In den achtziger Jahren ist innerhalb der reformierten
Kirchgemeinde Winterthur-Seen unter der Leitung von Pfarrer Geri und
seiner Frau Lilo Keller eine Mitarbeiterschaft mit Gebets- und
Hauskreis-zellen herangewachsen, deren seelsorgerliche Dienste immer
mehr nach aussen wirkten. Weil die zunehmenden auswärtigen
Verpflichtungen sich nicht mehr mit dem normalen Gemeindepfarramt
zusammenbringen liessen, traten Geri und Lilo Keller aus dem
Pfarrdienst aus. Um die neue überregional und
übergemeindlich ausgerichtete Aufgabe organisieren und personell
unterstützen zu können, wurde die gemeinnützige
Stiftung Schleife mit Sitz in Winterthur gegründet (die
Gesamtleitung liegt bei Geri und Lilo Keller). Der Name
«Schleife» stammt vom gleichnamigen Fabrikareal in
Winterthur, in dem die Stiftung seit Februar 1993 Räumlichkeiten
gemietet und umgebaut hat. Die Stiftung Schleife will kirchliche
Gemeinden aller Denominationen, christliche Werke sowie andere
Gruppierungen fördern und unterstützen. Sie schafft
dafür gottesdienstliche, seelsorgerliche und schulische
Angebote.
Die Stiftung Schleife will in erster Linie ein Ort des Gebets sein.
Regelmässig beten verschiedene Gruppen für Anliegen mit
unterschiedlichen Schwerpunkten. Verantwortungsträger wie
Pfarrer, Pfarrerinnen, Pastoren und Prediger mit ihren Ehepartnern
treffen sich zu regelmässigem Gebet, zu Zurüstung und
Austausch. Auch Seelsorge wird in der Schleife in begrenztem Rahmen
angeboten.
Zu den Angeboten der Stiftung Schleife gehören:
- Der überkonfessionelle Reithalle-Gottesdienst mit
vorangehendem prophetischem Gebet, welcher einmal im Monat
stattfindet. (Im Reithalle-Gottesdienst arbeiten Menschen aus 80
Denominationen mit, die sich theologisch allerdings nicht gross
unterscheiden.) Daneben gibt es wöchentlich, jeweils dienstags,
Erweckungsgottesdienste in der Schleife.
- Seminare und Schulen. Die Stiftung Schleife führt Seminare
durch zu Themen wie Seelsorge, "Freisetzung von Mitarbeitern" (sprich
Mitarbeiteraquisation) Leiterschaft, Lobpreis, Prophetie,
Fürbitte und anderen. Neu ist eine Schule für
Versöhnung und Prophetie.
- Mit Konferenzen will die Stiftung Schleife schliesslich wichtige
Anliegen im Reiche Gottes thematisieren.
Die Stiftung Schleife will ein aktives, mündiges Christentum
fördern. Christinnen und Christen sollen zur Mitarbeit am Reich
Gottes, wie Gottesdienst und seelsorgerlichen Diensten (Ideal des
allgemeinen Priestertums) ermutigt werden. Dies geschieht zum
Beispiel in der Schule für Versöhnung und Prophetie. Wobei
unter Prophetie "den Dienst der Propheten: Menschen zu Gott
zu(rück) zu bringen und sie mit ihm zu versöhnen,
verstanden wird. Es geht dabei auch um die Ausbildung von
"seelsorgerlichen" Kompetenzen, wie Ermutigung, Trost und Ermahnung.
Gesucht werde weniger das Spektakuläre (das zwar auch vorkommt)
als vielmehr das, womit ich für andere Menschen da sein kann (in
diesem Sinne könnte man von einem Ideal eines allgemeinen
Prophententums reden). Lernziel der Schule ist es, Gottes Wort,
Willen und Absichten zu erfahren, besser zu verstehen und im Leben
anzuwenden sowie auch Gottes Wort anderen Menschen zu vermitteln.
Angewandt wird das gelernte z.B. im prophetischen Gebet. Im
prophetischen Gebet geben drei Leute während fünfzehn
Minuten einem anderen Menschen Worte, verstanden als Trost,
Ermutigung und Auferbauung, weiter, von denen sie glauben, dass sie
Gottes Anliegen für diesen Menschen sind. Die drei prophetisch
Sprechenden verstehen sich dabei nicht als Sprachrohre Gottes, die
unfehlbare Wahrheiten weitergeben, vielmehr wird vorausgesetzt, dass
sich die Empfängerinnen und Empfänger der Botschaft, der
Chancen und Grenzen einer solchen prophetischen Botschaft bewusst
sind und diese (nach 1Thess 5,21) prüfen (1).
Für Entscheidungen, die Menschen aufgrund ihrer Eindrücke
eines solchen prophetischen Gebetes machen, wird denn auch keine
Haftung übernommen (2).
Die Stiftung will keine eigene Gemeinde sein, die andere
konkurrenziert,, sondern übergemeindlich wirken und anderen
Gemeinden dienen; Geri Keller selbst will sich als Landeskirchler
verstehen. Die theologische Ausrichtung der Schleife-Angebote steht
aber derjenigen der Neocharismatischen Bewegungen in vielem nahe
(3) und hat von dort auch einiges übernommen.
