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Sthapatya Veda - die Rekonstruktion unserer Städte im Geist von TM

 

Vom Sinn inszenierter Utopie

Utopien, d.h. Modelle oder Visionen der vollkommenen Welt, lassen sich, wie die Geschichte gescheiterter Utopien mit sattsamer Deutlichkeit zeigt, zwar nie verwirklichen. Aber sie lassen sich propagieren und inszenieren, wortgewaltig und farbenprächtig theatralisch vorführen, in der nicht völlig unbegründeten Hoffnung, dass etwas vom Glanz des Vollkommenen ins Halbdunkel weltweit präsenter Unvollkommenheit fällt. So besehen ist die inszenierte Utopie kein unsinniges Gedankenspiel und keine Einladung zum realitätsflüchtigen Träumen. Das Theater perfekten Lebens und perfekter Welt wird zum Lockvogel, das den allseits von Problemen belasteten und verfinsterten Geist aus den düsteren Grüften seiner Kleinmütigkeit ins helle Licht neuer, unerahnter Möglichkeiten lockt.

Wie kaum einer anderen spirituellen Bewegung der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart gelingt es der Transzendentalen Meditation (TM) des Maharishi Mahesh Yogi (MMY), vollkommenes Menschsein und vollkommene Welt in immer wieder neuen Aspekten auf goldfarbenem Papier und in festlicher Inszenierung dem staunenden Leser vorzuführen. Gilt nun von den Inszenierungen der TM auch das soeben von Utopien Gesagte? Können die utopischen Projekte der TM als ermutigender Ausbruch aus Lethargie und permanenter Problembefangenheit verstanden werden?

 

Meditation als Weg zur vollkommenen Welt

Maharishi Mahesh Yogi (MMY) und seine Mitarbeiter verstanden sich nie als inneren Kreis einer blossen Meditationsbewegung, die gleich vielen anderen durch ihre Mantra-Meditationstechnik einen möglichen Weg zu einem entspannteren Leben anbietet. TM sah und sieht sich als betont einfachen Weg vom problembeladenen zum problemfreien Leben, vom nur erträumten und erhofften zum vollendeten Frieden und Glück: "Seit Jahrhunderten hören wir, dass im Inneren jedes Menschen ein grosses Potential verborgen liegt. Es liegt nicht deshalb im Inneren verborgen, weil es etwa schwierig wäre, es nach aussen zu bringen, sondern ganz einfach, weil wir es nicht nach aussen bringen - das ist alles. Ein Reservoir aller Weisheit, aller Kreativität, von Frieden und Glück existiert, und das menschliche Gehirn ist mit der Fähigkeit begabt, absolute Seligkeit, absolutes Glück, absoluten Frieden, absolute Kreativität und absolute Weisheit zu erfahren. Der absolute Lebensbereich kann von jedermann ausgelotet, erfahren und ständig gelebt werden. Das einzige, was man dazu tun muss, ist, Transzendentale Meditation in die tägliche Routine einzufügen." (1) TM initiiert also - dies ist die Grundidee der Bewegung - eine Neuschöpfung des Menschen und eine Rekonstruktion seiner Welt dank jener Meditation, die auf einfachste Weise das unendliche Potential, das in jedem Menschen ruht, kontaktiert und aktiviert. Das individuelle Leben verbindet sich meditativ mit seiner Quelle, dem "absoluten Lebensbereich", und aus dieser Quelle aller Möglichkeiten schöpfend ist ihm nichts mehr unmöglich.

