Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen

Obadja

 

Durch einen Buchversand an alle Pfarrämter in der Schweiz und Süddeutschland ist in den letzten Jahren eine freikirchliche Organisation ins breitere Licht der Oeffentlichkeit getreten, die seit 1984 aus kleinen Anfängen zu einer recht einflussreichen Gemeinschaft herangewachsen ist. Erschien Obadja bisher vor allem als Reha-Station, hat der Buchversand darauf aufmerksam gemacht, dass hinter Obadja mehr steht: ein stetig wachsendes Netz unabhängiger Kleingemeinden, die lehrmässig auf den Obadja-Leiter, Ivo Sasek, ausgerichtet sind.

 

Der Gründer: Ivo Sasek

Ivo Sasek wurde am 10. Juli 1956 in Zürich geboren. Sasek absolvierte nach dem Schulbesuch eine Lehre als Automechaniker, und arbeitete einige Jahre auf diesem Beruf. Eine religiöse Erziehung erfuhr Sasek nicht, seine Eltern waren überzeugte Atheisten. Im Jahr 1977 bekehrt sich Sasek unter dem Einfluss eines evangelikalen Mitarbeiters und anhand des Buches "Jesus unser Schicksal" von Wilhelm Busch zum Christentum evangelikaler Prägung. Die ersten paar Monate lebt Sasek seinen Glauben ohne jeden Anschluss an eine Gemeinde, macht in dieser Zeit aber Glaubenserfahrungen, die für seinen späteren Werdegang wichtig werden.

Im Jahr 1978 schliesst sich Sasek der Newlife-Bewegung an, der Zürcher In-Gemeinde dieser Jahre. Er beginnt eine Bibelschule bei Newlife. Anfangs der achziger Jahre liest Sasek ein pfingstlerisches Buch und möchte die daraus gewonnenen Erkenntnisse über die pfingstlichen Gaben in Newlife umsetzen. Bei der damals betont anticharismatischen Newlife-Bewegung beisst Sasek mit diesem Ansinnen auf Granit. Sasek muss sich entscheiden zwischen pfingstlicher Theologie und weiterem Besuch der Bibelschule, eine Entscheidung, die er zugunsten seines Glaubens trifft. Im Jahr 1982 wird Ivo Sasek von der Newlife-Bibelschule ausgeschlossen.

Ivo muss sich eine neue Gemeinde suchen. In dieser Situation schliesst er sich Isidore Ayngol an, der aus dem damaligen Zaire gebürtig in Newlife als Aeltester gewirkt hat und 1981 im thurgauischen Zihlschlacht eine Rehabilitationsstation für Drogensüchtige unter dem Namen "Villa Akazia" begründet hat. Das Projekt gerät schnell in Schräglage, verursacht durch ein eminentes Interesse am Befreiungsdienst, der äusserst intensiv zur Anwendung kommt. Ayngol gerät durch seine Konzentration auf Dämonen und Befreiungsdienst zunehmend in wahnartige Zustände, das Projekt scheitert. Ivo Sasek ist durch diese Ereignisse nach eigener Aussage dem Befreiungsdienst gegenüber äusserst zurückhaltend geworden.

Im Jahr 1984 sieht sich der soeben mit seiner Frau Anni verheiratete Sasek in der Situation, dass er nach dem wahnbedingten Abgang Ayngols für die PatientInnen der "Villa Akazia" eine neue Lösung zu suchen hat. Sasek findet eine Liegenschaft in Walzenhausen/AR, wo er die Reha-Station "Obadja" begründet. Die Namengebung "Obadja" (kleiner Diener Gottes) betont die Unterordnung des Christen unter den Willen Gottes, ein Thema, das für die Theologie Saseks von entscheidender Bedeutung ist.

Während ihrer Zeit Walzenhausen wurden den Saseks bisher acht Kinder geboren.

 

Von der Reha-Station zum Gemeinde-Verband

Obadja wurde 1984 von den Saseks als Rehabilitations-Station für Drogensüchtige begründet. Diese Zielsetzung wurde in der Folge in zweierlei Hinsicht ausgeweitet: zum einen wurden zunehmend auch Menschen in die Rehabilitation aufgenommen, die nicht mit Drogensucht, sondern diversen anderen Problemen zu kömpfen haben. Obadja wurde so von der Drogenreha-Station zur "Lebensschule".

