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  Opus Dei Prälatur vom Heiligen Kreuz und Opus Dei
  Uebersicht
  Die Prälatur vom Heiligen Kreuz und Opus Dei
Einführender Artikel
1. Josemaría Escrivá de Balaguer: Gründer des Opus Dei
Josemaría Escrivá wird am 9. Januar 1902 in Barbastro in Nordspanien geboren. In einem christlichen Umfeld erzogen, verspürt Escrivá bereits mit fünfzehn Jahren erste Vorahnungen seiner Berufung von Gott, allerdings ohne deren Inhalt bereits fassen zu können, verwirft aber deshalb seinen Plan, Architektur zu studieren. Stattdessen will der junge Escrivá Priester werden. Zu diesem Zweck studiert er von 1918 bis 1925 Philosophie, Theologie und Jura in Logrono und Saragossa, wo er 1925 die Priesterweihe empfängt. In den folgenden zwei Jahren arbeitet er als Aushilfspfarrer und geht verschiedenen seelsorgerlichen Tätigkeiten nach. Daneben setzt er seine Jura-Studien fort, die er 1927 mit einem Lizentiat in Zivilrecht erfolgreich abschliesst. Escrivá erhält einen Lehrauftrag für römisches und kanonisches Recht an der Universität in Madrid, geht aber nebenher seiner Seelsorger-Tätigkeit nach in den Armenvierteln in und rund um Madrid. Am 2. Oktober 1928 erfolgt die Gründung des Opus Dei (der Name ist späteren Datums) durch Escrivá, der dieses Werk unvermittelt im Auftrage Gottes ins Leben ruft mit dem Ziel, ein Werk für Christen aller sozialen Schichten zu schaffen, das einen "Weg der Heiligung" (verstanden als Leben in christlicher Fülle) inmitten des Alltags fördern soll. Nach erfolgloser Suche nach einer bereits bestehenden Institution dieser Art in Europa beginnt er im Einverständnis mit dem Erzbischof von Madrid mit der Ausführung dieses Auftrags und schart gleichgesinnte Männer um sich, ab 1930 werden auch Frauen aufgenommen. Als erstes korporatives Werk des Opus Dei (s.u.) wird 1933 die Akademie DYA ("Derecho y Arquitectura": Jura und Architektur) in Madrid eröffnet. 1936 bricht der Spanische Bürgerkrieg aus. Escrivá flieht wie viele andere westwärts und kehrt erst 1939 nach Madrid zurück, wo er in Rechtswissenschaft promoviert. Das Opus Dei beginnt sich in Spanien langsam auszubreiten und erhält 1941 vom Bischof von Madrid die erste juristische Approbation. Die geplante Ausbreitung des Werkes auf alle Kontinente kann wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs erst ab 1946 beginnen. 1943 wird die "Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz" (s.u.) gegründet, und ein Jahr später werden die ersten drei Mitglieder des Opus Dei zu Priestern geweiht.
2. Ausbreitung und Wachstum des Opus Dei nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Ausbreitung des Opus Dei erfolgt in raschen Zügen und beginnt 1945 in Portugal, von wo aus sie bald ganz Europa erreicht und dann auf alle Kontinente übergreift. Um die Universalität des Opus Dei zu unterstreichen, siedelt Escrivá 1946 nach Rom über, wo das Werk auf fruchtbaren Boden fällt. Der Papst verleiht dem Opus Dei bereits 1947 den Status eines Säkularinstitutes. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 -65) ändert sich für das Opus Dei einiges, indem die Laienspiritualität eine grosse Aufwertung erfährt. Alle Christen seien "zum Streben nach Heiligkeit und ihrem Stand entsprechender Vollkommenheit eingeladen und verpflichtet", heisst es etwa in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche "Lumen Gentium" (V.42) des II. Vatikanischen Konzils. Gerade dies scheint ja auch das Ziel des Opus Dei zu sein: Allen Christen Bildungsinstitut und Unterstützung auf ihrem christlichen Weg und in der Suche nach Heiligkeit zu sein. Auffallend dabei ist allerdings, dass Alvaro del Portillo, Generalsekretär des Opus Dei und später erster Nachfolger Escrivás, am Konzil Präsident der Vorbereitungskommission "De laicis" und Sekretär der Kommission "De disciplina cleri et populi christiani" sowie als Konsultor weiterer Kommissionen agiert. Wie auch immer dieser Umstand ausgelegt wird, Tatsache bleibt, dass schon sehr früh hohe Opus-Dei-Mitglieder mit einflussreichen Aufgaben im Vatikan betraut wurden, und somit sicher auch einiges zu ihren Gunsten bewirken konnten.

