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  Universelles Leben Gabriele Wittek
  Uebersicht
  «Unser Reich kommt»
Endzeit im Universellen Leben
Gabriele Wittek, Gründerin des «Universellen Lebens», will eine bemerkenswerte Neuformulierung des Unservaters empfangen haben: «Unser Reich kommt... Denn unser ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit». So hat es ihr angeblich Christus für das Buch «Das ist Mein Wort A und W.. Das Evangelium Jesu. Die Christus-Offenbarung, welche die Welt nicht kennt» diktiert. Die bekannten Bitten an das göttliche Du sind verwandelt in Feststellungen, das Neue wird nicht mehr von Gott erhofft und erbeten, sondern als bereits «unser» deklariert. Mit dieser Überzeugung preist die nach eigener Angabe von Gott ernannte «Prophetin» und «Posaune Gottes» ihre Organisation als einzige Rettung für die Passagiere des sinkenden Weltenschiffs an.
Die Anfänge: Gabriele Witteks Weg zur «Prophetin»
Begonnen hatte sie bescheidener. Gabriele Wittek entstammt, wie Wolfram Mirbach, ein Kenner der Gruppe, in seinem Buch ausführt, einem bodenständig katholischen deutschen Elternhaus. Der Vater, ein Schneidermeister, hatte für den Lebensunterhalt der Familie zu kämpfen. Gabriele kam 1933 in Wertingen in Bayrisch-Schwaben zur Welt. Ihr Schulbesuch war, bedingt durch den Krieg, einigen Einschränkungen unterworfen. Als ausgebildete Kontoristin heiratete sie mit 22 Jahren den Ingenieur Rudolf Wittek. Neun Jahre später bekam sie eine Tochter und gab ihren Beruf auf; die Familie zog nach Würzburg. In der folgenden Zeit macht Gabriele Wittek den Eindruck einer im Haushalt unterforderten und deswegen psychisch belasteten Frau. In dieser Krise ist ihr die Mutter die einzige Hilfe, so dass es sie schwer trifft, als diese 1970 stirbt.

Ein Jahr nach dem Tod der Mutter erlebt sie sie als Erscheinung und sucht darauf im Rahmen eines spiritistischen Kreises das Gespräch mit ihr. Und nicht nur die Mutter, auch andere jenseitige Wesen begegnen ihr und belehren sie, so ein «Bruder Emanuel» und schliesslich Jesus Christus persönlich. Daraufhin verschwinden Witteks krisenhafte Symptome wie Schlafstörungen und ein Gefühl der Wertlosigkeit, die Visionen erheben sie in einen verehrungswürdigen Rang. Einige Monate später versammelt sie erste Zuhörerinnen und Zuhörer um sich, sie hält, zuerst noch zusammen mit drei anderen Medien, «geistige Vorträge». Handzettel und Mundpropaganda machen sie bekannt, Schriften werden verteilt - einem «Wort des Herrn» gemäss gratis (ein Wort, das heute vergessen ist, haben doch die angebotenen Bücher stattliche Preise). 1975 formiert sich aus dieser Gruppe das «Heimholungswerk Jesu Christi», das erst später in «Universelles Leben» umbenannt wird. Ab 1980 fungiert nur noch Gabriele Wittek als Medium, sie sieht sich als «Prophetin der Jetztzeit» und lässt in der Schrift «Mit Gott lebt sich's leichter» verlauten: «Ich bin in meinem Inneren geworden, was ich war und in Seinen Augen ewig bin: das absolute Gesetz selbst.» Der ehemalige Vorsitzende Richter und jetzige Wittek-Schüler Gert-Joachim Hetzel erklärt in seinem Buch «Der Richter: Und es ist doch Gott, der Ewige. Die Wahrheit über Gabriele, die Prophetin Gottes», dass sie heute als «Lehrprophetin» nicht mehr nur Sprachrohr für allgemeine göttliche «Gesetzmässigkeiten» sei, sondern auch fähig und befugt, die Gesetze für konkrete Menschen zu deuten und ihnen zu «helfen», indem sie sich in Schüler völlig «hineinfühlt» und dadurch ihre «Erinnerungsengramme» aktiviert.

Zu gottesdienstlichen Zusammenkünften wurden sogenannte «Innere Geist=Christus-Kirchen» eingerichtet. Pfarrer Wolfgang Behnk, kenntnisreicher und gehasster Kritiker des Universellen Lebens, berichtet in einem Internet-Artikel, dass diese örtlichen Niederlassungen vor einiger Zeit in «Kosmische Lebensschule» umbenannt worden seien. Heute zählt die Gruppe in Deutschland etwa 40'000, weltweit etwa 100'000 Anhängerinnen und Anhänger.

