Chinesische Religionen

Die Traditionen des Reiches der Mitte sind ebenso vielfältig wie alt. Vom Buddhismus, Taoismus, Islam, Schamanismus und dem Konfuzianismus bis zum Christentum werden bis heute Feste, Rituale und Gebräuche eingehalten. Trotz der Trennung zwischen Religion und Staat (d.h. keine Kirchensteuer und keine offizielle Konfessionszugehörigkeit) florieren diverse Glaubensgemeinschaften. Nicht alle sind jedoch traditionell chinesisch und viele Gemeinschaften werden verfolgt oder vom Staat unterdrückt. Es gibt deshalb keine offiziellen Statistiken zu Konfession oder offizielle Zahlen. Der Taoismus und der Konfuzianismus sind zudem auch philosophische Richtungen, die mit religiösen Praktiken verbunden werden. Auch sind die Grenzen zwischen den Glaubensrichtungen für viele Chinesen fliessend und es gibt viele, die sich mehreren Religionen angehörig fühlen. Ein chinesisches Sprichwort lautet:

„Ein Chinese ist Konfuzianer, wenn es ihm gut geht; er ist Daoist, wenn es ihm schlecht geht; und er ist Buddhist im Angesicht des Todes.“

Dabei werden für verschiedene Riten und Zeremonien auch unterschiedliche Glaubensrichtungen bevorzugt, so ist bei einer Hochzeit ein Daoist als Priester geeignet, während bei einer Beerdigung ein Buddhist bevorzugt wird. Die Religion des einfachen Volkes ist eine Mischung aus altem Volksglauben mit Weissagen, Handlesen, Heilzaubern und Geistervertreiben sowie Feng Shui (风水= Geomantik), fojiao (佛教= Buddhismus), daojiao (道家= Daoismus) und rujia sixiang/kongjia (儒家思想/孔家= Konfuzianismus). Weder die Priester noch die einfachen Gläubigen interessieren sich dafür, aus welcher Religion ihre Götter stammen. Die Volksreligion ist utilitaristisch und befasst sich wenig mit religiösen Bekenntnissen. Wichtig ist die Hilfe der Götter und der Ahnen für ein gutes und langes Leben.

Die Ursprünge der chinesischen Religion stammen aus dem Schamanismus. Dieser überlebte bis heute in einer abgeänderten Form und war u.a. die Grundlage des Daoismus. Die ersten Schriftzeichen wurden auf sog. „Orakelknochen“ (甲骨, Knochenpanzer), Schildkrötenpanzer oder Schulterblätter gefunden, mit welchen den Ahnen Fragen gestellt wurden. Anhand der Risse, die durch Hitze entstanden, wurden Antworten gelesen. Die Ahnen sind göttliche Kräfte, die nach dem Tod den Nachkommen helfen können, sofern diese Opfer bringen und sie ehren. Die ersten Herrscher von China sind mythologische Figuren, die Drei Souveräne und Fünf Kaiser. Sie folgen auf Pangu, das Urwesen das die Welt erschaffen hat.

Die Drei Souveräne (三皇) sind zuerst im Shiji (史記) erwähnt und sind der Himmelssouverän (天皇 oder auch Fuxi (Gott) 伏羲), der Erdsouverän (地皇 oder Nüwa, die Schöpfergöttin 女娲) und der Menschensouverän (人皇 oder auch der Urkaiser Shennong 神农). Diese drei sollten den Menschen das Basiswissen gegeben haben und sind verantwortlich für die Zivilisation. Diese Souveräne sind Urahne und Götter zugleich.

Mit der Zeit wurde die Linie immer menschlicher und die Souveräne wurden durch die fünf Kaiser abgelöst. Der erste war der Gelbe Kaiser oder Huangdi (黄帝, 2698-2598 v. Chr.). Auf ihn folgen Zhangxu (颛顼), Ku (喾), Yao (尧) und Shun (舜). Diese Zeit galt als die goldene Zeit Chinas, denn in dieser Zeit war alles wie im Paradies. Auf sie folge die Xia-Dynastie (ca. 2200-1800 v. Chr.), die erste Herrschaftsdynastie der chinesischen Zeitrechnung.

Sterne und der Himmel wurden ebenfalls vergöttlicht, und der Himmel Tian (天) gab den regierenden Dynastien das Himmelsmandat, die Macht zu herrschen.

In der östlichen Zhou-Dynastie (770–256 v. Chr.) wurde dieser Glaube in Frage gestellt und die Hundert Schulen begannen zu entstehen. Die genaue Anzahl der Denkschulen ist nicht hundert, aber viele Denkrichtungen wie z.B. der Daoismus, der Konfuzianismus, der Legalismus etc. fanden dort ihren Ursprung. Sie wurden meist von einem Lehrmeister unterrichtet und in Gesprächen mit Schülern festgehalten.