Escrivá unternimmt in der Folgezeit ausgedehnte Reisen vor allem in seine Heimat und nach Mittel- und Südamerika. Am 26. Juni 1975 stirbt der Gründer an Herzversagen in Rom. Zu diesem Zeitpunkt zählt das Opus Dei bereits mehr als 60'000 Mitglieder aus 80 Ländern. Alvaro del Portillo übernimmt die Nachfolge Escrivás. 1981, also nur sechs Jahre nach dem Tod Escrivás, beginnt der Selig - und Heiligsprechungsprozess über den Gründer, der 1992 ein Ende findet in der Seligsprechung Escrivás in Rom. 1982 erhält das Opus Dei den Status einer "Personalprälatur" (s.u.) zugesprochen. Portillo wird erster Prälat und erhält 1991 die Bischofsweihe. Nach dessen Tode 1994 wird Javier Echevarría von Papst Johannes Paul II. als neuer Prälat des Opus Dei eingesetzt und zum Bischof geweiht.

3. Das Opus Dei als Personalprälatur
Der vollständige Name des Opus Dei lautet "Prälatur vom Heiligen Kreuz und Opus Dei". Die Rechtsform der Personalprälatur geht auf das II. Vatikanische Konzil zurück und ist sozusagen ein Bistum ohne Territorium, aber mit denselben hierarchischen Strukturen wie jedes andere Bistum auch. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass es nicht möglich ist, zwei Bistümern anzugehören, dass aber Opus-Dei-Mitglieder weiterhin ihrem Bistum unterstellt bleiben zusätzlich zur Opus-Dei-Mitgliedschaft. Immer wieder wird von Seiten der Opus-Leitung betont, dass die Mitglieder hundertprozentige Weltchristen sind und bleiben und somit weiterhin ihrer Diözese unterstellt sind. Auch ist das Opus Dei kein Orden und kein Säkularinstitut mehr.

Der Zentralsitz des Opus Dei liegt in Rom. An der Spitze des Werkes steht der Prälat, der Ordinarius. Er hat hierarchisch die gleiche Position wie ein Bischof in seiner Diözese. Seine Wahl erfolgt durch einen Wahlkongress, der aus Opus-Dei-Vertretern aller Regionen zusammengesetzt ist. Anschliessend muss die Wahl vom Papst bestätigt werden. Bisher wurde jeder neue Prälat im Anschluss an seine Wahl zum Bischof geweiht.

Der Prälat wird in seinem Amt unterstützt von einem Rat für die Frauen und einem Rat für die Männer, wobei beiden Räten der Generalvikar angehört und dem Rat für die Frauen ein zusätzlicher Vikar (beides Priester, die auch zum Generalrat gehören). Der weibliche Rat (Zentralassessorat genannt) wird weiter unterstützt von acht Leiterinnen, sowie von mindestens je einer Delegierten pro Region. Analog dazu besteht der männliche Rat (Generalrat genannt) zusätzlich aus acht Leitern und den Delegierten der Regionen.

Der Klerus des Opus Dei wird von Weltpriestern gebildet, die aus den Laien der Prälatur selbst hervorgehen. Wie jede andere Diözese unterhält das Opus Dei auch ein eigenes Priesterseminar, die "Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz", deren Generalpräsident der Prälat des Opus Dei ist. Die Priestergesellschaft ist eine mit dem Werk unlösbare Vereinigung, der sowohl alle Kleriker der Prälatur selbst angehören, die in der Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz ausgebildet und geweiht wurden, wie auch weitere Weltpriester, die nach ihrer Weihe beigetreten sind. Die Kleriker der Prälatur machen auf alle Mitglieder weniger als 2% aus, da nicht mehr Priester erforderlich sind für die spirituelle Leitung.

