www.relinfo.ch

 
  Humanistische Bewegung Die Bewegung / Humanistische Partei
  Uebersicht
  Die Humanistische Bewegung
Seit 1987 beteiligt sich in der Schweiz, insbesondere aber im Raum Zürich eine Partei an allen kommunalen, regionalen und nationalen Wahlen, die unter dem Namen Humanistische Partei auftritt. Schon vor der Gründung dieser Partei im Jahre 1984 trat in den grossen Schweizer Städten die Humanistische Bewegung an verschiedenen Orten in Aktion. Die beiden Gruppierungen legen grossen Wert auf ihre unabhängigen Aktivitäten, betonen aber gleichzeitig den gleichen historischen und gesinnungsmässigen Hintergrund. Ihrer Geschichte, ihren Aktivitäten und ihren Inhalten - dem Neuen Humanismus - soll im folgenden nachgegangen werden. Meine Informationen beziehe ich aus einem ausführlichen Gespräch mit dem Sprecher der Humanistischen Bewegung in Zürich und seinem Vorgänger, sowie aus dem Studium der zahlreichen Literatur der Humanistischen Bewegung selbst, wie auch von seiten einer, vor allem in Deutschland, recht breiten Kritikerschaft. Selbstverständlich liegt dem Geschriebenen auch die Lektüre der Bücher von Silo zugrunde.
Der Gründer
Heute präsentiert sich die Humanistische Bewegung als weltumspannende Organisation, mit Aktionen und Mitgliedern in über sechzig Ländern. Eine erstaunlich weiträumige Ausbreitung, bedenkt man, dass die Anfänge der Humanistischen Bewegung erst auf das Jahr 1966 zurückgehen.

Eine erste Studiengruppe der Humanistischen Bewegung organisierte sich in diesem Jahr im argentinischen Mendoza um den (ausserhalb der Humanistischen Bewegung wenig bekannten) Dichter und Schriftsteller Mario Luis Rodriguez Cobos. Schon damals trat er bevorzugt unter seinem Pseudonym "Silo" auf.

Sein Leben
Silo wurde am 6. Januar 1938 in Mendoza geboren. Nach Tätigkeiten in der Pharma- und Lebensmittelindustrie hat er sich immer mehr in die Konzentration auf sein literarisches Werk und die Verbreitung seines Gedankengutes zurückgezogen. Heute lebt Silo, der als Sohn eines Weinbauers und einer Musiklehrerin gerne auf seine spanischen Wurzeln verweist, in einem argentinischen Dorf zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern. Er wirkte bereits vor der Gründung der Humanistischen Bewegung in einer vergleichbaren Gruppierung mit, aus deren Trennung dann aber die erwähnte Gründungszelle der Humanistischen Bewegung hervorging. Silos Hauptinteresse lag schon in seinen ganz frühen Schriften in einer Bestandesaufnahme des Zusatndes der Menschheit, im Aufzeigen menschlicher und struktureller Defizite in der weltweiten Situation und im Präsentieren neuer Wege aus der sich verstärkenden Krise. Es schien ihm von Beginn an klar, dass er sich mit seinen Sympathisanten in Gruppen organisieren musste, einerseits des grösseren Potentials wegen, andrerseits auch um die Aufnahme seiner Ideologie im Kreise von Gleichgesinnten zu ermöglichen.
Sein Werk
Das Werk von Silo umfasst einerseits Bücher, die sich in Form von Abhandlungen mit dem Zustand der Menschheit und Wegen aus ihrer Krise befassen. Zu diesen Büchern gehören die grösseren Werke wie "Beiträge zum Denken", "Geleitete Erfahrungen" oder "Die Erde menschlich machen". Andrerseits umfasst sein Werk aber viele kleinere Schriften, die sich auf konkrete Anfragen oder Meinungsäusserungen beziehen. Zu ihnen gehören verschieden Zeitschriftenbeiträge und die zehn "Briefe an meine Freunde", die er zwischen 1991 und 1993 veröffentlichte.