Sobald die Qin-Dynastie (221–207 v. Chr.) die Zeit der Kriegerischen Staaten (475-221 v. Chr.) beendete, wurde auch die Vielfalt der Denkschulen eingeschränkt. Bücherverbrennungen und Exekutionen hinderten die Bevölkerung an der weiteren Verbreitung der Schulen. Viele Texte wurden mündlich weitergegeben bis sie wieder aufgezeichnet werden konnten.

Unter Qin Shi Huang (秦始皇), dem ersten Kaiser des vereinten China, wurde der Legalismus zur Staatsideologie. Der Kaiser opferte nun zu Di (die Erde地). Auch wurde das Konzept der Fünf Götter erneut aufgenommen, das in der Shang-Dynastie (ca. 1600-1046 v. Chr.) weit verbreitet war.

In der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) wurde der Kaiser wurde als Reinkarnation von Huangdi (黄帝) angesehen und langsam kamen die Konfuzianer wieder an die Macht. Ausserdem begann der Daoismus Form anzunehmen und der Buddhismus wurde von der Seidenstrasse eingeführt. Diese Religionen wuchsen, konnten aber ihr wahres Potential nicht bis zum Ende der Han-Dynastie entfalten.

Am Ende der Han-Dynastie in der Östlichen Han-Dynastie (25-220) wurde das religiöse Bild durch zunehmende Einwanderungen geprägt. Die kaiserliche Verehrung wurde vom Volk weniger gefeiert, sondern lokale Götter und Kulte standen im Mittelpunkt. Dies geschah weitaus friedlich, bis zur daoistischen Revolution der Gelben Turbane (184 – 205), die sich gegen die Han-Dynastie aufbäumte. Die Revolution war verheerend und Millionen von Menschen starben. Trotz des Verlustes der Revolutionäre war der Aufstand nicht umsonst, denn die Han-Dynastie wurde extrem geschwächt und endete nicht viel später.

Die folgenden Dynastien (auch Sechs Dynastien genannt) fallen unter einen Namen, da sich oft Herrscher und Dynastien wechseln. Diese Zeit prägte den Anstieg und Popularität des Daoismus und des Buddhismus. Im Daoismus entstanden neue Schulen und der Buddhismus inspirierte Jenseitsvorstellungen im gemeinen Volk.

Die Tang-Dynastie (618–907) folgte auf die Sui-Dynastie (581–618). Das Konzept von Tian (天) verbreitete sich weiter und löste Di (地) als Gotteskraft ab. Di wurde immer noch für das Göttliche gebraucht, doch es war nun mehr ein Suffix als ein eigenständiger Begriff. Diese Veränderung folgte der offenen Politik der Tang, die viele Fremdenquartiere in der Hauptstadt Chang’an (长安) entstehen liess. Durch die Einführung von fremden Kulturen wurden Konzepte wie das eines „Gott der Götter“ (Tianzhongtian, 天中天) oder die Buddhistischen und Daoistischen Götterpantheon immer weitläufiger.

Unter der Regierung von Kaiser Wuzhong (唐武宗, 840-846) wurden die Buddhistischen Klöster zerstört, deren Tempelschätze in die Staatskasse aufgenommen und die Mönche und Nonnen laisiert. Der offizielle Grund dafür war die Ansicht, dass Klöster ökonomisch nichts bringen und die Bewohner nichts tun ausser betteln. Kaiser Wuzhong war jedoch auch überzeugter Daoist und war gegen die Verbreitung anderer Religionen (u.a. auch das aufsteigende Christentum mit der Missionsarbeit der Jesuiten). Somit eliminierte der Kaiser die „Rivalen“ und festigte die Stellung des Daoismus im Land.

Buddhismus und Daoismus wechselten sich mittels des jeweiligen Herrschers ab, denn viele Kaiser förderten die Religion deren sie angehörten und versuchten mit unterschiedlichem Erfolg und Härte die andere zu unterdrücken. Meist spielte die Meinung der Kaisermutter ebenfalls eine Rolle.

Die Dynastie der Ming (1368-1644) brachte den Wiederaufschwung der christlichen Gemeinschaften in China, allen voran die Jesuiten. Matteo Ricci (1552-1610), ein Anhänger des Jesuitenordens, war instrumental in der Verbreitung des christlichen Glaubens. Jedoch wurde nach seinem Tod in Rom eine Debatte ausgelöst, denn die Volksglauben und –riten sind nicht mit dem monotheistischen Bild des Christentums zu vereinen. Die Jesuiten waren der Meinung, die rituelle Verehrung der Ahnen sei säkular zu verstehen, während die Missionare der Dominikaner und Franziskaner dies anders sahen. Diese Debatte war bis 1939 ein Thema im Vatikan und war u.a. Grund zum Verbot der Ausübung des Christentums in der nächsten Dynastie.

