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Vineyard Christian Fellowship

 

Fassung ohne Anmerkungen, weiterführende Hinweise und Literaturangaben. Diese siehe im Volltext.

 

John Wimber, der Gründer und Leiter der Vineyard Christian Fellowship, ist im November 1997 gestorben, ein Ereignis, das in der charismatischen und evangelikalen Presse einigen Niederschlag fand. Zu Recht, denn mit Wimber verliert die Welt nicht irgendeinen "christian leader", sondern einen Mann, der das amerikanische, aber auch das europäische Christentum der letzten 20 Jahre stark beeinflusste:

- Wimber hinterlässt mit der Vineyard Christian Fellowship den in Nordamerika, aber auch in der Schweiz am stärksten wachsenden Gemeindeverband. Die Zahl der Vineyard-Gemeinden in der Schweiz stieg in den vier Jahren von 1992 bis Ende 1997 von Null auf fünf (Bern, Basel, Genf, Winterthur, Zürich). Die Zunahme der Vineyard-Gemeinden ist zumindest in Europa ungebrochen, weshalb für die nahe Zukunft mit einem weiteren Wachstum der Bewegung gerechnet werden kann. Ins dritte Jahrtausend wird die Vineyard Christian Fellowship als eine der grossen protestantischen Denominationen treten. Bemerkenswert ist dieser Sachverhalt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Vineyard Christian Fellowship der einzige in den letzten 20 Jahren entstandene internationale Gemeindeverband darstellt. Wimbers Gemeindeverband mochte mithin dem Trend zu unabhängigen Lokalgemeinden zu widerstehen resp. sich trotz dieses Trends zu etablieren.

- Wimbers Entwürfe zu Power Evangelism und Heilungsdienst sind aber weit über die engeren Kreise der Vineyard Christian Fellowship hinaus wirksam geworden. Prediger und Pastoren verschiedenster Gemeinschaften liessen sich an Wimber-Kongressen in Wimbers Praxis einführen und setzen diese nun in ihren eigenen Gemeinden um. Insbesondere die Ausgliederung des Heilungsdienstes aus dem Aufgabenfeld des Pastors durch die Gründung eigentlicher Heilungsteams in der Gemeinde kann als Wimbers Idee gelten. Diese Praxis ist in charismatischen Gemeinden inzwischen weitverbreitet.

- Insbesondere ist es aber Wimbers zwischen den Charismatikern und den Evangelikalen vermittelndes Verständnis der Taufe im Heiligen Geist und des Erfülltwerdens mit dem Heiligen Geist, welches heute zumindest in der Schweiz trotz harter Gegenwehr traditionell pfingstlich-charismatischer Theologie dabei ist, zur charismatischen "Normaltheologie" zu werden.

- Damit in Zusammenhang wird Wimbers Verständnis der Glossolalie als einer möglichen, aber nicht notwendigen Gabe und seine Zurückweisung der Lehre der "Initial Evidence" in der charismatischen Bewegung immer bedeutsamer.

- Zuletzt ist auch Wimbers Ablehnung der Geistlichen Kriegführung, mit welcher ihm vorerst kein Erfolg beschieden war, zum charismatischen Allgemeingut geworden.

Insgesamt kann Wimber als der wohl wirkmächtigste "christian leader" der Achziger und der Neunziger Jahre gelten.

 

 

Biographie John Wimbers

John Wimber wurde 1934 in einer nichtchristlichen Familie geboren. Wimber war, wie er selbst betont, ein "Heide in der 4. Generation". Nach einer Karriere als Jazz-Musiker erfährt Wimber 1963 im Zusammenhang mit Eheproblemen eine Bekehrung. Wimber schliesst sich den Quäkern an und wird dort schnell missionarisch äusserst aktiv: er gründet Bibelkreise und führt nach eigener Aussage Hunderte von Menschen zum Glauben.