Neu ist diese Sicht des Menschen und dieses Verständnis der Meditation keineswegs. Der individuelle Geist fällt im Grund seines Wesens seit den Zeiten frühester indischer Philosophie und Mystik mit dem absoluten Geist in eins. Meditation wird seither in einem grossen Teil indischer Spiritualität als Eintauchen in den eigenen Wesensgrund verstanden und erlebt. TM setzt dieses im eigenen Wesen erlebte Absolute nur anders als viele spirituelle Schulen vor ihr als grenzenloses Potential zur Neugestaltung der Welt ein. Das traditionelle Indien spürte nicht selten die innere Göttlichkeit auf, primär um erlöst und erleuchtet in ihr zu ruhen. Nun wird aus der inneren Göttlichkeit die Energie, die das Menschsein und die Welt utopisch umgestaltet. Der individuelle Geist, der dank TM ins Absolute findet, erschafft sich nun – vielleicht nur langsam, aber stetig - die vollkommene, die völlig problemfreie Welt.

 

Der Maharishi-Effekt

Diese Kraft des unendlichen Potentials im Menschen geht so weit, dass es keine Mehrheit von TM-Meditierenden braucht, um diesen Prozess der Verwandlung ins Vollkommene weltweit voranzutreiben. Schon ein kleiner Prozentsatz von TM-Meditierenden beeinflusst das ganze individuelle, gesellschaftliche und politische Umfeld. Dieser sog. Maharishi-Effekt sah und sieht die TM-Bewegung greifbar präsent zum Beispiel in der Reduktion der Verkehrsunfälle, der Verbrechen, der Kriege, ja sogar der Naturkatastrophen dank der engagierten TM-Meditation eines minimalen Prozentsatzes der Bevölkerung. Den kritischen Beobachter der Bewegung überrascht es nicht, wenn diese Argumentationslinie vor allem in den USA dankbar aufgegriffen wurde. TM argumentiert im Blick auf die innere Göttlichkeit und auf den sog. Maharishi-Effekt ähnlich wie die Anhänger des sog. positiven Denkens: Göttliches Potential liegt in der Tiefe des eigenen Geistes abrufbereit verborgen und kann – meditativ bei TM, im Glauben bei christlichen Varianten der gleichen, grenzenlos optimistischen Grundhaltung – abgerufen und zur grundsätzlichen Verwandlung des Lebens und der Welt eingesetzt werden.

 

Das reine Bewusstsein als Bereich des "Naturgesetzes"

Diese Quelle aller Möglichkeiten, meditativ kontaktiert und aktiviert, ist aber nicht bloss ein göttliches Ein und Alles oder ein kaltes, nacktes Nichts, auf dem Grund unserer Seele. Das Absolute in uns hat Struktur. Im göttlichen Absoluten verborgen liegt das Grundmuster für die ganze harmonisch gestaltete Wirklichkeit. Genau besehen ist das Absolute der rote Faden, der alles durchzieht und der die Welt im Innersten zusammenhält, oder das reine Licht, dass sich bei genauer Betrachtung in allem, was ist, spiegelt. Wer ins Absolute taucht, findet ins harmonische Grundmuster der Welt: "Dieses Feld reinen Bewusstseins ist ein Bereich unbegrenzter Kreativität, Intelligenz und unbegrenzten Glücks. Es ist das reine Feld des Naturgesetzes. Wenn der Geist wieder aus der Meditation herauskommt, dann tut er es mit mehr Energie, Kreativität und Intelligenz, und er verhält sich zunehmend im Rahmen der Naturgesetze." (2) Der Meditierende, der die harmonischen Grundstrukturen alles Wirklichen erkennt, versucht, diesen Grundstrukturen, diesem Naturgesetz, in seinem Alltag nachzuleben.