Es fällt auf, dass das Werk von Silo in Europa erst langsam grössere Resonanz findet. Vorläufiger Höhepunkt war sicherlich die Verleihung des Ehrendoktortitels der russischen Akademie der Wissenschaften. Ausser einer selbstverständlich grossen Verbreitung innerhalb der Humanistischen Bewegung, die sich inhaltlich ja ganz auf die Schriften Silos beruft, findet sich sein Gedankengut aber öffentlich nach wie vor wenig verbreitet. Dies ist aus meiner Sicht wenig erstaunlich: Silo pflegt einen wortreichen Stil, der inhaltliche Wiederholungen und unkonkrete Anklänge nicht zu kaschieren vermag . Seine Schriften, etwa die zehn Briefe, liessen mir als Aussenstehendem die konkreten Antworten auf die Zustandsanalysen der menschlichen Natur und des weltweiten Systems entgehen. Aufgrund der Beobachtung, dass sich Silos Terminologie in den Schriften und Programmen der Humanistischen Bewegung und in den mündlichen Aussagen ihrer Exponenten wörtlich wiederfinden lässt, ist davon auszugehen, dass diese Antworten wohl am ehesten in der Teilnahme an Veranstatungen der Humanistischen Bewegung zu erhalten sind.

Sein Name
Zum Pseudonym Silo, das sich Mario Luis Rodriguez Cobos zugelegt hat, gibt es verschiedene Auslegungen. Interessant sind diejenige der Humanistischen Bewegung selbst, die das Pseudonym als Ausdruck seiner körperlichen Grösse sieht und diejenige, die das Wort Silo aus dem biblischen Hebräisch mit "Herrscher" übersetzt und darin einen Hinweis auf Silos Machtstreben sieht .
Die Humanistische Bewegung
Nachdem sich die Humanistische Bewegung bis in die frühen neunziger Jahre hinein schlicht "die Bewegung" genannt hat, versucht sie mit ihrem erweiterten Namen die Stossrichtung ihrer Ideologie gleich mitzuerwähnen. Es ist die vielbetonte Grundvoraussetzung der Humanistischen Bewegung, dass sie den Humanismus ihrer eigenen Auslegung als Basis ihrer Existenz und ihres Handelns sieht. Dass der Humanismus wirklich das geeignete Wort ist, um die Inhalte der Bewegung zu charakterisieren, wird von verschiedener Seite immer wieder in Frage gestellt. Inwiefern der Neue Humanismus tatsächlich in der Tradition des Humanismus steht, soll weiter unten angesprochen werden.
Ihre Entstehung
Enstanden ist die Humanistische Bewegung aus einem Kern von Menschen rund um Silo, die eine weitere Verbreitung seines in schriftlicher Form vorliegenden Gedankengutes beabsichtigten. "Die Diktatur, die zu diesem Zeitpunkt herrschte, genehmigte jedoch keine öffentliche Versammlung in einer Stadt. 'Sprecht doch zu den Steinen!', war die Antwort auf das Ersuchen, eine solche Versammlung abzuhalten. Und eben dort, an einem unbevölkerten Ort am Fusse des Aconcaguas, fand das geplante Treffen statt. Am 4. Mai 1969, in Punta de Vacas, Mendoza, sprach der Denker und Schriftsteller vor ein paar hundert Leuten, die sich in den Anden versammelt hatten."

Es ist bezeichnend, dass sich die AnhängerInnen um der Verbreitung des Gedankengutes Silos willen zusammengetan haben. Bis heute ist dies ein Grundanliegen der Humanistischen Bewegung, auch wenn in erster Linie betont wird, es gehe darum, aktiv zu sein und sich zu organisieren. Silo, dies sei nebenbei erwähnt, erscheint in der Eigendarstellung der Humanistischen Bewegung als von Beginn an eher passiv und in keiner Weise als Motor für die Verbreitung seiner Ansichten. Dies, obwohl er selbst sehr direkt die Mitglieder der Humanistischen Bewegung und interessierte Personen mit seinen Gedanken belieferte.

Ihre Geschichte
Die Geschichte der Humanistischen Bewegung ist geprägt von zwei Hauptmerkmalen. Zum einen fällt es auf, dass sie im Zuge ihrer Verbreitung immer grossen Wert darauf gelegt hat, bei den jeweils der Zeit entsprechenden grossen Themen mitzureden, ihre eigenen Ansichten und ihre Lösungsansätze zu präsentieren. Dass die Humanistische Bewegung dabei ein konkretes Handlungsmuster, eine konsequente Ausrichtung oder ein bestimmtes Zentralthema bisweilen vermissen lässt, ist durchaus auch Programm. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt zu erläutern sein, dass die Humanistische Bewegung das herrschende System grundsätzlich anprangert und dadurch alle Aktivitäten, die diesem herrschenden System eine neue Richtung geben wollen, unter dem Dach der Humanistischen Bewegung vereint werden können.

