist von der Elbe-Jeetzel-Zeitung sowie einige Eltern von Mitgliedern und eine Frau aus Lüchow.
Führung durch Haus und Garten
Im unteren Stockwerk des Hauses sind Versammlungsräume,
Büroräume, ein Altar für die ägyptischen
Götter Nuit, Hadit und Ra-Hoor-Khuit, ihnen sind Farben und
Halbedelsteine zugeordnet, Räucherwerk wird abgebrannt, davor
liegt das Liber Al (oder Liber L, wie Eschner es nennt (10))
aufgeschlagen. Das Götterbild stammt von der Stele
661 (11), auf die sie sich beziehen. Die drei
Götter stellen sich als Mann, Frau, Kind dar, eine
Götterdreiheit, das wurde ausdrücklich hervorgehoben.
Im selben Raum sind Bilder von Nietzsche, Schopenhauer (irgendwo
stand Schoppenhauer!), Aristoteles und einem Philosophen,
Günther ? (ich hatte den Namen nie gehört), der besonders
wichtig sei. Im übrigen beziehen sich die Thelemiten auf Hegel
und Luhmann, aber auch auf Kant.
Ferner gibt es einen Raum mit Laptops, sowie einen Meditationsraum
und Küche. Unten durfte fotografiert werden.
Im 1.Stock sind die Privaträume und das Büro von Eschner
sowie die Bibliothek und ein Gästezimmer.
Im Dachgeschoss sind die Tempel, obgleich man nicht an
Götter glaube, die Götter seien keine persönlichen
Götter, sondern Kräfte, Kräfte des Lebens. Es wurde
betont, das Zeitalter des Horus sei zu Ende.
Die Tempel dürfen nicht mit Schuhen betreten werden, und drinnen
darf nicht gesprochen werden. Hier wurden wir von einer
Priesterin begleitet. Im Tempel ist es dunkel mit
Ausnahme zweier Kerzen auf dem Altar, auf dem in der Mitte das Bild
der Götterdreiheit steht. Ferner sind Gaben darauf, die
Mitglieder dargebracht haben. Links steht eine Figur der Isis in der
Ecke des Raumes, rechts eine der Skorpion-Göttin. In
dem Raum haben maximal 5 Personen Platz. Es gebe aber noch andere
Tempel im Hause. Es sei dunkel, denn Helligkeit würde bei der
Meditation ablenken.
Es sei das erste Mal, dass ein Meditationsraum überhaupt von
Außenstehenden betreten werden durfte. Es wurden jedoch nicht
alle Tempel gezeigt.
Im Vorraum sind ein Schrank mit Flaschen, die aussehen wie alte
Flaschen aus Drogerien und Apotheken, und ein weiterer Schrank, auf
dem sich ein siebenarmiger Leuchter und ein Schädel befinden.
Daneben ist ein Tischchen, wir können uns nicht daran erinnern,
was darauf steht.
Neben dem Schrank ist eine Tür zum Tempel, rechts
neben der Tür eine Darstellung von Baphomet, der
schlechte Energien abwehren soll, darunter eine
Porzellanschüssel für rituelle Waschungen. Hände und
Nacken werden gewaschen, bevor man den Tempel betritt.
Jedes Mitglied würde sich ein Mantra wählen, das zu ihm
passt, das Mantra werde vor den andern geheim gehalten. Es gebe keine
Einweihung, sondern eher eine Art
Einführung.
Bei den Erklärungen wurde die Priesterin vom Juniorchef
ergänzt.
Außer der Priesterin war stets eine Frau anwesend, die Malkurse
gibt und zu den Koordinatoren gehört. Sie lebe im
Ort und habe eine besonders gute Beziehung zur Nachbarschaft. Ihre
Kinder gehen in die Schule im Dorf. Zur Gemeinschaft gehören
keine Kinder, sie kommen nur, wenn sie wollen und machen gelegentlich
beim Malen mit. Die Mutter der Frau war gerade aus Graz zu Besuch und
wurde uns vorgestellt.