Welche Strukturen aber gelten als Naturgesetz und innerste Harmonie alles Wirklichen? TM lässt sich von Regeln und "Einsichten" leiten, die als "vedisch" und damit als Naturgesetz schlechthin gelten und die das individuelle Leben und Bewusstsein harmonisch eingliedern sollen ins kosmische Leben und ins kosmische Selbst. "Vedisch" aber ist – das merken alle, die sich mit indischer Tradition in moderner Deutung beschäftigen – ein Stichwort, grundsätzlich noch beliebiger als andernorts das Stichwort "biblisch" oder "buddhistisch". Nicht nur der genaue Umfang dessen, was als vedisches Schrifttum gilt, ist oft umstritten. Auch die Frage, um welche hermeneutische Mitte dieses Schrifttum kreist, wird von den hinduistischen Meistern bis hinein in unsere Gegenwart sehr unterschiedlich beurteilt. MMY scheint als vedische Tradition vor allem das aufzugreifen, was sich vor Jahrzehnten besonders nahtlos ins sog. New Age fügte und was heute noch allgemeiner dem westlichen Bedürfnis nach sanft-alternativer, "holistischer" Weltdeutung und Lebensgestaltung entspricht. So ist Vollkommenheit und Problemfreiheit, völliger Einklang zwischen dem unendlich Kleinen und dem unendlich Grossen, zwischen dem Teil und dem Ganzen, zwischen Spiegelung und Urlicht, zwischen Welle und Ozean, zwischen individuellem und kosmischen Selbst. Auch dieser Gedanke ist vor allem dem in esoterischen Gedankengängen vertrauten Zeitgenossen alles andere als fremd. Zu augenfällig verbindet sich die "holistisch" denkende TM an dieser Stelle mit dem sanften Pantheismus und den Mikrokosmos-Makrokosmos-Theorien der im Westen populären Esoterik.

 

Unglückbringende und glückbringende Architektur

Wo Menschen diese in der "vedischen" Literatur vorgezeichneten "Naturgesetze" missachten und verletzen, schaffen sie sich laufend neue Probleme. Wo sie die Gesetze einhalten, werden sie glücklich. Dies gilt am augenfälligsten in den die Naturgesetze achtenden oder missachtenden Häusern und Städten. Vor allem der "grosse Visionär unserer Zeit, Seine Majestät Maharaja Nader Raam", (Prof. Dr. Tony Nader)," der Erste Herrscher des Globalen Landes des Weltfriedens" (3), wird nicht müde, auf die Entsprechungen zwischen menschlichem Körper, kosmischer Struktur und menschlicher Baukunst zu achten. Für seine diesbezügliche "historische Entdeckung" wurde er sogar nach dem Beispiel orientalischer Herrscher "in Gold aufgewogen." (4)

Sthapatya-Veda ("Baukunst-Wissen") nennt sich das „vedische“ Wissen um die Beziehungen zwischen dem Bewohner, seinem Haus und der kosmischen Ordnung (5). "Solange die Menschen unserer Weltfamilie nicht in Häusern leben, die nach Sthapatya-Veda erbaut sind, wird Friede auf jeder Ebene - individuell und kollektiv - immer mit einem Fragezeichen bleiben." (6) Falsch konzipierte Häuser produzieren "Wogen des Leids." Im Unterschied zu Problemhäusern achten glückbringende Häuser in erster Linie auf den Einfall des Sonnenlichts während des Tagesablaufs und nutzen vor allem die heilsame Wirkung der Morgensonne. Die streng nach den Himmelsrichtungen orientierten Bauten mit Eingangsfront wenden sich, wie es einer alten indischen Tradition entspricht, zur Morgensonne. Besonderes Glück erlebt der Mensch und das Haus, das die Sonne zudem noch über einem See oder einem Fluss aufgehen und das Morgenlicht im Wasser sich spiegeln sieht. (Varanasi geniesst diesen Erlebnis - falls nicht Wolken die aufgehende Sonne verhüllen - täglich. Das TM-Hotel auf dem Seelisberg UR über dem Rütli erlaubt seinen Gästen ähnliche Erfahrungen). Pflegt aber der traditionsbewusste Hindu am Morgen am Ganges neben seiner Morgentoilette die Referenz vor dem altvedischen Sonnengott Surya und Liebe zum göttlichen Fluss, zur Mutter Ganga , so will TM wissenschaftliche Argumente für diese Ausrichtung auf die aufgehende Sonne anführen: "Die genaue Orientierung des Gebäudes nach Osten in Richtung der belebenden Strahlen der aufgehenden Sonne beeinflusst nachweislich die Funktionsweise unseres Gehirns. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Zellen des Hypothalamus sensibel auf Richtung und Orientierung reagieren. Diese Zellen feuern erst, wenn sich der Kopf in eine spezifische, ihnen entsprechende Richtung dreht. Die Blickrichtung beeinflusst die gesamte Funktionsweise des Gehirns und damit alle Körperfunktionen." (7)