In Anerkennung dieser evangelistischen Erfolge wird Wimber 1970 zum zweiten Pastor seiner Gemeinde, der Yorba Linda Friends Church ordiniert, und 1975 ans nachmalige Charles E. Fuller Institute of Evangelism and Church Growth berufen. Daneben wirkt Wimber auf Vortragsreisen als Gemeindeaufbau-Berater. Während seiner Tätigkeit am Fuller-Institut kommt Wimber in Kontakt mit Christen aus der Dritten Welt, die von der Aufklärung weniger geprägt sind und ein Weltbild vertreten, in welchem Wunder und Geister viel unbefangener Platz finden als in der Theologie der westlichen Christenheit. Wimber sieht diese Tatsache in Verbindung mit einer anderen: In manchen dieser Länder der dritten Welt machte das Christentum zu jener Zeit grosse zahlenmässige Fortschritte, wogegen es dem westlich geprägten Christentum nicht gelingt, eine beeindruckende Zuwachsrate zu erzielen. Daraus folgert Wimber, dass zwischen dem Glauben an Wunder und Geister und dem Wachstum des Christentums ein Zusammenhang bestehen muss: Erfolgreiche Evangelisation lehrt auch den Glauben an Wunder und wird von solchen begleitet.

Auf Anregung des Fuller-Dozenten C. Peter Wagner hin, der meint, Wimber solle seine Erkenntnisse durch die Gründung einer eigenen Gemeinde umsetzen, wird Wimber 1977 wieder Pastor, wobei er aber keine Gemeindegründung im engeren Sinne tätigt, sondern einen Hauskreis seiner Quäkergemeinde, welcher sich seit geraumer Zeit für charismatische Gaben zu interessieren begann und in welchem Wimbers Frau Carol sowie Wimbers nachmaliger Mitstreiter und heutiger Nachfolger Bob Fulton mittaten, übernimmt und aus der Quäkergemeinde herausführt. Am 8. Mai 1977 findet der erste Gottesdienst der neuen Gemeinschaft mit Wimber als Pastor statt. Wimber schliesst sich mit seiner Gemeinde dem Calvary Chapel-Gemeindeverband von Chuck Smith an.

Wimber versucht, in seiner Gemeinde seine Erkenntnisse zur Bedeutung des Uebernatürlichen für die Ausbreitung des Christentums umzusetzen. So beginnt Wimber, für Kranke um Heilung zu beten, und seine Gemeindeglieder in diesem Dienst der Krankenheilung zu schulen. Erst nach zehn Monaten kann Wimber jedoch im Februar 1978 erste Heilungserfolge vermelden.

Am Muttertag 1979 erlebt Wimbers Gemeinde durch einen Gastauftritt des Jesus-People-Evangelisten Lonnie Frisbee eine von Wundern und Manifestationen begleitete Geistausgiessung. Ein Gottesdienst am Muttertag 1981 führt dann gar zu eigentlichen Massenphänomenen wie reihenweises "Ruhen im Geiste". Diese erst im Dienst von Lonnie Frisbee und dann 1981 verstärkt erlebten "Zeichen und Wunder" werden Wimber und seiner Gemeinde wichtig, wodurch Wimber in einen Gegensatz zu Chuck Smith gerät, der Wundern und Manifestationen gegenüber eher zurückhaltend ist. Im April 1982 kommt es zur Trennung. Wimber verlässt mit seiner Gemeinschaft die Calvary Chapel und schliesst sich mit dem kleinen Verband "Vineyard Christian Fellowship" von Ken Gulliksen zusammen, der sich schon vorher von der Calvary Chapel getrennt hatte. Schon im Mai 1982 sah sich Wimber in der Leitung des so entstandenen Vineyard-Verbandes.

Im Jahr 1983 verlegt Wimber seine Gemeinde von Yorba Linda nach Anaheim .

Wimbers Gemeinde erfährt in der Folge ein starkes Wachstum, und geht dazu über, an anderen Orten Tochtergemeinden zu begründen. Das sich daraus ergebende Wachstum der Vineyard-Bewegung wird wesentlich verstärkt durch zahlreiche ursprünglich selbständige Gemeinden, die sich der Vineyard-Bewegung anschliessen.

Am Fuller Theological Seminary hält Wimber 1981 einen Kurs unter dem Titel "Signs, Wonders and Church Growth", in welchem Wimber den von ihm selbst beobachteten Zusammenhang zwischen Zeichen und Wundern und dem Wachstum von Gemeinden einer breiteren Oeffentlichkeit zugänglich macht. In den Jahren 1982 bis 1985 liest Wimber an der Fuller School of World Mission über "The miraculous and Church Growth".