Auch der Islam wurde zu dieser Zeit zu einer Religion der Minderheit, im Kaiserhof konvertierten einige wichtige Personen zu diesem Glauben. Der Buddhismus litt unter dem Vorurteil einer „fremden“ Religion. Der Konfuzianismus hingegen wurde zum liberalen Neokonfuzianismus ergänzt.

Die letzte Dynastie der Qing (1636-1912) wurde unter der Herrschaft der Mandschu gehalten. Dabei waren der Gelug-Buddhismus und der Schamanismus die vorherrschenden Glaubensrichtungen. Doch auch das Christentum, Judentum und der Islam verbreiteten sich. Jedoch wurde dies nicht sehr gerne gesehen und das Praktizieren des Christentums wurde 1811 verbannt. Nachdem internationale Verhandlungen den Bann 1846 wieder aufgehoben haben, wuchs die christliche Mission weiter und diverse chinesische Kulte (z.B. der „Weisser Lotus“, eine buddhistische Sekte, die Maitreya verehrt), nannten sich Christen, um sich selbst vor Verfolgung zu schützen.

Die Taiping-Rebellion (1850-1864) unter Hong Xiuquan (洪秀全1814-1864) entstand als der durchgefallene Gelehrte ein christliches Pamphlet las und sich danach als Bruder Jesu sah. Unter ihm wurde das Himmlische Reich Taiping erstellt, dem er als „Himmlischer König“ vorstand. Später von der Volksrepublik China als Held verehrt, wurde er unter der Qing-Dynastie geächtet.

Die stetige Zunahme an westlichen Missionaren störte viele Chinesen, denn sie sahen dies als eine schleichende Eroberung an. Nicht nur geistlich, sondern auch technisch bahnte sich die Industrialisierung und somit der Westen langsam einen Weg ins Reich der Mitte. Dieser Konflikt zwischen dem Alten, Bekannten und Traditionellen und dem Neuen, Fremden artete schlussendlich im Boxeraufstand (1899-1901) aus. Die Anti-Fremden-Einstellung in der Bevölkerung und die „Schwäche“ der Kaiserwitwe Cixi (慈禧太后 1861-1908) war genug, um den sog. Boxern, einer bewaffneten Geheimgesellschaft, einen Grund zur Rebellion zu geben. Der Aufstand richtete sich gegen die christlichen Missionare, die Diplomaten fremder Länder und der Qing-Dynastie, deren „Schwäche“ den Eindrang der fremden Mächten erst erlaubte.

Im Verlaufe des Aufstandes wechselte die Qing-Regierung die Seite und mit der ausdrücklichen Unterstützung von Cixi erklärte die Kaiserherrschaft den Krieg an die westlichen Mächte. Während 55 Tagen wurden die Diplomaten, Zivilisten und Soldaten der westlichen Mächte in Beijing belagert bis schlussendlich eine Armee der Acht-Nationen-Allianz einschritt. Die Folge des Aufstandes waren zahlreiche Tote auf beiden Seiten. Chinesische Christen wurden verfolgt und ebenfalls getötet. Doch schlossen sich wieder Chinesen dem Christentum an, nachdem die Unruhen vorbei waren.

Die Xinhai-Revolution (1911) erreichte den Sturz der Qing-Dynastie und die Republik China entstand. Deren erste Führer, Sun Yat-sen (孫中山 1866-1925) und Chiang Kai-shek (蔣介石 1887-1975) waren Christen. Jedoch wurde Religion als solche weniger toleriert und sogar unterdrückt. Die lokalen Gebräuche wurden verboten. Religion wurde als ein Hindernis der Modernisierung angesehen.

Mao Zedong (毛泽东, 1893-1976) war den Religionen gegenüber kritisch eingestellt. In der Volksrepublik China galt der Staatsatheismus, wobei die Religionen zuerst nicht unterdrückt wurden, doch dies änderte sich. Mao und der Staat kannten einige „genehme“ Religionen, doch der Volksglaube und kleinere Gruppen wurden als aufrührerisch bezeichnet und verboten.

In der Kulturrevolution (1966-1976) wurde versucht, Religion vollständig zu zerstören. Der Kommunismus sollte der einzige Glaube sein. Diese Einstellung lockerte sich später wieder und 1978 wurde die Religionsfreiheit im Gesetz verankert. Es gab jedoch auch Gruppen (z.B. Falun Gong), die nicht toleriert wurden. Vor allem die traditionellen Glaubensrichtungen wie der Mahayana-Buddhismus, Daoismus und die Volksreligion wurden sogar gefördert, um eine „Harmonische Gesellschaft“ zu erreichen. Der Konfuzianismus spielte dabei eine grosse Rolle.