Wirtschaftliches Fundament für das Weltreich Jesu Christi
Es war wohl ein gewisser Walter Hofmann, der neues Leben in das «Heimholungswerk Jesu Christi» brachte. Dieser ehemalige Fachhochschulprofessor zog 1979 zu den Witteks. Er hatte sich nicht nur zwanzig Jahre lang mit Esoterik, unter anderem auch mit «Transzendentaler Meditation» (Maharishi Mahesh Yogi) befasst und damit die Lehre der Wittek wesentlich beeinflusst, als wirtschaftlich geschulter Mann dürfte er auch dazu beigetragen haben, dass ab etwa 1984 wirtschaftliche Aktivitäten wichtig wurden. Offizielle Begründung für diesen Wandel war allerdings eine «Offenbarung», gemäss der Christus wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten fordere. Der Sektenkenner Friedrich-Wilhelm Haack dokumentierte im Buch «Gabriele Witteks 'Universelles Leben'» einen Text, der beispielsweise für eine «Kosmobio-Nahrungs GmbH & Co. Beteiligungs KG» warb: «Christus baut Sein Weltreich auf! Sind auch Sie bereit, für IHN zu arbeiten! Helfen Sie mit, vieles vorzubereiten für Sein Wiederkommen im Geiste und für die neue Zeit. Helfen Sie finanziell mit, dass ER Sein Weltreich aufbauen kann.» Nun begann, einhergehend mit der Umbenennung von «Heimholungswerk» in «Universelles Leben», der physische Aufbau dieses Weltreichs: Ein Grossindustrieller investierte 3 Mio. für ein Baugebiet und finanzierte Kindergärten, Schulen, Wohnhäuser und Handwerksbetriebe, sogenannte «Christusbetriebe». Eine «Wir sind für Sie da - Dienstleistungs GmbH» wurde gegründet und die Zeitung «Christusstaat» im eigenen Verlag «Das Wort GmbH» herausgegeben. Das zweiwöchentlich erscheinende Organ wurde im März 1997 in «Das weisse Pferd - Den 'Geheimnissen Gottes' auf der Spur - Zeitung für Gesellschaft, Religion, Politik und Wirtschaft» umbenannt. Der Titel klingt politisch unverfänglicher, nimmt aber Bezug auf den ersten der sogenannten «apokalyptischen Reiter» aus Offb. 6,2 und hebt damit die endzeitliche Ausrichtung noch stärker hervor.

Heute gehören über 100 mittelständische und Kleinbetriebe zum Universellen Leben, in denen eine rigide Arbeitsmoral gefordert wird: Rechtes, gewissenhaftes Arbeiten gilt nämlich als rechtes Beten. Der (wirtschaftliche und allgemeine) Erfolg stelle sich als direkte Folge des richtigen Glaubens ein. Wer einen eigenen Betrieb in das «Universelle Leben» einbringt, ist im Umgang mit ihm nicht mehr frei: Eine «Offenbarung» regelt Gewinnausschüttung und Betriebsabläufe.

Ende der achtziger Jahre zieht denn ein - nach jahrtausendelangen Verfehlungen der Menschheit schliesslich zufriedener - Christus in «Das ist Mein Wort A und W» historisierend Bilanz: Aus dem «bunten Gemisch von menschlichem Ich, von Heuchlern, Wortverdrehern, Verleumdern, Zweiflern und Frömmlern kristallisierte sich allmählich das Volk Gottes heraus: Söhne und Töchter Gottes traten bewusst die Nachfolge des Christus an. [...] Entsprechend Meinen Weisungen gründeten sie - wie schon offenbart - die Inneren Geist=Christus-Kirchen [...] Um die Gesetze Gottes in allen Bereichen des Lebens erfüllen zu können, errichteten sie Handwerksbetriebe und erwarben Bauernhöfe. Sie gründeten Kindergärten, Vater-Mutter-Häuser, Schulen, Kliniken und Heime für ältere Menschen. Sie begannen also mit dem Aufbau all dessen, was Menschen für die Neue Zeit und in der Neuen Zeit benötigten. Alle für das Reich Gottes gegründeten und erstandenen Aktivitäten stellten sie in das Gesetz Gottes, das lautet: Bete und arbeite und halte Frieden mit deinem Nächsten. Durch sie gründete Ich die Urgemeinde Neues Jerusalem, die zur Bundgemeinde und zum zentralen Licht für alle weiteren Urgemeinden im Universellen Leben und im entstehenden Fiedensreich Jesu Christi wurde.»