Zum anderen kamen mit der Zeit weitere Dienstzweige dazu: ein Schriftendienst mit einenem Verlag und Druckerei, ein Kassettendienst, eine Jüngerschule und als letztes der "Gemeindelehrdienst", der Ivo Saseks Theologie mittels Vorträgen und Buchversand in andere Gemeinschaften einbringen möchte.

In der Gründungszeit Obadjas suchte Sasek nach eigenen Angaben Anschluss an eine lokale Gemeinde. Die beiden ortsansässigen Freikirchen, Newlife und FEG, wiesen nach Aussage von Ivo Sasek die Obadja-Vertreter allerdings mehr oder minder deutlich zurück. Aus diesem Grund organisierte Sasek bald eigene Gottesdienste, "Versammlungen" genannt. Mittlerweile versteht sich Obadja als selbständige Gemeinde.

Im Laufe der neunziger Jahre begründeten Menschen, die durch den Dienst Ivo Saseks beeinflusst wurden, sein Schrifttum lasen und allenfalls eine Jüngerschaftsschule bei Obadja absolvierten, allenthalben selbständige Hauskreise, in welchen ein Christentum sasekscher Prägung gelebt wird. Mittlerweile zählt Ivo Sasek rund 50 Hauskreise, vor allem in Deutschland, aber auch in Oesterreich und der Schweiz, zu Obadja dazu. Organisatorisch bleiben diese Hauskreise gänzlich unabhängig, der Kontakt zu Obadja läuft über Veranstaltungen Ivo Saseks bei den Hauskreisen, über Besuche der Hauskreis-Mitglieder in Walzenhausen und über die Lektüre der Zeitschriften Saseks, die mittlerweile rund 1000 AbonnentInnen zählen.

Obadja hat sich somit von der Reha-Station zum de-facto-Gemeindeverband entwickelt.

 

Die Lehre Ivo Saseks

Wahre Hingabe

Ausgangspunkt und Grundlage der Theologie Ivo Saseks ist der Gedanke der völligen Hingabe an Gott. Hingabe, dies bedeutet für Sasek nicht nur intensives Gebetsleben und Einsatz für christliche Werke, sondern "die Preisgabe jeder Selbstherrschaft durch völlige Unterwerfung unter Gott". "Die Auslieferung unter das Haupt Christus ist somit etwas von Anfang an Radikales und Totales", das alle Lebensbereiche mit umfasst. Es geht Sasek nicht um Menschen, die auch Christen sind, die neben ihren eigenen Wünschen auch den Willen Gottes in Betracht ziehen, sondern um die völlige Angleichung des Willens des Menschen an den Willen Gottes: "Es geht um weit mehr als nur 'Fernseher und Modeblätter' zu beseitigen, um weit mehr als 'Feierabend oder Urlaub' unter Gottes Segen zu stellen, auch um weit mehr als 'Partnerwahl und Kindersegen' aus der Hand Gottes zu nehmen. Es geht um ein dynamisches, d.h. ununterbrochenes Am-Herrn-Anhangen, um von Seinen Lippen abzulesen, was Ihm in JEDER SITUATION gefällt".

 

Das Ganzopfer

Diese totale, uneingeschränkte Hingabe und Unterwerfung unter den Willen Gottes beschreibt Ivo Sasek mit dem alttestamentlichen Begriff des Ganzopfers: Wer Christ wird, bringt sich selbst zum Opfer dar, und zwar ganz, mit all seinen Wünschen und Bedürfnissen. Es bleibt nichts am Menschen, das nicht geopfert würde.

Dieses Opfern aller eigenen Bedürfnisse verbindet sich mit einer Absage an die "Welt". Sasek kann in diesem Sinne den paulinischen Begriff vom "Abgestorbensein" des Christen verwenden: Die Christen sind der Welt gestorben: "Wir sind lebendig Getötete! (...) Tatsache ist, dass wir vom himmlischen Recht her keinen Anteil mehr an diesem Kosmos haben. Wer sich deshalb nicht in allen Bereichen von diesem Kosmos abtrennen lässt, widersetzt sich der Gnade Gottes." Dieses Abgetrenntsein vom Kosmos bedingt eine totale Absage an die Welt: "Denn 'die weltlichen Lüste verleugnen' schliesst auch überhaupt alles ein, was dieser Welt und dieser Schöpfung angehört. Es umfasst auch alle Sonnenseiten, alle guten, positiven und lieblichen Aspekte dieser vergänglichen Schöpfung."

