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  Die Sichtweise eines aktiven Scientologen
Interview mit Jürg Stettler, Pressesprecher von Scientology Zürich
1 Gründer und Leiter

Frage: Welche Bedeutung hat L. Ron Hubbard für heutige Scientologen?

Stettler: Er ist der Gründer der Religion. Er wird von vielen Scientologen als aussergewöhnliche Persönlichkeit angesehen, der mit seiner Lehre von Scientology und Dianetik Wege zur spirituellen Entfaltung gezeigt hat.

Frage: Jeder Mensch hat seine starken und seine schwachen Seiten. Wo sehen Sie die grössten Stärken bei L. Ron Hubbard, wo seine grössten Schwächen?

Stettler: Hubbard hat immer selber geforscht und dabei auch Autoritäten hinterfragt. Eine seiner wichtigsten Thesen war, dass nur das wahr ist, was man selber beobachtet hat. Insofern hat er seine eigene Integrität aufrechterhalten und sich nicht den Meinungen anderer angepasst. Er hatte sicher sehr viele geniale Eigenschaften.
Wie jeder von uns war Hubbard auch nur Mensch und sicher nicht unfehlbar oder "heilig".

Frage: Wenn Hubbard für Scientology nicht als unfehlbar gilt, wo hat er dann gefehlt? Wo wurde L. Ron Hubbard z.B. von der heutigen Scientology korrigiert? Gibt es dafür ein Beispiel? Oder handelt es sich um eine hypothetische Unfehlbarkeit - so wie es ein Anthroposophe mir gegenüber mal bezüglich Rudolf Steiner ausgedrückt hat: Steiner hätte durchaus irren können, er hat aber nicht.

Stettler: In seinen Schriften finden sich verschiedentlich Hinweise darüber, dass er sich geirrt hatte oder dass neue Informationen zu anderen Schlüssen geführt haben.
Die Texte von Hubbard werden von der heutigen Scientology nicht umgeschrieben, sondern z.T. vielleicht anders gewichtet.

Frage: Ist Hubbard als Mensch, der sich nicht an die Meinungen anderer angepasst hat, ein Vorbild für heutige Scientologen? Oder müssen diese sich nicht vielmehr an die Meinung Hubbards anpassen, wenn sie Scientologen bleiben wollen?

Stettler: Die These dass nur das für einen wahr ist was man selber beobachtet hat, gilt für jeden Scientologen und soll von diesen auch bei den Aussagen Hubbards angewendet werden. Selbst Hubbard hat in seinen Vorträgen immer wieder darauf hingewiesen.

Frage: Als "strong man" der Scientology gilt heute David Miscavige. Wie ist das Verhältnis heutiger Scientologen zu Miscavige?

Stettler: David Miscavige ist der Vorsitzende des Religious Technology Centers. Die Scientologen achten ihn in dieser Funktion und sehen dass er eine grosse Persönlichkeit ist, die energisch und zielgerichtet arbeitet und dabei auch die menschlichen Kontakte im Umgang mit seiner Umgebung betont.
Er ist ganz sicher ein moderner "Leader", dem von den Scientologen Hochachtung entgegengebracht wird.

Frage: Wo sehen Sie die Stärken Miscaviges? Wo sind sie mit David Miscavige nicht einverstanden?

Stettler: Siehe oben. Ich wüsste nicht wo es grundsätzliche Punkte gäbe, mit denen ich nicht einverstanden wäre.

2 Scientology: Religion, Kirche, Sekte, Konzern?

2.1 Religion?

Frage: Scientology will - um jeden Preis, wie es scheint - Religion sein. Weshalb?

Stettler: Wenn über 30 Religionsexperten, die Scientology studiert haben, und dann einstimmig zum Schluss kommen dass Scientology eine Religion ist und religiöse Ziele verfolgt, so ist dies einfach eine Bestätigung von Tatsachen.
Insofern bestehen wir einfach darauf dass diese Tatsachen zur Kenntnis genommen werden.

Frage: Scientology will doch nicht bloss deshalb eine Religion sein, weil rund 30 der weltweit Tausenden von Religionswissenschaftlern Scientology für eine Religion halten. Da steht doch zweifellos ein eigenes, inneres Anliegen am Anfang?

Stettler: Selbstverständlich. Wenn sich jemand intensiver mit Scientology befasst so sieht er bald den religiösen Charakter dieser Gemeinschaft und der Lehren.

Frage: L. Ron Hubbard hat selbst erklärt, dass er mit dem Anspruch der Scientology, Religion zu sein, finanzielle und gesellschaftliche Vorteile im Auge hat. Wie soll man da religiöse Absichten noch ernst nehmen?