Göttlich erwählte «Bundgemeinde Neues Jerusalem»
Anfang 1995 hiess es, Gabriele Wittek sei entmachtet worden. Die Verantwortung übernahm nun die aus 800 «Geschwistern» bestehende «Bundgemeinde Neues Jerusalem» (vorher «Urgemeinde Neues Jerusalem»). Deren Mitglieder leben in Wohngemeinschaften im Raum Würzburg und bilden das nominell wichtigste Gremium. Vermutlich hatte Gabriele Wittek in wirtschaftlichen Belangen nie viel zu sagen, so dass der «Umsturz» für dieses Gebiet nur die Festschreibung tatsächlicher Verhältnisse war.

Die «Bundgemeinde» fühlt sich getragen durch einen dritten Bundesschluss mit Gott, nachdem der Bund mit Judentum und Christentum gebrochen sei. Eine «offenbarte» Gemeindeordnung legt eine klare Führungsstruktur fest. Im «Christusstaat» 2 von 1988 sind verschiedene «Älteste» aufgelistet, darunter «Älteste für Segnung und Namensgebung der Neugeborenen», «für die Erziehung der heranwachsenden Kinder», Älteste, «die den Gliedern der Gemeinde in allen Lebensfragen beratend zur Seite stehen», «Älteste für die Christusbetriebe», «Älteste für Gesetz und Recht, welche die Gesetze der Gemeinde wahren und die Gesetze der Welt kennen und beachten». An erster Stelle ist genannt «Gabriele Wittek, wirkend als Prophetin und Botschafterin Gottes».

Die Wohngemeinschaften sind strikten Regelungen unterworfen. Dreimal täglich findet eine gemeinsame «Ausrichtung» auf Gott statt. Jede Wohngemeinschaft wird von zwei «Ordnern» überwacht, jeder gilt als für jeden verantwortlich, was als ein System gegenseitiger Kontrolle interpretiert werden kann. Wer neu eintritt, übergibt sein Vermögen dem «Gemeinwohl». Niemand soll eigenmächtig wirtschaftliche Initiative ergreifen oder auch nur einen auswärtigen Arbeitsplatz suchen. Die Individualität verschwindet hinter der Gruppe, die sich abriegelt und als Elite fühlt.

Denn die Bundgemeinde gilt als erwählte Keimzelle für die neue Welt. So spricht «Christus» in «Das ist Mein Wort»: «Auch jetzt schon, bevor die Erde gereinigt ist und das Reich Gottes, das Friedensreich Jesu Christi, die Erde umspannt, entsteht Mein Reich ganz allmählich in der zur Neige gehenden alten, sündhaften Welt - und ist doch nicht mit dieser Welt.»

Wieder und wieder wird in diesem Buch betont, dass nicht etwa das heutige Israel der geographische Ort für das neue Friedensreich sei: Israel und Jerusalem werden «dort sein, wo die Quelle Gottes entspringt und am stärksten fliesst - fern dem alten Israel.» Doch «wenn das alte Israel aufgehoben ist, wird das Neue Israel an der Stelle des alten Israel sein, weil sich durch weltumwälzende Vorgänge und durch die Veränderung der sogenannten Erdachse die Erdmassen verlagern.» «Ich, Christus, sage euch: Die Israeliten bekamen vom Ewigen eine lange Gnadenzeit [...] Da die Israeliten jedoch bis hin zu dieser mächtigen Zeitenwende sich nicht besonnen haben und immer noch an ihrer Vorstellungswelt und ihren Traditionen festhalten und immer noch Kämpfe mit ihren Nächsten führen, anstatt Liebe und Gerechtigkeit walten zu lassen, und immer noch auf den Messias warten, der doch einst als Jesus unter ihnen war, hat der Ewige das Heil von Israel genommen und einem anderen Volk gegeben. Infolgedessen wird das Heil vom Neuen Jerusalem ausgehen und vom werdenden Neuen Israel.» Und an weiterer Stelle im gleichen Buch: «Das schon bestehende Völkchen wird zu einem mächtigen Volk Gottes heranwachsen. [...] Die Urgemeinde Neues Jerusalem, die zur Bundgemeinde wurde, ist dieses Volk Gottes. Es ist das zentrale Licht im Universellen Leben.»