Vor der Mittagssonne hingegen gilt es sich zu schützen. Ebenso sind Seen oder Flüsse im Süden verhängnisvoll: "Wasser im Süden schafft einen Einfluss von Zerstörung, Furcht vor Feinden, Verbrennungen am Körper und Feuer im Gebäude, sowie einen Einfluss von Disharmonie und Streitigkeiten zwischen oder mit Frauen." (8)

Analoges gilt für die Neigung des Geländes. Auf einem Osthang zu bauen ist vorteilhaft: "OST-Hang trägt zu guter Erziehung, gutem Ansehen und guter Gesundheit bei. SÜD-Hang führt zu finanziellen Verlusten, schlechter Gesundheit und Armut. WEST-Hang führt zu endlosen Sorgen und Armut." (9) Es empfiehlt sich, ein Baugelände mit ungünstiger Neigung vor dem Bau auszuebnen. Denn: "Ebener Grund ohne Neigung ist gut und bringt allgemein Wohlstand und Erfolg" (10).

Warum ist ein See im Osten oder Norden glückbringend, ein grösseres Wasser in anderen Himmelsrichtungen aber problematisch? Ein See vor allem im Osten garantiert im allgemeinen dafür, dass sich das Baugelände nach Osten neigt und optimal das Licht der Morgensonne aufnimmt (11).

Generell führt die Ausrichtung in die einzelnen Himmelsrichtung zu folgenden Wirkungen: Osten – Erleuchtung, Wohlstand, Erfüllung; Südosten – andauernde Furcht, Süden – alle negativen Einflüsse, Zerstörung, Probleme, Leiden; Südwesten – dauernd Streit; Westen – Armut, Mangel an Kreativität und Vitalität; Nordwesten – inkonsequent und geistig verwirrt; Norden – Wohlergehen, Glück, Gesundheit und Reichtum; Nordosten – keine Heirat und keine Kinder." (12)

Die Orientierung nach Osten und das Licht der Morgensonne sind derart wichtig, dass nur dort gebaut werden sollte, wo kein Hügel oder Berg die aufgehende Sonne für mehr als zwölf Minuten verbirgt. Berechnungstabellen zeigen dem zukünftigen Besitzer eines glückbringenden Hauses, ob ein vorgesehenes Gelände diese Regel erfüllt (13).

Mit der rechten Orientierung des einzelnen Hauses oder einer ganzen Stadt sind aber noch nicht alle Regeln für glückliches Wohnen erfüllt. Das Gefühl "Ich lebe im Himmel" (14) stellt sich erst ein, wenn auch die einzelnen Masse im Grundriss und Aufriss kosmischen Analogien entsprechen, und wenn die akzentuierte Mitte, Brahmastan, ein Quadrat zumeist in der Hausmitte oder vor der Haustüre als Zentrum des Grundstücks, das Gebäude oder die Anlage mit Energien erfüllt: "Der Brahmasthan ist der zentrale Ort, die 'energetische Mitte' eines Hauses. Der Brahma-Sthan repräsentiert den Ort (Sthan) der Ganzheit oder Gesamtheit (Brahm), von dem alle anderen Räume eines Gebäudes unterstützt werden. Jeder Organismus, jedes Atom, jede Zelle hat einen Brahmasthan oder ein Informationszentrum. Genauso wie die DNS des Zellkerns in der Mitte der Zelle die Quelle aller Information für den gesamten Organismus ist und wie die Sonne im Mittelpunkt unseres Sonnensystems der Ursprung allen Lebens für unseren und die anderen Planeten ist, genauso versorgt der Brahmasthan in der Mitte des Gebäudes alle Räume und seine Bewohner mit Energie." (15)