Die Verwirklichung dieser Absage ist stets neu zu überprüfen: "Haben wir es in unsererm persönlichen Leben schon durchgesetzt, dass wir uns nicht mehr zu dieser Welt zählen? (...) Leben wir noch innerhalb zeitlicher Massstäbe, Bräuche, Gesetze und Bestimmungen? Dann sind wir blosse Namenschristen! Wenn wir glauben, nebst allerlei Götzen wie Fernseh- und Videospuk, musikalische und andere Leidenschaften, habsucht, Mammon, Tabak, Spezialmotorisierung usw. auch noch Gott dienen zu können, haben wir geirrt".

 

Christus in uns

Was lebt dann aber in den Getöteten, wenn doch ihr Selbst geopfert, abgestorben ist? Die Antwort auf diese Frage liefert das "Christusgeheimnis", das Paulus einstens verkündigte. Was das Eigentliche am Christusgeheimnis sei, dies sieht Sasek allerdings anders als Paulus: "Wenn wir aber vom 'Geheimnis des Christus' sprechen, dann meinen wir nicht etwa die Allerweltspredigt, dass Jesus für unsere Sünden am Kreuz gestorben (...) sei (...). (...) Im Geheimnis Christi handelt es sich um weit grössere und tiefere Dimensionen." Das Christusgeheimnis ist nicht die "Allerweltspredigt" vom Kreuz, sondern das "Christus in uns".

Sasek liest bei Paulus (Gal. 2,20), dass es Christus sei, der im Christen lebt. "Christus in uns", diese Aussage wird zur Losung sasekscher Theologie. Christus ist gegenwärtig im Gläubigen, lebt durch ihn, Christus ist somit nicht nur, wie evangelikale Theologie lehrt, der Mittelpunkt des Lebens des Christen, er ist das Leben des Christen selbst: "Die erste Liebe (der anzustrebende Glaubensstand, gos) besteht eben darin, dass der in uns lebende Christus in allem der unmittelbar Wirkende wird. Nicht das überschäumende Liebesgefühl ist somit Zentrum der ersten Liebe, sondern das vertrauensvolle Sich-Ihm-Ueberlassen in allen Disziplinen, auf dass ER selbst der durch uns Lebende wird. Nicht mehr zuerst ich und dann Er, sondern in allem Er in mir und durch mich." "Fortan soll ER selbst wieder unser ein und alles sein, bis hin zur vollständigen Uebernahme unseres Willens-, Empfindungs- und Wunschzentrums usw. (...). Er will ein IN UNS ständig wirkender, redender, handelnder, aktiver und denkender Gott sein. Er hat allezeit zu allem etwas zu sagen! In jedem Moment hat Er ein Ihm entsprechendes Verhalten. (...) Er ist der Hauptdarsteller, der Ursprung, Mittelpunkt und Ziel all unseres Seins! Wir sind die Beteiligten an Seinem Leben, Wirken und Handeln, nicht Er der Beteiligte an unserem Leben und unseren Plänen (...)".

Dieser Gedanke ist Ivo Sasek biographisch wichtig geworden: "Weil ER SELBST alles in mir wirkte, konnte ich fortan alles mühelos und freudig FUER IHN und WEGEN IHM tun. Seine Gegenwart ging einfach über alles. Sie durchtränkte meine gesamte Willens-, Gefühls- und Verstandeswelt. Selbst 'meine' Liebe zu Gott und 'mein' Vertrauen zu Ihm wurde allein durch Seine lebensspendende Gegenwart gewirkt. Von der Stunde meines Ganzopfers an konnte darum kein Preis mehr zu hoch, kein Weg mehr zu steil, keine Strasse mehr zu dornig, kein Schlaf mehr zu kurz sein usw. Weil mit einem Mal Er selbst alles in mir wirkte, war für alles und jedes genug Kraft da. Er konnte alles von mir haben: Mutter, Vater, Bruder, Freundin, Hobbies, Geld, Freizeit - und vor allem mich selbst!".

 

Die Hörschule Gottes

Wie verwirklicht sich nun aber dieses "Christus in uns" konkret? Nicht so, dass Christen soweit nur noch Christus wären, dass alles, was sie tun, aus sich selbst von Christus gewirkt wäre. Der Mensch behält seine Entscheidungsfähigkeit und ist somit gefordert, den Willen Gottes bewusst wahrzunehmen und umzusetzen.