Mythen von Fall und Erlösung
Nach der Lehre des Universellen Lebens erleben wir jetzt eine mächtige Zeitenwende. Auch dies betont «Christus» immer wieder: «Dann brach die Zeitenwende an, jene Zeitepoche [1989], die das Friedensreich Jesu Christi in allen Einzelheiten enthüllte. [...] Da und dort wurde die grosse Familie Gottes auf Erden sichtbar.» Im «Christusstaat» vom Oktober 1993 heisst es unter Berufung auf Offb. 21,1 («Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde»):

«Wer solche Perspektiven hat, gewinnt neue Massstäbe: Es geht ihm nicht mehr um neue Programme zur Rettung der alten Welt. Auf einem sinkenden Schiff sind ein paar neue Liegestühle unbehelflich. Es gilt, die Rettungsboote flottzumachen - für diejenigen, die einsteigen wollen, weil sie die Schieflage des Schiffes ernstnehmen. Für sie entsteht aus den Trümmern der untergehenden Zivilisation ein neues Zeitalter: Das Friedensreich Jesu Christi, in dem nicht mehr der satanische Egoismus der gefallenen Engel die Erde regiert, sondern eine lichtere Menschheit auf einem höherschwingenden Planeten entsteht, die nach dem göttlichen Gesetz der selbstlosen Liebe zum göttlichen Urstrom zurückkehrt.»

Im Hintergrund dieser endzeitlichen Vorstellungen steht ein gnostischer Mythos: Vor aller Materie soll es eine Kraft gegeben haben, einen alldurchdringenden ewigen Geist, das sog. «Vater-Mutter-Prinzip». Es setzte sich zu zwei Dritteln aus positiver und zu einem Drittel aus negativer Ernergie zusammen. Dieses Prinzip sandte Energie aus, worauf «Gott Vater», ein persönlicher Gott, entstand, der einen Sohn «Christus» hatte. Der Vater schuf in sieben Tagen die himmlische Schöpfung. Als erstes weibliches Wesen liess er «Satana» entstehen, ausserdem schuf er männliche und weibliche Erzengel, die Cherubim und Seraphim. Satana krönte er zu seiner geistigen Frau, seinem ewigen «Dual». Des weiteren wurden himmlische Familien mit einem Ätherleib kreiert, die in Harmonie nach dem Gesetz Gottes leben und deren Tun ein immerwährendes Gebet sei. Diese Wesen gelten als Vorbilder für die Menschen. Aus ihrer Schau ergeben sich Normen für den Bau von Häusern - sie sind meist weiss und abgerundet, damit die kosmische Strahlung nicht gebrochen wird -, aber auch für die Rollenverteilung der Geschlechter - eine ganz traditionelle übrigens, Frauen sind beispielsweise für die Kindererziehung zuständig.

Satana, die als weibliches Prinzip keinen Anteil an der Urkraft erhalten hatte, wollte aus Neid ein eigenes Reich gründen und verbündete sich mit einigen Himmelswesen. Diese fielen daraufhin über sieben «Fallebenen» hinweg aus dem Himmel, wobei sich ihre Energie immer stärker «verdichtete» und damit materiell wurde. Die unterste Ebene ist jene von Materie und Erde. Menschen sind jene Fallwesen, deren Ätherleib sich am stärksten «verdichtet» hat. Als sich die Seelenschwingung vor allem des jüdischen Volkes noch stärker zu verringern drohte, inkarnierte sich Christus und lehrte Gott als einen Gott des Inneren. Bei seinem Tod sei ein Erlöserfunke in ein Bewusstseinszentrum jedes Menschen gesprungen, was eine weitere Degeneration verhinderte. Ziel ist nun quasi die Umkehr des Prozesses: Die Materie soll sich auflösen und in die «Lichtstofflichkeit» zurückkehren. Im Universellen Leben wird diese «Erlösung» vollendet.

Umsiedlung: «Innerer Weg» oder Umzug
Die alte Welt kommt an ihr Ende, und daraus erwächst dem Universellen Leben seine besondere Aufgabe. Das Wissen um bevorstehende apokalyptische Umwälzungen macht nämlich eine «Umsiedlung» notwendig, worunter gleichermassen eine äussere wie eine innere Veränderung verstanden werden kann.

