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  Universelles Leben Gabriele Wittek
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  Universelles Leben
(früher "Heimholungswerk Jesu Christi")
Das "Universelle Leben" (UL) wirbt mit Auslagen in Schaufensterkästen, mit Broschüren und Flugblättern und neuerdings auf Plakatwänden für Meditationskurse und "urchristliche" Literatur. Die Gruppe mit Zentrum in Würzburg unterhält Versammlungslokale auch in verschiedenen Städten der Schweiz. Wie entstand sie, und was für eine Lehre steht dahinter? Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen auf das Buch von Wolfram Mirbach: "Universelles Leben" - Die einzig wahren Christen? Eine Neureligion zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Freiburg i. B. 1996 (Herder).
Die Gründerin: Gabriele Wittek
Die Gründerin Gabriele Wittek stammt aus einem bodenständig katholischen Elternhaus. Ihr Vater war Schneidermeister, der für den Lebensunterhalt der Familie zu kämpfen hatte. Gabriele kommt 1933 in Wertingen zur Welt; ihr Schulbesuch ist, bedingt durch den Krieg, einigen Einschränkungen unterworfen. Sie macht eine Ausbildung als Kontoristin und heiratet mit 22 Jahren den Ingenieur Rudolf Wittek. Neun Jahre später bekommt sie eine Tochter und gibt ihren Beruf auf. Die Familie zieht nach Würzburg; in der folgenden Zeit macht Gabriele Wittek den Eindruck einer im Haushalt unterforderten und deswegen psychisch belasteten Frau. In dieser Krise ist ihr ihre Mutter die einzige Hilfe, umso schwerer trifft es sie, als diese 1970 stirbt.

Nach dem Tod der Mutter habe sie die ersten "inneren Worte" gehört. Nach einem Jahr erscheint die Mutter ihrer Tochter, und im Rahmen eines spiritistischen Kreises glaubt Gabriele, mit ihr sprechen zu können. Frau Wittek erlebt später weitere Erscheinungen: ein Geistwesen "Bruder Emmanuel" begegnet ihr und schliesslich Jesus Christus persönlich. Daraufhin verschwinden ihre Schlafstörungen und ihr Gefühl der Wertlosigkeit; die Visionen erheben sie in einen verehrungswürdigen Rang.

Einige Monate später versammelt sie erste Zuhörerinnen und Zuhörer um sich, sie hält zusammen mit drei anderen Medien "geistige Vorträge". Handzettel und Mundpropaganda machen sie bekannt, Schriften werden gemäss einem "Wort des Herrn" gratis vergeben (ein Wort, das heute offenbar in Vergessenheit geraten ist - die angebotenen Bücher sind nicht ganz billig). 1975 formiert sich aus dieser Gruppe das "Heimholungswerk Jesu Christi".

Geschichte und wirtschaftliche Bedeutung
Heute zählt die Gruppe in Deutschland etwa 40'000, weltweit etwa 100'000 Anhängerinnen und Anhänger. Wie hat sich das "Heimholungswerk" dazu entwickelt?

1979 zieht ein gewisser Walter Hofmann zu den Witteks. Dieser ehemalige Fachhochschulprofessor ist wirtschaftlich geschult und hat sich zwanzig Jahre lang mit Esoterik, unter anderem auch mit "Transzendentaler Meditation" (Maharishi Mahesh Yogi) befasst, womit er offenbar die Lehre der Wittek stark beeinflusste.

Ab 1980 fungiert nur noch Gabriele Wittek als Medium, sie sieht sich als "Prophetin der Jetztzeit": "Ich bin in meinem Inneren geworden, was ich war und in Seinen Augen ewig bin: das absolute Gesetz selbst."

Es werden sog. "Innere-Geist-Christus-Kirchen" als gottesdienstliche Treffpunkte eingerichtet. Ab 1983 wird die Bergpredigt wichtig, allerdings in einer durch neue "Offenbarungen" uminterpretierten Form. Ein neugefasstes "Vaterunser" wird gebetet: "Unser Reich kommet..."

Ab etwa 1984 wird der wirtschaftliche Aspekt immer wichtiger, was mit der Umbenennung von "Heimholungswerk" in "Universelles Leben" einhergeht. Dies wird mit einer "Offenbarung" begründet: Christus fordere wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten.

Ein Grossindustrieller investiert 3 Mio. für ein Baugebiet und finanziert Kindergärten, Schulen, Wohnhäuser und Handwerksbetriebe, sogenannte "Christusbetriebe". Eine "Wir sind für Sie da - Dienstleistungs GmbH" wird gegründet und die Zeitung "Christusstaat" herausgegeben. 1987 wird ein Leitungsgremium "Urgemeinde Neues Jerusalem" formiert.