Die Ziele der Prälatur formuliert der Informationsbeauftragte des Opus Dei Schweiz, Doktor Beat Müller, wie folgt: "Das Opus Dei will unter Christen aller sozialen Stellungen ein konsequent christliches Leben mitten in der Welt fördern und auf diese Weise zur Durchdringung der Gesellschaft mit dem Sauerteig des Evangeliums beitragen. Es verbreitet die Botschaft Jesu Christi, dass alle Getauften berufen sind, die Heiligkeit zu suchen und das Evangelium bekanntzumachen, wie dies das II. Vatikanische Konzil in Erinnerung gerufen hat." Um der Aufgabe, ein konsequent - an diesem Begriff scheiden sich zuweilen die Geister - christliches Leben zu führen, bestmöglich gewachsen zu sein, sollen die Mitglieder der Prälatur das Bildungs- und Seelsorgeangebot des Opus Dei in Anspruch nehmen. Das Opus Dei betont aber, keine eigene Lehre zu besitzen, "weder auf religiös-theologischem noch auf philosophischem und politischem Gebiet: Seine Lehre ist identisch mit derjenigen der katholischen Kirche."

Das Opus Dei ist die erste Gruppierung innerhalb der katholischen Kirche, welche den Status der Personalprälatur verliehen bekommen hat. In der öffentlichen Diskussion um das Opus Dei wird dieses Faktum mitunter auch so gedeutet, dass der jetzige Papst Johannes Paul II. das Opus Dei nicht nur protegiert, sondern auch persönlich sehr schätzt und den anderen katholischen Laienbewegungen vorzieht. Die Leitung des Opus Dei betont hingegen, dass sie sich formal nie als Säkularinstitut verstanden haben und erst die neue Rechtsstruktur ihren Anliegen gerecht werden könne, wohingegen andere Bewegungen innerhalb der katholischen Kirche durchaus mit ihrem Status als Säkularinstitut zufrieden seien.

Da die Prälatur sich für das Gemeinwohl einsetzen will, ermuntert sie ihre Mitglieder, gemeinnützige Vereine oder Bildungsangebote ins Leben zu rufen. Wenn dem Opus Dei die Verantwortung für den christlichen Rahmen einer solchen Initiative übertragen wird, handelt es sich um ein "korporatives apostolisches Werk des Opus Dei". Beispiele dafür sind etwa Hauswirtschaftsschulen, Universitäten, StudentInnenheime, usw. Diese Initiativen sind dem Opus Dei ein sehr wichtiges Anliegen.

4. Mitgliedschaft im Opus Dei
Mitglied im Opus Dei können alle KatholikInnen werden, unabhängig von Berufsstand, Geschlecht oder Nationalität. Immer wieder wird in Opus-Dei-Kreisen mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass eine grosse Vielfalt unter den Mitgliedern herrsche, die bewusst angestrebt werde, weil ja alle - restlos alle - dazu berufen seien, das Evangelium möglichst wahrhaftig zu leben. Dass sehr unterschiedliche Menschen dem Opus Dei beitreten, das soll hier nicht bestritten werden, aber die starke Hierarchie unter ihnen wird öffentlich immer wieder kritisiert. Das Opus Dei begründet diese aber nicht aufgrund verschiedener Ranghöhen, sondern lediglich aufgrund der Tatsache, dass z.B. ein ehelos lebender Numerarier mehr Zeit in das Werk stecken kann als ein Supernumerarier, der sich zusätzlich um seine Familie zu kümmern hat.

Unter den Mitgliedern gibt es zum einen die SupernumerarierInnen, die verheiratet sind oder eine Ehe anstreben und deshalb mit ihrer Familie leben. Ihre Aufmerksamkeit gehört besonders der Familie, in der das Evangelium täglich gelebt werden soll. Auf der gleichen Ebene befinden sich die Assoziierten, die ehelos leben, aber bei ihrer Familie wohnhaft bleiben.

Zum anderen gibt es die NumerarierInnen, die "dank ihrer frei gewählten Ehelosigkeit und ihrer Bildungssituation in der permanenten Lage (sind), bestimmte apostolische Initiativen zu betreiben und die Betreuungs- und Bildungsaufgaben der Prälatur wahrzunehmen, zu denen sich diese gegenüber ihren Mitgliedern verpflichtet. Sie wohnen zu diesem Zweck meist in kleineren Gruppen in der Art einer Familie zusammen." (Informationsbüro: 9). Dem Vorwurf eines antidemokratischen, hierarchischen Systems, in dem eine "Geistige Elite" - ein in diesem Zusammenhang häufig verwendeter Begriff - das Sagen habe, wird in der Informationsbroschüre entgegnet: "Die Hingabe an Gott als Arbeiter und Familienvater gilt als ebenso vollkommen wie jene einer ehelos lebenden Entwicklungshelferin oder die eines Priesters." (Informationsbüro: 8). Ob aber Mutterpflichten zum Beispiel vereinbar sind mit dem Pflichtenkatalog des Opus Dei bleibt fragwürdig, und insofern wird das weltliche Leben wohl doch zumindest ein Stück weit abgelehnt.