Unter dem Titel «Schutz vor dem schleichenden Super-GAU: [...] Tschernobyl ist nicht zu Ende» wird im «Christusstaat» vom Juni 1991 die «'Umsiedlung' ins Innere» empfohlen, das sei «dann der innere 'Katastrophenschutz', der Rettung zu bringen vermag», Rettung vor riesigen negativen Energiefeldern, die entstanden, da jahrtausendelang göttliche Gesetze missachtet wurden. Dieser rettende Weg nach innen werde heute in allen Details gelehrt - er wurde der Prophetin des Universellen Lebens offenbart. Ziel dieses «göttlichen Pfades zum wahren Leben» sei es, das Bewusstsein zu reinigen, damit «Christus in uns» ungehindert wirken könne. Vor dem Beschreiten des eigentlichen «Inneren Wegs» müssen zwei Meditationskurse von sechs bzw. neun Monaten Dauer absolviert werden. Hier wird unter anderem der Aufbau des «geistigen Leibes» im Menschen gelehrt. Die Gehirnzellen werden «auf das höchste Prinzip, auf Gott ausgerichtet», wie in der Schrift «Aus dem Leben der Prophetin Gottes» nachzulesen ist. Danach führt der «Innere Weg» über vier Stufen, auf denen die Vergangenheit bewältigt, der Eigenwille überwunden und Menschliches und Individuelles abgelegt werden sollen. So heisst es in «Warum ist Christus der Erlöser aller Menschen und Seelen?»: «Erst wenn der Mensch sein Ich, seine Leidenschaften, seine Triebe, seine tierische Natur, kreuzigt und seine menschliche Individualität aufgibt, wird er - durch die in ihm wirkende Erlöserkraft - in den Schoss des Allmächtigen gelangen.» Schliesslich soll man nicht mehr mit dem Intellekt, sondern mit dem erschlossenen Bewusstsein arbeiten. Nach der vierten Stufe sei man frei vom Gesetz von Ursache und Wirkung. Danach beginnt der «siebenfache mystische Pfad», der unmittelbar zu Gott führt bzw. göttlich macht: «Wir sind auf Erden, um wieder göttlich zu werden, indem wir uns läutern und die unsterbliche Seele in uns von ihren Belastungen aus diesem und früheren Leben befreien. Der Innere Weg im Universellen Leben bietet hierfür besondere Hilfen», wird im «Christusstaat» 19 (1993) verkündet.

Neben der inneren Arche Noah, wie man dieses Meditieren nennen könnte, stand in den frühen achtziger Jahren noch das Angebot eines Ausseririschen namens Bruder Mairadi vom Planeten Maiami-Chuli, der die vorbereiteten Menschenbrüder mit UFOs vor den endzeitlichen Katastrophen zu retten versprach. Später war von ihm nichts mehr zu hören. Vielleicht verlässt man sich ohnehin lieber auf die handfest-äusserlichen sogenannten Christusbetriebe, die laut dem eben erwähnten «Christusstaat» als «Inseln der Nachfolge Christi» gelten, aus denen «in der Neuen Zeit das Festland Seines Friedensreiches wachsen» werde. Betriebe und Einrichtungen wie Altenheime, Schulen und Kindergärten sollen «in der 'grossen Not' der bevorstehenden Apokalypse Nahrung und Obdach, medizinische Versorgung und geistigen Trost bieten können - so sie im 'Zeichen des Lammes' stehen und überleben, um selbstlose Hilfe zu leisten.»

«Verfolgte» Minderheit
Das Universelle Leben grenzt sich vehement und polemisch ab. «Wir distanzieren uns!» lautet eine Schlagzeile im «Christusstaat international» vom April 1991, und: «Wir leben in dieser Welt, aber nicht mehr mit dieser Welt.» Das bedeutet auch, dass keinerlei konstruktive Auseinandersetzung mit Kritik stattfindet, von Selbstkritik fehlt auch die geringste Spur (mit «sündhaften Aspekten» hat «der Prophet nichts gemein», schreibt etwa Hetzel im schon erwähnten Buch). Vielmehr wird in zahllosen Prozessen versucht, Kritik zum Schweigen zu bringen. Sie wird als Verleumdung gebrandmarkt, woraus sich - passend zur behaupteten apokalyptischen Szenerie - die Selbstdarstellung als verfolgte Religionsgemeinschaft ergibt. Wie alle echten Propheten müsse auch Gabriele Wittek Verfolgung erdulden. Hetzel: «Misst man den Grad der Glaubwürdigkeit des Gottespropheten an dem Grad der Verfolgung durch die etablierten Religionsinstitutionen, dann nimmt Gabriele einen hohen Rang ein. Schon in der frühen Zeit ihres Auftretens in der Öffentlichkeit, als nur eine Handvoll von Menschen regelmässig die Gottesoffenbarungen hörte, machten sich die Amtskirchen auf, das Prophetische Wort zum Schweigen zu bringen.» Bösartigste und niederträchtigste Verleumdungen müsse sie ertragen.