 

"Mandala-Architektur"

Der Kosmos gilt in Sthapatya-Veda als "vollkommen seit seiner Geburt" (16). Gleichzeitig hat der Kosmos aber nach tradierter indischer Vorstellung irgendwie Mandala-Struktur, d.h. der Kosmos ordnet sich symmetrisch um eine akzentuierte Mitte. Diese Mandala-Struktur lässt sich selbstverständlich besser im Aufbau unseres Sonnensystems erahnen als im zeitgenössischen Bild des Universums insgesamt.

Nach traditionellem Sthapatya-Wissen spiegelt aber jeder Teil dieses Kosmos seinerseits auch wieder diese Mandala-Struktur in je eigener Weise. Auf jedem Baugrund muss nach traditionell interpretiertem Sthapatya-Wissen der Bauexperte das zum Baugrund gehörende Mandala entdecken und in seine Planung übertragen. Ausserdem gilt es traditionellerweise das individuelle Horoskop des Bauherrrn zu konsultieren und aus ihm und aus den Verhältnisbestimmungen, die in unserem Sonnensystem vorherrschen, möglichst spiegelbildlich ins Konzept des neuen Baus zu übertragen.

Auch wenn MMY im allgemeinen vedische Tradition in möglichst praktikabler, postmoderner Verkürzung aufgreift und sich in der Präsentation der MMY-Baukunst nicht alle Regeln der traditionellen Baukunst mit gleichem Engagement nachzueifern sucht, bleibt doch die Idee der überall präsenten Entsprechungen wegleitend. MMY liess sich sogar nach dem Modell der alten indischen Sternwarten ein neues Observatorium bauen, das zur Erforschung zugleich des Kosmos (d.h. des Sonnensystems) und der Strukturen des menschlichen Geistes dient. Alte indischen Sternwarten ergründen ganz anders als moderne Observatorien die erwarteten Entsprechungen von menschlichem Geist und Körper mit dem menschlichen und dem kosmischen Haus. Der glückliche Mensch spiegelt sich zuletzt genau wie der sog. Kosmos in seinem neuen Haus und umgekehrt. Für ihn gilt, dass "alles mit allem im ganzen Universum" harmonisch verbunden ist (17). So werden Psychologie, Astrologie und Astronomie letztlich Aspekte einer einzigen "holistischen" Wissenschaft.

Auch die Baumaterialen - natürlich und edel, mit Vorliebe Marmor - und das akzentuierte Zentrum des Hauses oder der Stadt gleichen das menschliche Bauwerk dem nach altindischem Vorbild in Mandalaform gedachten perfekten Universum an. Ebenso wird für glückliches Bauen der Gebrauch von Solarenergie nahegelegt. Ein naher Friedhof oder eine Starkstromleitung hinwiederum reduzieren das Glück der Bewohner.