Nebst den NumerarierInnen dürfen natürlich die Numerarier-Priester nicht vergessen werden, die Kleriker der Prälatur, die zum einen auch das Bildungsangebot für die Mitglieder mittragen, aber v.a. die Seelsorge gewährleisten.

Seit 1950 ist es auch möglich, als NichtkatholikIn und sogar als NichtchristIn dem Opus Dei anzugehören und zwar als "MitarbeiterIn". Allerdings ist der Kompetenzbereich der MitarbeiterInnen eng gefasst, denn viel mehr als für das Opus Dei zu beten, es finanziell zu unterstützen oder sich in einem der Sozialwerke des Opus Dei zu engagieren, liegt nicht drin. Sie sind auch offiziell keine Mitglieder der Prälatur.

Das Opus Dei versteht sich als "Seelsorgestruktur innerhalb der Kirche" und nicht als Gruppe, die sich in irgendeiner Weise von der katholischen Kirche absondert. In diesem Sinne soll den Mitgliedern die Möglichkeit, "eine kontinuierliche, religiöse, geistliche und apostolische Bildung" (Informationsbüro: 10) zu erhalten, gewährleistet werden. "Die Gläubigen erklären ihre Bereitschaft, sich auf der Grundlage des Glaubens der Kirche nach dem spezifischen Geist des Opus Dei bilden zu lassen und dafür die von der Prälatur gebotenen Mittel zu benützen." (ebd.)

Mitglied kann man frühestens ab dem 18. Lebensjahr werden, was oft entgegnet wird auf den Vorwurf, das Opus Dei ziehe Jugendliche in seinen Bann. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass die Jugendgruppen schon stark die Opus-Dei-Haltung verinnerlichen und so auch schon früh Jugendliche beeinflussen. Wer mit 18 Jahren dem Opus Dei beitreten will, kann ab dem 16. Lebensjahr einen Antrag auf Zulassung stellen. Dann vergehen im Minimum eineinhalb Jahre, bis das Neumitglied einen Beitrittsvertrag auf ein Jahr abschliessen kann. Einjahresverträge werden mindestens fünf Mal wiederholt, können aber auch länger beibehalten werden, wenn das Neumitglied sich noch nicht definitiv für einen Beitritt entscheiden will. Die endgültige Eingliederung in die Prälatur erfolgt via Vertrag und nicht via ein Gelübde. Wer einen solchen Vertrag wieder lösen will, muss eine Dispens vom Prälaten erlangen.

Als Mitglied im Opus Dei ist der Tagesablauf klar strukturiert. Am frühen Morgen, die Stirn auf den Fussboden gesenkt, soll "serviam" ("ich will dienen") gesprochen und verinnerlicht werden. Täglich wird auch die Heilige Messe besucht und in der Bibel (v.a. NT) oder in einem anderen geistlichen Buch, z.B. von Escrivá, Theresa von Avila oder Katharina von Siena gelesen. Gewissenserforschungen, Gebete und Opferung der Arbeit für Gott prägen den Tag. Zwei Stunden täglich wird der Bussgürtel getragen (s.u.) und wöchentlich soll man sich geisseln. Auch die Beichte hat einen hohen Stellenwert: Jede Woche geht man zur Beichte, und zusätzlich stehen periodisch Aussprachen und Unterweisungen mit einem Seelsorger an. Am monatlichen Einkehrtag ("retiro mensual") werden Vorträge gehört und Meditationen gemacht. Für private, individuelle Bedürfnisse scheint bei diesem Pflichtenheft kaum mehr Freiraum zu bleiben, was aber auch im Sinne des Opus Dei geschieht, das ein Leben fördern will, das ganz für Gott und die Nächsten gelebt wird.