Vor dem Haus auf der Gartenseite standen Schautafeln zur Geschichte
der TS, ferner ein Motorrad mit Bundeswehranstrich und einer
germanischen Anrufung an Odin, Baldr und Freya (?) auf
Englisch, ferner ein großes Auto mit örtlichem Kennzeichen
und ein Kunstwerk.
Im Garten befinden sich mehrere Gebäude, im ersten finden die
Mal- und Zeichenkurse statt, außerdem ist eine Wohnung darin.
Im andern Haus ist ein Meditationsraum, vor dem sich eine
Buddhastatue und ein aufgeschlagenes Buch befinden, außerdem
war dort die Küche für das Sommerfest.
Die dort versammelten Leute wirkten sehr verschieden, nett aussehende
junge Frauen &endash; die Frauen alle sehr gepflegt, viele attraktiv,
Männer sehr unterschiedlichen Aussehens, manche in einem
ökologischen outfit, andere eher bürgerlich, aber auch ein
Typ mit Springerstiefeln. Die Leute waren teilweise stark mit
religiösen oder schamanistischen Zeichen dekoriert, teils mit
Ankh-Kreuzen, teils gar nicht.
Auf den Schautafeln zur Geschichte der Thelemiten war unter anderm
zu lesen:
1904 Channeling des Liber L
1931 A:A Thelema in Berlin
1975 öffentliche Ausbildungsgruppen
1982 Abtei Thelema unter Leitung von Michael Dietmar Eschner
gegründet mit 23 Leuten
1983 Angriff seitens der Sektenberatungsstellen
1987 Prozessbeginn
1989/90 Umzug ins Wendland
22.8.1993 Gründung der Ethosgemeinschaft Thelema,
Einführung des Gradsystems, Trennung der spirituellen und der
weltlichen Organisation
2000 New Aeon geht ins Netz
2001 Abschaffung des Gradsystems, stattdessen Einführung einer
Vorbereitungszeit und die Mitarbeit in Kerngruppen.
2003 Stärkere Öffnung durch die Einführung des 2. und
3. Kreises (12)
2005 Gründung der Außenstelle in Berlin, Beginn des
Aufbaus einer Gruppe in Köln
Die andere Tafel bezog sich auf die Philosophen, die wichtig sind,
z.B. Aristoteles, Schopenhauer, Nietzsche.
Diskussionsrunde
Von 16.30 bis 18.30 Uhr gab es eine Diskussion mit den Gästen.
Es war nicht ersichtlich, ob diese Diskussion geplant oder ob sie
wegen unserer Anwesenheit spontan anberaumt war.
Getränke und Kuchen waren vorbereitet.
An der Diskussionsrunde beteiligten sich Eschner, der Juniorchef, Leute aus dem Kreis der Koordinatoren, eine Besucherin, die Kontakt hält zu Thelema und sich mit Magie befasst, 3 junge Männer, die sich als Aussteiger vorstellten, der Journalist und wir sowie eine ältere Frau aus Lüchow, die sich sehr interessiert an der Gruppe zeigte. Zum Moderator wurde ein Aussteiger bestimmt. Die Aussteiger hielten alle weiterhin Kontakt zum Netzwerk, einer erzählte, seine Frau habe es kennen lernen wollen, daher sei er da, ein anderer meinte, er könne mit niemandem in seiner Umgebung über Philosophie diskutieren und habe deshalb noch Interesse, nur habe er keine Zeit mehr zur regelmäßigen Teilnahme.
Zunächst gab es Informationen zu der Gruppe:
Die Gruppe werde durch 8 Koordinatoren (2 saßen am Tisch)
geleitet, die jeweils für 1 Jahr gewählt werden. Eschner
gehöre dazu, habe aber auch nur eine Stimme.
Die Gemeinschaft sei in drei Kreisen organisiert, es klang so, als
seien die beiden äußeren Kreise eine Art von
Freundeskreisen, der weitere ein innerer Kreis.
Die TS erklärt, der erste Kreis sei die
Kerngemeinschaft und bilde das Zentrum, der zweite Kreis
sei für Interessierte, die ihr Leben thelemisch
gestalten wollen, der dritte Kreis sei für solche, die locker
Kontakt halten und die Arbeit fördern wollen. Entsprechend sind
die Beiträge gestaffelt. (13)
Für alle Vollmitglieder sei die Teilnahme an den Freitagabenden
sowie alle 14 Tage an einem Wochenende verpflichtend. Man müsse
an Kerngruppen teilnehmen, z.B. an Kunstgruppen, Philosophiegruppen
oder auch an PC-Kursen.