Heute gehören ca. 100 mittelständische und Kleinbetriebe zum Universellen Leben, in denen eine rigide Arbeitsmoral gefordert wird: Rechtes, gewissenhaftes Arbeiten gilt nämlich als rechtes Beten. Der (wirtschaftliche und allgemeine) Erfolg stelle sich als direkte Folge des richtigen Glaubens ein. Wer einen eigenen Betrieb in das "Universelle Leben" einbringt, ist im Umgang mit ihm nicht mehr frei: eine "Offenbarung" regelt Gewinnausschüttung und Betriebsabläufe.

Mission und Abgrenzun
Das "Universelle Leben" betont zwar, es missioniere nicht, doch dagegen sprechen die Werbung mit Plakaten, die Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften, die Übersetzung von Schriften und Kassetten und das Verteilen von Werbe- und Flugschriften. Für die Verbreitung der eigenen Glaubensvorstellungen dürfte das persönliche Engagement der Mitglieder entscheidend sein.

Gegen grossangelegte Bautätigkeit und andere Aktivitäten in Hettstadt hatte sich eine Bürgerinitiative gebildet, und 1985 bezogen auch die Kirchen kritisch Stellung gegen das "Universelle Leben", das oft mit verdeckten Karten spielt und offenbar auch vor Einschüchterungsversuchen nicht zurückschreckt. Darauf begann es, in schärfster Weise gegen die Kirchen zu polemisieren und verglich sich geschmackloserweise mit den von den Nazis verfolgten Juden. In zahllosen Prozessen wird versucht, Kritiker mundtot zu machen. Das Universelle Leben ist vehement auf Abgrenzung und Konfrontation aus.

Die "Bundgemeinde Neues Jerusalem"
Anfang 1995 hiess es, Gabriele Wittek sei "entmachtet" worden. Die Verantwortung übernahm die aus 800 "Geschwistern" bestehende "Bundgemeinde Neues Jerusalem" (vorher "Urgemeinde Neues Jerusalem"). Die Mitglieder leben in Wohngemeinschaften im Raum Würzburg und sind das nominell wichtigste Gremium. Vermutlich hatte Gabriele Wittek in wirtschaftlichen Belangen nie viel zu sagen, so dass der "Umsturz" für dieses Gebiet nur die Festschreibung tatsächlicher Verhältnisse war.

Die "Bundgemeinde" fühlt sich getragen durch einen dritten Bundesschluss mit Gott, nachdem der Bund mit Judentum und Christentum gebrochen sei. Eine "geoffenbarte" Gemeindeordnung legt eine Führungsstruktur fest: Es gibt verschiedene "Älteste", darunter "Älteste für Segnung und Namensgebung der Neugeborenen", "für die Erziehung der heranwachsenden Kinder, "für das Gemeindeleben", Älteste, "die den Gliedern der Gemeinde in allen Lebensfragen beratend zur Seite stehen", "Älteste für die Christusbetriebe", "Älteste für Gesetz und Recht, welche die Gesetze der Gemeinde wahren und die Gesetze der Welt kennen und beachten". An erster Stelle ist genannt "Gabriele Wittek, wirkend als Prophetin und Botschafterin Gottes".

Für die Wohngemeinschaften gelten strikte Regelungen. Dreimal täglich gibt es eine gemeinsame "Ausrichtung" auf Gott. Jede Wohngemeinschaft wird von zwei "Ordnern" überwacht, jeder gilt als für jeden verantwortlich, was auf ein System gegenseitiger Kontrolle hinausläuft.

Wer neu eintritt, übergibt sein Vermögen dem "Gemeinwohl", niemand soll eigenmächtig wirtschaftliche Initiative ergreifen und sich auch keinen auswärtigen Arbeitsplatz suchen. Die Individualität verschwindet hinter der Gruppe, die sich abriegelt und als Elite fühlt.

Grundzüge der Lehre
Nach der Lehre des Universellen Lebens hat sich das Bewusstsein der Menschen stufenweise entwickelt und ist heute weit genug, die Bibel zu verstehen. Wir erleben eine "mächtige Zeitenwende", in der eine Prophetin die Bibel erklärt, berichtigt und vertieft. Es sei dies eine alles übersteigende Stufe der Prophetie. Erstmals lehre Gott öffentlich und für alle Menschen den "Inneren Weg". Die "Prophetin" könne jedes Problem, sei es zwischenmenschlicher oder wirtschaftlicher Art, lösen, sie verkörpere den idealen Menschen. Sie sei vorbildlich demütig, wohlwollend, heiter und bescheiden, im Grunde also ein ganz "normaler" Mensch - gleichzeitig aber ist sie die Offenbarung.

