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VPM Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis |
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Uebersicht |
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VPM
Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntis |
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Friedrich Liebling, die geheimnisvolle Gründergestalt der
sog. Zürcher Schule, deren geistiges und zum Teil auch
materielles Erbe später der VPM antrat, wurde als Sohn
jüdischer Eltern am 25.Okt.1893 geboren, kam 1913 nach Wien,
diente bis 1918 in der österreichischen Armee, legte nach dem
ersten Weltkrieg seinen Vornamen Salomon ab, war in verschiedenen vor
allem kaufmännischen Berufen tätig und studierte
wahrscheinlich als Autodidakt, ohne je einen Studienabschluss oder
ein offizielles Universitätszugangszeugnis zu erlangen,
philosophische, politische und psychologische Schriften. Seine
Kenntnis der grossen Anarchisten und der adlerschen Psychologie
(Individualpsychologie) und seine
atheistisch-linkssozialistisch-religionskritische Grundhaltung zeugen
von diesem wahrscheinlich sehr selektiven und trotzdem intensiven
Selbststudium. (Dass nicht zuletzt auch anarchistisch-utopische
Denker ihn beeinflusst haben, spiegelt sich später in der in
seiner Psychologie verborgenen Überzeugung von der grenzenlosen
Lernfähigkeit des Menschen.) 1938 flieht er vor den Nazis in die
Schweiz und verbringt die Kriegsjahre als jüdischer Emigrant in
Schaffhausen, wo er sich im Selbststudium in der Stadtbibliothek
intensiv weiterbildet. Er schreibt Artikel für die "Schaffhauser
Arbeiterzeitung" und fühlt sich durch seine damalige politische
Gesinnung Walter Bringolf und dem linken Flügel der
Arbeiterbewegung verbunden.
In den frühen 50er Jahren zieht Liebling nach Zürich, wo
er 1955 zusammen mit seinem Pflegesohn die "Psychologische Lehr- und
Beratungsstelle Zürich" gründet, die Basis für die
später von ihm selbst so benannte "Zürcher Schule." Er ist
überzeugt, dass seine Psychologie dazu angetan ist, das Leben
der einzelnen Menschen und der Gesellschaft wesentlich oder gar
grundsätzlich zu verändern und gewinnt - wahrscheinlich
weniger durch die Originalität seiner Ideen als durch seine
charismatische Persönlichkeit und sein "Sendungsbewusstsein" -
zahlreiche Anhänger, zuerst unter den politisch links stehenden
Arbeitern und Intellektuellen, im Verlaufe der Jahre auch immer mehr
unter der Jugend des sog. Zürcher Establishments. Seine
Veranstaltungen haben einen so grossen Zulauf, dass er als
Therapieform u.a. auch die Grossgruppe verwendet, Versammlungen von
50 und mehr Ratsuchenden, in denen persönliche Erlebnisse und
Bekenntnisse Einzelner - ähnliche Prozesse sind aus
religiösen Grossgruppen bekannt - einzigartig "seelennahe"
Gemeinschaftserfahrungen auslösen. Zum Teil wurden solche
"Bekenntnisse" via Lautsprecher sogar in andere Räume
übertragen. Das Gemeinschaftsgefühl - in der
therapeutischen Gruppe beispielhaft erlebt - wird nicht nur zum
Mittel sondern geradezu zum Masstab seelischer Gesundung, ein
Konzept, das Liebling der Adlerschen Psychologie entlehnte,
allerdings ohne sich einzugestehen, dass Alfred Adler wahrscheinlich
kaum an strukturierte Gruppen ähnlich der Zürcher Schule
oder dem VPM denkt. Die intensive Stimmung in Lieblings
Therapiegruppen und die suggestive Kraft seiner Persönlichkeit
erlaubten es ihm manchmal, - wie glaubwürdige Zeugen versichern
- in wenigen kurzen Gesprächen bisher nicht kurierbare seelische
Belastungen aus dem Weg zu räumen. Zahllose unsichere Studenten
verdankten ihm und seinen Gruppen ihren Studienabschluss. Wie weit
Liebling angesichts der schwierigen Elternaufgaben und der drohenden
Überbevölkerung der Erde seinen Schülern empfahl, auf
eigene Kinder zu verzichten und sich einer Vasektomie zu unterziehen,
ist eine heftig umstrittene Frage. Deutlich erkennbar war die fast
grenzenlose Loyalität der Schüler gegenüber ihrem
"Meister". Der persönliche Erfolg Lieblings wurde von
entsprechenden Einkünften begleitet.