Alte Glaubensvorstellungen wie der des Gelben Kaiser oder der alten Götter erlebten ebenfalls neuen Aufschwung, vor allem als verschiedene archäologische Funde alter Götterstätten bekannt wurden.

Der aktuelle Generalsekretär Xi Jinping (习近平, geb. 1953) zeigte Interesse am Buddhismus. Jedoch ist  er auch verantwortlich für die Einschränkung anderer Religionen, vor allem des Islams und des Christentums. Die Regierung verneint eine systematische Verfolgung, doch Berichte über Umerziehungslager für die muslimische Minderheit der Uiguren sind in kritischer Sicht alarmierend.

Die Frage um einen allmächtigen Gott oder um ein Leben nach dem Tod steht in China nicht im Vordergrund. So gibt es das Konzept des Himmels tian 天, doch im Grunde besteht alles, was existiert aus der Lebenskraft qi 氣/气. Qi wird aber nicht nur im religiösen Sinn verstanden, sondern spielt u.a. auch in der TCM (traditionelle chinesische Medizin) und in der Kampfkunst eine grosse Rolle. Qi Gong und Feng Shui entstanden auf dem Konzept von qi und die meisten chinesischen Religionen kennen eine Vorstellung, die auf demselben Prinzip beruht.

Qi ist die Kraft des Universums und wird auch Ch’i, Ki oder Gi genannt. Übersetzt bedeutet es „Dampf“, „Wolke“, „Atem“, „Nahrung“ und „Kommunikation“. Es ist die Luft, der Atem, die Atmosphäre und die Quelle der Lebensenergie. Diese Kraft ist immer fliessend. Im Alltagsgebrauch wird von „schlechtem Qi“ gesprochen, doch es ist der Einfluss auf das Qi der schlecht ist. Schlechtes Qi muss in Harmonie mit gutem Qi stehen (wobei aber die Ansammlung von viel gutem Qi erwünscht ist).

Qi kann in die Yin阴und Yang阳-Energien (alternative: 陰陽) aufgeteilt werden, wobei das Yin-Qi besonders positiv dargestellt wird und das Yang-Qi negativ. Yin und Yang bezeichnet die Gegensätzlichkeit von dunkel und hell, aktiv und passiv, männlich und weiblich, warm und kalt. Die bekannteste Darstellung von Ying und Yang ist das Taijitu, ein Kreis, in dem das individuelle Yin und Yang in gegensätzlicher Verbindung stehen. Die Lehre besagt, dass es zwei Basiskräfte gibt, aus der das Universum zusammengestellt ist, und nur in ihrer Harmonie kann das Universum funktionieren. Ohne Hell gibt es kein Dunkel, ohne Kalt kein Warm etc. Yin (dunkel, kalt, weiblich) ist dabei eine negative Kraft, Yang (hell, warm, männlich) eine positive.

Auf die Frage, was nach dem Tode geschehe, gibt es für jede Glaubensrichtung eine Antwort, aber Konfuzius meint dazu: „Wenn wir noch nicht einmal wissen, was das Leben ist, wie können wir da etwas vom Tod wissen?“ Somit ist es wichtig, dass man ein gutes Leben lebt und sich entsprechend verhält, ohne dass man sich zu sehr auf das Nachleben verlässt. In den grossen Religionen (Buddhismus, Christentum, Islam usw.) glaubt man natürlich an das jeweilige Prinzip des Lebens nach dem Tod.

Mit der Entstehung von Mythen wurde das Konzept eines Himmels (tian 天) entwickelt. Dabei besteht die Erde aus einem Viereck (den Himmelsrichtungen entsprechend) und Tian wird von Säulen (Bäume, Berge oder anderes) in der Höhe gehalten. Dabei ist tian ein Abbild der Erde, hat also ebenfalls eine Hierarchie wie das chinesische Kaiserreich. Es herrscht im Himmel ein Kaiser, der einen Palast hat und eine grossflächige Bürokratiegesellschaft mit allen möglichen Funktionen, die es für ein Reich braucht. Im Daoismus wird der Kaiser als der „Jadekaiser“ bezeichnet. Die Landschaft des tian beinhaltet die Sterne und Sternzeichen, die mit wichtigen Orten oder Gebäuden assoziiert werden.