Sie lehrt eine Art gnostischen Mythos: vor aller Materie sei eine Kraft gewesen, ein alldurchdringender ewiger Geist, das sog. "Vater-Mutter-Prinzip". Es bestand zu zwei Dritteln aus positiver und zu einem Drittel aus negativer Ernergie. Es sandte Energie aus, worauf "Gott Vater", ein persönlicher Gott, entstand, der einen Sohn "Christus" hatte. Der Vater schuf in sieben Tagen die himmlische Schöpfung. Als erstes weibliches Wesen liess er "Satana" entstehen, ausserdem schuf er männliche und weibliche Erzengel, die Cherubim und Seraphim. Satana krönte er zu seiner geistigen Frau, seinem ewigen "Dual". Des weitern wurden himmlische Familien mit einem Ätherleib geschaffen, die in Harmonie nach dem Gesetz Gottes leben und deren Tun ein immerwährendes Gebet sei. Diese Wesen gelten als Vorbilder für die Menschen. Aus ihrer Schau ergeben sich Normen für den Bau von Häusern - sie sind meist weiss und abgerundet -, aber auch für die Rollenverteilung der Geschlechter - eine ganz traditionelle übrigens, Frauen sind beispielsweise für die Kindererziehung zuständig.

Satana hatte als weibliches Prinzip keinen Anteil an der Urkraft erhalten. Aus Neid wollte sie ein eigenes Reich gründen und verbündete sich mit einigen Himmelswesen. Diese fielen daraufhin über sieben "Fallebenen" hinweg aus dem Himmel, wobei sich ihre Energie immer stärker "verdichtete" und damit materiell wurde. Die unterste Ebene ist jene von Materie und Erde. Menschen sind Fallwesen, deren Ätherleib sich am stärksten "verdichtet" hat. Als sich die Seelenschwingung vor allem des jüdischen Volks noch stärker zu verringern drohte, inkarnierte sich Christus und lehrte Gott als einen Gott des Inneren. Bei seinem Tod sei ein Erlöserfunke in ein Bewusstseinszentrum jedes Menschen gesprungen. Mit dieser "Erlösung" wurde eine weitere Degeneration verhindert. Die Erlösungsaufgabe soll nun durch das Universelle Leben vollendet werden.

Derlei Mythen und eine Lehre von Reinkarnation und Karma verbinden die Lehre des Universellen Lebens mit esoterischen. Es wird zwischen individuellem Karma und dem von bestimmten Menschengruppen unterschieden. Der Mensch ist in seinem Handeln zwar völlig frei, aber die Seele muss in einer folgenden Reinkarnation für jeden Gedanken, jede Tat geradestehen, alle Schuld müsse "ausfliessen". Zwar kann man aus solcher Verstrickung durch Erkenntnis, Reue und vor allem auf dem "Inneren Weg" des Universellen Lebens ausbrechen, aber es gilt: Es gibt keinen Zufall. Jedes Leid, jede Krankheit ist begründet, selbstverschuldet.

Jetzt sei eine Zeit der Gnade und Gelegenheit zur Läuterung da. Bald werde sich alle Materie auflösen und ein Friedensreich der wahren Religion anbrechen. Gerettet werden die Anhängerinnen und Anhänger des Universellen Lebens.

Der "Innere Weg"
Das "Universelle Leben" offeriert einen "göttlichen Pfad zum wahren Leben". Ziel sei es, das Bewusstsein zu reinigen, damit "Christus in uns" ungehindert wirken kann. Diese Methode wird "Innerer Weg" genannt. Zuvor müssen zwei Meditationskurse von sechs bzw. neun Monaten Dauer absolviert werden. Hier wird unter anderem der Aufbau des "geistigen Leibes" im Menschen gelehrt und die Gehirnzellen auf Gott ausgerichtet. Die Meditiationen gelten als göttliche Offenbarung.

Der eigentliche "Innere Weg" führt über vier Stufen: Zuerst wird die Vergangenheit bewältigt, dann der Eigenwille überwunden, Individuelles soll abgelegt werden, und schliesslich soll man nicht mehr mit dem Intellekt, sondern mit dem erschlossenen Bewusstsein arbeiten. Nach der vierten Stufe sei man frei vom Gesetz von Ursache und Wirkung. Danach beginnt der "siebenfache mystische Pfad", der direkt zu Christus führt.

Jede Krankheit hat Sinn
Im Universellen Leben spielt die Medizin eine wichtige Rolle. "Gott kennt keine Krankheit. Er ist absolut", heisst es, erst der Mensch habe Krankheit durch Eingriffe in die Natur ermöglicht. Er hat überhaupt alles geschaffen, was zerstörerisch wirkt, wie z. B. Viren und Bakterien. Ein gereinigtes Bewusstsein sei frei von Krankheit.