Im Jahr 1983 gründet Wimber die Organisation "Vineyard Ministries International", die weltweit Kongresse und Kurse, z.T. mit Wimber als Referenten, zu den Themen der Bedeutung des Uebernatürlichen in der Evangelisation und zum Heilungsgebet anbietet. Wimber erreicht durch seine Konferenzen ein grosses Publikum. Beeindruckend wirkt nach Zeugnis der Teilnehmenden Wimbers persönliche Ausstrahlung, seine Integrität, sein Verzicht auf Show-Elemente und seine Ehrlichkeit gegenüber eigenen Grenzen.

Eine Krise in Wimbers Einsatz für den Heilungsdienst ergab sich durch das im Januar 1983 durchgeführte, erfolglose Heilungsgebet für den anglikanischen Charismatiker David Watson.

Wimbers Erkenntnisse und Erfahrungen fliessen auch in seine Bücher ein, die in christlichen Kreisen insbesondere der angelsächsischen Welt reissenden Absatz finden und die charismatische, aber auch Teile der evangelikalen Szene weit über die Vineyard-Bewegung hinaus massgeblich prägen: 1985 erscheint das Buch "Power Evangelism" (deutsch: Vollmächtige Evangelisation, 1986), in welchem Wimber seine These, dass Evangelisation dann erfolgreicher ist, wenn sie von Wundern begleitet wird. 1986 erscheint "Power Healing" (deutsch: Heilung in der Kraft des Geistes, 1987), eine Einweisung in das Gebet um Heilung. 1990 legt Wimber mit "The Dynamics of Spiritual Growth" (deutsch: Fundamente für gesitliches Wachstum) eine Einführung in den christlichen Glauben vor, in welcher er seine spezifischen Lehren von Evangelisation durch Zeichen und Wunder sowie von Heilungsdienst in einem betont orthodoxen Protestantismus verankert.

In den folgenden Jahren ist Wimber durch die rasante Ausbreitung seiner Vineyard-Bewegung in Anspruch genommen. Wimber gründet 1985 die Association of Vineyard Churches (AVC), die weltweite Vereinigung der Vineyard-Gemeinden. Als Internationaler Direktor der AVC wacht Wimber darüber, dass die lokalen Gemeinden innerhalb der Lehrvorgaben der Vineyard-Bewegung bleiben. Sein Pastorenamt in Anaheim gibt Wimber 1994 ab. Eine Expansion der Vineyard-Bewegung nach Europa lehnt Wimber in den achziger Jahren noch ab, in den Neunzigern wird sie forciert betrieben.

Im Jahr 1989 leitet Wimber eine Neuausrichtung des Hauptskopus des Vineyard-Engagements ein: War die Zeit von 1981-89 geprägt von Heilungsdienst und Vollmächtiger Evangelisation, ist es nun die Prophetie, die für die nächsten Jahre zum Hauptthema der Vineyard und von Wimbers Kongressen werden wird. Wimber arbeitet in dieser "prophetischen Phase" eng mit den sog. "Kansas City"-Propheten zusammen. Doch bereits 1991 und 1992 macht sich bei Wimber erste Ernüchterung breit. Das Thema der Prophetie verliert in Wimbers Dienst seither an Bedeutung.

Fürs Jahr 1993 konstatiert Wimber dann einen Tiefstand der Geistwirkung in der Vineyard-Bewegung, bei vielen Vineyard-Pastoren ist eine grosse Sehnsucht nach neuen Erlebnissen zu bemerken. Der am 20. Januar 1994 auftretende Toronto-Segen füllt dieses Vakuum.

Zweimal muss Wimber in der Funktion als AVC-Präsident sich von Teilen seiner Bewegung trennen: 1995 wird die Toronto Airport Vineyard, die "Muttergemeinde" des Toronto-Segens, aus der Vineyard-Bewegung ausgeschlossen. Trennungsgrund war die Tatsache, dass Wimber von der Toronto-Gemeinde erwartete, dass diese diejenigen sog. "Manifestationen des Heiligen Geistes", die in der Bibel nur schwer wiederzufinden sind, etwa Tierlaute, nicht mehr zulässt. Die Gemeinde in Toronto mochte sich diesem Druck nicht beugen.