Unermüdlich polemisiert das Universelle Leben im «Christusstaat» und anderen Schriften gegen die Kirchen, auch gegen die Massenmedien, die «zu Handlangern der Machtkirchen» würden, und vermutet, «dass inzwischen alle Nachrichten in Deutschland eine zentrale Zensur durchlaufen», vielleicht sei es schon so weit, «dass über das Universelle Leben nur Negatives berichtet werden darf». Der Staat lasse sich «zum Büttel kirchlicher Inquisition machen». Von «Rufmordkampagnen» und systematischer Verfolgung ist die Rede, und selbst der unhaltbare Vergleich mit der Judenverfolgung während der Nazidiktatur blieb nicht aus. Gleichwohl wurden überdies antisemitische Verschwörungstheorien kolportiert, wonach «Illuminaten»-Geheimlogen, und zwar gezielt jüdisch unterwanderte, eine antichristlich-satanische Diktatur in einem «Weltstaat» sollen errichten wollen.

Wenn darüberhinaus vermutet wird, dass Urchristen im Universellen Leben «hingemordet» werden könnten, so ist dies nicht nur ein weiteres Konstruktionselement, das mit zur apokalyptischen Choreographie gehört, sondern es ist auch geeignet, reale Verfolgungsängste besonders unter labilen Anhängern zu schüren. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält denn auch, wie Behnk in «Abschied vom 'Urchristentum'?» dokumentiert, fest, dass die Verschwörungs-, Rufmord- und Mordtheorien unter den Mitgliedern «zu einer Art Verfolgungs-Hysterie führen» können.

Rein ins neue Zeitalter
Voraussetzung für das Zukunftsreich ist Reinigung: Wenn die Erde «von allem Negativen gereinigt ist, wird das Weltreich Jesu Christi erstehen», soll letzterer für «Das ist Mein Wort» diktiert haben. Zur Reinigung tragen die Menschen bei, die sich bzw. ihre Gehirne einem Abwasch, einer «Umprogrammierung», unterziehen: «Die 'Umprogrammierung' ist nichts anderes als die Reinigung der Gehirnzellen von allen Prägungen dieser Welt, von allen Vorstellungen und Meinungen, die dem göttlichen Wort entgegenstehen», so heisst es in «Aus dem Leben der Prophetin Gottes». Möglich ist diese Reinigung durch Erkenntnis, Reue und v.a. auf dem sog. «Inneren Weg» des Universellen Lebens. Ein gereinigtes Bewusstsein äussert sich in einem gesunden, frischen und elastischen Körper und in sauberer, lichterer Kleidung.

Abgewaschen werden muss auch das Karma, die Schuld, die sich einzelne und ganze Gruppen von Menschen angehäuft haben sollen. «Reinkarnation» und «Karma» sind zentrale Begriffe im Universellen Leben. Der Mensch soll in seinem Willen zwar völlig frei sein, aber die Seele muss in einer folgenden Reinkarnation für jeden Gedanken und jede Tat geradestehen. Es gibt keinen Zufall. Jede Krankheit, überhaupt jedes Leid hat einen bestimmten Grund, der in negativen Empfindungen, Worten oder Handlungen liegen kann. Der Mensch hat grundsätzlich alles, was zerstörerisch wirkt, selbst geschaffen, Viren und Bakterien ebenso wie eine Verlagerung der Erdachse. Dass jede Wirkung eine Ursache hat, bedeutet für den einzelnen auch, dass sich von organischen Erkrankungen ausnahmslos auf ein Fehlverhalten schliessen lässt oder umgekehrt: Jedes Fehlverhalten hat eine bestimmte Erkrankung zur Folge. Diesen angeblichen Zusammenhang versucht das Universelle Leben in zwei eigenen Kliniken therapeutisch zu nutzen. Kranke werden dort mit Heilfasten, Heilschlaf und Organansprechungen behandelt.