Stettler: Diese angeblichen Aussagen wurden entweder misinterprätiert, aus dem Zusammenhang zitiert oder stammen von Quellen die nicht über alle Zweifel erhaben sind. Inzwischen hat sich hundertfach gezeigt, dass Scientology objektiv eine Religion ist und in immer mehr Ländern als solche anerkannt ist.

Frage: Es gibt keine in der Religionswissenschaft allgemein anerkannte, geschweige denn eine "objektive" Definition von Religion. Was meinen Sie damit? In welchem Sinn ist Scientology für Sie Religion?

Stettler: Scientology befasst sich mit Fragen, die in jeder Religion aufgegriffen werden (wer bin ich, wohin gehe ich, was ist der Sinn des Lebens, was geschieht nach dem Tod, was ist meine Beziehung zu Gott usw), insofern lässt sich Scientology gar nicht anders einordnen.

Frage: Seit wann beansprucht L. Ron Hubbard für die Scientology den Status als Religion?

Stettler: L. Ron Hubbard hat schon in den frühen 50er Jahren erkannt, dass es eine unsterbliche geistige Identität gibt und dass es eben auch frühere Leben gibt. Es gibt dazu zahlreiche Texte aus diesen Jahren, die diese Entwicklung aufzeigen und wo Hubbard bestätigt, dass Scientology eine Religion ist. Hubbard war ein Forscher. Die Entwicklung zur Religion lässt sich in seinen Schriften sehr gut nachvollziehen.

Frage: Wann hat Hubbard das erste Mal Scientology-Rituale entworfen und wie ausführlich waren die?

Stettler Die ersten Scientology Rituale (Taufe, Hochzeit, Beerdigung) stammen aus der Mitte der 50er Jahre. So existiert eine Tonbandaufzeichnung einer Namensgebungszeremonie aus dem Jahre 1957. Die Details der Zeremonien wurden etwas später im Buch "Hintergründe und Zeremonien" zusammengefasst.

Frage: Was ist an diesen Ritualen religiös? Feierliche Trauungen macht auch das Standesamt, Namensgebungsrirtuale gibt?s bei den Pfadfindern, Vorträge am Sonntag bei diversen Vereinen ? all dies ist nicht religiös. Was macht die Rituale Hubbards religiös?

Stettler: Ich verweise hier auf die Zeremonien und die dabei benutzten Texte, die zeigen, dass sie sich ans geistige Wesen wenden.
Auch die Sonntagsandachten setzen sich mit spirituellen Fragen, der Beziehung zu Gott, seinen Mitmenschen etc auseinander.
So führt die Scientology Kirche auch regelmässig gemeinsame Andachten mit anderen Religionen durch.

Frage: Können Sie die Vorstellung des von ihnen genannten Geistigen Wesens in diesen ersten, von Hubbard entworfenen Ritualen noch etwas präzisieren?

Stettler: Die Existenz eines höchsten Wesens wird in diesen Zeremonien als Tatsache festgehalten...es wird aber jedem einzelnen selber überlassen, seine eigene Beziehung zu diesem höchsten Wesen zu finden.
Dass der Mensch selber ein geistiges, unsterbliches Wesen ist, ist ein Grundbestandteil der Lehre von Scientology...ist aber auch nicht nur In Scientology zu finden.

Frage: Nehmen die Rituale Bezug auf die Transzendenz - auf ein höheres Wesen oder auf ein höheres Ziel im Sinne des buddhistischen Nirvana?

Stettler: Wenn man das Glaubensbekenntnis der Scientology Kirche liest, das integrierender Bestandteil jeder dieser Rituale ist so sieht man dass ein höchstes Wesen aber auch das Spirituelle Grundbestandteil dieser Zeremonien sind.

Frage: In den Neunzigerjahren konnte man in der Schweiz Scientology-Werbern begegnen, die religionskritischen Menschen gegenüber den Anspruch der Scientology, Religion zu sein, verniedlicht oder gar bestritten haben. Wie sieht das heute aus?

Stettler: Es ist ganz klar dass jeder Scientologe weiss, dass Scientology eine Religion ist. So wird auch jedem Interessenten ein Film "Orientierung" gezeigt, in dem das Religiöse im Detail vorgestellt wird. Auch auf den Einschreibeformularen, mit denen ein Kursbesuch beantragt wird, unterschreibt der Interessent dass er zur Kenntnis genommen hat, dass Scientology ihm als Religion vorgestellt wurde.
Insofern können diese Beispiele früher nur Einzelfälle gewesen sein.

Frage: Der Soul-Sänger Isaac Hayes, der dem "Chef" bei der Fernsehserie "South Park" die Stimme gab und wegen einer Satire über Scientology aus eben dieser Serie ausstieg - vorangegangene Satiren über Christentum, Judentum, Mormonentum und Islam hatten Hayes nicht gestört - meint zu seinem Einsatz zur Verbreitung der Scientology-Studiertechnologie in benachteiligten Innenstadt-Schulen in den USA: "It's not religious." Hayes scheint damit einer der Einzelfälle zu sein?

