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Seraphim - Haus der Engel

Praxis und Zentrum für ganzheitliches Wachsen

 

Im Zentrum von Zürich, in der Nähe des Grossmünsters, findet sich ein sogenanntes "Haus der Engel" mit dem Namen "Seraphim". Hier und in einer kleineren Dépendance in Uster werden Engel in allen möglichen und unmöglichen Ausführungen angeboten - für meinen Geschmack eine grosse Ansammlung von Kitsch. Zu dieser meiner geschmacklichen Einschätzung bemerkt Heinz Wattenhofer, der zusammen mit seiner Frau Susan den Laden leitet: "Dass Sie die Engelfiguren als kitschig empfinden ist natürlich Ihre Freiheit. Wobei ich schon denke, dass die Kitschfeindlichkeit in Mitteleuropa (verglichen mit anderen z.B. katholischen oder islamischen Ländern), auch mit einer gewissen Gemütsarmut und Angst, sich berühren zu lassen, zu tun hat."

Engel sind aber momentan ziemlich im (esoterischen) Trend, so dass sich damit auch gutes Geschäft machen lässt. Wattenhofer meint allerdings: "Wir wären froh, wenn der Laden sich selbst und den Raum der Stille, der von vielen Leuten tagsüber kostenlos genutzt wird, finanziell tragen könnte." In diesem im oberen Stockwerk des Hauses in Zürich eingerichteten Raum werden auch regelmässig (kostenpflichtige) Meditationen und Kurse abgehalten.

Heinz und Susan Wattenhofer haben ausserdem auf dem Grabserberg ein ehemaliges Kurhaus erworben. Sie nutzen es seit 1983 als Zentrum für Gruppenarbeit, es nennt sich "Zentrum für ganzheitliches Wachsen". In einem Prospekt heisst es: "Für Arbeit und Stille stehen das Kreativatelier, die Hauskapelle, die Bibliothek und ein wunderschöner, heller Gruppenraum im Dachstock zur Verfügung."

Hier finden Kurszyklen statt, die sich über mehrere Jahre erstrecken, einer davon hiess "Schule des Lebens". 1999 beginnt "Die Reise lichtwärts"; über fünf Jahre hinweg finden jährlich vier Kurse statt, die drei oder vier Tage dauern.

Der Kurs verspricht eine "Reise ins Licht", die "kein trockenes theoretisches Studium, sondern ein wunderbarer, herzergreifender Prozess mit tiefer göttlicher Hilfe" sein soll. Das Ganze klingt also wie in der Esoterik so häufig sehr fröhlich, leicht, positiv - was immer die kritische Frage aufkommen lässt, wie denn mit den düsteren und unangenehmen Seiten des Lebens und der Psyche umgegangen wird, ob sie akzeptiert und bearbeitet oder ob sie verdrängt werden, was sich dann unter Umständen in Aggressionen auf ganz anderen Ebenen äussern kann. Wie gut mit möglicherweise (wahrscheinlich) aufbrechenden tieferen Problemen umgegangen werden kann, hängt entscheidend von der Leitung ab. Hier kann es eine gewisse Gewähr bieten, dass Heinz Wattenhofer Psychologie studiert hat. Er ist sogar, wie er schreibt, "nicht nur Psychologe lic. lic. phil I, sondern auch Psychotherapeut SPV, d.h. ich habe zwei Universitätsabschlüsse und psychotherapeutische Zusatzausbildungen (Körper-, Atem- und Tiefenpsychologie)".

Die Ideen enthalten vieles, was in der Esoterik heute vielerorts anzutreffen ist, so die Vorstellung, dass der Mensch mehrere unsichtbare Körper besitzt und dass man diese kennenlernen soll; das Vertrauen auf eine "innere Führung" und das Bestreben, sich selber kennenzulernen. Letzteres ist sicher positiv zu werten.

Die "Reise ins Licht" versteht sich als die Reise zu Gott. Mit solchen Überzeugungen ist die Gefahr der Selbstüberschätzung gegeben, auch dann, wenn es etwa heisst: "Das innere Kind - einmal erweckt - führt uns Schritt für Schritt in die Vollkommenheit Gottes." Ich meine auch, dass immer im Blick bleiben sollte, dass Erfahrungen mit Gott immer auch auf ganz andere, unerwartete Weise möglich sind und nicht nur, wenn wir bestimmte Kurse durchlaufen und auch nicht nur, wenn wir es durch Anstrengung erreichen wollen.

 

Therese Graf, 1998 


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