Jede Krankheit, aber auch der Tod, haben den Sinn, dass Schuld «abfliessen» kann. Die Gegenwart ist hierfür besonders geeignet, denn die vom Menschen geschaffenen Ursachen sollen verstärkt ausfliessen können. Wir leben in einer Zeit der Gnade mit besonderer Gelegenheit zur Läuterung. Doch das grosse Saubermachen hat einen ungnädigen, universalen Preis: Kontinente werden zwecks Reinigung überflutet, wird im «Christusstaat» 21 (1986) angekündigt. Umweltkatastrophen und Rüstungswahn sind Folge des Ausflusses. Und «Christus» weiss laut «Das ist Mein Wort»: «In der Umbruchszeit greift immer wieder die Finsternis an, um ihr Territorium, die Erde, für sich zu retten. [...] Immer wieder werden sich Völker erheben und gegeneinander sein. Kampf, Not, Krankheit, Leid und Siechtum werden die Menschen hinwegraffen.» Die Erde selbst «wird erzittern und sich auftun und viele Menschen verschlingen.» Dann aber: «Das Unreine wird vergehen. Die Meere werden über ihre Becken treten und alles Gegensätzliche zudecken, und die Gestirne werden mit ihren Strahlen die Erde reinigen. Dann ist zerbrochen das Schwert und alles Werkzeug des Krieges. Dann wird auf der ganzen Erde das Friedensreich entstehen, und auf der Erde werden Menschen leben, die Gottes Willen erfüllen.» Die Reinen werden überleben.

Ein Lehrengel für die Kindererziehung
In dieser aussergewöhnlichen Zeit ist auch die Erziehung des Nachwuchses ein wichtiges Anliegen. Als Ideal gilt die «Grossfamilie», die sich aus mehreren Familien zusammensetzt und in Wohngemeinschaften lebt. Den Eltern wird nahegelegt, die Kinder nicht an sich zu binden, sondern sie in die Gemeinschaft einzubringen. Diese hat eigene Erzieherinnen und Lehrkräfte, deren pädagogische Qualifikation darin besteht, dass sie den «Inneren Weg» gehen. In Kindergärten, Kinderkrippen und «Vater-Mutter-Häusern» werden die Kinder ganztägig betreut. Seit 1991 besteht eine eigene Schule, die «Christusschule». Alle zwei Wochen werden die Eltern zur «Elternschule» geladen, wo Schwierigkeiten mit dem Kind und von Eltern untereinander verhandelt werden. Die Eltern sollen nicht autoritär sein, sondern vorbildlich, sie sollen Harmonie ausstrahlen. Allfällige Probleme wären ein Ausdruck von Fehlern. Die Pädagogik des Universellen Lebens gilt als jeder elterlichen überlegen. Sie wurde nicht etwa vom Kind her konzipiert, sondern von einem speziellen Geistwesen «Liobani» der Prophetin eingegeben.

Zu einem geradlinigen Leben gehöre auch ein Beruf, der Freude macht, wobei v.a. mittelständische Berufe erwähnt werden und solche, die in «Christusbetrieben» nützlich sind: Pädagoge, Krankenpfleger, Arzt, Handwerker, Angestellte, Arbeiter. Es scheint Ziel dieser Erziehung zu sein, den internen Kreislauf zu schliessen und Jugendliche heranzuziehen, die sich im entstehenden Weltreich gewinnbringend einsetzen lassen: «Ein tüchtiger und brauchbarer Mensch werden» lautet denn auch eine Kapitelüberschrift im Kinderbuch «Liobani. Ich berate - nimmst Du an?».

Christliche «Pioniere für die Neue Zeit»?
Das Universelle Leben, religiöse Gemeinschaft von mittlerweile auch beachtlicher wirtschaftlicher Grösse, erhebt den unbescheidenen Anspruch, wahres Urchristentum zu lehren und leben. Diese neue Lehre ist inhaltlich stark von östlichen und esoterischen Gedanken inspiriert. Die Prophetin Gabriele Wittek will wissen, was Jesus «wirklich gesagt» und «wirklich gelehrt» hat, behauptet, mit Christus direkt in Kontakt zu stehen und von ihm Direktiven für sämtliche Lebensbelange zu erhalten. Das sind bedenklich hoch gegriffene Ansprüche, nicht nur von der Bibel her gesehen, in der nirgends die Rede von notwendigen Korrekturen und Erweiterungen ist.