Es mag dies eine Beobachtung sein, die der Humanistischen Bewegung von aussen - dies ist das zweite Hauptmerkmal - schnell grosse Kritik und viel Misstrauen eingebracht hat. Abgesehen von den Lehren, die sie vertritt und den Praktikten, die sie pflegt, ist die oft ungreifbare konkrete Botschaft sicherlich der Punkt, der dazu geführt hat, dass sich die Humanistische Bewegung heute - und dies ist wesentlicher Bestandteil ihrer Geschichte - unter dem permanenten Zwang sieht, sich zu rechtfertigen. Es ist denn auch gern gebrauchtes Argument ihrer Exponenten, die Stagnation ihrer Ausbreitung, die der Humanistischen Bewegung derzeit in der Schweiz und in Deutschland widerfährt, mit der teils harschen Kritik an der Gruppe zu erklären.

Heute
Die Humanistische Bewegung präsentiert sich heute als eine weltweit bestehende Gruppe von Menschen, die verbunden sind durch drei hauptsächliche Gemeinsamkeiten. Zum einen liegt ihnen - wie bereits erwähnt - an der Adaption und der Verbreitung des Gedanken- und Schriftgutes ihres Gründers Silo. Zum andern zeichnen sich die Mitglieder der Humanistischen Bewegung alle durch einen oft unglaublich anmutenden Aktionismus aus. Hält man sich zumindest die Menge der vorhandenen Flugblätter, Prospekte, Standpunktpapiere, Quartier- und Regionalzeitungen vor Augen, die in der Schweiz in Umlauf sind, lässt sich erahnen, mit welchem persönlichen Engagement und welchem Zeitaufwand ein Mitwirken in der Humanistischen Bewegung verbunden ist. Zum dritten eignet den Mitgliedern der Humanistischen Bewegung ein grosses Interesse an deren weiteren Ausbreitung. Sie "wollen die Menschen wieder vereinen und die Gesellschaft in die Richtung des Aufbaus der ersten Universellen Menschlichen Nation orientieren" . Wer ein solches Ziel verfolgt, ist darauf angewiesen, "gesellschaftliche Kraft" zu haben. Aus diesem Blickwinkel sind die grossen Bestrebungen der Humanistischen Bewegung zu beurteilen, so breit als möglich präsent zu sein.

Die Humanistische Bewegung ist in vielen Städten Deutschlands und der Schweiz Betreiberin von Humanistischen Kulturzentren, in denen die meisten Aktivitäten der Humanistischen Bewegung stattfinden, sie ist Herausgeberin von Quartierzeitungen, Produzentin von regionalen und überregionalen Zeitungen und - in losen Abständen - Initiantin von Kundgebungen zu politischen oder gesellschaftlichen Themen.

Der 8. Mai 2000
Nach einer Phase der weltweiten Ausbreitung strebt die Humanistische Bewegung heute danach, als gesellschaftliche Kraft ernst genommen zu werden und aufgrund ihrer Grösse innerhalb der Gesellschaft Gewicht zu erlangen. Mit welcher Zielstrebigkeit sie dabei vorgeht, manifestiert die Humanistische Bewegung im bereits zitierten Dokument "Das Projekt der humanistischen Bewegung für das Jahr 2000".

Kern dieses Projektes ist es, dass der Umstand, eine gesellschaftliche Randerscheinung zu sein, nicht länger hingenommen werden soll. Zur Betonung des Willens, dies zu verändern, und um bei neuen Mitgliedern glaubwürdig zu erscheinen, setzt sich die Humanistische Bewegung ein konsequentes Ziel: Bis zum 8. Mai 2000, also dem Feiertag des 30jährigen Bestehens der Humanistischen Bewegung, sollen 100 000 Mitglieder organisiert sein. Wird dieses Ziel verfehlt, "dann taugen wir für diese Arbeit nichts und machen besser etwas anderes. " Konkret heisst dies, dass sich die Humanistische Bewegung bei einem Verfehlen dieses Ziels auflösen würde. Es scheint, dass zahlreiche jetzige Mitglieder ein solches Vorgehen vollumfänglich mittragen würden, während Silo selbst ohnehin beabsichtigt, sich zu diesem Zeitpunkt aus dem Leitungsgremium zurückzuziehen.