Geri Keller war selber 1994 in Toronto (Toronto-Segen). Allerdings
sollen ihn nach eigenen Angaben weniger die ekstatischen
Phänomene beeindruckt haben, sondern mehr der dort ganzheitlich
gelebte Glaube. Mit dem Postulat der Ganzheitlichkeit verbunden ist
eine eher pragmatische Ausrichtung der Angebote (Schulung zum
praktischen Dienst in der Gemeinde und in der Welt). Theologische
Reflexion ist hingegen weniger wichtig, so hat die Stiftung Schleife
denn auch kein Glaubensbekenntnis.
Als charakteristisches neocharismatisches Merkmal ist etwa Länge
und Inhalt der Anbetungszeit zu nennen. Die Lieder haben meistens
einen einfachen eingängigen Text (4), der sich
durch die vielfache Wiederholung wie eine Werbebotschaft im
Bewusstsein festsetzt. Daneben gibt es auch Lieder für die
Geistliche Kriegführung. In den Liedern wird vor allem Gottes
Macht, Ehre und Herrlichkeit betont (Theologia gloriae). Die Welt
wird als Ort des Kampfes zwischen den Mächten der Finsternis und
Gott gesehen, in welchen Christinnen und Christen durch Gebet, Lieder
und Proklamationen (5) einzugreifen hätten.
Weil diese Mächte auch die Menschen angreifen können, ist
auch der Befreiungsdienst nötig und ebenso das Lossagen vom
Teufel für die neu zum Glauben bekehrten. Zu Manifestationen des
Heiligen Geistes ist es beim Besuch des Reithalle-Gottesdienstes des
Verf. nicht gekommen Auch die sog. Geistesgaben haben nicht einen so
hohen Stellenwert. So gibt es keinen Gabentest, wie etwa in anderen
Gemeinden mit ähnlicher Ausrichtung. Beim Heilungsgebet sei
weniger die Suche nach spektakulärem Erfolg als die Zuwendung
aus Liebe massgebend. Man will auch offen sein dafür, wenn Gott
nicht heilen will und Fragen und Krisen der Menschen im Gebet und in
der Seelsorge auffangen. Im Gottesdienst jedoch, (auch in den
dazugehörenden Glaubenszeunissen) haben aber nur die positiven
Erlebnisse Platz (6).
Die Zielsetzung eines aktiven und mündigen Christseins ist lobenswert. Ob aber Schulungen in "Prophetie" oder Lobpreis dazu führen, ist eine Frage, über die man sich streiten kann. Von problematischen Selbstdarstellungen will man sich aber klar abgrenzen. Prophetie, Heilungs- und Befreiungsdienst sollen laut Auskunft (7) keine Sensationen, sondern Liebesdienst am Nächsten sein. Das Engagement der Schleife-Leute ist denn auch gross. Um Nächstenliebe, Zuwendung und seelsorgerliche Begleitung vermehrt ins Zentrum zu rücken, wäre es allerdings sinnvoll, weniger sensationelle Namen und Konzeptionen zu gebrauchen. Die ständige Betonung des Kampfes zwischen den Mächten der Finsternis und Gott ist nicht unproblematisch. Damit ist ein Schwarz-Weiss-Denken verbunden, das leicht einmal zu Intoleranz führen kann. Wer hinter allem, was als böse bzw. widerwärtig erfahren wird, den Teufel vermutet, den man bekämpfen muss, schottet sich gerne auch von wohlwollender Kritik ab und ist oft wenig bereit auf andere Sichtweisen einzugehen. Theologisch gibt die Dominanz der Theologia gloriae zu denken.
Statistik: 1 Stiftung, 800-1200 Besucher
Zeitschrift: Prophetisches Bulletin
Adresse: Stiftung Schleife, Pflanzschulstr. 17, CH-8411 Winterthur,
052 233 60 80
Internet: www.schleife.ch
1. Telefonische Auskunft gegenüber dem Verf.
vom 2.4.01
2. Quelle: Internetseite der Stiftung Schleife
3. Auf der Schleife-Homepage findet sich unter dem
Titel "Befreundete Werke und Institutionen" nur ein Link zum Verlag
Morning Star, dessen Leiter Rick Joyner aus der neocharismatischen
Prophetenbewegung kommt. Im Schleife Verlag erscheinen auch Rick
Joyners Bücher.
4. Geri Keller spricht von Headlines, die sich an
Menschen von der Strasse richten und daher verständlich sein
sollen. Gleichzeitig werden aber dogmatisch schwierige Begriffe, wie
"das Blut des Lammes" gebraucht, die eine gewisse "theologische"
Kenntnis voraussetzen. Siehe dazu den vom Verf. besuchten
Reithalle-Gottesdienst.
5. Die Gemeinde Jesu habe die Autorität, die Macht
und Herrschaft Jesu vor der sichtbaren und unsichtbaren Welt
anzusagen. Dabei seien sie sich aber bewusst, dass Gott nicht
manipulierbar sei. (Geri Keller telephonisch gegenüber dem Verf.
am 3.4 01.
6. David Schneider meint dazu, dass man Negatives im
Alltag schon genug höre und man daher im Gottesdienst bewusst
ermutigen wolle.
7. Ob hier charismatische Phänomene gegenüber
einem "kritischen Landeskirchler" abgeschwächt worden sind,
wäre noch zu prüfen.
Christian Metzenthin, 2001
zur Uebersicht Stiftung Schleife
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