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  Die Familie ehemals: Kinder Gottes
  Uebersicht
  Die neuere Selbstdarstellung "Der Familie"
aus: Informationsblatt Nr. 2/1996

In den letzten Jahren fanden in vielen Ländern, wie etwa in Australien, Frankreich, Spanien und Argentinien, Razzien in Wohngemeinschaften der "Familie" statt. Der Sekte wurde unter anderem Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung vorgeworfen. Angesichts der Verfolgungen ist "Die Familie" bemüht, sich durch Publikationen gegen die Anschuldigungen zu wehren. Die Gruppe versucht offensichtlich, das ihr anhaftende (Sex-)Sektenimage loszuwerden. Anhand ihrer neueren Publikationen soll untersucht werden, inwieweit ihr das gelungen ist.

Die Gruppe wechselte im Verlaufe ihrer Geschichte mehrfach den Namen. Nicht zuletzt deshalb soll zunächst kurz auf jene eingegangen werden:

Der Ursprung "Der Familie" liegt im Jahre 1968. Der aus einem pfingstlich-erwecklichen Elternhaus stammende David Berg missionierte unter den kalifornischen Hippies. Aus dieser Mission entstand eine Gruppe, die bald den Namen "Kinder Gottes" erhielt. Sie war in vielen Ländern missionarisch aktiv und gründete dort sog. "Kolonien", d.h. Wohngemeinschaften von Missionaren. 1974 sollen 4000 Anhänger in 170 Kolonien aktiv gewesen sein. Die Organisationsform war eine streng hierarchisch-pyramidale mit David Mose Berg als "König und Prophet" an der Spitze.

1978 wurden die "Kinder Gottes" offiziell aufgelöst, grosse Teile der Leiterschaft wurden ausgewechselt, ein Drittel der Mitglieder verliess die Organisation. Im Dezember 1978 riet Berg seinen Mitgliedern angesichts eines drohenden Gerichtsverfahrens, in den Untergrund zu gehen. Die Gruppe benannte sich um in "Familie der Liebe". Später verkürzte sie ihren Namen zu "Die Familie". Berg verstarb 1994. Die Leitung übernahm fortan seine zweite Frau Maria, die er schon im Vorfeld mit Leitungsaufgaben betreut hatte. Die "Familie" hat nach eigenen Angaben derzeit 3000 vollzeitige erwachsene und 6000 minderjährige Mitglieder.

Selbstverständnis
Die "Familie" bezeichnet sich in den Briefköpfen ihrer neueren Schriften als "Zusammenschluss unabhängiger Missionarsgemeinschaften, allgemein Die Familie genannt". Diese Missionarsgemeinschaften haben sich laut der Publikationen der "Familie" folgenden Zielen verschrieben: Weltweite Evangelisation; Bildung von Gemeinschaften, die in brüderlicher Liebe zusammenleben; bestmögliche christliche Erziehung und Ausbildung der Kinder; Verkündigung der nahen Endzeit.
Die Bedeutung der Mo - Briefe
Aktive Mitglieder sagen gegenüber Aussenstehenden, für sie wären die Mo-Briefe Hilfen zur Mission und zum Verständnis des Evangeliums. Diese Aussagen stehen im Kontrast zum früheren Sprachgebrauch, wo die Bibel als "Gottes Wort für gestern" und die Mo-Briefe als "Gottes Wort für heute" bezeichnet wurden. Ausserdem ist zu erwähnen, dass in Mo-Briefen nicht nur Ratschläge für die Mission gegeben wurden, sondern auch Vorschriften für jegliche erdenklichen Bereiche des Lebens der Gruppenmitglieder gemacht wurden. So hat Mo in den Briefen auch zur massiven körperlichen Züchtigung der Kinder aufgerufen.
Lehre
Die "Familie" hat die stark endzeitliche Ausrichtung ihrer Lehre beibehalten: Aufgrund von Schriftstellen und der gegenwärtige Weltlage seien sie zu der Ueberzeugung gekommen, dass wir in den "letzten Tagen" leben. Nach Auffassung der Familie werden wir bald Zeugen einer mächtigen, einheitlichen Weltregierung werden, die alle Gläubigen verfolgen wird, die sich weigern, sich ihr zu unterwerfen. Das "Greuelbild der Verwüstung", das sich die "Familie" als eine Art Supercomputer oder Roboter vorstellt, wird im neuerrichteten Tempel in Jerusalem errichtet werden. Der Führer der Weltregierung, der "Antichrist", wird die Erde mit Krieg überziehen, dabei unter Mithilfe vermutlich Russlands und der Eurpäischen Gemeinschaft mit einem Nuklearangriff die Vereinigten Staaten in nur einer Stunde zerstören. Doch dann wird plötzlich Jesus wiederkehren und seine tausendjährige Herrschaft auf der Erde errichten. Nach diesen tausend Jahren wird der Antichrist endgültig vernichtet werden. Je nach ihrem Rang und ihrer Lernstufe im Dienste und der Kenntnis des Herrn werden die neugeborenen Menschen entweder mit den Auserwählten, der Elite, innerhalb einer gigantischen, von Gott konstruierten Raumstadt leben, oder ausserhalb derselben.