Hier wird das Hören der Stimme Gottes wichtig: Diese vernimmt der Mensch in seinem Herzen. Aber hier ergeben sich Probleme: "Die Wirkungsweise der Stimme Gottes, d.h. die Art und Weise, wie sie an uns herantritt und wirkt, ist bezeichnenderweise den Impulsen unseres eigenen Herzens am ähnlichsten. Mit anderen Worten besteht eine enge Verwandtschaft zwischen dem, was wir empfinden, wenn wir aus uns selber etwas begehren und dem, was wir empfinden, wenn Gott uns etwas mitteilt und aufs Herz legt." Sasek sieht die Gefahr, dass man für Gottes Willen halten könnte, was eigenen Wünschen entspringt. Zum Unterscheidungskriterium göttlichen und menschlichen Willens gibt Sasek folgenden Hinweis: "Alles, was vom Geiste Gottes gewirkt ist, führt uns in eine tiefere Freiheit hinein".

Ist ein Mensch nicht bereit, auf die Stimme Gottes zu hören, wird Gott ihn zum Gehorsam rufen. Krisen und Krankheiten sind die Folge. Diese Zeiten der Probleme sollen dazu dienen, die Christen wieder auf den rechten Weg zu führen.

 

Weg statt Akt

Ivo Sasek entfaltet seine Theologie sehr stark in Abgrenzung zur evangelikalen und charismatischen "Normaltheologe". Zum Teil recht harsche Kritik zu anderen Ansätzen durchzieht seine Werke. Der Hauptvorwurf Saseks an die evangelikale Theologie ist deren mangelnde Hingabe. Im Grunde gehe es ihr nur um persönlichen Nutzen der ChristInnen: "Die allermeisten Christen aber sehen in Christus einzig eine Art 'Grössten aller Glücksbringer'. Sie suchen bei Christus vor allem Lebenshilfe und Unterstützung, um in dieser Welt besser durchzukommen, erfolgreicher und gesegneter als die übrigen Menschen um sie her zu sein."

Dieser Mangel an Hingabe würde sich, so Sasek, in fehlender Kontinuität des Christseins erweisen. Christsein in evangelikaler oder charismatischer Praxis würde sich nur in einzelnen "Akten" realisieren: "Diese Akte reihen sich als in sich selbst abgeschlossene Handlungen isoliert aneinander an: da ist der Bekehrungsakt, der Wiedergeburtsakt, der Wassertaufeakt, dann vielleicht noch der Akt der Geistestaufe. Zu gelegenen Zeiten kommt es auch zu einzelnen verbalen Bekenntnisakten. Wenn wir dann in die Gemeinden und Kirchen gehen, feiern wir den 'Abendmahlsakt' und schliesslich darf natürlich auch der 'Predigtakt' nicht fehlen. (...) Sämtliche Akte haben etwas Gemeinsames: Sie werden alle mit relativ geringem Aufwand vollzogen und dann als 'erfüllt' in die 'christliche Pflichtenliste' eingetragen. Ein solches 'Akte-Verständnis' fehlt jedoch in dem von den Aposteln gepredigten Evangelium gänzlich. Diese redeten immer nur von einem WEG, d.h. von einem unaufhörlich dynamischen Prozess".

Diese Interpretation des evangelikalen und charismatischen Christentums als aktbezogen und damit zu wenig hingegeben ist für die Lehre des Obadja essentiell geworden. "Aktchristentum" wird in Obadja-Kreisen denn auch als Scheltwort für andere Gemeinden verwendet.

 

Abgrenzungen

Im einzelnen kritisiert Sasek folgende Lehren, Praktiken und Strömungen:

- die reformatorische Lehre vom Sein des Christen als Sünder und Gerechtfertigter zugleich: "Es ist einer der schwerwiegensten Irrtümer der Christenheit, dass sie ihre Umgestaltung und Vollendung auf den Tag der Ewigkeit verlegt und dadurch für dieses Zeitalter unzugänglich gemacht hat".

- die evangelikale Lehre von Christus als dem Mittelpunkt des Lebens, sinnenfällig graphisch dargestellt in den "Vier geistlichen Gesetzen" des Campus für Christus-Gründers Bill Bright: "Er (Christus, gos) ist unsere Zentrale, unser Haupt, und nicht bloss der Segensspender und Mittelpunkt unseres Lebens und unserer Interessen."