Wenn nun das kleine Haus, das Menschen für sich selbst errichten lassen, oder die glückliche Stadt, die TM-Planer entwerfen, diesem im mythischen Bild erahnten kosmischen Mandala spiegelbildlich entsprechen sollen, so entstehen nicht nur zentrumsbetonte Symmetrien, sondern auch ums Zentrum herum symmetrisch angeordnet sich ständig wiederholende Quadrate. Das kleinere Wohnhaus mag noch in seiner Erscheinung trotz weitgehender Sorge um Symmetrie einigermassen landesüblichen Gepflogenheiten entsprechen (18), wenn es nur die Himmelsrichtungen gebührend beachtet. Das grössere Gebäude wird zum symmetriehungrigen pseudo- oder neo-orientalischen Palast (19), und das glückbringende Stadtquartier (20) wird vollends zum Schachbrett mit akzentuierter Mitte, neben das sich je nach Grösse der Stadt weitere Schachbretter fügen. Der von TM vorgelegte Vorschlag, beginnend mit Genf (21) die wichtigsten Schweizer Städte nach den Regeln dieser glückbringenden Architektur umzugestalten (22), geht nicht nur davon aus, dass die historisch gewachsenen Städte und Bauten mit der Zeit fast restlos verschwinden, sondern dass an ihrer Stelle bei glückbringender Lage diese monomanen quadratischen Mandala-Quartiere entstehen. Bei unglückbringender Lage, d.h. im Bsp. von Genf auf dem linken See- und Rhone-Ufer, können die unglückbringenden Häuser nur durch Wald oder Gärten ersetzt werden. Aufs Ganze besehen würde die TM-Planung zu Städten führen, die sich alle wie ein Mandala dem anderen gleichen, zu begradigten Seeufern, zu planiertem Baugrund, und zu Häusern, die auch im Kleinformat immer noch ein wenig an die Palastarchitektur Nordindiens erinnern. Verglichen mit den historisch gewachsenen Städten, die durch diese Bauten im Stil des Sthapatya zuerst eingekreist und dann durch Mandala-Quartiere völlig ersetzt werden sollen, wirken die Vorschläge, die TM vorlegt, auf den kritischen Betrachter erschreckend langweilig und steril.

 

Hilflose und hilfreiche Utopie

Sthapatya-Veda baut, zusammen mit allen andern TM-Visionen zur Umgestaltung und Neukonstruktion der Welt, nicht nur neue Städte, sondern den "Himmel auf Erden", indem "die Lebensqualität eines jeden Menschen zur vollkommen Erfüllung in einem Zustand von Überfluss und Erleuchtung angehoben wird" (23).

Wie in allen Lebensbereichen, so ist aber auch im Blick auf die Architektur das Vollkommene der Feind des Lebendigen. Das heisst nicht, dass Utopien als Leitbilder des vollkommenen Lebens nicht hilfreich und nötig wären. Wir brauchen Utopien, um übers trostlose Wühlen in Halbheiten hinauszufinden. Aber wir brauchen Utopien, die bewusst und offen ausgesprochen Utopien sind, die nie den Anspruch erheben, dass sie sich realisieren lassen. TM neigt dazu, jede seiner utopischen Entwürfe in bombastischer Gestalt zu inszenieren. Da wurde schon vor Jahren das Zeitalter der Erleuchtung eingeläutet. Da wird für das "Global Country of World Peace" feierlich zuerst ein Maharaja gekrönt, und dann einzelne Rajas für einzelne Länder. Dieser Maharaja wird auch mit Krone und Krönungskarosse (24) vorgeführt. Da wird der "Dawn of an New Fortune for All Mankind" zelebriert (25). Die theatralische Inszenierung der vollkommenen Welt nimmt kein Ende. Der Vorschlag zur Rekonstruktion unserer Städte ist in dieser bunten Inszenierung der vollkommenen Welt nur ein weiterer Akt.

Brauchen wir theatralisch inszenierte Utopie? Sie weckt zwei Bedenken: Zum einen kann sie, weil sie derart bombastisch inszeniert lächerlich wirkt, alles utopische Denken und Hoffen in Verruf bringen. Bei TM – diesen Eindruck gewinnt der kritische Beobachter – wird Utopie zur Operette. Sie kann auf der anderen Seite, wenn ihr Glauben geschenkt wird, menschliches Hoffen und Denken in derart monoman guruorientierte Bahnen lenken, dass jeder Schritt Richtung Vollkommenheit ein Verlust an Vielfalt und Lebendigkeit bedeutet. Am Ende erwarten uns die perfekten, aber hoffnungslos langweiligen Mandalastädte. Das vollkommene Leben – derart monoman angesteuert – verbindet sich mit dem vollkommenen Tod.