Ein Jahr später trennt sich Wimber von der Metro Vineyard Fellowship in Kansas City, wo sich die "Kansas City-Propheten" weltweite Beachtung verschafft haben. Wimber und die Kansas City-Gemeinde können sich über das richtige Mass der Betonung neuer, zur Bibel zusätzlicher Prophetie nicht einigen (Wimber lehnt im Grunde eine Verschriftlichung neuer Prophetien ab).

Nach 1995 reformiert Wimber die Organisation der Vineyard-Bewegung. Die einzelnen Landesverbände werden aus der Autorität der AVC entlassen, wenn sie eine gewisse Grösse erreicht haben, und organisieren sich selbst. Zur Koordination der weltweiten Bewegung wird ein Leiterkreis geschaffen, welcher aber keine Weisungsbefugnis hat . Bis dato sind verselbständigt die Verbände in den USA, Kanada, Grossbritannien, Neuseeland und Südafrika.

Daneben führte Wimber seine intensive Vortragstätigkeit weiter. Wimber legte seine Erkenntnisse über Zeichen und Wunder sowie den Heilungsdienst in zahlreichen Kongressen dar. Seine eigene Gesundheit gab jedoch seit Jahren zu einiger Besorgnis Anlass. Im April 1993 wurde bei Wimber Krebs diagnostiziert, der dann (mit Chemotherapie) erfolgreich behandelt wurde. 1997 wurde eine Bypass-Operation notwendig. Während der Rekonvaleszenz von diesem Eingriff starb Wimber am 16 November 1997 an einer Hirnblutung. Nachfolger Wimbers als Haupt der Vineyard-Bewegung wird sein Mitstreiter Bob Fulton.

 

Die Verbreitung der Vineyard-Bewegung

Die Vineyard-Bewegung umfasst heute insgesamt über 800 lokale Gemeinden, wovon 450 in den USA und 100 in Europa.

In der Schweiz ist die Vineyard-Bewegung vertreten seit 1993, als sich die charismatische Gemeinschaft Basileia in Bern der Vineyard anschloss. Von Bern aus wurden seither Vineyard-Gemeinden in Basel, Winterthur, Genf und Bülach etabliert. 1997 schliesst sich das Christliche Begegnungszentrum "Stimme des Glaubens" Affoltern in Zürich der Vineyard-Bewegung an. Zur Zeit ist in Luzern eine Gemeinde in Gründung.

In Kürze werden die deutschsprachigen Vineyard-Gemeinden aus der Autorität der AVC entlassen werden und in einen Verband unter der Leitung von Martin Bühlmann, Vineyard Bern, gruppiert.

 

Theologie der Vineyard-Bewegung

John Wimber und seine Vineyard Christian Fellowship gehen von einem klassischen evangelikalen Glauben aus. Die Vineyard-Bewegung anerkennt die altkirchlichen Bekenntnisse und lehrt in der evangelikalen Tradition die Unfehlbarkeit der Schrift ("without error"). Die reformierte Bundestheologie steht jedoch an Stelle des im amerkanischen Evangelikalismus sonst herrschenden Dispensationalismus. Den Cessationismus nach Calvin und Warfield gibt Wimber, der gegenüber Wundern eine aktualistische These vertritt, naturgemäss auf. Weiters steht die Vineyard-Theologie im grösseren Umfeld der Heiligungs-Bewegung.

Dieser konservativ-evangelikale Glaube, wie Wimber es selbst formuliert, wird ergänzt durch bestimmte Themenkreise, die das Spezifikum der Vineyard-Bewegung ausmachen. Diese Themen sollen im folgenden kurz dargestellt werden:

 

1 Anbetung

Die Anbetung Gottes, sein Lobpreis, ist eines der wesentlichen Anliegen der Vineyard-Bewegung. Die Anbetung geschieht in Gottesdiensten und in der privaten religiösen Praxis zumeinst in der Form von Anbetungsliedern, die in ihrem Aussagegehalt den Lobpsalmen nachempfunden sind.

Die immense Bedeutung der Anbetung für die Vineyard-Bewegung ist daran zu ermessen, dass im Rahmen der Bewegung laufend neue Anbetungslieder komponiert und auf Tonträgern verkauft werden. Der Umgang mit diesem doch religiösen Liedgut kann in der Praxis im einzelnen für Aussenstehende recht nachlässig erscheinen, insofern Anbetungs-CDs als Hintergrundsmusik für alle Arten von alltäglichen Verrichtungen eingesetzt werden. Theoretisch mag solches mit dem Anliegen gerechtfertigt werden, das ganze Leben vom Gotteslob prägen zu lassen.