Stettler: Tatsache ist, dass verschiedene Methoden innerhalb der Scientology sich auch im säkularen Leben anwenden lassen. Wenn also z.B. in der Scientology eine Methode existiert wie man effektiver studieren kann und wie man beim Studium der Lehren Hubbards besser vorankommt, so lässt sich diese Methode auch auf andere Wissensgebiete anwenden und dann ist die Methode in diesem Zusammenhang eben nicht religiös.
Ein etwas profaner Vergleich: Wenn man in der Kirche das Abendmahl einnimmt und dabei Traubensaft trinkt, so besteht hier ein religiöser Bezug.
Wenn ich aber im Gasthaus einen Traubensaft bestelle, so kann ich diesen auch ohne religiöse Gefühle trinken.

Frage: Gibt es heute noch Länder, in denen Scientology den Anspruch, Religion zu sein, gar nicht oder nicht mit derselben Vehemenz vertritt wie z.B. in den USA?

Stettler: Scientology konstituiert sich überall als Religion. Selbstverständlich gibt es einige Ländern die schon fast monotheistisch ausgerichtet sind und in denen die lokalen Regeln über den Auftritt als Minderheits-Religion eingehalten werden, wobei der religiöse Status immer beibehalten wird.

Frage: Wie sieht die Situation in Griechenland aus, wo Scientology in den Neunzigern als "Zentrum für angewandte Philosophie", nicht aber als "Kirche" auftrat?

Stettler: Scientology ist in Griechenland seit vielen Jahren als Kirche und somit religiöse Gemeinschaft konstituiert was man auch in ihren Statuten sehen kann. Auch zuvor war der religiöse Bezug in den Statuten zu finden.

Frage: Was empfinden Sie selbst als das besonders Religiöse an Scientology?

Stettler: Wir gehen davon aus, dass der Mensch ein unsterbliches geistiges Wesen ist, entsprechend gibt es auch eine Wiederverkörperung. Wir gehen davon aus dass es ein höchstes Wesen gibt. Insofern werden auch die wichtigen Fragen jeder religion beantwortet: Wer sind wir, woher kommen wir, wohin gehen wir?

Frage: Wo spielt das Religiöse an Scientology in Ihrem Leben eine Rolle? Wo nehmen Sie auf die Transzendenz (ein höheres Wesen oder ein höheres Ziel im Sinne des buddhistischen Nirvana) Bezug?

Stettler: Mit dem Wissen dass man ein unsterbliches geistiges Wesen ist geht man natürlich an viele Probleme des Lebens ganz anders heran und bezieht das Spirituelle in den Alltag mit ein. Man strebt nach höherem Bewusstsein und sieht auch in seinem Mitmenschen das Spirituelle. Auch die Einstellung zum Tod ändert sich entsprechend.
Das Leben als solches hat mit Religion zu tun.

2.2 Kirche?

Frage: Im Gegensatz zum englischen Wort "church" meint das deutsche Wort "Kirche" in aller Regel eine christliche Gemeinschaft. Weshalb täuscht die Scientology im deutschen Sprachraum durch die Verwendung dieses Begriffs Christlichkeit vor?

Stettler: Das Wort "church" lässt sich nur mit "Kirche" übersetzen. Das Wort "Kirche" ist tatsächlich vor allem von christlichen Gemeinschaften besetzt, aber nicht ausschliesslich. Insofern müssen wir auch immer wieder auf den Unterschied hinweisen. Ganz abgesehen davon ist es eine Tatsache, dass der Gebrauch dieses Worten nicht unbedingt von Vorteil ist, haben doch die etablierten Religionsgemeinschaften diesem Begriff nicht unbedingt einen positiven Klang gegeben.

Frage: Wenn der Begriff Kirche so negativ besetzt ist - das Faktum, dass er auch von Scientology verwendet wird, ist angesichts des eher mässigen Prestiges der Scientology in der Oeffentlichkeit vielleicht nicht unbedingt geeignet, das Image des Begriffs zu heben - und sich werbemässig ungünstig bemerkbar macht, warum wählt ihn Scientology dann? Warum nimmt sie nicht Uebertragungen wie "Gemeinschaft"?

Stettler: Auch unter Scientologen wird immer wieder mal diskutiert und vorgeschlagen den Begriff "Kirche" mit z.B. "Gemeinschaft" zu ersetzen.
Bisher wurde es aber nicht umgesetzt, sondern eher daran gearbeitet, dem bei einigen Menshen negativen Klang des Begriffs "Kirche" einen neutralen Klang zu geben.

