Zur Geschichte des Tarot

 

Der Tarot entstammt dem spätmittelalterlichen Europa des ausgehenden 14. Jahrhunderts (A.E. Waite: "Es gibt tatsächlich keine Geschichte des Tarot vor dem vierzehnten Jahrhundert"). Er wurde ursprünglich zweifellos als Spiel konzipiert, der wahrsagerische Gebrauch ist sicher erst im 17. Jahrhundert nachgewiesen. Seit dem 18. Jahrhundert gar erst wird der Tarot mit esoterischen Lehren in Zusammenhang gebracht respektive in ihm eine solche gesucht.

 

Folgende Gründe sprechen gegen eine aussereuropäische Herkunft des Tarot:

1. Der Tarot spiegelt die Gesellschaftsordnung des spätmittelalterlichen Europa. Zu allen anderen Gesellschaften passt er weit weniger (nur in Europa ist z.B. die Königin nach dem König die zweithöchste Person im Staat). Die grossen Arkana sind ohne europäisch-christlichen Hintergrund schlechterdings nicht vorstellbar (Hofnarr, über dem Kaiser stehender Hohepriester, Auffassung des Todes als Person, Teufel, Jüngstes Gericht) weshalb jede angebliche "Rückführung" des Tarot in die vermutete Herkunftskultur scheitert respektive gänzlich willkürlich ausfällt.

2. Aegyptischen Ursprungs ist der Tarot bestimmt nicht, mit aegyptischer Weltanschauung verbindet ihn nichts (vgl. nebst obigem die Karte für den in Aegypten völlig bedeutungslosen Mond)

3. Indischer Einfluss ist kaum auszumachen. Eine Zuordnung der Grossen Arkana zu indischen Gottheiten scheitert.

4. Die Zigeuner sind zwar Verbreiter, aber nicht Urheber des Tarot, insofern sie erst 50 Jahre nach den Tarotkarten in Europa auftreten. Sie können den Tarot also kaum irgendwoher mitgebracht haben, vielmehr fanden sie ihn in Europa vor.

 

Die Grossen Arkana stellen als Trümpfe ohne Zweifel Grössen dar, die in ihrer Macht über dem König stehen (im Spiel schlagen sie diesen ja). Hierzu gehören:

- Der Hofnarr, der nicht der Weisungsbefugnis des Königs untersteht

- Der Magier, von dessen Macht sich die Könige abhängig empfanden

- Kaiser und Kaiserin

- Papst und (im 14. Jahrhundert behauptete) Päpstin

- Die Liebe, die auch Könige zwingen kann

- Die Zeit

- Das Schicksal/Glück

- Der Tod

- Der Teufel

- Blitz, Sterne, Mond und Sonne

- Das Jüngste Gericht

- Das All

Andere Grosse Arkana sind heute nicht mehr ganz so deutlich durchsichtig.

 

Die Farben der Kleinen Arkana können im Licht der Ständeordnung des Spätmittelalters interpretiert werden. So könnten zusammenhängen:

- Schwerter - Adel

- Kelche (Messkelche) - Klerus

- Münzen - Kaufleute und Handwerker (= Städter)

- Stäbe (Knüppel) - Bauern (= Landbevölkerung)

Möglich wäre auch eine Zuteilung anhand zeitgenössischer Parteien.

 

Georg Otto Schmid, 1995

 


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