"Der Weg" - ein harter Weg
Ursprünglich 1934 in kleinerem Umfang veröffentlicht unter dem Titel "Consideraciones espirituales" hat Escrivá seine Aphorismen in einer erweiterterten und definitiven Fassung 1939 als "Der Weg" herausgebracht. Das Buch ist mit seinen 293 Auflagen in 41 Sprachen mit 4 Millionen Exemplaren ein wahrer Bestseller, was insofern wenig erstaunt, als es wohl das bekannteste Werk des Opus Dei darstellt. So ist es auch in der Literaturliste der Überblicksbroschüre des Informationsbüros an erster Stelle aufgeführt. Wird da "Der Weg" "ein Betrachtungsbuch in kurzen, prägnanten, persönlich und direkt gehaltenen Aphorismen" (Informationsbüro: 20) genannt, das sich an ein allgemeines Publikum wende und konkrete Denkanstösse für das Gebet beinhalte, so nennt der renommierte Theologe Hans Urs von Balthasar das Buch eher ein "Sammelsurium von barschen, schroffen Marschbefehlen" (Mettner: 49). Tatsächlich ist Escrivás Sprache sehr militärisch und vertritt vielerorts ein Bild eines zürnenden, strafenden Gottes. Dies steht quer zu der Tatsache, dass das Opus Dei den Anspruch hat, die Botschaft eines liebenden Gottes zu verbreiten. Da ist im "Weg" z.B. zu lesen: "Vergiss nicht, was du bist...; ein Kehrrichteimer. Demütige dich: Weisst du nicht, dass du ein Eimer für Abfall bist?" (Der Weg: Nr. 592) Dass das Selbstvertrauen eines Menschen bei solcher Lektüre gewaltig zerrüttet werden kann, wenn nicht eine kritische Auseinandersetzung damit gefördert wird, kann wohl kaum bestritten werden. Tröstlich ist immerhin, dass uns SünderInnen stets von Neuem verziehen wird, aber wertlos sind wir allemal: "Wenn du dem Antrieb deines Herzens und den Aussagen deiner Vernunft entsprechend handelst, dann müsstest du dauernd mit dem Gesicht am Boden liegen, gekrümmt wie ein schmutziger, hässlicher, abscheulicher Wurm ... vor diesem Gott, der dich immer noch erträgt und erträgt." (Der Weg: Nr. 597) Die ständige Betonung der Sünde durchzieht alle Lehren der Prälatur. Der einzige Weg, der uns zum Seelenheil führen kann, ist der absolute Gehorsam Gott gegenüber.

Zum Gehorsam gehort auch die Abtötung aller körperlichen Bedürfnisse. Nebst Fasten und sexueller Enthaltsamkeit - Sexualität ist auch für die SupernumerarierInnen tabu, es sei denn zur Zeugung eines Kindes - werden auch Methoden wie der Bussgürtel (ein Band mit nach innen gerichteten Dornen, das am Oberschenkel getragen wird) und die Geissel benutzt. Folgenden Zitate aus "Der Weg" sprechen für sich, wenn es darum geht, eine Antwort darauf zu finden, warum der Mensch sich solche Selbsverletzung zufügen soll:

"Wenn du begriffen hast, dass der Leib dein Feind ist und Feind der Verherrlichung Gottes, weil er deine Heiligung bedroht, warum fasst du ihn dann so weich an?" (Nr. 227)

"Wir adeln den Schmerz, wenn wir ihn an seinen richtigen Platz im Heilsplan des Geistes stellen: als Sühne." (Nr. 234)

Das Opus Dei sieht im Leiden des einzelnen Menschen aber nicht nur den Zweck der Abtötung der leiblichen Bedürfnisse, sondern auch einen Teil der Erlösung der ganzen Menschheit. Indem der einzelne freiwillig Leid auf sich nimmt, ist er am Erlösungswerk der Menschheit mitbeteiligt.