2.3 Sekte / vereinnahmende Gemeinschaft?

Frage: Scientology gilt allgemein als recht typisches Beispiel einer Sekte / vereinnahmenden Gemeinschaft / konfliktträchtigen Organisation / Gruppierung mit totalitärer Tendenz. Können Sie das nachvollziehen?

Stettler: Das Wort "Sekte" wird ausschliesslich von Gegnern dieser Gruppen verwendet. Es dient der gesellschaftlichen Aechtung. Es müsste als Unwort des Jahrzehnts angeprangert werden.
Insofern haben auch "Sektenpfarrer" versucht, diesen Begriff mit ausschliesslich negativen Prädikaten zu kombinieren.
Das Wort hatte mal eine neutrale Definition.
Das Wort ist wohl eine der geschicktesten Wortmanipulationen der Neuzeit.

Frage: Wenn wir den Begriff der "Sekte" vermeiden, verschwindet das damit bezeichnete Problem noch nicht - ebensowenig wie eine Aechtung des Begriffs der "Krankheit" eine allgemeine Gesundung der Menschheit bewirken würde. Weil das Poblem fortbestünde, ergäbe sich zwangsläufig ein Ersatzbegriff. Formulieren wir also mit anderen Worten:
Scientology gilt allgemein als recht typisches Bespiel einer vereinnahmenden Gemeinschaft / konfliktträchtigen Organisation / Gruppierung mit totalitärer Tendenz. Können Sie das nachvollziehen?

Stettler: Auch andere Begriffe wie z.B. totalitär oder vereinnahmend wurden von Gegnern geprägt um auszugrenzen.
Nehmen wir das Wort totalitär: Genauso könnte man andere Organisationen als totalitär bezeichnen..aber redet jemals jemand von einem totalitären Fussballclub, dessen Präsident den Trainer von einem Tag auf den anderen auf die Strasse stellt, oder wo der Trainer einen verdienten Spieler gegen seinen Willen auf die Ersatzbank setzt?
Wieso ist es nötig mit derartigen Worten auszugrenzen? Wieso kann man nicht neutral von einer neuen religiösen Gemeinschaft sprechen, von mir aus auch "kontrovers"?

Frage: Gerade nichtkirchliche Sektenexperten sehen Scientology besonders kritisch, obwohl diese ja keine Angst vor allfälliger Konkurrenz haben können. Wie kommt das?

Stettler: Es gibt "Kritiker" und Kritiker". Die wenigen Fanatiker, die kein gutes Haar an diesen Gruppierungen, u.a. auch Scientology, lassen, können an einer Hand abgezählt werden. Jeder dieser Person hat seine eigene Geschichte und Motivation.
Konstruktive Kritik ist jedoch willkommen. Entsprechend sind wir immer mehr mit Kritikern, die nicht einfach nur schaden, sondern konstruktiv diskutieren wollen, im Dialog.

Frage: Kaum eine Organisation hat - im Verhältnis zur Mitgliederzahl - so viele Aussteigerberichte in Buchform produziert wie Scientology. Der Anteil unzufriedener Ex-Mitglieder scheint bei Scientology so hoch zu sein wie bei kaum einer anderen Organisation. Wo liegt der Grund?

Stettler: Niemand interessiert sich dafür, wenn ein ausgetretenes Mitglied der reformierten Kirche seinen Missmut mit seinem Pfarrer in Buchform verbreiten will. Scientology scheint entsprechend einfach aktueller zu sein. Ich kenne aber z.B. in der Schweiz nur eine einzige Person, die als Aussteiger gegen Scientology ein Buch verfasst hat und wer sich in der "Szene" auskennt merkt schnell dass einige wenige Aussteiger wie in einem Wanderzirkus herumgeboten werden, wobei sich auch dies in den letzten Jahren sehr gelegt hat.

Frage: Bei manchen sog. Sekten trifft Ihre Aussage vom Wanderzirkus der immer gleichen Aussteiger nicht schlecht, bei Scientology bezeichnenderweise aber eben gerade nicht (wer wäre denn Teil dieses Wanderzirkusses?) Zu Scientology treten im Gegenteil immer wieder neue Ehemalige auf, die ihre Erfahrungen publizieren. Eben ist im deutschen Sprachraum etwa der Bericht von Wilfried Handl erschienen.
Auch scheint die Debatte um Scientology weiterhin eher heftig geführt zu werden, vgl. die Diskussion um den Ausstieg von Isaac Hayes bei der Serie "South Park". Wie kommen Sie da zu Ihrer Einschätzung, dass sich die Debatte gelegt habe?