Hilfreiche Utopie muss Utopie bleiben, Vision eines Vollkommenen, das wir anstreben, aber nie erreichen. Verlangt eine Utopie mehr, so wendet sie sich gegen den, der sie erträumte. Das Universum ist kein Mandala und unser Geist lebt nicht Tür an Tür zum allmächtigen Gott. Wir sind nicht die Erbauer der neuen, der perfekten Welt. Wer in überzogener Gottnähe die unvollkommene Welt bis hinein in die Architektur ins Vollkommene drängt, wer alle bisherigen Städte rekonstruiert und die wunderbare Vielfalt historisch gewachsener Baukunst in die monomane Mandala-Pläne zwingt, wiederholt Erfahrungen, welche die Menschheit mit manchen Utopien schon durchleben musste: Unsere Welt ist zu klein, um ein Himmel zu sein. Aber wer sie verpflichtet, ein Himmel zu sein, weckt in ihr die Lust, eine Hölle zu werden.

 

Anmerkungen

1. Interview mit MMY, www.transzendentale-meditation.de (16.12. 05)

2. Ebd.

3. Globales Wiederaufbauprogramm: Einladung an Bauunternehmer und Bauträger, 21.Juli 2005. http://www.globalreconstruction.org/GlobalReconstructionBrochure.html (18.12.05); http://globalcountry.org/EasyWeb.asp?pcpid=1196 (21.12.05)

4. http://www.globalreconstruction.org/GlobalReconstructionBrochure.html (18.12.05)

5. "Sthapatya Ved means the knowledge of establishing a relationship between the owner, house and/or building and cosmic order." http://www.sidhadorp.nl/sthapatya/ (17.12.05)

6. http://www.globalreconstruction.org/GlobalReconstructionBrochure.html (18.12.05)

7. http://www.vedacenter.ch/maharishi_sthapatya_veda/orientierung_nach_osten/ (16.12.05)

8. http://www.globalreconstruction.org/GlobalReconstructionBrochure.html (18.12.05)

9. http://www.globalreconstruction.org/GlobalReconstructionBrochure.html (18.12.05). Vor allem der Hinweis auf die Armut, die sich in Häusern mit Südhanglage einstellt, wirkt in Mitteleuropa angesichts der vielen Villenquartiere mit ausgeprägter Südhanglage eigenartig.

10. http://www.globalreconstruction.org/GlobalReconstructionBrochure.html (18.12.05)

11. Ich verdanke diesen plausiblen Himweis einer Auskunft von Felix Kägi, Raja der Schweiz (Mail vom 20.12.05)

12. http://www.sidhadorp.nl/sthapatya/ (17.12.05)

13. http://vedicarchitecture.org/html/Calculation/Sunrise Delax/delayclc.html (14.12.05)

14. http://www.maharishi.de/index.php?menu_link=PROGRAMME/ARCHITEKTUR/ (16.12.05)

15. http://www.vedacenter.ch/maharishi_sthapatya_veda/einfluss_der_sonne/(18.12.05)

16. http://www.sidhadorp.nl/sthapatya/ (17.12.05)

17. http://vedicarchitecture.org//html/book/abook1_7.html (16.12.05)

18. http://www.sthapatya-veda.de/examples/frameset.html; http://www.vedacenter.ch/maharishi_sthapatya_veda/; http://vedicarchitecture.org/;http://www.ads-vastu.com/projects.html (21.12.05)

19. http://www.sthapatya-veda.de/examples/frameset.html; http://globalcountry.org/EasyWeb.asp?pcpid=1193 (21.12.05)

20. http://www.sthapatya-veda.de/city_planning/frameset.html

21. http://www.worldpeace.ch/ (21.12.05)

22. http://www.worldpeace.ch/reconstruction_switzerland.html (17.12.05)

23. http://www.sthapatya-veda.de/global_reconstruction/frameset.html(21.12.05)

24. http://globalcountry.org/EasyWeb.asp?pcpid=1212 (21.12.05)

25. http://www.worldpeace.ch/schedule_en.html (21.12.05)

 

Georg Schmid, 2006


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