Erwähnenswert ist das in diesem Dokument empfohlene Vorgehen: Einerseits geht es darum, auf möglichst vielen Wegen einen "integralen Kreislauf von Aktivität und strukturellem Wachstum" zu schaffen. Andrerseits soll versucht werden, die neugewonnenen wie die bestehenden Mitglieder mit einfachen Materialien zu überschütten, sodass es allen möglich ist, das Erfahrene weiterzugeben.

Der Neue Humanismus
Die ideologische Basis der Humanistischen Bewegung ist der von ihr selbst so benannte Neue Humanismus. Als Grundgedanke fungiert im Neuen Humanismus die Forderung "Nichts über dem Menschen und kein Mensch unter einem anderen Menschen" . Diese Forderung gilt sowohl im politischen, als auch im religiösen, im ökologischen und nicht zuletzt im sozialen Bereich. Aus dieser Forderung erwächst auch die Begründung, weshalb sich die Humanistische Bewegung zwar in die Tradition des Humanismus stellt, aber ganz klar der Meinung ist, diesen selber in einer adäquateren Form zu verstehen. Während die aus dem traditionellen Humanismus bekannte Forderung nach Toleranz, die angestrebte Verbindung einer (durchaus philosophischen) Ideologie mit konkreter Humanität oder das Streben nach Unabhängigkeit gegenüber Autoritäten auch in der Aussendarstellung der Humanistischen Bewegung breiten Raum einnehmen, stellen sich an anderen Orten wesentliche Widersprüche zum Humanismus der frühen Neuzeit ein. So ist die Humanistische Bewegung vollkommen akirchlich und areligiös, sie versteht sich als eine von der Basis konstituierte Struktur und sieht ihr Ziel nicht in einer Klärung der Bildungs- und Glaubensverhältnisse, sondern vielmehr in einer vollkommenen Kehrtwende des weltweiten Systems.

In diesem Bereich nimmt die herrschende wirtschaftliche Situation breiten Raum ein. "Die grosse universelle Wahrheit ist folgende: Das Geld ist alles. Das Geld ist die Regierung, ist das Gesetz ist die Macht." Das wirtschaftliche System dominiert den Grossteil der Menschheit entgegen ihrem Willen und wird als Tyrannei immer mehr zum herrschenden System in der Gesellschaft. Aber dieses System ist durcheinandergeraten und mündet immer mehr in die Unterdrückung, die Diskriminierung und die Potenzierung der weltweiten Macht in den Händen weniger. Dieser Analyse des Systems wird nun die in der Humanistischen Bewegung weltweit organisierte Struktur gegenübergestellt, die sich vorgenommen hat, eine Alternative zu schaffen. Die Alternative der erwähnten Universellen Menschlichen Nation, in welcher der Grundsatz, wonach nichts den Menschen und kein Mensch einen andern dominieren darf, verwirklicht ist. Dazu braucht es die gesellschaftliche Kraft des Neuen Humanismus, der sich dem herrschenden System entgegensetzt und so die Weiterentwicklung der Menschheit fördert. "Die Geschichte lehrt uns, dass sich die Völker dadurch entwickelt haben, dass sie ihre Rechte gegenüber den etablierten Mächten gefordert haben. Der soziale Prozess ist nicht dadurch entstanden, dass der angesammelte Reichtum einer Schicht später automatisch 'nach unten' geflossen ist."

Obwohl sich die Humanistische Bewegung somit primär politisch - antioligarchisch -, wirtschaftlich - antikapitalistisch - und gesellschaftlich - antiautoritär - darstellt, eignet dem Neuen Humanismus in der Eigendarstellung eine ethische Komponente. "Der Humanismus gründet sich auf der Wahlfreiheit und besitzt so die einzig gültige Ethik für den gegenwärtigen Moment."