Stettler: Tatsache ist, dass ich in der Schweiz keine Aussteiger kenne, die in den letzten 10 Jahren die Scientology verliessen um dann Scientology öffentlich anzugreifen. In der Schweiz sind mir einzig zwei Personen bekannt, die ihre Erfahrungen in Buchform gefasst haben (Romandie inbegriffen).
Handl stammt aus Oesterreich, hat vor vielleicht 15 Jahren den letzten Scientology Kurs absolviert und seine Story ist extrem aufgebauscht.
Wenn sich die "Debatte" zu Scientology nur noch an Tom Cruise's Eheleben oder an Isaac Hayes's Stimme orientiert, dann zeigt dies dass die Debatte wirklich abgeflaut ist!

Frage: Gibt es Dinge / Situationen bei Scientology, wo Sie selbst Druck erleben und für Aussteiger, die von Scientology einen sektenhaften / vereinnahmenden Eindruck erhielten, ein gewisses Verständnis haben?

Stettler: In jeder Organisation gibt es Regeln, die eingehalten werden müssen um einen geregelten Betrieb zu gewährleisten. Ein Pfarrer muss am Sonntag um 9:30 auf der Kanzel stehen, könnte aber gleichzeitig den Druck der Kirche, die ihn zur Sonntagsarbeit zwingt, monieren. So kann man den "Druck" den man z.B. als Mitarbeiter hat, in irgendeiner anderen Organisation antreffen.
Ganz abgesehen davon dass ich meine Aufgabe als Mitarbeiter als Challenge empfinde, was sehr viel Spass machen kann.
Die Stories von Aussteigern sind z.T. masslos übertrieben. Man fühlt sich ab und zu an eine zerrüttete Ehe erinnert bei der am Partner kein guter Faden mehr gelassen wird.

Frage: Ein typisches Sektenmerkmal (oder, wenn man den Sektenbegriff vermeiden will, Merkmal einer vereinnahmenden Gemeinschaft) ist das Faktum, dass Mitglieder nicht in der Lage sind, Nachteile und negative Seiten der eigenen Organisation zu benennen. Wo sehen Sie die Nachteile und die Schattenseiten der Scientology?

Stettler: Ich weiss nicht wer dieses Kriterium erfunden hat. Selbstverständlich gibt es auch innerhalb der Scientology Situationen, die zu kritisieren sind, und dann aber meistens mit einzelnen Personen zu tun haben. Entsprechend gibt es dann auch die Möglichkeit Missstände anzuprangern, zu berichten und Lösungen vorzuschlagen.
So wurden auch innerhalb der Kirche immer wieder Situationen verbessert, die nicht optimal waren, wie z.B. Stundenplaneinteilungen, die Möglichkeit genügend Zeit mit der Familie zu verbringen etc.

Frage: Sehen Sie bei Scientology auch strukturelle Probleme, die über die banale Feststellung des "Schwarze-Schafe-gibt's-überall"-Arguments hinaus gehen?

Stettler: Grundsätzlich nicht, denn der Aufbau der Organisation ist sehr logisch und das Organigramm wird z.B. sogar von anderen Organisationen benutzt.

Frage: Muss nicht jede Organisation, die in die Jahre kommt, sich verändern, um mit der Zeit Schritt zu halten? Wie steht das bei Scientology aus? Oder ist Scientology perfekt für die Ewigkeit: Scientologia numquam reformanda?

Stettler: Sicher müssen Aspekte angepasst werden, wenn sich die Technik verbessert und neue Möglichkeiten offenstehen. Extrem formuliert: Niemand in Scientology würde auf den Einsatz von Computern verzichten nur weil L. Ron Hubbard zu seiner Zeit nicht damit gearbeitet hat und diese in seinen Schriften zur Organisation nicht erwähnt hat.
Die Methoden von Hubbard helfen vielen Leuten, es besteht entsprechend kein Grund hier was zu ändern.

2.4 Konzern?

Frage: Die Scientology-Organisation verrechnet für ihre wichtigste Tätigkeit, das Auditing, feste Preise. Diese Finanzierung ist für religiöse Gemeinschaften unüblich, bei Wirtschaftsbetrieben hingegen das Normale. Unter anderem aus diesem Grund kommen Kritiker zum Schluss, dass Scientology eher wie ein Konzern auftritt. Wie verbinden Sie diese konzernartige Struktur der Scientology mit ihrem Anspruch, Religion zu sein?

Stettler: Jeder Religion finanziert sich anders. Wenn wir wie andere Religionen 10% der Einnahmen unserer Mitglieder erbäten, wäre dies wahrscheinlich finanziell interessanter. Wir gehen von der Tatsache aus, dass man in irgendeiner Form für das was man erhält einen Austausch gibt, sei dies finanzieller Art oder durch Mithilfe.

Frage: Wie rechtfertigt Scientology die festen Preise für ihre wichtigsten Leistungen?

