Erleuchtete Geschäfte

Kiegeland-Land in Ostermiething

 

Die Kommune "Weißer Lotus" in Ostermiething macht Umsatz mit CDs, Bio-Landbau und selbstentwickelten Low-tech-Produkten.

Bericht von Gert Damberger

 

Burkhardt Kiegeland vom "Weißen Lotus" ist sehr ums Image bemüht. "Wir sind keine Sekte, das ist eine künstlich aufgebauschte Geschichte. Bei uns leben Angehörige der verschiedensten christlichen Kirchen ohne ihre Religion aufzugeben." Treuherzig versichert er: "Und zur Weihnachtszeit, da singen wir Lieder beim Adventskranz". Zwecks Imageförderung sind auch schon zwei Franziskanermönche aus Salzburg im Weißen Lotus gewesen und haben nett geplaudert und Hofrat Marco Feingold von der jüdischen Kultusgemeinde hat eine Fotoausstellung eröffnet. Fühlt sich der 57jährige Guru Kiegeland, der bisher den bescheidenen Beinamen "Buddha" (der Erleuchtete") trug, neuerdings dem jüdisch-christlichen Kulturkreis verpflichtet? "Nein", sagt er. "Wir berufen uns auf den Kern, der allen Weltreligionen gemeinsam ist". Überhaupt mag Kiegeland nicht eingeordnet werden. Auch das Etikett "Neo-Sanyassin" lehnt er ab. "Das erzählt der Sektenreferent immer herum. Ich war aber nur ein Jahr bei Bhagwan in Oregon und bin rausgeworfen worden. Das war 1983-84, Rechnen Sie mal nach, wie lang das her ist!"

 

Oshos Geschäftsidee

Hinausgeworfen oder nicht, jedenfalls hat Kiegeland nach seinem Aufenthalt in Oregon die Geschäftsidee des indischen Psycho-Gurus Bhagwan Shree Rajneesh (1931-1990) übernommen. Seit 1984 wirkt Kiegeland selber als "spiritueller Lehrer", der in Kursen wie "Lotus-Herz-Projekt" oder "Herzöffnung - Heilung der Grundangst" Selbsterfahrung und -verwirklichung anbietet. Ausgangspunkt ist wie bei Bhagwan die These, daß wir Westler durch die Erziehung unserem "innersten Wesen" entfremdet sind. Mit Hilfe eines körperorientierten und gruppendynamischen Therapiecocktails können wir uns von den illusionären Verstrickungen lösen, die wir um unser armseliges Ich herum aufgebaut haben, um die "Grundangst" zu betäuben. Das wahre Sein, behauptet Kiegeland, ist unteilbar, nicht durch Worte ausdrückbar. Daher seien die etablierten Religionen abzulehnen. Eine ausformulierte Theologie sei eine Krücke für Leute mit "einem neurotischen Sicherheitsbedürfnis". Verpflichtet fühlt sich Kiegeland vorwiegend seinem "Lehrer" Michael Barnett, der bei Bhagwan lange Zeit Startherapeut war, absprang und sich mit einem eigenen Zentrum namens "Energy World" in Frankreich selbständig machte. 1996 wurde die in einem sündteuren Schloß bei Limoges untergebrachte "Energy World" wegen Verdacht auf Steuerhinterziehung von der französischen Finanzbehörde zugesperrt. Meister Barnett ließ daraufhin weinerliche Bettelbriefe in der Esoterikszene kursieren und zog sich in die Schweiz zurück, um neu anzufangen.

 

30 Millionen Umsatz

Kiegeland bezog das für einen freischaffenden Guru unverzichtbare Meditations- und Seminarzentrum 1991 in einer ehemaligen Stöckelschuhfabrik in der Nähe von Ostermiething. Über den Seminarbetrieb im Verein "Weisser Lotus" hinaus haben sich dort im Lauf der Zeit eine Reihe von zusätzlichen Geschäftsbereichen entwickelt (siehe unten).

Alles in allem bringen es die Wirtschaftsbetriebe, genannt "Weißer Lotus Produktions- und Vertriebs Ges.m.b.H." mittlerweile auf einen Jahresumsatz von rund 30 Millionen Schilling, erklärt Geschäftsführer Harald "Asanga" Tautscher: "Wir sind zum veritablen Mittelbetrieb geworden". Das Käsegeschäft "Kaslöchl" in der Salzburger Innenstadt gehöre nicht mehr zur Firma. Tautscher: "Wir haben es an eine langjährige Mitarbeiterin verkauft". Mit dem Ausbau der wirtschaftlichen Aktivitäten ist das Zentrum seit Anfang 1997 nicht mehr auf Einkünfte durch Kursbeiträge angewiesen. Für Psycho-Veranstaltungen wie "Unterwasser-Rebirthing", "Spirituelle Individualtherapie" und "Systemische Familienarbeit" werden nur mehr die Kosten für Unterkunft und Verpflegung (630.- Schilling/Tag) verlangt. Die Strategie ist geschickt: Mit niedrigen Pauschalpreisen lockt man mehr Kursteilnehmer nach Ostermiething. Auch ein Langzeit-Angebot für Aussteiger gibt es: "Wohnen und Arbeiten im Weißen Lotus". Wer Vollholzmöbel, Biokost, Nestwärme und Ausbildungen wie "Cranio Sacral Therapy" oder "Counselling" unter einen Hut bringen will, kann als Gast einsteigen, Preise auf Anfrage.