Der Weg zur Heiligkeit ist im Opus Dei ein steiniger. Escrivá bestimmt die Heiligkeit selber folgendermassen: "Die Ebene der Heiligkeit, die der Herr von uns fordert, wird durch drei Punkte bestimmt: heilige Unnachgiebigkeit, heiliger Zwang, heilige Unverschämtheit." (Der Weg: Nr. 387) Um unter solchem Zwang nicht aufzumucksen, muss jegliche Individualität abgelegt werden. Mündige, erwachsene Menschen haben im Opus Dei keinen Platz. "Suche nicht, ein Erwachsener zu sein. - Kind, immer Kind, auch wenn du vor Alter umfällst. (...)" (Der Weg: Nr. 870) "Was Escrivá unter dem Deckmantel Gottes fordert, ist die infantile Abhängigkeit verschüchterter Kinder, die das eigene Ich aufgeben: das Recht, selbst zu denken, zu wollen, zu fühlen; die Möglichkeit, in ein eigenes Leben aufzubrechen, mit all seinen Irrtümern, Experimenten und Fehlern; (...)." (Mettner: 237) Das eigene Denken verliert an Kraft, wenn die meiste Zeit damit verbracht wird, sich mit demselben Gedankengut auseinanderzusetzen und der Tagesablauf kaum Freiheit lässt, sich anderen Dingen als der gottgeweihten Arbeit und dem Opus Dei zu widmen. Auf jeden Fall ist unter unmündigen, sich unterwerfenden Menschen kein grosser Pluralismus zu erwarten, obwohl auf der Opus-Dei-Homepage zu lesen ist, dass die persönliche Freiheit gefördert werde, was zur Folge habe, "dass eine Pluralität von Meinungen im Opus Dei nicht nur toleriert, sondern als Zeichen guten Geistes begrüsst wird." (Homepage: C. a) 18)

Welches Gewicht die Lektüre dieses problematischen Buches im Opus Dei hat und ob und in welcher Weise eine kritische Diskussion darüber stattfindet, ist als aussenstehende Person schwer zu beurteilen. Der Informationsbeauftragte des Opus Dei betont auf jeden Fall, dass "Der Weg" ein Buch sei, das nur auf dem Hintergrund der Spiritualität des Opus Dei verstanden werden könne. Die "Aphorismen" seien gewollt provokativ formuliert und nicht eins zu eins zu verstehen. So habe auch Hans Urs von Balthasar seine kritischen Äusserungen später relativiert, nachdem er erfahren habe, dass das Opus Dei dieses Buch nicht kommentarlos zur Lektüre abgebe. Zu hoffen ist auf jeden Fall, dass sich die Leitung der Prälatur kritisch und distanziert mit diesem Werk auseinandersetzt. Es gibt aber schon zu denken, dass in der Informationsbroschüre kommentarlos geschrieben steht, das Buch gehöre zu den "Klassikern der geistlichen Literatur" (Informationsbüro: 20).

6. Kritische Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist das Opus Dei sowohl in den Medien als auch innerkirchlich vermehrt unter Beschuss geraten. Wähnen sich Opus-Mitglieder einer üblen Hetzkampagne ausgeliefert und attackiert von ungerechtfertigten Vorwürfen, so sprechen Gegner der Prälatur von Mafia-ähnlichen Strukturen, Verschleierung der Tatsachen und Fundamentalismus. Ein Dialog ist leider zunehmend schwierig geworden.

Innerhalb der katholischen Kirche wird dem Opus Dei oft vorgeworfen, nur einen Teil des II. Vatikanischen Konzils zu realisieren. Das Konzil (1962 - 1965) hinterliess in vielen KatholikInnen die Hoffnung auf eine modernere, weltzugewandte Kirche. Die kircheninterne Rolle der Laien sollte gestärkt, die Ökumene gefördert und die restriktive, strenge Moral modernisiert werden. Das Opus Dei bezieht sich mit der Personalprälatur - einer Rechtsform, die aus dem II. Vatikanischen Konzil hervorgegangen ist - zwar auf die Aufwertung der Laien in der Kirche, aber der ökumenische Dialog scheint nur vordergründig stattzufinden, denn Nicht-KatholikInnen können zwar ins Opus Dei aufgenommen werden aber nur als MitarbeiterInnen, welche die Prälatur lediglich mit Gebet und Finanzen unterstützen dürfen. Was die strengen moralischen Regeln anbelangt, so werden diese in den Medien oft stark kritisiert. Es muss allerdings angefügt werden, dass das Opus Dei in dieser Beziehung ganz die Linie des jetzigen Papstes vertritt (vgl. Enzyklika "Veritatis splendor", 1993). Hier setzt wohl auch die heikelste Diskussion um das Opus Dei ein: Unter der Protektion des Papstes hat die Prälatur eine hohe Legitimation innerhalb der römisch katholischen Kirche, und auf jede Kritik wird sie entgegnen, dass der Vatikan vollumfänglich hinter ihr stehe. Wie gross dabei der Einfluss des Opus Dei auf den jetzigen Papst ist, kann nicht vollumfänglich beurteilt werden. Fest steht aber, dass viele leitende Positionen im Vatikan von Opus-Dei-Mitgliedern besetzt werden, insofern eine Beeinflussung also gar nicht verhindert werden kann.