Theologisch wird die Bedeutung der Anbetung in der Vineyard-Bewegung gerechtfertigt mit dem Gedanken, dass die Anbetung Gottes der eigentliche Seinszweck des Menschen sei.

Die Wichtigkeit der Anbetung für die Vineyard-Bewegung geht im wesentlichen auf die Charismatische Bewegung zurück, der Anbetung generell wichtig ist. Im Hintergrund steht neben dem Gedanken des Gotteslobes die auf konkrete Wirkungen des Glaubens ausgerichtete Haltung der Bewegung: Glaube muss sich in konkreter Veränderung des Gläubigen zeigen. Anbetungszeiten von einer Stunde und mehr sind geeignet, eine Aenderung der Stimmungslage zu bewirken.

Hierzu passt die Beobachtung in der charismatischen Bewegung, dass Phänomene, die als Auswirkungen des Heiligen Geistes interpretiert werden, in Gottesdiensten mit ausgedehnter Anbetungszeit viel leichter auftreten als in Veranstaltungen ohne Anbetungszeit. Daraus wird gefolgert, dass die Anbetung für den Heiligen Geist empfänglich macht. Dies heisst allerdings nicht, dass psychologische Interpretationen, die von einem durch das länger andauernde Singen veränderten Bewusstseinszustand ausgehen, grundsätzlich von der Hand gewiesen würden. Strittig bleibt die Frage der Quelle der Veränderung.

 

2 Erfülltsein mit dem Heiligen Geist

John Wimber und seine Vineyard-Bewegung lehnen, nach anfänglicher Uebernahme pfingstlerischer Vorstellungen, die pfingstlerische These einer Geistestaufe, die als zweiter Schritt irgendwann nach dem Christwerden erfolgt, ab. Stattdessen geht die Vineyard-Bewegung wie das nichtpfingstlerische Christentum davon aus, dass jeder Christ mit dem Heiligen Geist getauft ist.

Die Vineyard-Bewegung bestreitet nun aber nicht, dass im Leben des Christen sich Erfahrungen einstellen können, die von den Betroffenen als Erleben des Heiligen Geistes beschrieben werden. Diese Erfahrungen interpretiert die Vineyard-Bewegung nun aber nicht als einmaligen und heilsnotwendigen Schritt der Geistestaufe, sondern als ein zusätzlich zum Heil geschenktes Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist.

Damit wird es der Vineyard-Bewegung möglich, dieses Erleben des Heiligen Geistes als wiederholbares Ereignis zu fassen, im Gegensatz zur Pfingstbewegung, für die die Geistestaufe ein einmaliges Ereignis ist und die deshalb mit weiteren, ähnlichen Erlebnissen interpretatorische Probleme bekommt.

Erlebnisse des Erfülltwerdens mit dem Heiligen Geist stehen für die Vineyard-Bewegung oft im Zusammenhang mit der Ausrüstung des Erlebenden für einen neuen Dienst, eine neue Aufgabe oder eine neue Funktion in der Gemeinde. Die Erfahrungen werden damit als biographische Schlüsselerlebnisse ernstgenommen und von ihrer heilsmässigen Ueberfrachtung in der Pfingstbewegung befreit (die dazu führt, dass dieses Erleben, da es für die Fülle des Heils notwendig ist, krampfhaft gesucht wird).

 

3 Die Gaben des Heiligen Geistes

Für die Vineyard-Bewegung ist der Gedanke der "Gaben des Heiligen Geistes" wichtig. Der Heilige Geist rüstet, so die Vorstellung, verschiedene Christen für verschiedene Dienste zu, etwa die Krankenheilung, die Unterscheidung der Geister, die Evangelisation etc. Eine solche Begabung durch den Heiligen Geist, John Wimber kann auch von einer Salbung durch den Geist sprechen, führt dazu, dass die begabte Person die betreffenen Aufgaben weit effizienter ausüben kann als eine nichtbegabte Person.