Für die Symposien habe sich Eschner die Symposien von
Plato zum Vorbild genommen. Beim Symposium gebe es,
so Eschner, jeweils einen Vortrag zu einem Thema mit Diskussion.
Früher habe man viel Wein oder Wodka getrunken, das habe sich
geändert, manchmal werde gar nichts getrunken. Wer keinen
Alkohol trinke, trinke eben nicht. Das bestätigte ein ehemaliges
Mitglied. Man habe manchmal laut Eschner sogar einem Alkoholiker
helfen können, weil er nur noch einmal wöchentlich habe
trinken dürfen. Ferner diene Alkohol der Lockerung, aber es sei
auch eine Herausforderung, trotz des Alkoholgenusses mit klarem Kopf
zu diskutieren und man selber zu bleiben.
Der Journalist beharrte auf der Frage nach den Vorwürfen
sexuellen Missbrauchs.
Die Verurteilung von Eschner am 3.7.1992 vor dem Landgericht
Lüneburg (14) wird nicht abgestritten. Eschner
selber sagte dazu nichts, der Juniorchef erklärte, dass eine
Frau, die öffentlich sexuelle Praktiken anprangert, lüge:
Wir kennen sie ja!, und ein anderes Mitglied meinte, es
gäbe schließlich auch Justizirrtümer. Im übrigen
habe die Betroffene am Ende Streit mit ihrem Partner gehabt.
Auffallend war für mich, dass ich bereits vom Juniorchef vorher
auf den Fall angesprochen wurde, ehe irgendein Außenstehender
darauf kam.
Der Juniorchef betonte, Sexualität sei kein Thema, sondern
Privatsache in der Gemeinschaft.
Stets wurde die Gewaltlosigkeit als leitendes Prinzip
unterstrichen.
Thelema heiße Wille, aber es sei wichtig, dass
mein Willen am Willen des andern endet, man dürfe
unter keinen Umständen jemand den eigenen Willen aufzwingen.
Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern heiße, dass
jeder sein Leben gestalten und niemand zu etwas gezwungen werden
dürfe, auch nicht mental oder durch Schmollen.
Gewalt bestehe nicht nur in Handgreiflichkeiten, sondern sei auch
verbal oder eben Schmollen. Ein Aussteiger betonte, er
habe die Biographie von Crowley von Symonds (15)
gelesen und fände Crowley eigentlich auch zum
Kotzen. Crowley könne er nicht gut heißen, die TS
dagegen sei gewaltlos. Als Eschner weg war, um sich auf seinen
Vortrag über Kunst vorzubereiten, unterstrich der
Juniorchef, wenn Eschner etwas anderes verkünden würde als
Gewaltlosigkeit, wären wir alle längst
weg. Die Passagen, die im Liber AL gewalttätig klingen,
werden als metaphorisch deklariert.
Man müsse einen Eid schwören, in der Gemeinschaft keine
Gewalt anzuwenden, auch keine schwarze Magie, wozu auch
Liebeszauber gehöre. Liebeszauber galt und gilt auch
in traditionellen Kulturen als Schwarzmagie, weil ein Mensch unter
den Willen eines andern gezwungen werden soll. Weiße Magie sei
dagegen zum Helfen gut, eine Frau betonte, sie sei Reiki-Meisterin
und heile. Magie beginne beim Positiven Denken, in diesem
Sinne sei Murphy Magier gewesen. Wer sich mental oder magisch
verfolgt fühle, müsse lernen, die Gruppe innerlich
loszulassen, es wäre kein Problem von Gruppen, sondern von
einzelnen ehemaligen Mitgliedern.