Stettler: Diese Beiträge wurden festgelegt um das Funktionieren der Organisation zu gewährlisten. Wir könnten die Kurse und Beratung gratis abgeben und auf Spenden hoffen...wer zahlt dann aber die Miete, den Strom etc?
Lassen Sie mal die Landeskirchen nur auf freiwillige Spenden vertrauen und sie müssten in kurzer Zeit Konkurs anmelden!

Frage: Wie verträgt sich diese Prophezeiung mit dem Faktum, dass in gewissen Kantonen seit Jahrzehnten keine Kirchensteuern mehr erhoben werden, ohne dass eine Landeskirche Konkurs gegangen wäre? Und belegen nicht diese, aber auch hunderte andere religiöse Organisationen, dass man Miete und Strom sehr wohl bezahlen kann, ohne den Mitgliedern feste Preise in Rechnung zu stellen?

Stettler: Wenn man z.B. liest wie die Landeskirchen in Basel ihre Unkosten abbauen, Stellen etc streichen müssen, so hat das sicher damit zu tun, dass es sogar mit Steuergeldern Pronbleme gibt. In anderen Kantonen, die keine Steuern eintreiben, müssen Pfarrer Nebenjobs annehmen oder sind auf andere Unterstützungsgelder angewiesen.

Frage: In Scientology sind steigende persönliche Statistiken der einzelnen Mitarbeitenden wichtig. Das passt sicher zu einem Wirtschaftsunternehmen, aber deutlich weniger zu einer Religion. Wie erklären Sie diese für religiöse Organisationen doch unübliche Eigenart?

Stettler: Es gibt viele Organisationen, auch gemeinnützige, die den Aktionen ihrer Mitarbeiter Statistiken zuweisen um den Fortschritt oder den Rückgang von Aktionen zu messen.

Frage: Welche?

Stettler: So z.B. die Zeugen Jehovas, jeder Sportverein (was ist denn z.B. eine 5. Liga Tabelle anders als eine Statistik), spendensammelnde Organisationen etc.

3 Scientology und das liebe Geld

Frage: Wofür bezahlen heute die einzelnen Scientology-Organisationen Lizenz- resp- Urheberrechtsgebühren und an wen?

Stettler: Die Scientology Kirchen zahlen keine Lizenzgebühren per se. Die Unterstützung höherer Kirchen (Zusendung von Materialien, Entsendung von Missionaren etc) wird entsprechend vergolten.

Frage: Wie finanziert sich das Religious Technology Centre RTC mit David Miscavige an der Spitze?

Stettler: Die Aktivitäten der internationalen Organisationen werden u.a. durch die Flag Organisation in Clearwater mitfinanziert.

Frage: Was heisst das?

Stettler: Details müsste man bei der IRS einsehen, da ja diese Organisationen alle steuerbefreit sind und so auch ihre Finanzen offen legen. Sie liegen mir hier nicht vor.

Frage: Was geschieht mit dem Geld, das Scientology Zürich einnimmt?

Stettler: Es wird für die normalen Ausgaben einer Organisation eingesetzt: Miete, Entgelte an Mitarbeiter, Telefon, Werbung etc.
Es reicht gerade um die wichtigsten Unkosten zu decken.

Frage: Ehemalige Scientologen berichten davon, zur Finanzierung von Scientology-Kursen zur Aufnahme von Krediten ermuntert oder gar gedrängt worden zu sein. Wie erklärt sich dieses Gebaren, das bei einer Religion doch unüblich ist?

Stettler: Es gab und gibt sicher Situationen, in denen Mitglieder extensive Studien absolvieren wollen und dazu ein Darlehen aufnehmen. Solange dies in ihren finanziellen Möglichkeiten liegt, sehen wir keinen Grund dies zu unterbinden, obwohl es nicht üblich ist.

Frage: Oefter ist zu hören, Scientology sei eine der "geldgeilsten" Gemeinschaften überhaupt. Was sagen Sie dazu?

Stettler: Wenn jemand die BIlanz und die Einnahmerechnung der Scientology Kirche sieht, so merkt er gleich dass er hier einer Ente aufgesessen ist. Es ist ein Vorwurf, der auch nach dem 1000sten Ableiern nicht wahrer wird.

Frage: L. Ron Hubbard hat mal geschrieben: ?Make Money, make more money?? Wie ist das zu verstehen?

Stettler: Dieses Zitat existiert tatsächlich, wurde von Hubbard in einem internen Schreiben an den Finanzbeauftragten der Kirche geschrieben mit Tipps was getan werden muss wenn eine Insolvenz droht. Liest man es im Zusammenhang macht es einen ganz anderen Sinn als man uns hier vorwerfen will.