- die Anbetung, die in der charismatischen Bewegung, aber auch darüber hinaus wichtig geworden ist: "Lobpreis ist ja mittlerweile 'in' geworden in vielen Gemeinden. Ach, wir Sonnenscheinchristen! Wenn du hinterher nach dem eben gesungenen Texte fragst, müssten viele bekennen, dass sie nur das Ihre gesucht haben. Sie beweihräucherten sich selbst an Melodie und Rhythmus..."

- die Salbungstheologie, die davon ausgeht, dass Gott den Menschen immer wieder neu stärkt: "Er (Christus, gos) will aber alles in jeder Lage unseres Lebens werden und nicht nur ab und zu einen 'Salbungsschub' in unsere Problemsituationen hineinhauchen!"

 

Die Ablehnung evangelikaler und charismatischer Literatur

Ivo Sasek, selbst Bücherschreiber, sieht Gefahr für die Christen insbesondere von evangelikaler und charismatischer Literatur her kommen. Hierbei ist es besonders die in Teilen der evangelikalen Szene beliebte Entzeitliteratur, die Sasek verwirft. Aber auch die Lektüre von Lebenszeugnissen ist gefährlich: "Bist du offen für spannende Zeugnisse, für kraftvolle Berichte und aussergewöhnliche Erfahrungen? Geh hin, un du wirst eine Fülle von christlicher Literatur finden, die dich ins Verderben stürzt." So kann Sasek zusammenfassen: "Für licht- und wahrheitsscheue Wesen hat die Verführung eine stets wachsende Unzahl christlicher Literatur bereit".

Angesichts dieser Warnungen kann es nicht erstaunen, wenn Menschen, die im Umfeld des Obadja tätig sind, ihren Konsum christlicher Literatur auf die Werke Saseks beschränken.

 

Die Rolle der Frau

Ueber die Rolle der Frau in der Endzeit, in welcher wir nach seinem Verständnis stehen, meint Sasek folgendes: "So wird auch die Frau (hebr.= Männin) wieder ihre Rolle als bevorzugtes Werkzeug der Schlange übernehmen. In zunehmendem Masse wird sie Adam wieder die verbotene Frucht des Baumes der Erkenntnis darreichen. (...) So wird sie sich zunehmend hinter die Kanzel stellen, auf die Lehrstühle setzen und in die Bücherregale legen." Predigt, Lehre, aber auch das Verfassen von Büchern ist für Frauen verboten. Statt dessen hat sich eine Frau auf ihre eigentlichen Aufgaben zu besinnen, Hausfrau und Mutter zu sein.

 

Ivo Sasek als Lehrer

Ivo Sasek ist die Rolle als "Lehrer" sehr wichtig. Sein Vortrags- und Literaturwerk sieht er als "Lehrdienst" zur Belehrung von Christen aus den verschiedenen Denominationen. Ueber seinen Bruder meint Sasek, dieser hätte ihn früher wegen seines Glaubens verspottet, nunmehr sässe er aber als Schüler zu seinen, Ivos, Füssen. Zu vermuten ist, dass Sasek diese Selbstwahrnehmung bei Paulus abgeschaut hat. Sasek meint denn auch, Paulus sei derjenige christliche Autor, dem er sich am nächsten fühlen würde.

 

Gehorsam

Für Ivo Sasek ist nicht fraglich, dass ein Christ seinen geistlichen Leitern gegenüber denselben Gehorsam zu üben hat wie Gott gegenüber: "Wer sich aber den Worten eines echten Dieners Gottes widersetzt, der widersetzt sich damit Gott selbst. Denkt nie, hier auswählen zu können, nur weil gewisse Diener euch vielleicht unsympathisch oder verächtlich erscheinen und so gar nicht in euer Konzept passen. Hast du gewusst, dass Gott denjenigen, die sich Seinen Dienern widersetzen, genauso die Zugehörigkeit zu Ihm abspricht, wie Er sie denen abspricht, die sich ihm direkt widersetzen?"

Diese Lehre kann verständlicherweise bei Menschen im Umfeld Obadjas dazu führen, Ivo Sasek ebenso zu gehorchen wie Gott.