Diese Endzeitvorstellung, die in recht freier Weise biblische Vorstellungen insbesondere aus dem Danielbuch und der Offenbarung aufnimmt und sie mit Science-fiction-Vorstellung vermengt, wird zeitgemäss in bunten, recht kitschig anmutenden Comics dargestellt. Diese sind offenbar für die Strassenverteilung bestimmt. Bei der Herausgeberangabe taucht der Name "Die Familie" nicht auf.

Neben der Endzeitorientierung fällt bei der "Famile" ein gewisses charismatisches Element auf: Jeder Gläubige darf auf die übernatürliche Heilung seiner körperlichen Gebrechen durch Gott hoffen. Der "Familie" ist es wichtig, zu betonen, dass der Glaube an Heilung eine Angelegenheit des persönlichen Glaubens sei, niemand würde daran gehindert, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Leben in der Gemeinschaft
Die Mitglieder der "Familie" sind in der Regel nicht berufstätig. Nach eigenen Angaben leben sie von Geld-und Naturalienspenden und vom Verkauf von Büchern und Musikkassetten ("Music with Meaning").

Sie begründen ihr Vorgehen damit, schon in der Bibel sei bezeugt, dass derjenige, der die gute Nachricht verbreitet, jene, die die Botschaft empfangen, um Unterstützung bitten kann.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der "Familie" mehrfach vergeworfen wurde, dass sie sich bei Firmen und Lebensmittelhändlern als unabhängige Missionare ausgegeben haben, die Mission in der dritten Welt betreiben oder die Drogenäbhängige betreuen, und so oftmals Geld- und Naturalienspenden in grösserem Umfang erhielten, die Spenden dann aber für ihren eigenen Lebensunterhalt verwendeten.

Vermutlich stellt eine wichtige Einnahmequelle auch das Vermögen von Neueingetretenen dar. Unter dem Wahlspruch "Allem absagen", von dem sich die "Familie" nicht zu distanzieren scheint, geht bei Eintritt in die "Familie" der gesamte Besitz in das Gruppeneigentum über. Des weitern fällt auf, dass die "Familie" in ihren Veröffentlichungen anders als früher darauf verzichtet, die Welt ausserhalb der Gruppe als das für den Untergang bestimmte "System" zu bezeichnen.

Kindererziehung
Die Kinder der Mitglieder der "Familie" werden in den Wohngemeinschaften erzogen und unterrichtet. Sie besuchen in der Regel keine staatlichen Schulen. Die "Familie" zitiert verschiedene Fachleute, die nach Besuchen bei der Familie den Eindruck gewonnen haben, dass deren Kinder im Vergleich mit anderen Kindern aufgeschlossener, hilfsbereiter und emotional gefestigter sind. Diese Fachleute konnten auch keine Lücken in der Ausbildung der Kinder feststellen.
 