Wenn dem Opus Dei der Vorwurf gemacht wird, es würde sektenähnliche Strukturen aufweisen, so werden damit meist der Personenkult um Escrivá, die Unterdrückung von interner Kritik, Abschottung der Mitglieder von ihrem bisherigen Umfeld und das Diktat, wie die Mitglieder ihr Alltagsleben zu gestalten haben, gemeint. Dem Personenkult um Escrivá dienlich ist natürlich das Heiligsprechungsverfahren, das bereits sechs Jahre nach dessen Tod eingeleitet wurde. Gegner des Opus Dei behaupten, kritische Stimmen seien damals radikal ausgeschaltet worden, um das Verfahren möglichst schnell und ohne Zweifel durchführen zu können (vgl. Mettner: 46). Interne Kritik zu üben ist damit natürlich auch erschwert, denn wer will schon an den Worten eines Heiligen zweifeln? Und da der Gründer sich von Gott berufen glaubte, das Opus Dei ins Leben zu rufen, scheint das Werk quasi gottgewollt zu sein, was eine Kritik zusätzlich erschwert.

Kritik wird dem Opus Dei gegenüber oft auch entgegengebracht, was die Schweigepflicht anbelangt. Obwohl die Informationsbüros der Prälatur behaupten, die Mitglieder sprechen frei und offen über ihre Zugehörigkeit, ist "Der Weg" voller Ermahnungen zur "Diskretion". So ist auch unklar, wieviele Mitglieder das Opus Dei tatsächlich aufweist, und oft wird erst bei Schwierigkeiten oder nach einem Todesfall die Mitgliedschaft eines Pfarrers oder eines hohen Würdenträgers in Rom bekannt.

Ebenfalls ungern geredet wird über die Vergangenheit der Prälatur. Man wirft ihr vor, während des Spanischen Bürgerkrieges eng mit Francos Regime kollaboriert zu haben. Wieviel davon sich bewahrheitet ist unklar, sicher aber ist, dass das Opus Dei kein Freund demokratischer Strukturen ist und gerne wohlhabende, einflussreiche Persönlichkeiten, die politisch rechts stehen, für sich gewinnt.

Was auch immer an Kritik zutrifft und was nicht - wünschenswert wäre auf jeden Fall ein transparenterer Dialog auf beiden Seiten, damit die römisch katholische Kirche als ein Haus mit offenem Portal für verschiedene Ideen engagiert den Schwierigkeiten der heutigen Zeit begegnen kann.

7. Statistik und Adressen
Weltweit ca. 80'000 Mitglieder, davon etwa 1'600 Priester. Mitglieder in der Schweiz: ca. 250.

Adressen der Informationsbüros:

Restelbergstrasse 16, 8044 Zürich/Linnéplatz 3, A-1190 Wien/Stadtwaldgürtel 71, D-50935 Köln

Internet:

http://www.opusdei.org

Zeitschrift:

Romana, erscheint halbjährlich.

8. Bibliographie
- Escrivá de Balaguer, Josemaría: Der Weg. Köln 1983.

- Informationsbüro der Prälatur Opus Dei in der Schweiz (Hrsg.): Die Personalprälatur Opus Dei im Überblick. Zürich 1995.

- Kienzler, Klaus: Der religiöse Fundamentalismus. Christentum- Judentum - Islam. (= C. H. Beck Wissen 2031). München 1996.

- König, Franz: Über das Opus Dei. (= Antworten. Schriften der Karlskirche. Heft 2). Wien 1989.

- Mettner, Matthias: Die katholische Mafia. Kirchliche Geheimbünde greifen nach der Macht. München 1995. (1.Aufl. 1993)

- Müller, Beat L.: Christsein in der Welt. Zur Entstellung des Opus Dei in der Schrift "Das Paradies kann warten". Zürich 1995.

- Paulus-Akademie (Hrsg.): Opus Dei - Stosstrupp Gottes oder "Heilige Mafia"? Zürich 1992.

- Pestalozzianum Zürich (Hrsg:): Das Paradies kann warten. Gruppierungen mit totalitärer Tendenz. Zürich 1992.

Infostelle 1998
Letzte Aenderung 1998, © Infostelle 1998, 2000
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