Ebenso entstand ein Konzept des Untergrundes, oder der „Hölle“. Auch dort spiegelt sich das Leben auf der Erde, nur mit der zusätzlichen Folter der Seelen von Übeltätern, bis diese zur Reinkarnation bereit sind. Dabei gibt es auch im Untergrund eine Bürokratie mit strengen Regeln und Aufgaben. Diese „Hölle“ wird Diyu (地狱) genannt. Der buddhistische Dharmapala (Schutzgott) Yama (Yanwang 阎王) gilt als Herrscher von Diyu. Er unterteilte Diyu in zehn Teile, die jeweils einen König haben. Später wurden Diyu auf 18 Höllen erweitert.

Der Begriff tian 天 kann „Himmel“ oder auch eine Gottheit bezeichnen. Als Gott ist Tian im Gegenspiel mit Shangdi, dem obersten Herrscher, doch oft werden diese zu einem einzigen Gott zusammengefügt und als Synonym verwendet. Es besteht die Annahme, dass tian zuerst nur den Ort (Himmel) bezeichnete und Shangdi der oberste Ahnenherrscher im Himmel war. Tian wurde zuerst in der Zeit der Zhou (1046-256 v. Chr.) genannt.

Tian war für die Bevölkerung deshalb wichtig, weil unter Tian die Fruchtbarkeit und der Einfluss der jeweiligen Herrscher aufblühen oder vergehen können. So sind Naturkatastrophen ein Zeichen von schlechter Herrschaft, die oft dann einem Dynastiewechsel vorgehen. Um dies zu verhindern liegt es am Kaiser/an den Königen die Macht mit Opfern zu besänftigen.

Die Herrscher werden als „Sohn des Himmels (tianzi 天子)“ bezeichnet und erhielten ihr Herrschermandat (tianming 天命) von Tian. Dieses Herrschermandat kann aber auch entzogen werden, sollte der Herrscher dem Volk gegenüber nicht gerecht sein.

Im Verlauf der Geschichte wurde tian nicht mehr als eine Person oder ein Ort angesehen, sondern wurde zum Konzept von „natürlich“ und „Schicksal“ und somit auch zum Ursprung des moralischen Gesetzes.

Shangdi, Shang-ti oder auch nur Di (上帝/ 帝) ist der höchste Gott in klassischen Texten und wird oft mit tian gleichgesetzt. Heute wird der Begriff noch im christlichen Kontext und in chinesischen Heilsbringerglauben sowie als nichtreligiöse Übersetzung vom Gott der abrahamischen Religionen verwendet. In klassischer Bibelübersetzung wird Gott神 (shen) genannt.

Shangdi wurde zuerst auf den Orakelknochen der Shang-Dynastie (ca. 1600-1046 v. Chr.) genannt. Orakelknochen wurden für Vorhersagen verwendet. Beim Orakel wurde eine Frage auf Schulterblätter oder Schildkrötenpanzer eingeritzt, der Knochen erhitzt und anhand der Risse, die sich dadurch bilden, eine Antwort abgelesen.

Shangdi regierte über den Himmel und hat wie Tian die Macht, den Kaiser als sein Sohn auf Erden einzusetzen. Wie auch Tian wird er dem Himmel gleichgesetzt und ist eine Gottheit mit Einfluss auf die Natur und das Schicksal der Menschen. Er ist ausserdem für die Seelen der Verstorbenen und eine Hierarchie anderer Götter zuständig. Seine Position sollte die des Kaisers im Himmel spiegeln. Der Jade-Kaiser des Daoismus wurde auf seinem Beispiel basiert.

Die Wufang Shangdi (五方上帝) sind fünf Formen von Shangdi/Di (上帝/ 帝). Sie haben jeweils eine Kreationsphase, Farbe, Himmelsrichtung, heiliger Berg und ein Element sowie ein Planet assoziiert. Ausserdem besitzen sie eine himmlische, menschliche (Himmelsrichtung) und chthonische (Drachen) Form. Die Drachengötter sind zugleich auch ihre Reittiere. Sie wurden zuerst in der Shang-Dynastie (ca. 1600-1046 v. Chr.) verehrt und gerieten in Vergessenheit bis zur Qin-Dynastie (221-207 v. Chr.), worauf der Glaube in sie durch eine Opfergabe und Zentralisierung von Tempeln wieder in den Vordergrund geriet.

Die fünf Götter sind:

Huangdi/ Huangshen (黄帝, 黄神), der gelbe Gott. Er ist der Gott der Erde Di sowie ein Held der den Wagen erfunden hat. Er steht für Licht und Blitz, Saturn sowie der Gelbe Drache Huanglong (黄龙). Seine menschliche Form wurde von einer Jungfrau geboren und er wurde als eine spirituelle Form von Huangdi (黄帝), dem Gelben Kaiser gehalten. Sein Berg ist der Kunlun, die Brücke zwischen Himmel und Erde. Er wird mit Brahma gleichgesetzt und manchmal mit vier Gesichtern dargestellt.