 

Die Großfamilie

Nach Kiegelands Angaben leben ständig an die 40-50 Menschen im Ostermiethinger Zentrum, darunter sechs Familien mit Kindern. Die Erwerbsarbeit vom Gemüsebeet bis zum CD-Versand wird von etwa 20 Dauerbewohnern und zehn externen Angestellten erledigt. Während letztere normal bezahlt werden, erhalten die Hausbewohner 5.000 Schilling Taschengeld im Monat für ihre Tätigkeit. Kiegeland: "Wir beuten niemand aus. Die Mitarbeiter werden bei uns sozial- und krankenversichert und erhalten den Kollektivlohn, abgezogen werden die Lebenshaltungskosten. Man muß dabei berücksichtigen, daß auch die nichtproduktiven Mitglieder miternährt werden." Nicht ein jeder Sinnsucher wird in den exklusiven Kreis der bezahlten Lotus-Mitarbeiter aufgenommen. Kiegeland: "Wir schauen uns die Leute genau an, die wir aufnehmen. Der Kandidat muß unternehmerisches Blut in den Adern haben."

 

Prozeß gegen Sektenreferat

Kiegeland kann nur eines auf den Tod nicht leiden: Kritik, vor allem von Sektenberatungsstellen. Diese Einrichtungen seien ein "Tummelplatz von Paranoikern", finanziert von "Großsekten" wie der katholischen und evangelischen Kirche, die nichts anderes im Schilde führten, als religiösen Minderheiten ans Bein zu pinkeln. Gerade der Sektenbeauftragte der Salzburger Erzdiözese, Dr.Stephan Djundja habe dem Weissen Lotus durch seine Auskünfte immer wieder Geschäfte vermasselt. "Ja, es gibt Probleme mit dem weißen Lotus", erklärt Djundja. Mit einer Finte habe ihn die Gruppe aufs Glatteis geführt. Ein Anrufer hatte vorgegeben, nichts vom "Weißen Lotus" zu wissen und ihm, Djundja, entlockt, daß durch Brachial-Techniken wie Rebirthing möglicherweise labile Naturen auf psychotische Reisen ohne Wiederkehr geschickt werden oder Ehen zerbrechen können, wenn sich der Partner nach einer Ausbildung im "Weißen Lotus" plötzlich "Mukti" nennt. Nicht unbedingt ratsam, sich da einzulassen. Kurz darauf bekam Djundja die Klagsschrift zugestellt. Das Verfahren ist nach wie vor anhängig.

 

Geschäftszweige des Weißen Lotus

Auf dem Areal in Ostermiething befinden sich eine Bio-Landwirtschaft mit Mitgliedschaft im Verband "Ernte fürs Leben", die Vertriebszentrale von "Lotus-Records" samt Aufnahmestudio (die Firma ist 1989 aus dem Hannibal-Verlag hervorgegangen, ein Lizenzvertrieb für Computermonitore ("Weisser Lotus GmbH Monitore"), der Internet-Provider"Lotus-Intergate", eine Werkstatt für Holz- und Metallbearbeitung, ein im Sommer öffentlich zugängliches Café, das sich in einem alten, am Gelände abgestellten Eisenbahnwaggon befindet und die größte österreichische Modelleisenbahn-Freianlage. Letzteres kommt daher, daß Kiegeland Zeit seines Lebens Modelleisenbahnfreak war und vor seiner Berufung zum Guru als Sachbuchautor Bücher zum Thema verfaßt hat ("Mein Hobby: Modelleisenbahn"). Bemerkenswert sind die transportablen Großbildkameras, die seit einigen Jahren in der Werkstatt gebaut werden und die man an Profi-Fotografen in der ganzen Welt verkauft. Auch dieses Geschäft geht auf Kiegelands Tätigkeit als Kunstfotograf zurück. Lotus Records hat natürlich auch mit Kiegeland zu tun. Denn Musiker mit Weltmusik- und Esoterik-Touch ist er überdies und das Hauslabel hat etliche seiner CDs im Programm. Lotus-Intergate bringt die Seiten der Zeitschrift ins Web. Sie enthält - na was wohl - vorwiegend Kiegeland-Vorträge und Interviews mit dem Meister.

Gert Damberger, 1999


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