Eschner bezeichnet es als Ziel der Magie, den Wahren
Willen (sic) zu entdecken, dazu ergänzen
sich zwei Wege: nämlich die Technik, also die Anwendung
materieller und psychischer Mittel, und die Magie, die Anwendung
geistiger Mittel, Ritual, Sprache, Imagination. Auch die
Kommunikation gehört für ihn hierher. Magie ist
die Wissenschaft und Kunst Veränderungen in Übereinstimmung
mit dem bewussten Willen zu verursachen. (fett im
Original).Dabei werden auch Anweisungen für sexualmagische
Praktiken gegeben. (16) Letzteres wurde jedoch an
diesem Nachmittag nicht erwähnt.
Man wendet sich strikt gegen LaVey und seine Satanische
Bibel, er sei ein Clown und nicht ernstzunehmen, er sei dem
Christentum in der Umkehr verhaftet, ja, er habe eigentlich so etwas
wie eine christliche Sekte. Mit der Ethik von LaVey, dass Liebe nur
denen gelte solle, die sie verdienen, also nicht den
Schwachen und Behinderten, habe man Schwierigkeiten. Als das
Gespräch auf das Christentum kam, meinte jemand, die Kreuzigung
sei so etwas, wie sich selber kreuzigen, um sich zu
verändern. Ein anderer betonte, wie gut ihm Ratzinger gefiele,
weil er klar gesagt habe, was er denke.
Der Juniorchef unterstrich allerdings den Unterschied zum Christentum
und wollte keine harmonisierenden Vermischungen.
Für Überraschung sorgte bei den Thelemiten die Mitteilung,
dass die Kirche die TS keineswegs als Konkurrenz
ansehe.
Das Ziel für die einzelnen sei ein selbst bestimmtes und
selbst verantwortetes Leben. Einer der sogenannten Aussteiger meinte,
in der Gesellschaft könne man sich nur schwer ändern oder
neue Verhaltensweisen erproben, das werde nicht geschätzt, die
TS sei so etwas wie ein Experimentierfeld für neues Verhalten,
hier gelte es als cool, wenn man sich ändere.
Man lerne Methoden und Techniken, wie man locker wird, man soll
Veränderungen zulassen und bewerten. Man soll sich selber
reflektieren.
Bei der TS werde man ein selbst gestaltender Mensch,
einer, der Denken lernt mit Kopf, Herz, Hand
Kopf, d.h. Intellekt, Herz dazu gehören
Yoga, Meditation, Leiberfahrung, Hand meint Gestalten
z.B. Malen oder Zeichnen, was neue Perspektiven eröffne.
Die Philosophie solle ins Leben integriert werden und nicht nur
intellektuell bleiben. Das unterscheide einen vom
Philosophiestudenten.
Ferner wurde deutlich gemacht, dass die Thelemiten keine
Satanisten seien. (17)
Eschner fühlte sich offenbar geschmeichelt durch die
Anwesenheit der Sektenbeauftragten, andererseits jedoch
auch herausgefordert. Er taktiert geschickt und hat sich oft im
Hintergrund gehalten. Es ist unklar, ob zwischen ihm und dem
Juniorchef Spannungen bestehen, manches deutet darauf hin.
Auffällig ist es, wie gut die Thelemiten zuhören
können. Jeder bemüht sich, nur für sich zu sprechen.
Die Meinungen und Äußerungen werden jeweils als subjektiv
gekennzeichnet. Dennoch gibt es selbstverständlich
Gemeinsamkeiten. Man merkt sehr deutlich, dass ein
Kommunikationstraining dahinter steht. Umso mehr erstaunt es, wie
sehr die Begriffe Gewalt und Gewaltlosigkeit strapaziert werden.
Natürlich beginnt Gewalt nicht erst bei Handgreiflichkeiten,
sondern es gibt auch verbale Gewalt. Offen bleibt jedoch, wie die
Thelemiten in diesem Rahmen mit gegensätzlichen Meinungen und
besonders Interessenkonflikten umgehen. Denn wenn sich jeder
innerhalb einer Gemeinschaft zu seinem wahren Willen oder
auch wahren Selbst entwickeln soll, bleiben Konflikte und
Spannungen nicht aus. Ferner stellt sich natürlich die Frage,
wie weit magische Praktiken, gar Sexualmagie
nicht zu Lasten anderer gehen.