Die Aktivitäten
Die Humanistische Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, "eine Bewegung aufzubauen, die fähig ist, in jedem Umfeld und Interessensgebiet einzugreifen: in die politischen Aktivitäten, im Dialog zwischen den Kulturen, in den konkreten Aktionen in den Stadtteilen, in den Arbeits- und Studienplätzen" . Ein ehrgeiziges Ziel, wenn man bedenkt, dass in der Schweiz gegenwärtig nach Angaben der Humanistischen Bewegung nur rund 500 Mitglieder aktiv sind. Dennoch bündelt die Humanistische Bewegung zahlreiche Aktivitäten: Die politischen Bereiche deckt zu einem grossen Teil die 1984 aus der Mitte der Humanistischen Bewegung heraus entstandene Humanistische Partei ab. Betrachtet man das Beispiel des Raumes Zürich, so tragen die Mitglieder hier ein humanistisches "Zentrum der Kulturen" im Kreis 4, die Initiative "Welt ohne Krieg", einige Quartierzeitungen, eine mehrsprachige Zeitschrift, die Herstellung und Veröffentlichung zahlreicher Materialien zum Neuen Humanismus, eine ausführliche Homepage, verschiedene Einzelinitiativen und - für jedes Mitglied verpflichtend - das wöchentliche Basistreffen.

Darüber hinaus bestehen die verschiedensten internationalen Beteiligungen, so an der "Humanistischen Internationale" oder der "Grünen Internationale". Am Anfang all dieser Aktivitäten steht jeweils die gründliche theoretische Reflexion dessen, was in die Tat umgesetzt werden soll. So soll die geforderte Basisdemokratie verwirklicht werden. Dass damit die konkrete Handlung scheinbar nicht selten zu wenig Energie abbekommt, ist meines Erachtens verständlich. Einer anderen Organisation jedenfalls, die im Kreis 4 im interkulturellen und diakonischen Bereich tätig ist, sind Aktivitäten der Humanistischen Bewegung nicht bekannt.

Die Einzelnen
Die Mitgliedschaft in der Humanistischen Bewegung bringt zwei Verpflichtungen mit sich: Einen halbjährlichen Mitgliederbeitrag von 220 Franken, sowie die obligatorische Teilnahme an den wöchentlichen "Basistreffen". Die Humanistische Bewegung betont, dass sowohl Einstieg als auch Ausstieg jederzeit möglich sind. Tatsächlich sind auch keine Berichte vorhanden, die dem widersprechen.

Wie erwähnt versteht sich die Humanistische Bewegung selbst als basisdemokratische Organisation. Sie ist undurchsichtig auf verschiedenen "Ebenen" organisiert, die einander hierarchisch übergeordnet sind. An der Basis sind die Basisräte aktiv, an der Spitze stehen die Allgemeinräte oder Koordinierer. Es wird betont, dass die jeweiligen Ebenen nicht aufgrund von argumentativ geführten Diskussionen entscheiden, sondern den Konsens als Entscheidungsgrundlage anstreben. Der Aufstieg in der Hierarchie erfolgt durch Ernennung. An Einfluss gewinne, wird gesagt, wer mehr mache. Grundsätzlich stehe es allen offen, Aktions- oder Basisgruppen zu bilden, diese würden jedoch natürlich nur dann ernstgenommen, wenn sie auch aktiv seien. Die Hierarchien werden also nicht aufgrund von Wahlen bestimmt. Abwahlen sind allerdings offensichtlich möglich.

Von der KritikerInnenseite wird nebst dem Widerspruch zwischen basisdemokratischem Anspruch und hierarchischer Realität vor allem auf den Punkt der wöchentlichen Basistreffen verwiesen. Sie sind die eigentlichen Lebenszellen der Humanistischen Bewegung. In ihnen werden im kleinen Kreis von rund zehn Leuten unter der Leitung eines erfahreneren Mitgliedes Ideen und Projekte besprochen, sie sind aber auch der Ort der Reflexion und der Adaption der Ideologie der Humanistischen Bewegung sowie der Schriften Silos. Die Basistreffen werden von einer Person geleitet, die nicht selten die Schriften Silos ganz ins Zentrum stellt. Es ist klar, dass das Studium von Silos Schriften aufgrund ihres mystisch-psychologischen, gnostisch angehauchten Inhaltes auch eine psychologische Komponente aufweist. Silo hat sich, insbesondere im Buch "Geleitete Erfahrungen" denn auch eingehend mit "psychologischen Übungen" befasst.