 

Selbstbezichtigungen und Säuberungen

Was geschehen kann, wenn sich jemand dem Lehrer und Diener Gottes Ivo Sasek entgegenstellt, kann an den Ereignissen im Obadja im Jahr 1997 abgelesen werden. Ein leitendes Ehepaar musste aus dem Werk ausscheiden, die Frau hat aus diesem Anlass in der Obadja-Zeitschrift "Oelbaum" einen Text verfasst, der unangenehm an die Selbstbezichtigungen bei stalinistischen Schauprozessen erinnert: "Mir liegt es sehr am Herzen, den eigentlichen Grund unserer Trennung vom Obadja, so gut ich es vermag, darzulegen. (...) Was die Lehre von Ivo betraf, konnte ich immer alles hundertprozentig bejahen und war begierig, mehr zu hören und zu erkennen. (...) Was ich aber nicht tat, war, dieser Königsherrschaft Gottes in meinem eigenen Leben genügend Raum zu geben. so war ich über Jahre hinweg widerspenstig gegen die Leitung Gottes (...). (...) Die Geschwister vom Team merkten mein ungebrochenes Wesen, die Widerspenstigkeit und Eigenständigkeit, die sich nie treffen liess, die Rebellion, die da und dort aufflackerte und sich nicht ausrotten liess und versuchten, mir herauszuhelfen. Ich selber wollte es nicht wahrhaben und rechtfertigte mich (...). Ich habe vom Baum der Erkenntnis gegessen und mir daran genügen lassen wie die Pharisäer, anstatt das eigene Leben ganz ins Licht des Herrn zu stellen (...). All diese Mängel und Sünden erlauben einen Dienst im Reich Gottes gar nicht und diese jahrelange Verfehlung und Schuld zwingt uns zu einer Trennung. Ich weiss nicht, ob Ihr das Gewicht des Gesagten zu ermessen vermögt, aber diese Diskrepanz zwischen Sein und Schein von mir hat Ivo unwahrscheinlich viel zu tragen gegeben und soviel Kraft gekostet bis hin zu seinem Zusammenbruch, an dem Ihr ja auch so mitgetragen habt. Ich bin damit auch an Euch schuldig geworden, weil ich das Werk des Herrn an diesem Ort gelähmt und schlussendlich sogar massiv gefährdet habe. So bitte ich Euch alle um Vergebung (...), weil ich durch mein Nicht-Eintreten auf Gottes heilbringende Weisungen, durch mein Widerstreben auch den Dienst und Segen an Euch gehindert habe. Mein Mann und ich werden jetzt versuchen, in einem anderen Umfeld das Versäumte nachzuholen, die massiven Löcher im Fundament aufzuarbeiten und hoffen dabei auf Gottes Gnade."

Die Ereignisse, die dann zur Trennung vom co-leitenden Ehepaar geführt haben, betrafen aber das ganze Team. So berichtet ein anderes Team-Mitglied, das dann bleiben durfte, in derselben Zeitschrift: "Wie Ihr ja aus den anderen Berichten entnehmen könnt, haben wir hier im Obadja eine sehr intensive Zeit. Ich erlebe 'live', dass wir nicht nur einen Gott haben, der pflanzt und begiesst, sondern auch einen Gott, der beschneidet und ausreisst. Es war mir auch während etlicher Tage um die eigene Haut bange, da ich sah, dass unser Gott ein verzehrendes Feuer ist, das alles frisst, was nicht aus IHM selber ist. Ich, für meinen Teil, habe mich entschlossen, ganz in Christus erfunden zu werden. Darum tut es mir sehr gut, dass ich her mit einem sehr konsequenten Christsein konfrontiert werde. Vor allem in den letzten Tagen wurde ich des öfteren korrigiert und ein paar Mal auch zurechtgewiesen. Das war nicht immer leicht für mich, doch ich hatte innerlich bis jetzt immer das Zeugnis des Geistes, dass die Korrekturen und Zurechtbringungen richtig waren."

 

Aktivitäten der Gemeinschaft Obadja

Rehabilitation und Lebensschule

Die Rehabilitationsarbeit Obadjas umfasst jeweils rund ein Dutzend Personen, die aus Lebenskrisen diverser Art zur Gemeinschaft stossen. Eine interessierte Person hat bei der Aufnahme folgende drei Bedingungen zu erfüllen:

1. Der Teilnehmer muss von seiner Unfähigkeit, das Leben selber zu meistern, überführt sein. Er muss seine Hilfsbedürftigkeit erkennen.