Die Suche nach den jeweiligen eigenen Gaben spielt von diesem Verständnis her für das Glaubensleben der Angehörigen der Vineyard-Bewegung eine grosse Rolle. Das Resultat dieser Suche hat dann einschneidende Konsequenzen für die Rolle der betreffenden Person in der Gemeinde.

Im Hintergrund steht eine an Gemeindewachstum orientierte Form christlichen Effizienzdenkens: jedes Gemeindeglied wird dort eingesetzt, wo es am wirksamsten tätig sein kann. Die Gabentheologie Wimbers entstammt denn auch im wesentlichen der Gemeindeaufbau-Bewegung der achziger Jahre, der es um Maximierung der missionarischen Effizienz der Gemeinden ging.

 

4 Führung durch den Heiligen Geist

John Wimber ist in seinem Leben die Führung durch den Heiligen Geist sehr wichtig geworden. Die Art dieser Führung kann sich verschieden gestalten, hervorzuheben sind die "Worte der Erkenntnis", übernatürliche Einsichten in Sachverhalte, die der Heilige Geist schenkt, oder die Führung durch Träume, Visionen und Auditionen.

In der Vineyard-Bewegung nimmt die Aufmerksamkeit für die Führung durch den Heiligen Geist einen wichtigen Rang ein. Hierzu gehören in der Praxis auch prophetische Worte, die von Vineyard-Angehörigen für andere Gemeindeglieder oder die ganze Gemeinde empfangen werden. Diese Prophetien sollen aber nach Wimbers Ansicht nicht aufgeschrieben werden, um nicht in Gefahr zu geraten, mit der Bibel zu konkurrenzieren.

 

5 Heilung

Der Heilungsdienst ist ein wesentliches Element der Vineyard-Bewegung. Übernatürliche Heilungen geschehen sowohl im Rahmen von Vollmächtiger Evangelisation als auch beim spezifischen Gebet für einzelne Kranke.

Grundsätzlich ist jede Krankheit im Heilungsdienst heilbar: "Die Ursachen der Krankheit können körperlicher, psychischer oder geistlicher Art sein. Ungeachtet der Ursachen haben Christen jedoch die Vollmacht über Krankheit". Der Heilungsdienst, das Gebet für Kranke, kann in Kursen bei der Vineyard erlernt werden. Bekannt sind vor allem die weltweit angebotenen Heilungskongresse John Wimbers, bei deren Leiter der verschiedenstern Denominationen in der Heilungsdierst eingeführt werden. Die Vineyard Christian Fellowship, kennt eigentliche Heilungsteams, deren alleinige Aufgabe es ist, für Kranke um Heilung zu beten.

John Wimber gibt fünf Punkte an, die im Rahmen eines Gebets für Kranke beachtet werden sollen:

1. Das Interview. Der Kranke wird nach seinen Beschwerden, nach den Symptomen befragt. Ziel ist es, herauszufinden, wofür gebetet werden soll. Ausführliche medizinische Erörterungen jedoch würden das Verfahren nur verzögern.

2. Die Diagnose. Dabei geht es nicht um eine Diagnose in medizinischem Sinn, die Frage lautet vielmehr: "Warum ist dieses Leiden da?" Vielfach stehen Krankheiten im Zusammenhang mit allenfalls unbewussten Sünden, die zuerst bearbeitet werden müssen.

3. Der dritte Schritt gibt Antwort auf die Frage: "In welcher Weise soll ich beten, um diesem Menschen zu helfen?" Hierzu gehört, erst Gott zu fragen, ob er den betreffenden Menschen überhaupt heilen will. Ist dies der Fall, schenkt Gott eine "Salbung": "Eine Salbung zu empfangen bedeutet, tief in unserem Herzen zu wissen, dass Gott einen Menschen heilen will". Zwei Gebetsformen sind für den Heilungsdienst möglich: einerseits eine Bitte an Gott, andererseits eine im Namen Gottes gesprochene Weisung an die Krankheit, zu schwinden, wie: "Im Namen Jesu breche ich die Macht dieser Krankheit."