Cangdi/Cangshen (蒼帝, 蒼神) ist der Grüne Gott des Ostens. Er wird mit Holz, Frühling und Fruchtbarkeit assoziiert, sein Drache sowie seine Tierform ist der Blaugrüne Drache Qinglong (青龙). Er wird auch mit Fuxi(伏羲), dem Schöpfergott gleichgestellt und entspricht dem Planeten Jupiter sowie dem Berg Tai Shan.

Heidi/Heishen (黑帝, 黑神) ist der Schwarze Gott des Nordens. Er wird durch eine Schildkrötenschlange dargestellt und mit Wasser und Winter assoziiert. Sein Drache ist der Schwarze Drache Xuanlong (玄龙) und sein Planet ist Merkur. Er wird auch als Beiyuedadi (Grosser Gott des Nördlichen Gipfels 北岳大帝) bezeichnet. Heidi ist ein Krieger, der für Sieg und den Triumph über das Böse steht.

Chidi/Chishen (赤帝, 赤神) ist der Rote Gott des Südens. Sein Element, das Feuer, spielt in diversen Mythen eine Rolle, wobei er als der Gegner von Huangdi dargestellt wird (die sich aber nach Chidi’s Verlust ergänzen als Gegensätze). Er wird auch mit Shennong (神农, der menschliche Urherrscher von den Drei Souveränen 三皇) gleichgesetzt. Sein Drache ist der Rote Drache Zhulong (朱龙) und der Phönix gilt als sein Tier. Er steht für Sommer, Agrikultur, Tierhaltung, Medizinpflanzen und der Markt. Somit ist er der Schutzgott der Ärzte und Apotheker sowie der Wissenschaft. Mars ist sein Himmelskörper.

Baidi/Baishen (白帝, 白神) ist der Weisse Gott des Westens. Er wird als Shaohao (少昊), der Sohn von Huangdi verehrt und steht für Metall und Herbst. Sein Tier ist der weisse Tiger und sein Drache ist Bailong (白龙), der Weisse Drache. Im Himmel verkörpert ihn Venus.

Drachen sind in China nicht die feuerspeienden Bestien, die besiegt werden müssen da sie eine Plage sind. Drachen in China sind die Personifikation von Flüssen, Regen und Wasser, sie sind Glücksbringer und eines der höchststehenden mythischen Tiere. Der Kaiser verzierte seine Roben mit Drachen und die fünf Wufang Shangdi (五方上帝) reiten auf ihnen oder werden mit ihnen gleichgestellt. Auch der Kaiser stellt sich selbst als Drachen dar, da der Drache auch für die kaiserliche Macht steht.

Der chinesische Drache long (龍) besteht meist aus einem langen, schlangenartigen Körper und vier Beinen, die in Adlersklauen enden, die Fussballen sind die eines Tigers. Sein Kopf ist der eines Kamels, die Hörner eines Hirsches, die Augen eines Dämons und die Ohren einer Kuh. Sein Bauch ist der einer Muschel und die Schuppen die eines Karpfen. Auf seinem Kopf hat der Drache einen Klumpen, ein chimu (尺木), ohne welches er nicht in den Himmel aufsteigen kann. Viele Abbildungen lassen den Drachen eine Perle in der Klaue halten, die spiritueller Kraft, Weisheit, Wohlstand, Macht, Unsterblichkeit, Donner oder den Mond darstellt. Ausserdem ist der Drache mit der Yang-Energie verbunden und steht für die Kraft.

Es gibt vier Drachenkönige, die sich unter dem Drachengott Longwang (龍王) vereinen. Longwang bekommt seine Aufträge direkt vom Jadekaiser. Die Drachenkönige stehen für jeweils einen Wasserkörper. Der Gelbe Drache Huanglong (黃龍) steht für keinen, da er den Gelben Kaiser, oder Huangdi/ Huangshen (黄帝, 黄神), der Gelbe Gott verkörpert. Jeder Drachenkönig hat den Nachnamen Ao (敖, spielerisch oder stolz). Nach der chinesischen Namensgebung wird der Nachname vor dem Vornahmen genannt.

Blaugrüner Drache/Azurblauer Drache (Qinglong靑龍): Sein Reich ist das Ostchinesische Meer. Er ist der Drachengott des Ostens und des Frühlings und wird auch Ao Guang genannt (敖光).

Der Schwarze Drache Xuanlong oder Heilong (玄龍, 黑龍) ist der Drachengott des Nordens und des Winters. Sein Wasserkörper ist der Baikalsee und er wird auch Ao Shun (敖順) oder Ao Ming (敖明) genannt.