Als Friedrich Liebling am 28.2. 1982 stirbt, hinterlässt er
Hunderte von eingeschriebenen Mitgliedern seiner Zürcher Schule
und Villen am Zürichberg. Im Streit um das geistige und
finanzielle Erbe, der nicht lange nach seinem Tod ausbricht, gelingt
es dem 1985 gegründeten sog. VPM, die meisten der ehemaligen
Lieblingschüler um sich zu scharen. Die führende Gestalt
und fachliche Leiterin in diesem VPM ist Annemarie Buchholz-Kaiser,
geb. 1939, aufgewachsen in Dussnang, Thurgau, wo ihr Vater Verwalter
der Dorfbank war. Nach einer kaufmännischen Lehre und einer
Abendmatur in Zürich kam sie in Kontakt mit Friedrich Liebling
und studierte Geschichte und im zweiten Nebenfach Psychologie. 1976
doktorierte sie mit einer Arbeit über das
Gemeinschaftsgefühl bei Alfred Adler. Im Unterschied zu Liebling
wirkt sie zurückhaltend, wenig suggestiv. Unter ihrer Leitung
verstärkt sich der schon früher zu beobachtende, fast
grenzenlose Respekt hilfesuchender Vereinsmitglieder gegenüber
der Autorität der fachlichen Leitung und die heftige Reaktion
der Leitung auf Kritiken und sog. Sektenvorwürfe von Seiten
aussenstehender Kritiker und ehemaliger Mitglieder. In den
frühen neunziger Jahren weiten sich die Auseinandersetzungen mit
Kritikern im Raum Zürich zur eigentlichen Prozesslawine aus. In
eigenartigem, aber nur den Kritikern auffallenden Gegensatz zu
Friedrich Liebling beginnt der VPM, vor der linke Unterwanderung des
Erziehungswesens und der Gesundheitspolitik zu warnen. In Sachen
Drogenpolitik entwickelt der VPM aus Perspektive der Kritiker
rechtsbürgerliche Positionen. In den "Mut zur Ethik"-Tagungen
verbinden sich VPM-Psychologen mit ausgeprägt konservativen
Christen. In Sachen Aidsprophylaxe gleitet der VPM - so wenigstens
empfinden Aussenstehende - beinah in eine Aidshysterie. (Aids lasse
sich - dies scheint die Annahme zu sein - auch durch kleine
Speichelspuren übertragen).
Kritiker erklären diese dem VPM selbst nicht bewusste Wende
von den religionskritischen, anarchistischen-linkssozialistischen
Anfängen zu den rechtsbürgerlichen,
religiös-konservativen Positionen der späteren Zeit mit der
ausgeprägten Autoritätsgläubigkeit der Zürcher
Schule und des späteren VPM. Der Weg, den die Leitung
einschlägt, wird zum rechten Weg für alle. Wie immer diese
Wende zu verstehen ist, beibehalten haben die ehemaligen
Lieblingjünger das hohe Sendungsbewusstsein, das Wissen um die
einzigartige Bedeutung ihrer psychologischen Erkenntnisse und ihrer
psychotherapeutisch wirksamen Methoden und die Neigung, Therapie nie
wirklich abzuschliessen und die Bindung an den Therapeuten und an den
VPM zur Grundstruktur der eigenen Existenz zu machen. Der Vorwurf,
"Endlostherapie" zu betreiben, hat allerdings nicht nur dem VPM
gegenüber in den Augen des Kritikers seine Berechtigung. Andere
psychologische Schulen fehlt es offensichtlich oft auch an der
Möglichkeit oder am Willen, eine therapeutische Bindung sinnvoll
und wirksam wieder aufzulösen. Dass aber solche
"Endlostherapien", verbunden mit dem in jeder therapeutischen
Beziehung notwendigen Vertrauen in den Therapeuten, an sektenhafte
Bindung denken lassen, verwundert keinen Beobachter der modernen
therapeutischen Angebote. Wenn der VPM sich jedem Sektenvorwurf
gründlich entziehen will, muss er sich um eine klare
Auflösung der zeitweise therapeutisch notwendigen Bindungen und
um ein Entlassen seiner Mitglieder in überzeugende
Selbständigkeit bemühen. Wenn die VPM-Mitglieder auch
gegenüber der eigenen VPM-Leitung souverän und kritisch
auftreten und wenn sie deswegen von der Leitung nicht getadelt,
sondern gelobt werden, dann verstummt der Sektenvorwurf an den VPM
von selbst. |
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Georg Schmid, 2000 |
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Letzte Aenderung 2000, © gs 2000, Infostelle 2000 |
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