Da jede Wirkung eine Ursache hat, lasse sich von organischen Erkrankungen ausnahmslos auf ein Fehlverhalten schliessen oder umgekehrt: jedes Fehlverhalten hat eine bestimmte Erkrankung zur Folge. Jede Krankheit, aber auch der Tod hat den Sinn, dass Schuld "abfliessen" kann. In zwei eigenen Kliniken wird versucht, diese Möglichkeit zu nutzen. Die Therapie, bei der der Patient bejahend mitwirken muss, enthält Heilfasten, Heilschlaf und Organansprechungen. Dabei werden bestimmte Organe mental angesteuert, ein "göttlicher Energiestrom" durchgeleitet und Ruhe und Harmonie gesucht mit Hilfe von Gedanken, Farben, Formen und Tönen.

Medizin hat im Universellen Leben einen wichtigen Stellenwert, denn körperliche Gesundheit gilt als mit seelischem Heil gesetzmässig verbunden. Dass solche Ansichten einen bedenklichen Druck auf Kranke ausüben können und diese als schuldig stempelt, liegt auf der Hand und ist nicht christlich zu nennen.

Pädagogik
Die Erziehung des Nachwuchses ist dem Universellen Leben ein weiteres wichtiges Anliegen. Als Ideal gilt die in Wohngemeinschaften lebende Grossfamilie. Den Eltern wird nahegelegt, die Kinder nicht an sich zu binden, sondern sie in die Gemeinschaft einzubringen. Diese hat eigene Erzieherinnen und Lehrkräfte, deren pädagogische Qualifikation darin besteht, dass sie den "Inneren Weg" gehen. In Kindergärten, Kinderkrippen und "Vater-Mutter-Häusern" werden die Kinder ganztägig betreut. Seit 1991 besteht eine "Christusschule". Alle zwei Wochen werden die Eltern zur "Elternschule" geladen, wo Schwierigkeiten mit dem Kind und von Eltern untereinander verhandelt werden. Die Eltern sollen nicht autoritär sein, sondern vorbildlich, sie sollen Harmonie ausstrahlen. Allfällige Probleme wären ein Ausdruck von Fehlern. Die UL-Pädagogik gilt als jeder elterlichen überlegen.

Zu einem geradlinigen Leben gehört auch ein Beruf, der Freude macht. Erwähnt werden mittelständische Berufe und solche, die in "Christusbetrieben" gebraucht werden können: Pädagoge, Krankenpfleger, Arzt, Handwerker, Angestellte, Arbeiter. Es scheint Ziel dieser Pädagogik zu sein, den internen Kreislauf zu schliessen und tüchtige und brauchbare Jugendliche heranzuziehen. Die Pädagogik wurde nicht etwa vom Kind her konzipiert, sondern von einem speziellen Geistwesen "Liobani" der Prophetin offenbart.

Schluss
Die religiöse Gemeinschaft "Universelles Leben", mittlerweile auch zu einer beachtlichen wirtschaftlichen Grösse angewachsen, erhebt den Anspruch, wahres Urchristentum zu leben. Die Prophetin Gabriele Wittek "berichtigt" die Bibel und behauptet, mit Christus direkt in Kontakt zu stehen und von ihm Direktiven für sämtliche Lebensbelange zu erhalten. Das sind fragwürdige Ansprüche, denn in der Bibel ist nirgends die Rede davon, dass solche "Korrekturen" und Erweiterungen nötig wären. Von den traditionellen Kirchen setzt sich die Gruppe mit scharfer Polemik ab. Ein innerer Kreis, die "Bundgemeinde Neues Jerusalem", fühlt sich als Elite und betrachtet sich als sicher gerettet. Strenge Ordnungen regeln den Alltag, die Mitglieder müssen sich gegenseitig kontrollieren. In der "Gemeinde" soll bloss Harmonie herrschen.

Die Lehre des "Universellen Lebens" ist inhaltlich stark von östlichen und esoterischen Gedanken inspiriert. Reinkarnation und Karma (in westlicher Interpretation) sind wichtig, woraus unter anderem Schlüsse für eigene Heilmethoden gezogen werden. Die Schöpfung gilt, ganz anders als im Christentum, als Ergebnis eines Falls.

Auf dem Schulungsweg, der als sicherer Weg zu Gott gilt, soll eigenes Denken möglichst ausgeschaltet werden - ein Vorgehen, das den Vorwurf der Bewusstseinskontrolle laut werden liess und die Frage, ob auf einem so autoritativen Weg noch Platz für persönliche Erfahrung bleibt.

Therese Graf 1997
Letzte Aenderung 1997, © tg 1997, Infostelle 2000
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