Der Rote Drache Zhulong (朱龍, auch Chilong赤龍)ist der Drachengott des Südens und des Sommers. Sein Meer ist das Südchinesische Meer und sein Name ist Ao Qin (敖欽).

Der Weisse Drache Bailong (白龍) steht für den Westen und den Herbst. Er verkörpert den Qinghai-See und wird auch Ao Run (敖閏), Ao Jun (敖君) oder Ao Ji (敖吉) genannt.

Pangu (盘古/盤古) ist die Urgottheit in einem der chinesischen Ursprungsmythen. Er entstand in einem kosmischen Ei als Folge der idealen Balance aus Yin und Yang Energien nachdem es 18000 Jahre ruhte. Er ist ein haariger Riese mit Hörnern auf dem Kopf und wird als primitiv dargestellt. Mit einer Axt spaltete Pangu das Yin vom Yang und erschuf die Erde und den Himmel. Um diese auseinanderzuhalten nahm er den Himmel auf die Schultern und drückte ihn nach oben. Dabei wurde er von den vier Himmelstieren unterstützt, Schildkröte, Qilin, Phönix und Drache.

Nach weiteren 18000 Jahren atmete Pangu und sein Atem wurde zu Wind, Nebel und Wolken, seine Stimme wurde zum Donner, seine Augen zu Sonne und Mond, sein Kopf zu Bergen, sein Blut zu Flüssen, seine Muskeln zu nahrhaftem Land, seine Gesichtsbehaarung zu Sternen (u.a. die Milchstrasse), sein Fell zu Büschen und Wäldern, seine Knochen zu Mineralien, sein Knochenmark zu Juwelen, sein Schweiss zu Regen und die Fliegen auf seinem Fell wurden zu Tieren.

Huangdi (黃帝 / 黄帝) ist auch unter dem Beinamen Der Gelbe Kaiser bekannt. Seine legendäre Regierungszeit soll von 2698-2598 v. Chr. gedauert haben und er wurde 113 Jahre alt. Ihm wurden die Begründung der chinesischen Kultur und zahlreiche Erfindungen nachgesagt.

Trotz seines legendären Status soll er wirklich existiert haben, doch Forscher meinen, er könnte auch als Gott mit der Zeit zu einem Menschen gemacht worden sein. Er wurde zuerst in der Zeit der Kriegerischen Staaten (475-403 v.Chr.) schriftlich erwähnt, nur einige Bronzegefässe nannten ihn schon früher. Diese Zeit war jedoch sehr wichtig für seine Legende, denn der erste Kaiser der Qin-Dynastie (221-207 v. Chr.), Qin Shi Huang (秦始皇), nahm an ihm sein Vorbild und nannte Huangdi seinen Ahnen.

Der Gelbe Kaiser verfasste viele Schriften, die u.a. den Daoismus inspiriert haben sollen und er wurde in diesem Fall auch mit Laozi verglichen. Später im 20. Jahrhundert wurde er zum Vorfahren aller Chinesen erhoben. Auf Banknoten wurde er 1912 verewigt als der Urahn der Fünf Rassen (Han-Chinesen, Mandschu, Mongolen, Tibetaner und Hui). Seine Verehrung wurde in der Kulturrevolution (1966-1976) verboten doch 1980 wurde der Kult von der Regierung selbst wiederhergestellt.

Huangdi wurde nachgesagt, dass er von einer jungfräulichen Mutter geboren wurde als diese von einem Blitz geschwängert worden sei. Er wurde ein Bauer in Hebei und zähmte sechs Bestien. Unter ihm wurde das Leben besser, denn er erfand das Konzept des Hauses, des Anbaus von Getreide und den Wagen sowie Boote und Kleider. Ausserdem erfand er Dinge wie das Diadem, die Astrologie, Mathematik und cuju (蹴鞠, antikes chinesisches Fussball). Er besiegte dämonenähnliche Horden und wurde so zum Kaiser. Vor seinem Tod (er lebte über 100 Jahre) soll er ein Phönix und ein Qilin getroffen haben.

In China werden Legenden und Sagen genauso wie auch religiöse Festtage mit Festen anerkannt (hauptsächlich buddhistische Feiertage z.B. Buddhas Geburtstag). Diese variieren je nach Ort und Jahreszeit. Doch offiziell werden in der Volksrepublik China nur folgende Festtage gefeiert:

– Chinesisches Neujahr (Frühlingsfeier, 农历新年 / 春节 /  大年初一). Mit Feuerwerken und Familienbesuch wird das neue Jahr gefeiert. Das Datum folgt dem traditionellen chinesischen Lunisolarkalender und fällt auf einen Neumond zwischen dem 21. Januar und 20. Februar.