4. Der eigentliche Gebetseinsatz besteht aus Gebet, Handauflegung und einer Fortführung des Interviews, um das Ergehen des Patienten laufend zu erforschen. In dieser Phase kommt die Kraft des Heiligen Geistes auf den Patienten, bei welchem sich oft, aber nicht zwingend, "Manifestationen" dieser Kraft zeigen, wie Zittern, Schluchzen, Lachen, Schreien oder Umfallen ("Ruhen im Geist"). Die in gewissen pfingstlerischen Kreisen vertretene These, dass das "Ruhen im Geist" zwingend auftretendes Zeichen des Heiligen Geistes sei, wird Wimber scharf abgelehnt ("eingeübtes Verhalten, Religion in schlechtestem Sinne"). Nach einiger Zeit erfolgt entweder die Heilung, oder der Betende merkt an einem Nachlassen der Kraft des Geistes, dass Gott zu diesem Zeitpunkt keine Heilüng schenken will.

5. Der letzte Schritt beantwortet je nach Erfolg oder Misserfolg der Heilungsbemühung folgende Fragen: "Was kann man tun, um die Heilung zu bewahren?" oder "Was soll man tun, wenn man nicht geheilt wurde?" In ersterem Fall geht es darum, dass der Geheilte nicht mehr sündigt und sich verbindlich einer Gemeinde anschliesst. Im letzteren Fall soll der Betreffende bei anderer Gelegenheit wieder für sich beten lassen.

Der Heilungsdienst wird von der Vineyard als Gabe gesehen, die ein Christ geschenkt erhalten kann oder auch nicht. Der Erlernbarkeit sind somit Grenzen gesetzt.

 

 

6 Manifestationen des Heiligen Geistes

Die Manifestationen des Heiligen Geistes wurden im Rahmen der Debatte um den Toronto-Segen einer breiteren Oeffentlichkeit bekannt. Sie gehören aber seit Anbeginn zur Vineyard-Bewegung, wenn Wimber auch den Begriff der Manifestation nur zurückhaltend verwendet und lieber von "Reaktionen des Menschen auf die Kraft des Heiligen Geistes" spricht. Der letztere Begriff macht deutlich, dass Wimber die Phänomene nicht als direkte Wirkung des Heiligen Geistes, sondern als Antwort des Menschen auf dessen Wirkung liest. Im Gegensatz zum Begriff der Manifestation, der den Heiligen Geist als Alleinursache der Phänomene bezeichnet, ist die Bezeichnung "Reaktionen des Menschen auf die Kraft des Heiligen Geistes" dafür offen, dass menschliche Anteile bei den Erscheinungen eine sehr grosse Rolle spielen, ja sie zwar nicht veranlassen, aber doch hervorbringen.

Diese "Reaktionen auf die Kraft des Heiligen Geistes" treten in der Vineyard-Bewegung vor allem des Heilungsdienstes auf und sollen erweisen, dass die Kraft des Heiligen Geistes im Kranken, für den gebetet wird, wirksam ist. An Phänomenen nennt Wimber schon 1987: Zittern und Beben, Umfallen (Ruhen im Geiste), Trunkenheit, Zuckungen und Verrenkungen des Körpers, Lachen und Weinen, Anhaltendes und überschwengliches Lobgebet, mithin den ganzen Kanon der unsprünglichen Toronto-Manifestationen.

Mit dem Toronto-Segen brachen diese Phänomene aus dem Bereich des Gebetes für einzelne aus und erfassten ganze Gottesdienstgemeinschaften.

Zum Problem für Wimber wurde die ständige Erweiterung der Palette an "Manifestationen", die sich in Toronto zeigte, etwa die Tierlaute (Löwe, Hirsch, Schlange), welche Wimber bis anhin immer als Zeichen einer Besessenheit interpretierte, oder die Einnahme einer Gebärhaltung samt entsprechenden Geräuschen. Diese Phänomene werden von der Vineyard-Bewegung heute als unbiblisch und exotisch zurückgewiesen, ohne sie aber zwingend einer dämonischen Belastung zuzuordnen.

Nach der Trennung zwischen der Association of Vineyard Churches und der nunmehrigen Toronto Airport Christian Fellowship hat sich die Debatte wesentlich entschärft. Inzwischen ist der Toronto-Segen auch in den Vineyard-Gemeinden fast völlig zum Erliegen gekommen.