Flirty Fishing / Sharing
Die Mission durch "Flirty Fishing" (abgekürzt FF), durch das Fischen durch Flirt, brachte den Kindern Gottes in der Oeffentlichkeit das Image einer Sexsekte ein. FFen bedeutet, dass Menschen dadurch, dass ein Missionar oder eine Missionarin mit Ihnen schläft, von der Liebe Gottes überzeugt werden sollen. Es wird als physisches Abbild der göttlichen Liebe verstanden. Ab Mitte der siebziger Jahre wurde in den Mo-Briefen die Mission durch FFing erörtert. In pornographisch anmutenden und z.T. mit obszönem Vokabular versehenen Zeichungen wurde das nötige Vorgehen bei der Sexualmission genau erklärt.

"Die Familie" betont heute, FFen wäre1987 für die Gemeinschaft verboten worden, der sexuelle Verkehr unter den Mitgliedern einer Wohngemeinschaft über die Partnerschaft hinaus, das sogenannte "Sharing", sei 1983 untersagt worden. Die "Famile" gibt zu, dass nicht zuletzt die Bedrohung durch AIDS sie zu diesem Schritt veranlasst habe.

FFen sei auch immer als eine Möglichkeit der Mission und als ein Vorschlag David Bergs zu verstehen gewesen. So sollen sich auch nur wenige Mitglieder dazu entschlossen haben, das FFen zu ihrer Hauptmethode der Evangeliumsverbreitung gemacht haben. Es sei nur eine Methode der Mission gewesen.

Kindesmisshandlung
Die Razzien Anfang der Neunziger gegen die "Familie" sind von Nachrichten ausgelöst worden, innerhalb der Wohngemeinschaften würden Kinder in erheblichem Masse körperlich gezüchtigt und sexuell missbraucht. In Presseerklärungen nimmt die "Familie" dazu Stellung. Es werden Fachleute zitiert, die nach Besuchen oder längeren Aufenthalten bei Mitgliedern der "Familie" keinerlei Anzeichen von Missbrauch bei den Kindern erkennen konnten. Ausserdem werden zahlreiche Gerichtsurteile angeführt, in denen Mitglieder der Familie vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs freigesprochen wurden.
Fazit
Es wird deutlich, dass die "Familie" mit ihrer neueren Selbstdarstellung zweierlei Ziele verfolgt: Erstens will sie sich von den ihnen vorgeworfenen Straftaten freisprechen. Zweitens ist sie bemüht, als christliche Missionsgemeinschft anerkannt zu werden und sich so die Solidarität von christlichen Gruppierungen zu verschaffen.
Kritische Anfrage
Mitglieder der "Familie" sind auch in persönlichen Gesprächen bemüht, ihre Gruppe als eine darzustellen, in der jeder eine weitgehende persönliche Freiheit geniesst. Es sei durchaus möglich, einen losen Kontakt zu der Gruppe zu haben. Es sei jedem freigestellt, seine Kinder auch auf staatliche Schulen zu schicken. Jeder müsse selbst entscheiden, was er oder sie aus den Mo-Briefen für sich akzeptieren will. Im übrigen sei in der Vergangenheit niemand zu "Flirty Fishing" gezwungen worden.

Dagegen stehen allerdings die Aussagen vieler Exmitglieder, die berichten, mit massiven Druck zum "Flirty Fishing" gezwungen worden zu sein.

Ausserdem fällt auf, dass Mitglieder der "Familie" in Diskussionen keinerlei Kritik an der Person Bergs zu äussern imstande sind. Die Autorität Bergs ist und bleibt anscheinend unangreifbar. Angesichts dessen ist es fraglich, ob die "Familie" wirklich von ihren totalitären Strukturen Abstand genommen hat.

Hans-Georg Wieberneit, 1996
Letzte Aenderung 1996, © hgw 1996, Infostelle 2000
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