– Qingming Festival (Grabreinigungsfeier, 清明节). An diesem Tag im Frühling werden die Ahnengräber besucht, gereinigt und man bringt ihnen Opfer. Jeweils am 104. Tag nach der Wintersonnenwende wird diese Feier gehalten.

– Duanwu Festival (Drachenbootfeier, 端午节). Mit einem Drachenbootrennen und Zongzi (粽子, gefüllte, in Bambusblätter eingewickelte Reisbälle) wird der Poet Qu Yuan (屈原, ca. 340-278 v. Chr.) gefeiert. Dies findet am fünften Tag des fünften Monates statt.

– Mondfest (中秋节). Man feiert Legenden (z.B. Chang‘e 嫦娥, die auf dem Mond ihren Palast baute nachdem sie die Unsterblichkeitspille ihres Mannes Hou Yi einnahm), die sich um den Mond drehen, und isst das Teegebäck Mondkuchen (月饼). Das Fest findet jeweils am 15. Tag des 8. Monates statt.

Das Grundkonzept des Feng Shui (风水 übers. Wind und Wasser) bedeutet, dass jede Bewegung im Leben mit einer Bewegung in der Natur übereinstimmt. Es ist eine Lebenseinstellung und wird im Westen hauptsächlich in der Architektur und Inneneinrichtung sowie den Garten verwendet. In China wird sie zudem für die Suche nach dem geeigneten Grab, sowie die Stadtplanung benutzt. Das Ziel ist es, so viel positive Energie wie möglich herzustellen um Glück, Freude und inneres Gleichgewicht ins Leben zu rufen. Das Prinzip des Feng Shui basiert auf der Harmonielehre, die jeder Praktizierende zumindest kennen muss. Der Glaube dahinter ist, dass nicht der Mensch sondern das Universum für Erfolg verantwortlich ist und man dieses durch die Harmonie beeinflussen kann.

Der Daoismus hat seinen Ursprung in prähistorischen Volksreligionen Chinas. Durch die Zeit der Kriegerischen Staaten (4./3. Jhd. v. Chr.) wurde das Grundkonzept des wu wei (無為 / 无为) erschaffen, auf das sich der Daoismus stützt.

Laozi schrieb laut der Legende an einem Pass im 4. Jhd. v. Chr. das Daodejing, das erste Werk des Daoismus auf und wurde somit zum Begründer der Religion. Sein Name bedeutet lit. „Alter Meister/Sohn“. Er wird als ein Zeitgenosse des Konfuzius angesehen. Das Daodejing ist von Laozi in der sog. Siegelschrift (zhuanshu 篆書, die erste einheitliche Schrift Chinas) verfasst worden. Es besteht aus 81 kurzen „Kapiteln“.

Dao ist Weg, Lehre, Sinn, das allumfassende erste Prinzip, das allen Erscheinungen zugrunde liegt, die Wirklichkeit aus der das Universum entspringt, namenlos/nicht benennbar, die Mutter und der Urquell zugleich, ist alles und nichts zugleich, unbeschreiblich, unfassbar und unbenennbar.

Der Konfuzianismus ist eine philosophische Richtung, die Verhaltensregeln, Aufgaben eines jeden Menschen sowie die Ordnung der Welt regelt. Durch das richtige Verhalten, das Einhalten aller Höflichkeiten sowie den Respekt vor Älteren und Höhergestellten kann ein jeder Mensch sein Leben im vollsten Masse verbringen.

Das I Ging oder Yi Jing (易经 / 易經 )oder auch Zhouyi (周易) ist einer der Fünf Klassiker des Konfuzianismus, ein auf Weissagungen und Philosophie bezogenes Werk. Der Kern dieses Werks sind die 64 Hexagramme, die sich grundlegend auf das Yin-Yang-Prinzip beziehen. Mittels dieser Hexagramme können Orakel erstellt werden. Ursprünglich sei das I Ging vom legendären ersten Kaiser Chinas Fu Xi (伏羲, 3. Jahrtausend v. Chr.) verfasst worden, der die acht Trigramme entdeckt haben soll.

Qi Gong (气功) hat seinen Ursprung in China. Die Praxis setzt sich aus Meditationsübungen, Bewegungen und Konzentration zusammen. Diese werden durch flüssige Bewegungsformen ausgeführt, die den Qi-Fluss im Körper stärken sollen. Qi Gong soll gut für die Gesundheit, Beweglichkeit und für Heilung von Krankheiten sein. Der wahre Ursprung des Qi Gong ist unbekannt, aber es ist in China schon seit über 2500 Jahren eine praktizierte Form der Heilung.

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