Die Politik: Die Humanistische Partei
1984 entstand aus der Mitte der Humanistischen Bewegung heraus die Humanistische Partei. Dies entspricht der Forderung Silos wie dem Anliegen der Humanistischen Bewegung, sogenannte "Aktionsfronten" zu bilden. Sie hat sich zum zentralen Anliegen gemacht, den humanistischen Standpunkt in der kommunalen, regionalen und nationalen Politik zu vertreten. Dabei politisiert sie im links-alternativen Spektrum mit einem klaren Bekenntnis zum Pazifismus, der Ökologie, einer ausgeweiteten direkten Demokratie und zur kulturellen Integration. Mit einem erstaunlichen, bewusst utopisch formulierten Programm versuchte sie etwa an den Zürcher Wahlen des Frühjahres 1998 vor allem jugendliche WählerInnen anzusprechen. Die Partei präsentiert sich - ganz im Sinn des Neuen Humanismus - als Alternative zur bestehenden Politik. Die negativen, kritischen Berichterstattungen über die Humanistische Bewegung werden als Ursache genannt, weshalb keine etablierte Partei an einer Zusammenarbeit mit der Humanistischen Partei interessiert ist. Es muss aber gefragt werden, ob eine solche Zusammenarbeit aufgrund der Tatsache, dass ja auch die etablierte Politik Bestandteil des in seiner Gesamtheit herrschenden Systems ist, überhaupt möglich ist.
Die Abgrenzung
Im deutschsprachigen Europa begegnete die Humanistische Bewegung immer wieder äusserst kritischer Betrachtungsweise, sie ist zusammen mit dem Siloismus Bestandteil aller Nachschlagewerke zu Religions- und Sektenfragen. Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass die Humanistische Bewegung klare Abgrenzungen vornimmt.

Sie unterscheidet nicht nur zwischen traditionellem Humanismus und Neuem Humanismus, sondern stellt auch den "antihumanistischen Bereich" ausführlich dar.

Die Kirchen
Im Zuge dieser Abgrenzung hat sich die Humanistische Bewegung, die anfangs durchaus eine religiöse Seite aufwies , zumindest im deutschsprachigen Europa von einer akirchlichen zu einer antikirchlichen Gruppe entwickelt, sie hat ihren Atheismus mit einem Antitheismus vertauscht. Gott ist eines der an vorderster Stelle aufgezählten Wesen, die den Grundsatz verletzen, wonach nichts über dem Menschen stehen darf.

Der Ablehnung der Kirchen als Bestandteil des herrschenden Systems kann meiner Meinung nach kritisch entgegengehalten werden, dass gerade Anstrengungen kultureller Integration nur schwerlich auf die Anerkennung des unbestrittenermassen christlichen Bodens unserer Kultur verzichten können.

Stellungnahme
Eine eingehende Beschäftigung mit der Humanistischen Bewegung, ihren Aktivitäten und ihren ideologischen Inhalten hat gezeigt, in welch diametralem Gegensatz die Eigendarstellung und die kritische Betrachtung von aussen stehen. "Die Kritik ist nötig, aber nötiger ist es, etwas anderes zu machen, als das, was man kritisiert" , schreibt die Humanistische Bewegung. Es hat mich erstaunt, wie wenig sie sich selbst aber als kritikfähig erweist, wo doch gerade im Bereich politischer Betätigung immer mit Argusaugen gerechnet werden muss.

Abgesehen von dieser Beobachtung möchte ich auf drei Punkte verweisen, die Beachtung verdienen. Von verschiedener Seite wird immer wieder berichtet, in den Basistreffen und der Kaderschulung kämen Methoden zum Einsatz, die psychomutative Absichten und Auswirkungen hätten. Dies abschliessend zu beurteilen ist hier nicht der Anlass. Es fällt aber sicherlich auf, dass die Mitglieder der Humanistischen Bewegung bis in ihren schriftlichen wie mündlichen Sprachgebrauch hinein von den in ebendiesen Basistreffen behandelten Gedanken Silos begleitet sind. Es findet somit sicherlich eine Rezeption dieses gemeinsamen Gedankengutes statt, die als sehr fundiert zu bezeichnen ist. Dass diese die Gefahr birgt, dass in einer Organisation, die selber Wert auf die Eigenständigkeit jedes einzelnen Mitgliedes legt, diese Eigenständigkeit aufgegeben wird, ist in meinen Augen unabdingbar. Die Tendenz zu einer Vereinnahmung durch das Gedankengut einer einzelnen, starken Führerpersönlichkeit wird in manchen schriftlichen Arbeiten von Mitgliedern der Humanistischen Bewegung augenfällig.