Frage: Macht Ihre Erklärung das Zitat wirklich besser? Man stelle sich vor, eine evangelische Gemeinde steht vor der Illiquidität und der Pfarrer meint zur Kirchenpflege resp. zum Aeltestenrat: Macht Geld, macht mehr Geld, und sorgt dafür, dass andere Geld machen! Man würde dieser Gemeinde zu Recht vorwerfen, ihr sei das religiöse Anliegen verloren gegangen, sie sei zur Firma geworden. Ein solcher Satz gehört doch nie und nimmer, egal in welcher Situation und egal zu welchem Amtsinhaber gesprochen, in eine religiöse Organisation. Er passt nur in ein Wirtschaftsunternehmen.

Stettler: Da bin ich nicht ihrer Meinung, denn jede Organisation muss "Geld machen" um zu überleben. Ich bin sicher, auch in ihrer Kirche würde dem Finanzbeauftragten ans Herz gelegt zu sehen wie mit weiteren Geldquellen eine Insolvenz gelöst werden kann. Vielleicht mit einem anderen Wortlaut doch wenn man den ganzen Text von Hubbard im Zusammenhang liest dann macht es sehr Sinn!

4 Mitgliederzahl der Scientology in der Schweiz

Frage: Ehemalige Scientologen sagen aus, dass Scientology bezüglich der eigenen Mitgliederzahl schamlos übertriebene, phantastische Summen zu nennen pflege.
Nun haben Sie selbst in den Neunzigerjahren Scientology in der Tat mehrfach öffentlich als "die am stärksten wachsende Religion der Welt" bezeichnet, obwohl das bei weitem nicht stimmt - so sind z.B. die Mormonen in den Neunzigerjahren weltweit um ein Vielfaches stärker gewachsen als Scientology.
Wie hält es Scientology mit der Ehrlichkeit bezüglich der eigenen Mitgliederzahl?

Stettler: Ich kann nur Aussagen über die Mitglieder in der Schweiz machen. Wenn man die Expansion in Ländern wie Ungarn, Mexiko, Asien etc betrachtet so sieht man dass Scientology sehr stark expandiert.
In der Schweiz ist dies momentan weniger der Fall, obwohl auch hier ein stabiler langsamer Fortschritt zu verzeichnen ist (z.B. 4 neue Missionen in den letzten Jahren).

Frage: Fürs Jahr 1990 werden von Oswald Eggenberger für Scientology in der Schweiz fünf Organisationen - sog. Kirchen - und zehn Missionen angegeben, im Jahr 1993 wies Scientology selbst in der Schweiz fünf Organisationen und nur noch fünf Missionen auf. Fünf Jahre später, im Jahr 1998, waren es noch fünf Organisationen und drei Missionen, also wiederum zwei Missionen weniger. Das ist nicht gerade das, was man landläufig unter Wachstum - oder unter stabilem langsamem Fortschritt - versteht, sondern ziemlich deutliches Anzeichen eines Schrumpfprozesses. Kommt dazu, dass seither in weniger zentrale Liegenschaften umgezogen wurde, so in Zürich. Wie lässt sich das mit Ihrer Aussage vom kontinuierlichen Wachstum über Jahrzehnte vereinbaren?

Stettler: Wie eben gesagt sind in den letzten Jahren 4 neue Missionen dazu gekommen! Auch ist die Anzahl der Organisationen nicht der einzige Masstab...die Berner Kirche hatte mal 70 Mitarbeiter, nun aber nur etwa 10 während umgekehrt die Kirche in Zürich 15 Mitarbeiter hatte und nun über 100!
Entsprechend stimmen meine Angaben soweit doch. Auch wenn wir unsere Mietkosten senken wollen und deshalb in ein günstigeres Gebäude ziehen hat dies eher mit einer verbesserten Finanzplanung zu tun.

Frage: Scientology beziffert ihre Mitgliederzahl in der Schweiz manchmal als 5 000, dann wieder als 5 000 - 6 000. Ehemalige Scientologen sagen aus, dass die Zahl aktiver Scientologen in der Schweiz auf jeden Fall geringer sei als 1 000. Wie kommen Sie auf Ihre Zahl(en)?

Stettler: Hier ein paar konkrete Zahlen. Die Mitglieder der IAS in der Schweiz belaufen sich auf etwa 2200 Personen, wobei lang nicht alle Scientologen dort Mitglied sind. Weiter haben die 5 Kirchen und 7 Missionen ca. weitere 1000 Personen, die immer wieder Dienste besuchen.
Daneben gibt es zahlreiche Scientologen, die Scientology Methoden im Leben anwenden, aber nicht unbedingt regelmässig an Aktvitäten der Kirchen teilnehmen.
So beträgt die Gesamtzahl der praktizierenden Scientologen in der Schweiz etwa 5500 Personen, die aber nicht alle eingeschriebene Mitglieder sind.
Man muss auch zwischen aktiven und passiven Mitgliedern unterscheiden. Gemäss den Statuten arbeiten die aktiven Mitglieder teilzeitlich oder auch vollzeit in den einzelnen Vereinen mit. Dies belaufen sich Ende 2005 auf etwa 300 Personen.