Es ist einfach, die Ideologie von Anton Szandor LaVey und der
Satanischen Bibel zu kritisieren, es überzeugt
jedoch nicht, dass die Hinweise auf Gewalttätigkeiten bei
Crowley allein metaphorisch zu verstehen seien. Das
stößt sich auch mit der Aussage, dass Crowley, wie er in
der Biographie, die allenfalls als milde kritisch bezeichnet werden
kann, geschildert wird, abzulehnen wäre. Manche Aussagen bei
Crowley und LaVey sind einander recht ähnlich.
Crowley sagt: Gnade laßt beiseite; verdammt die
Mitleidigen! Tötet und quält, schont nicht (im
Original fett), denn Mitleid basiere bei den Mitleidigen, wie bei
denen, die es verlangen auf
Minderwertigkeitsgefühlen. (18) LaVey
sekundiert: Tod den Schwächlingen! Reichtum den
Starken! (19) Die Ethik von LaVey aber wird
kritisiert.
Über das Christentum meint Crowley: Mit meinem
Falkenkopf picke ich nach den Augen von Jesus, da er am Kreuze
hängt (fett im Original), denn sein falscher
Standpunkt seines Selbstopfers müsse zerstört werden.
(20)
LaVey äußert sich so: Ich tauche meinen Finger in
das wässerige Blut eures impotenten, wahnsinnigen Erlösers
und schreibe auf seine von Dornen entstellte Stirn: Der wahre
Prinz des Bösen &endash; der König der Sklaven!
(21) (kursiv im Original.)
Undurchsichtig ist die Rolle des innersten Kreises als Leitungsorgan. Die Wahl der Koordinatoren erscheint beinahe als basisdemokratisch, aber es ist undeutlich, wer sie wirklich wählt. Die Aussteiger betonten, was sie alles bei den Thelemiten für ihr Leben gelernt haben. Einer sagte, er habe keinen richtigen Satz sprechen können, das habe er erst in der TS gelernt.
Ähnliches habe ich auch von ehemaligen Scientologen
gehört, die in der Organisation einige elementare Dinge sozialen
Verhaltens und sprachlichen Ausdrucks gelernt haben. Das beinhaltet
noch kein Gütesiegel für eine Gruppe.
Einer der Aussteiger berichtete, er habe zweimal den Job
und einmal die Wohnung verloren, weil Arbeitgeber oder Vermieter
seine Zugehörigkeit zur TS herausbekommen hätten. Solche
Vorfälle gibt es bedauerlicherweise auch sonst, so kann man
Märtyrer schaffen. Allein die Zugehörigkeit,
sofern es sonst keine Auffälligkeiten gibt, ist kein
Kündigungsgrund.
Die Anwerbung neuer Mitglieder oder Interessenten und
Interessentinnen geschieht offenkundig durch Kursusangebote und
Seminare, seien sie auf Kommunikation ausgerichtet oder
esoterisch-spirituell. Besonders in Leipzig werden Seminare
angeboten, z.B. Intensiv &endash;Seminar,
Partner-Weekend, Astralreisen. (22)
Dass Aussteiger, die öffentlich, im Internet oder in der
Literatur schwere Vorwürfe erheben, als unglaubwürdig und
lügnerisch hingestellt werden, geschieht auch bei andern
Gruppierungen. Man distanziert sich von ihnen und sucht das Problem
in der Person des andern und nicht in der eigenen Umgebung und im
eigenen Verhalten. Dass solche Aussteiger und Aussteigerinnen in der
Regel keine einfachen Menschen sind, liegt in der Natur
der Sache, sagt aber nichts über deren Glaubwürdigkeit
aus.
Dass Eltern von Mitgliedern zwar den Tag der Offenen Tür wahrnehmen, sich jedoch nicht an Diskussionsrunden beteiligen, könnte daran liegen, dass sie sehen wollen, dass ihre Kinder gut untergebracht sind und ein vernünftiges Leben führen, dass sie sich in dieser - verständlichen - Meinung jedoch nicht verunsichern lassen möchten, denn das würde sie schlimmstenfalls unglücklich und hilflos machen.