2. Er muss einverstanden sein mit den Ordnungen und der Arbeitsweise des hauses sowie den an ihn gestellten Bedingungen.

3. Er muss auch Bereitschaft zeigen, auf den Weg des Glaubens einzugehen und sich von Jesus Christus her sein Leben umgestalten zu lassen.

Das Programm der Rehabilitation sowie deren Dauer wird für jede teilnehmende Person individuell bestimmt.

Ueber eine Ausbildung zur Rehabilitation verfügen die Verantwortlichen nicht. Methodisch wird auf Arbeitstherapie und Glaubensleben abgestützt.

Der Tagesablauf im Obadja, der sich im einzelnen ändern kann, sieht generell so aus:

06.00 Tagwache

06.15 Stille Zeit (persönliche Bibellese und Gebet, jeder für sich)

07.15 gemeinsame Gebetsstunde

08.15 Frühstück

09.00 praktische Arbeit in Cafe, Büro, Haushalt, Garten, Werkstatt oder Druckerei

12.10 Mittagessen

14.00 praktische Arbeit

18.15 Abendessen

20.00 Abendprogramm: Bibelarbeiten, Spaziergänge, Hauskreise, Musikabende, Kreativabende oder Freizeit

22.00 Nachtruhe

Zusätzliche "Versammlungen" (=Gottesdienste) finden statt sonntags 9.30-12.00 Uhr und Donnerstag abends zwischen 20.00 und 22.00 Uhr. Zuzüglich findet am Dienstag schon um 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr ein Frühgebet statt.

Die Rehabilitation ist kostenlos.

Ziel der Rehabilitation ist entweder die Wiedereingliederung in die Gesellschaft oder das Bleiben bei Obadja. Zur Entscheidung dieser Frage wird der "göttliche Bauplan und die persönliche Führung" berücksichtigt.

 

Literaturdienst

Der Literaturdienst Obadjas, der betreffs Infrastruktur auf den obadja-eigenen Elaion-Verlag und die gemeinschaftseigene Druckerei und die Gratis-Arbeitskraft der Rehabilitanden zählen kann, widmet sich der Verbreitung der Werke Ivo Saseks, die z.T. gratis an alle Pfarrämter versandt werden. Zudem publiziert der Literaturdienst die drei Zeitschriften des Obadja: die Werknachrichten "Obadja", die "seelsorgerliche Lehrschrift" "Der Oelbaum" und "Oikodomia", eine "prophetische Lehrschrift für Gereifte".

 

Gemeindelehrdienst

Im Rahmen des Gemeindelehrdienstes wirkt Ivo Sasek als Gastredner in anderen Gemeinschaften. Sasek meint auf Nachfrage hin, mit Ausnahme der römisch-katholischen Kirche schon in allen Denominationen gewirkt zu haben. Bei solchen Veranstaltungen pflegt Sasek seine Theologie zu verkündigen und für seine Jüngerschaftsschule zu werben. Die Folge dieses Dienstes sind oft Hauskreise sasekscher Ausrichtung, die sich dann durchaus von der ursprünglich einladenden Gemeinde distanzieren können, aufgeheizt durch Saseks ab- und ausgrenzende Verkündigung. Saseks "Gemeindelehrdienst" entpuppt sich so als Trojanisches Pferd.

 

Keine Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden

Irgendeine Unterstützung gemeinsamer Aktionen mit anderen Gemeinden kennt Obadja nicht. Obadja gehört keinem Verband an.

 

Mitglieder

Die Rehabilitation und Lebensschule umfasst jeweils rund ein Dutzend Teilnehmende

Die Gottesdienste in Walzenhausen werden von rund 20 Menschen besucht.

Die Zahl der Hauskreise, die sich Ivo Sasek verbunden fühlen, beträgt im Moment rund 50. Die Mitgliederzahl dieser Hauskreise kann insgesamt auf 500 Menschen geschätzt werden.

Saseks Schriften erreichen eine Abonnentenzahl von 1000 Personen.

Die Teilnehmer an Saseks Jüngerschaftsschulen rekrutieren sich aus diversen Denominationen, im Vordergrund stehen aber der Brüderverein und die Pfingstbewegung. Dies ist kein Zufall. Beide Gemeinschaften betonen ebenso wie Obadja die Heiligung, die Möglichkeit eines gänzlich sündlosen Lebens des Christen. Bei beiden Gemeinschaften steht folglich wie bei Obadja das Tun des Willens Gottes im Vordergrund des Christseins, beide Gemeischaften laufen (wie auch Obadja) dauernd Gefahr, in Gesetzlichkeit zu versinken.