Frage: Sind von den 2200 eingetragenen Mitgliedern der IAS nicht diejenigen abzuziehen, die einst auf Lebenszeit Mitglied wurden, inzwischen aber nicht mehr Scientologen sind? Ansonsten gibt's doch eine ganz unrealistische Rechnung, die Menschen als Mitglieder zählt, die mit Scientology seit Jahren nichts mehr zu tun haben wollen.

Stettler: Vielleicht 200 dieser IAS Mitglieder sind offiziell wieder ausgetreten. Wenn wir alle Personen zählen wollten, die Dienste bei Scientology belegt haben so käme man auf ca 60 000 Personen, entsprechend werden diese natürlich nicht als Mitglieder gezählt.

Frage: Und wie kann es sein, dass "lang nicht alle" Scientologen Mitglied bei IAS sind, wenn sich die IAS-Mitgliedschaft beim Kauf von Kursen der Scientology sehr bald auszahlt, weil IAS- Mitglieder deutlich günstigere Tarife bezahlen? Wäre es da von den betreffenden Scientologen nicht recht unklug, auf die IAS-Mitgliedschaft zu verzichten?

Stettler: Dies hat damit zu tun, dass es sich erst bei weiterführenden Kursen "lohnt" zusätzlich IAS Mitglied zu sein.

Frage: Wie hat sich die Zahl der Scientologen in der Schweiz verändert? Wie viele waren es 1975, 1980, 1985, 1990, 1995 und 2000?

Stettler: Wir haben keine jährlichen Zahlen zusammengestellt. Man kann aber davon ausgehen, dass Ende der 70er Jahren die Anzahl der Scientologen relativ schnell auf etwa 1500 gestiegen ist, gegen Ende der 80er Jahre de zweite Boom auf ca 4500 Personen stattfand und sich dann in den letzten Jahren stabilisierte.

Frage: Wie wird sich die Zahl der aktiven Scientologen in der Schweiz in Zukunft entwickeln?

Stettler: Wenn man die geplanten Projekte berücksichtigt, so werden sich diese sicher steigern.

5 Scientology heute und morgen

Frage: Was sind die markantesten Veränderungen bei Scientology in den letzten zehn Jahren?

Stettler: Zum einen konnten sich die einzlenen Kirchen in den letzten Jahren vermehrt sozialen und externen Projekten widmen (ehrenamtliche Geistliche, Drogenprävention, Menschenrechte), zum anderen hat man die internen Linien verbessert, um den Mitgliedern bessere Dienst anbieten zu können.

Frage: Können Sie in diesem Zusammenhang noch etwas sagen zur Organisation "Jugend für Menschenrechte", die nicht nur offiziell mit Scientology zusammen arbeitet, sondern dem Vernehmen nach ganz wesentlich von Scientologen getragen wird und an deren Veranstaltungen auch Sie selbst auftreten? Wie sieht deren organisatorische und personelle Verbindung mit Scientology aus?

Stettler: Der Verein Jugend für Menschenrechte wurde von Scientologen gegründet, wobei aber auch zahlreiche Personen anderer Glaubensgemeinschaften an deren Tätigkeiten teilnehmen. Es ist ein unabhängiger Verein, aber ist selbstverständlich auch in Kontakt mit Scientology.

Frage: Welche Arbeitsbereiche, Programme und Aktionen stehen zur Zeit im Vordergrund?

Stettler: Zum einen die Ausbildung der Mitarbeiter, der Ausbau der Dienste aber auch externe soziale Programme.

Frage: Wie wird die Zukunft der Scientology aussehen, in 10, in 50 und in 100 Jahren?

Stettler: In 10 Jahren werden wir eine anerkannte Religion in der Schweiz sein. Die Polemik wird sich vollständig gelegt haben.
Methoden von Hubbard werden in gewissen Teilen der Gesellschaft angewandt und erzielen positive Ergebnisse.
Für die weitere Zukunft will ich mich nicht auf die Aeste hinauslassen. Wir glauben nicht an Wahrsagerei.

Frage: An welche Teile der Gesellschaft denken Sie dabei?

Stettler: Dies z.B. im Erziehungswesen, in der Drogenprävention aber auch in sozialen Diensten. Auch im administrativen Bereich nutzen immer mehr Organisationen Hubbard Methoden.

Letzte Aenderung 2006, © Jürg Stettler 2006 (Antworten), Infostelle 2000, 2006
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