Der Tag der Offenen Tür der Thelema Society im Jahre 2005 ist vorbei, und alle Fragen sind offen. Dass es sich jedoch allein um eine esoterische Gemeinschaft mit philosophisch-künstlerischem Interesse handelt, ist zweifelhaft.
1. Die TS strebt die Eintragung ins Vereinsregister
an und hat einen Satzungsentwurf, vgl.
www.thelema-society.de/index.php?satzung, abgelesen am 24.8.05.
2. Lt. Angabe des Gemeindeamtes vom 29.8.05.
3. Das Wendland-Magazin behauptet, 50 Mitglieder wohnen
in Bergen, www.wendland-net.de/magazin/?ID=|1.6epyxg36, abgelesen am
25.8.05. Das Gemeindeamt gibt an, dass die Anzahl wechselt, im
Schnitt sei mit 40 Thelemiten zu rechnen.
4. Vgl.
www.new-aeon.de/index.php?act=viewPoszing&postingID=225236,
abgelesen am 21.9.04.
5. Auch aus dem Gemeindeamt war zu erfahren, dass die
Gruppe sehr zurückgezogen lebe, sie sich im Ort jedoch
freundlich verhalten.
6.
www.new-aeon.de/index.php?act=viewPosting&postingID=225236,
abgelesen am 21.9.04.
7. Berichte finden sich im Internet, z.B. unter
www.philtalk.de/cgi-bin/YaBB.cgi?board=diese;action=print;board=diese;num....,
abgelesen am 25.8.05; vgl. R.Fromm, Satanismus in Deutschland
&endash; Zwischen Kult und Gewalt, München 2003, S.129ff.
8. Vgl. www.new-aeon.de/index.php?ts_live_workshops,
abgelesen am 24.8.05.
9. Handzettel für Veranstaltungen vom 23.-26.9.05
(mit Giger) und vom 29.10.-1.11.05.
10. Vgl. M.D.Eschner, Liber L vel Legis, In: AHA
&endash; Magazin des Neuen Äons 1/05, S.10-15. Das Lamed stehe
für den Weg zur Wahrheit als Gesetz der Gerechtigkeit, ebd.
S.13.
11. Auf der Schautafel war Stele 661
angegeben, in der Zeitschrift AHA wird sie Stele 666
genannt, in: M.D.Eschner, Der Kanon des Gesetzes, AHA 1/05,
S.16-23.
12. Vgl. R.Pelzer, Strukturproblem und Deutungsmuster
einer Kultbewegung &endash; Rekonstruktion des Falles Thelema
Society, Dipl.-Arbeit im Fach Soziologie, FU Berlin 2003,
maschinenschriftl. S.33.
13. Vgl. 3 Kreise der TS,
www.thelema-society.de/index.php?ts_kreise, abgelesen am 24.8.05.
14. Pelzer, a.a.O., S. 42; AZ KLs/31Js20445/87
(4/89).
15. J.Symonds (W.Bauer hrsg.), Aleister Crowley
&endash; DAS TIER 666 &endash; Leben und Magick, dt. Basel_ 1989.
16. Vgl.
www.thelema-society.de/index.php?act=viewtext&textID=20,
abgelesen am 24.8.05. Vgl. M.D.Eschner, Die geheimen sexualmagischen
Unterweisungen des Tieres 666, Bergen/Dumme 1993.
17. Der Begriff Satanismus/Satanisten gilt teilweise
sogar als Zuschreibung seitens der kirchlichen Apologetik, so Pelzer,
a.a.O. mehrfach.
18. A.Crowleys/M.D.Eschner, Liber Al Vel Legis mit
Kommentaren, Bergen/Dumme 1993, S.282.
19. A.S.LaVey, Die Satanische Bibel, dt. Second Sight
Books, Berlin_ 1999, S.33.
20. Crowley/Eschner, a.a.O., S.319.
21. LaVey, a.a.O., S.33.
22. www.new-aeon.de/index.php?ts_live_workshops,
abgelesen am 24.8.05, vgl. www.confessio.de/cf/Conf041-1.html,
abgelesen am 29.8.05.
Gabriele Lademann-Priemer, 2005
zur Uebersicht Thelema Society / Michael D. Eschner
© 2005 glp / 2000 Infostelle