 

Konfessionskundliche Einordnung der Gemeinschaft Obadja

Obadja ist als eigener Gemeindeverband, als eigene Denomination anzusprechen, auch wenn Ivo Sasek diese Deutung nicht behagt. Obadja steht in der Tradition der Heiligungsbewegung und lehrt ein perfektionistisches Christentum. Die Notwendigkeit der Geistestaufe wird verworfen, charismatische Gaben werden geübt, aber nicht betont. Obadja ist damit eine nichtpfingstlerische und nichtcharismatische Gemeinschaft, aber keine anticharismatische Gruppierung.

Die recht global gefasste Abgrenzung vom evangelikalen "Normalglauben" als "Aktchristentum" lässt Obadja als am Rande des Sondergruppe-Seins erscheinen. Werden solche als Distanzierung von "allen andern" zu lesende Bemerkungen in der Zukunft häufiger, wird Obadja über kurz oder lang das freikirchliche Spektrum verlassen haben.

In sektenkundlicher Sicht bedenklich sind die Betonung des Gehorsams gegenüber den "Dienern Gottes" sowie vor allem die Ereignisse im Obadja-Team 1997. Was hier geschah, trägt die Züge einer totalitären Struktur.

 

Persönliche Wertung

Ivo Sasek präsentiert eine Theologie, die verhältnismässig durchdacht ist und in ihrer Radikalität, aber auch in ihrer beinahe mystischen Christusbezogenheit zu beeindrucken vermag. Gerade in ihrer Radikalität geht die saseksche Theologie aber über wesentliche Daten des Menschseins hinweg: Das Hineingestellt-Sein in diese Welt, die Kraft durchaus irdischer Bedürfnisse, die permanente Erfahrung des Scheiterns gerade hoher ethischer Ideale. Diese Bedingungen des Menschseins lassen sich aber nicht einfach wegdisputieren. Wer solches unternimmt, verdrängt und kompensiert. Das Verdrängte wird früher oder später seinen Tribut fordern und umso ungebremster die Oberhand gewinnen. Die 1997er Ereignisse sind so gesehen eine Folge des sasekschen Menschenbildes. Kompensationen sind in Saseks Betonung des "Lehrer"-Seins und seiner Gehorsamsforderung zu erblicken. eine Gemeinschaft kann so durchaus auch darum zur Sekte werden, weil die Ideale ihrer Gründerperson sehr hoch waren, zu hoch für einen Menschen.

Nach obigem kann sowohl Landes- als auch Freikirchen eine Einladung Ivo Saseks und seines Gemeindelehrdienstes m.E. nicht empfohlen werden.

Von einem Besuch der Lebensschule Obadjas möchte ich in Anbetracht der 1997 aufgebrochenen Psychodynamik abraten.

Das Frequentieren einer Jüngerschaftsschule bei Obadja wird die Uebereinstimmung mit Ivo Saseks Theologie voraussetzen, einer Theologie, die aus den Landeskirchen, aber auch aus den meisten Freikirchen hinausführen wird.

Für die Gemeinschaft Obadja ist zu hoffen, dass sie in Zukunft auch dem Menschsein den ihm gebührenden Rang beimessen kann.

 

Quellen

Obadja (Hrsg.): Obadja (Prospekt der Reha-Arbeit), Walzenhausen o.J.

Sasek, Ivo: Apostolisch Beten, Elaion Verlag, Walzenhausen 2. Aufl. 1996

ders.: Gläubig oder glaubend, Verlag Obadja, Walzenhausen 2. Aufl. 1996

ders.: Die Königsherrschaft, Elaion Verlag, Walzenhausen 1996

ders. (Hrsg.): Oikodomia, Walzenhausen Februar 1990

ders. (Hrsg.): Oikodomia, Walzenhausen Oktober 1990

ders. (Hrsg.): Oikodomia, Walzenhausen Februar 1997

ders. (Hrsg.): Oikodomia, Walzenhausen April 1997

ders. (Hrsg.): Oelbaum, Walzenhausen Mai 1997

 

Georg Otto Schmid, 1998


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