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  Yamagishi Yamagishi-Vereinigung
  Uebersicht
  Der Tokkoh
aus: Informationsblatt Nr. 1/1996

Nach wie vor beschäftigt die Yamagishi-Vereinigung (siehe Informationsblatt 4/93) die Beratungsstellen im Bereich neue religiöse Bewegungen. Insbesondere der einführende Kurs dieser weltanschaulichen Gruppierung japanischer Herkunft mit utopisch-politischen Zügen, der sogenannte Tokkoh, wird dabei zum Thema, einerseits, weil von Anhängern der Yamagishi-Vereinigung vor allem in ihrem Bekanntenkreis massiv für diese Veranstaltung geworben wird, zum anderen, weil diese starke Werbetätigkeit in Kontrast mit einer strikten Schweigepflicht steht, die es den Absolventinnen und Absolventen des Tokkoh verbietet, über dessen Inhalt auch nur das Mindeste verlauten zu lassen.

In letzter Zeit hat sich durch Berichte Ehemaliger aber doch ein Bild der Gebräuche an diesem Kurs ergeben, welches im folgenden kurz dargestellt werden soll.

Der Tokkoh (der volle Name lautet: "Besonderer Kurs in Kensan-Treffen", wobei Kensan soviel wie "einer Sache auf den Grund gehen" meinen soll), findet für Schweizer Interessentinnen und Interessenten statt in Seelmatten ob Turbenthal im zürcherischen Tösstal und dauert eine Woche. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen zehn und dreissig Personen. Gleich zu Beginn des Kurses wird den Teilnehmern alles nicht Lebensnotwendige abgenommen, so Schmuck, Geld, Handtaschen, aber auch die Uhr etc. Eine weitere Ueberraschung ergibt sich bei der Zimmerzuweisung: Alle Teilnehmenden schlafen, ohne Ansehen des Geschlechts, im selben Raum, in welchem zusätzlich auch noch die Leiter logieren. Der nächste Programmpunkt ist eine Putzaktion: die ganze Gebäulichkeit wird von den Kursteilnehmern gereinigt. Nun folgt die Hauptbeschäftigung während des Tokkoh: Gruppengespräche unter Führung der Leiter, welche ca. sechs Stunden des Tages ausfüllen. Dabei geht es nach Aussage von Ehemaligen "ziemlich autoritär" und teilweise "geradezu militärisch" zu: Die bisherigen Lebenshaltungen und -erfahrungen der Teilnehmenden werden von den Leitern erforscht, hinterfragt und kritisiert, soweit sie nicht den Ideen von Yamagishi entsprechen. So wird etwa Erlebnissen, in denen die berichtende Person wütend wurde, eine besondere Aufmerksamkeit zuteil, weil Yamagishi der Ansicht ist, dass Wut eines der Grundprobleme der Menschheit darstellt. Ziel dieser Bearbeitung von Wut-Erlebnissen ist es, durch Rückfragen seitens der Leiter der berichtenden Person zu zeigen, dass Wut destruktiv und falsch ist. Diese Negativwertung von Wut führt nach Aussage von Ehemaligen praktischerweise auch dazu, dass jeder Aerger von Teilnehmenden über die äusseren Umstände des Tokkoh ausgeschlossen ist oder zumindest keinesfalls vorgebracht werden darf.

Ein weiteres wichtiges Thema des Tokkoh ist, obwohl dies von Anhängern des Yamagishi immer wieder bestritten wird, die Religion, respektive die angebliche "Dummheit" derselben. Yamagishi macht, wie berichtet wird, mit dem Tokkoh veritable Mission für den Atheismus, insofern Teilnehmende, die sich auf eine diesbezügliche Frage hin als an Gott (welcher Religion auch immer) glaubend zu erkennen geben, massiv in die Zange genommen werden. Dabei geht es in diesen Diskussionen offenbar nicht darum, sich ernsthaft mit den Religionen auseinanderzusetzen, sondern nur darum, den gerade vorliegenden persönlichen Glauben des Teilnehmenden zu erschüttern. Durch permanentes, insistierendes Nachhaken und durch den Gruppendruck sind die Bemühungen der Leiter, den ihrer Ansicht nach schädlichen Glauben an irgendeine höhere Wesenheit zu eliminieren, oft von Erfolg gekrönt. An Stelle des "dummen" Glaubens an Gott soll dann der nach Ansicht von Yamagishi viel vernünftigere Glaube an den Menschen treten, der "sich seine Wirklichkeit selbst schafft".

Grundsätzlich berichten Ehemalige, dass bei diesen Gruppengesprächen einiges an psychischem Druck geherrscht habe. Emotionen wie Weinen etc. seien häufig und zugelassen, irgendeine Form der Tröstung von durch ein Gruppengespräch erschütterten Menschen unterbleibt aber.

Oft werden zu einem bestimmten Thema photokopierte Texte zur Lektüre abgegeben, die angeblich vom Gründer Yamagishi selbt stammen sollen, in einem offenbar schrecklichen Stil und ausgesprochen fehlerhaft abgefasst sind (als Begründung wird die Tatsache, dass es sich um Uebersetzungen aus dem Japanischen handelt, angegeben) und deren Inhalt von seiten der Leiter nicht hinterfragt, sondern als mehr oder minder unfehlbar behandelt wird. Diese Texte werden nach der Lektüre wieder eingesammelt und abgezählt, auf dass ja kein Exemplar an die Oeffentlichkeit dringen möge. Begründet wird dieses in einer Informationsgesellschaft doch äusserst seltsame Verhalten mit der Aussage, die Teilnehmenden solten sich nicht an einen Lehrer hängen, sondern selbständig denken. Gerade dieses selbständige Denken würde aber die Möglichkeit einer vertieften Auseinandersetzung mit der Lehre Yamagishis erfordern, zu welchem Zwecke die Texte vorliegen müssten. Aber die Unfehlbarkeit von Werken, die nicht zugänglich sind, lässt sich nun einmal leichter behaupten als diejenige von Texten, die der öffentlichen Debatte, Forschung und Kritik ausgesetzt sind.

Kritische Rückfragen an die Lehre von Yamagishi oder an Aufbau und Ablauf des Tokkoh werden von den Leitern abgewiesen mit der auch aus anderen Psychokursen sattsam bekannten Argumentation: "Dies ist jetzt nicht unser Thema..."

Auch die Zeit neben den Gruppengesprächen ist während des Tokkoh voll verplant, nach Ansicht von Ehemaligen mit dem Ziel, den Teilnehmenden nicht die Möglichkeit zu geben, über das Erlebte in Ruhe nachzudenken.

Aufgrund der oben dargestellten Informationen präsentiert sich der Tokkoh als Psychokurs der eher problematischen Sorte, insofern er einige Mechanismen aufweist, die als psychomutativ wirksam gelten könnten, zu nennen etwa die systematische Unterdrückung einer jeden Privatsphäre, die Gruppengespräche unter offenbar autoritativer Leitung, die fehlende Zeit fürs eigene Nachdenken. Das setting, der Aufbau des Tokkoh spricht mithin dem angeblichen Anliegen von Yamagishi, den Menschen zum eigenen Nachdenken zu erziehen, Hohn. Yamagishi unternimmt alles, um während des Tokkoh ebendieses eigene Nachdenken zu verhindern.

Georg Otto Schmid, 1996
Letzte Aenderung 1996, © gos 1996, Infostelle 2000
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