Auf dem Schulungsweg, der als sicherer Weg zu Gott bzw. zur Vergöttlichung gilt, soll eigenes Denken möglichst ausgeschaltet werden - ein Vorgehen, das den Vorwurf der Bewusstseinskontrolle laut werden liess und die Frage, ob auf einem so autoritativen Weg noch Platz für persönlich-individuelle Erfahrung bleibt, zumal Individualität explizit als verwerflich gilt. Genau dieser Weg soll es aber einzig ermöglichen, die Schrecknisse der in Gang befindlichen Umbrüche zu überleben und den Gesetzestreuen einen Platz im zukünftigen Weltreich zu sichern. Besonders die «Bundgemeinde Neues Jerusalem» ist sich ihrer Rettung gewiss, mehr noch, wie etwa in der Sondernummer 1 von «Christusstaat weltweit» 1996 zu lesen ist: In der «Bundgemeinde Neues Jerusalem, welche die Verantwortung für das sich aufbauende Friedensreich Jesu Christi übernommen hat, offenbart sich der Christus Gottes, um die Seinen zu führen».

Dieses elitäre Bewusstsein ist nur einer der Gründe dafür, den sektenkritischen Blick auf das Universelle Leben zu schärfen, ein anderer Grund liegt darin, dass sich der angebliche Christus einzig durch eine bestimmte Person verlauten lässt. Die «Prophetin» hat alleinigen Zugang zur unhinterfragbaren «Wahrheit». So ist eher zu fürchten als zu hoffen, dass die Anhängerinnen und Anhänger des Universellen Lebens das «Friedensreich» auf Erden errichten. Denn einem Frieden, der per Gesetz auferlegt und im inneren Kreis durch strenge Ordnungen, gegenseitige Kontrolle und Harmoniepflicht aufrechterhalten wird, ist schwerlich zu trauen. Schon deshalb nicht, weil die Mitglieder des Universellen Lebens vor den verschlossenen Toren der eigenen Weltsicht Todfeinde wähnen. Und allzu zweifelsfrei halten sie in «Die zehn Gebote Gottes» fest: «Menschen des Universellen Lebens sind Pioniere für die Neue Zeit, die schon angebrochen ist.»

Literatur
Die Quellenzitate stammen aus folgenden Schriften:

Hetzel, Gert-Joachim: Der Richter: Und es ist doch Gott, der Ewige. Die Wahrheit über Gabriele, die Prophetin Gottes, Marktheidenfeld 1997.

Universelles Leben (Hg.): Aus dem Leben der Prophetin Gottes. Weitere Erkenntnisse für alle Suchenden und Wanderer auf dem Pfad zu Gott. Würzburg 21984.

Universelles Leben (Hg.): Das ist Mein Wort A und W. Das Evangelium Jesu. Die Christus-Offenbarung, welche die Welt nicht kennt, Würzburg 21993.

Universelles Leben (Hg.): Die zehn Gebote Gottes. Das Leben der Urchristen, Würzburg 1994.

Universelles Leben (Hg.): Liobani. Ich berate - nimmst Du an? Würzburg 1988.

Universelles Leben (Hg.): Mit Gott lebt sich's leichter. Würzburg 1988.

Universelles Leben (Hg.): Ursache und Entstehung aller Krankheiten. Was der Mensch sät, wird er ernten. Würzburg 41993.

Universelles Leben (Hg.): Warum ist Christus der Erlöser aller Menschen und Seelen? Würzburg 1985.

 

Im Text nicht im einzelnen genannte, zitierte Zeitschriften-Ausgaben:

Christusstaat international Extrablatt 9 (1993).

Christusstaat weltweit 8 (1993).

Christusstaat weltweit 9 (1993).

Christusstaat weltweit 18 (1993).

Der Christusstaat 8 (1987).

Der Christusstaat 12 (1987).

Die Stimme der Minderheiten und Ausgegrenzten 3 (1993).

 

Benutzte Literatur über das Universelle Leben:

Behnk, Wolfgang: Abschied vom «Urchristentum»? Gabriele Witteks «Universelles Leben» zwischen Verfolgungswahn und Institutionalisierung, München 1994 (Münchner Texte und Analysen zur religiösen Situation).

Behnk, Wolfgang: Neues vom Weissen Rössel. Online im Internet, URL: http://www.access.ch/pwidmer/ul2.html (Stand: 25. Februar 1999).

Haak, Friedrich-Wilhelm: Gabriele Witteks «Universelles Leben» (HHW / Christusstaat). Für die Neuauflage aktualisiert und mit einem Anhang versehen von Thomas Gandow. München 21992.

Mirbach, Wolfram: «Universelles Leben» - Die einzig wahren Christen? Eine Neureligion zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Freiburg i.B. 1996.

 

Die erstgenannte Schrift von Behnk und diejenige von Haack enthalten auch ausführliches Dokumentationsmaterial.

Therese Graf, 1999
Letzte Aenderung 1999, © tg 1999, Infostelle 2000
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