 

7 Evangelisation

Die Vineyard-Bewegung ist klar eine missionarische Bewegung. Die enge Verbindung ihrer Anfänge zur Gemeindeaufbaubewegung hinterlässt hier ihre Spuren. Gemeindegründung als Mittel der Evangelisation, dieses Motto der Gemeindeaufbaubewegung setzt die Vineyard-Bewegung systematisch um. Ihr Ziel ist es, die Welt mit einem Netzwerk von Vineyard-Gemeinden zu überziehen. Dabei tut es für eine Gemeindegründung der Vineyard nichts zur Sache, ob vor Ort bereits eine allenfalls ganz ähnliche Gemeinde existiert. Gemeindegründung ist ein Wert für sich, Transfergewinne (Uebertritte aus anderen, ähnlichen Gemeinden) werden zwar nicht angestrebt, aber in Kauf genommen.

 

8 Dämonologie

Satan ist im Glaubensbekenntnis der Vineyard-Bewegung ("Statement of Faith") ein eigener Abschnitt gewidmet. Dies, ein eigentlicher satanologischer Topos in einem kurzgefassten Bekenntnis, ist für christliche Gemeinschaften eher unüblich. Wenn hieraus gefolgert wird, dass Satan und Dämonen in der Vineyard-Bewegung eine grössere Rolle spielen als in manch anderer Gemeinschaft, ist dies nicht ganz falsch. Der Befreiungsdienst, die Austreibung von Dämonen, spielte im Dienst von John Wimber eine nicht geringe Rolle und ging mit seinem Bemühen um das Gebet für körperliche Heilung einher. In der Vineyard-Bewegung wird denn der Befreiungsdienst auch geübt, dem Vernehmen nach nicht selten. Allerdings geschieht der Vineyard-Exorzismus zumeist recht trocken, läuft ohne aus einschlägigen Filmen bekanntes Brimborium ab und gemahnt so mehr an ein Lossagegebet.

 

9 Geistliche Kriegführung?

Ist die Vineyard-Bewegung in ihrem Befreiungsdienst eine typische Vertreterin der charismatischen Bewegung, grenzt sie sich in der Frage der geistlichen Kriegführung von der verbreiteten charismatischen Praxis ab, die davon ausgeht, dass es Aufgabe der Christen sei, via Gebet die Macht als lokal wirksam vorgestellter Dämonen zu brechen. John Wimber gesteht zwar die Möglichkeit zu, dass Dämonen über bestimmte Regionen herrschen, meint aber, es könne nicht Aufgabe der Christen sein, diese Dämonen durch Gebet anzugreifen. Stattdessen wäre der wirksamste Kampf gegen Dämonen die Verkündigung des Evangeliums. Dieser Punkt ist nicht unwichtig, weil sich Wimber hier von seinem Dritte-Welle-Mitstreiter C. Peter Wagner deutlich abgrenzt.

Der weitere Fortgang der Ereignisse kann als Bestätigung der Position Wimbers gesehen werden: Zehn Jahre Kampfgebet im deutschsprachigen Raum samt Proklamationen der Herrschaft Jesu im Rahmen von Jesus-Märschen haben zu keiner wie auch immer gearteten besonderen Offenheit für charismatische Verkündigung geführt noch auch nur die allgemeine Christlichkeit angehoben. Das Konzept der geistlichen Kriegführung im Sinne Wagners kann damit als durch die Praxis widerlegt gelten. Wimber hat in dieser Auseinandersetzung Recht behalten.

 

Die Zukunft der Vineyard-Bewegung

Mit dem Tode John Wimbers ist die Vineyard-Bewegung ihrer Integrationsfigur beraubt, war doch die Vineyard-Bewegung weitgehend John Wimbers Bewegung. Es ist die Frage, ob seine Nachfolger die Spaltungstendenzen, die schon bisher da und dort aufgeflackert sind, aber bis heute nur zur Trennung von einzelnen Gemeinden führten, unter Kontrolle halten können. Falls es der Vineyard-Bewegung gelingt, diese absehbaren Krisen zu überwinden, kann sie sich möglicherweise über längere Frist als charismatische Denomination etablieren. Ihre Ausbreitung wird allerdings dann zumindest gebremst werden, wenn in der schnellebigen charismatischen Szene andere Gemeinschaften mit dannzumal noch jugendlicherem Profil "in" sein werden.

 

Georg Otto Schmid, 1998


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