Ob nun von einem wirkunglosen Aktionismus, wie KritikerInnen dies tun, die Rede ist oder von der Wahrnehmumg einer gesellschaftlichen Funktion: Ein Mitglied der Humanistischen Bewegung geht zwar einem Beruf nach, setzt aber sicherlich einen immensen Teil seiner Freizeit für das Engagemant in der Humanistischen Bewegung ein. Ein Engagement, das einem, aufgrund der weitreichenden Projekte der Humanistischen Bewegung, immer das Gefühl zu vermitteln vermag, gebraucht zu sein. Dass dabei mit dem Prinzip wonach jedeR nach seiner tatsächlichen Leistung beurteilt wird, auf die Einzelnen ein Druck entstehen kann, sich unter Einbezug der gesamten Privatsphäre in der Humanistischen Bewegung zu engagieren, darf nicht ausser Acht gelassen werden.

Eine Gruppierung, die selber ihren Bewertungsmassstab bei den konkreten Handlungen der Einzelnen ansetzt, kann von aussen auch vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Und hier zeigt sich meines Erachtens wie schon erwähnt, dass die Humanistische Bewegung den Sprung weg von der Theorie zur Umsetzung in die Praxis noch nicht vollzogen hat. Innerhalb der Humanistischen Bewegung stellen Anstrengungen zur Erweiterung des Mitgliederbestandes eine sehr konkrete und wichtige Handlung dar. Vieles, was den Alltag der Mitglieder prägt, was als geistige Arbeit daherkommt, dient letztlich einzig diesem Zweck. Es darf daher nicht erstaunen, dass diese Anstrengungen von aussen als primär der personellen Ausweitung dienlich und nicht der Umsetzung von meiner persönlichen Meinung nach politisch und gesellschaftlich in vielen Punkten wünschenswerten Idealen verpflichtet angesehen werden. Wenn diese Aussenwahrnehmung auf Inhalte trifft, die klar von weltweit gemeinsamen Sichtweisen und einem aufgrund dieser Sichtweisen möglichen neuen System reden , ist es nicht erstaunlich, dass die Frage nach den tatsächlichen Absichten der Humanistischen Bewegung innerhalb oder nach dem erwünschten Systemwechsel auf den Tisch kommt. Es liegt in der Natur unserer Gesellschaft, dass diejenigen Bewegungen, die Veränderungen anstreben, zu handeln beginnen müssen. Silo selbst macht uns darauf aufmerksam.

Wie so viele Gruppierungen innerhalb unserer Gesellschaft - mitunter auch etablierte - wird meines Erachtens auch die Humanistische Bewegung nicht umhin kommen, ihre Denkweise etwas differenzierter den komplexen gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen, um den Vorsatz, ein globales Denken in lokalem Handeln zu manifestieren, verwirklichen zu können. Doch vielleicht kommt ihr am 8. Mai 2000 ja die einfache Mathematik zuvor.

Statistik
Weltweit zählt die Humanistische Bewegung zur Zeit zwischen 30000 und 50000 Mitglieder, Tendenz steigend. In der Schweiz sind derzeit etwa 500 Mitglieder aktiv.
Adressen
Humanistisches Zentrum der Kulturen
Dienerstr. 15

8004 Zürich

http://www.mindpower.com/humanisten

Quellen
- Cobos, Mario Luis Rodriguez (Silo), Die Erde menschlich machen. Selbstverlag 1993.

- Ders., Beiträge zum Denken. Selbstverlag 1992.

- Ders., Briefe an meine Freunde. Nummern 1 bis 10, Selbstverlag 1991 - 1993.

- Ders., Silo spricht. Zusammenstellung von Meinungen, Kommentaren und Vorträgen 1969-1995, München 1998.

- "Nichts über dem Menschen und kein Mensch über einem anderen". Programm der Humanistischen Partei der Schweiz, Zürich 1994.

- Humanistisches Dokument, München 1993.

- Diverse Zeitschriften, Artikel, Broschüren und Prospekte, sowie Dokumente von der Homepage.

- Ausführliches Gespräch mit dem heutigen Sprecher der Humanistischen Bewegung und seinem Vorgänger im Frühsommer '98.

Jean-Daniel Strub, 1998
Letzte Aenderung 1998, © jds 1998, Infostelle 2000
zurück zum Seitenanfang