Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen 

Der Kampf der Scientology gegen die Psychiatrie

Bemerkungen zu einer CCHR-Publikation

 

Die CCHR (Citizen commission on human rights, eine von Scientology begründete Organisation im Kampf gegen Psychiatrie und Psychologie) engagiert sich vordergründig für all die Menschen, die durch Psychiater, Psychotherapeuten und Psychologen unsachgemäss behandelt, ausgebeutet, missbraucht, geschädigt oder umgebracht wurden. (Scientology vergisst nie darauf hinzuweisen, dass nicht nur Hitler, sondern einzelne Psychiater schon vor ihm im Namen der Eugenik die Tötung von unheilbar Geisteskranken gefordert haben, und dass bei den von Serben in den letzten Jahren verübten Greueln Psychiater unter den Kriegsverbrechern in vorderster Reihe standen). Die zweite Stossrichtung der Streitschrift trifft all jene Kirchen, die psychologische Einsichten und psychotherapeutische Methoden in ihren Verkündungsauftrag integrieren, und so &endash; laut Scientology &endash; dem moralischen und religiösen Zerfall Tor und Tür öffnen.

Beide Stossrichtungen des Pamphlets wären an sich bedenkenswert. Die Kritik an der Psychiatrie und Psychologie wäre eine sinnvolle und nötige Sache, wenn sie nicht alle Psychiater und Psychologen in den gleichen Topf werfen würde und neben den zum Teil nicht bestreitbaren Greueltaten auch all die zahllosen Fälle erwähnen würde, in denen Psychiater und Psychotherapeuten schwer bedrängten Menschen manchmal Heilung und oft Erleichterung in ihrem psychischen Leiden verschafft haben.

Aber was bezweckt Scientology mit ihrer absoluten Psychiatriekritik? Sollten wir überall dort Scientologen anstellen, wo früher Psychiater oder Psychologen amtierten? Wahrscheinlich ist genau dies die eigentliche Absicht des Kampfes der Scientology gegen Psychiatrie und Psychologie. Scientology ist vermutlich immer noch vom Glauben besessen, dass nur Scientology den menschlichen Geist von den Verletzungen befreien kann, die ihm zugefügt wurden. Diese Überzeugung ist so alt wie Scientology selbst.

L. Ron Hubbard, der Begründer von Scientology, war, wenn wir richtig vermuten, seinerzeit auch in die Mühlen der Psychiatrie geraten. Er hatte sich dann aber, dank seiner später publizierten sog. Dianetik-Methoden, selber geheilt. Seither sieht Scientology in der Psychiatrie ihren bevorzugten Feind. Gesetzt den Fall aber, dass Hubbard sich selber wirklich besser helfen konnte als vordem alle Psychiatrie, warum muss Scientology deswegen die Psychiatrie derart verteufeln? Die pauschale Verurteilung der Psychiatrie und der Psychologie in der Scientology wirft für mein Empfinden ein eigenartiges Licht auf die sog. Erfolge der Scientology-Methoden. Ein wirklich gesunder Geist kann differenzieren. Er muss niemanden und nichts verteufeln.

Was die zweite Stossrichtung der Kampfschrift betrifft, den moralischen und religiösen Zerfall bei steigendem Einfluss psychologischer Einsichten und psychotherapeutischer Methoden in kirchlichen Räumen, so ist auch hier eine Art dunkler Selbstüberschätzung auf Schritt und Tritt spürbar. Scientology ist fähig, dem menschlichen Geist in beinah allen Lebensbereichen und Problemfeldern unerahnte Möglichkeiten zu erschliessen. Psychiatrie und Psychologie, die dunkeln Antipoden der Scientology, werden in ihrem Einfluss auf unsere Gesellschaft genauso überschätzt. Alles, was in der Kirche und Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten schief lief, wird der Psychiatrie, der Psychotherapie und der Psychologie angelastet. Dass die Kirchen diese drei dunklen Schwestern nicht nur nicht bekämpfen, sondern sich bei ihnen anbiedern, gilt als Hauptursache der penetranten Entkirchlichung. Allerdings &endash; auch hier ist nicht alles Gesagte völlig aus der Luft gegriffen. Jenseits von allen Horrorszenarien werden wir uns in den Kirchen immer über Sinn und Grenzen psychologischer Einsichten und psychotherapeutischer Methoden Gedanken machen. Psychologische Kenntnisse dienen dem Glauben, solange sie uns helfen, das Evangelium konkreter zu leben. Wenn es aber in der Kirche plötzlich nur noch darum geht, psychologische Einsichten zu verkaufen, dann hat sich der mässige Gewinn durch psychologische Erkenntnis verkehrt in einen masslosen Verlust dessen, was Kirche zur Kirche macht. Wir bleiben &endash; hoffentlich auch ohne die Hilfe von Scientology &endash; Kirche Jesu Christi und werden nie Kirche der themenzentrierten Interaktion oder Kirche des C.G.Jung.

 

Georg Schmid, 1999


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