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FAQs

Häufig gestellte Fragen zum Thema Sekten

 

 

1. Was ist eine Sekte?

Zur Definition des Wortes Sekte und den Merkmalen sektenhafter Gemeinschaften siehe die Files: "Sekte" - Definition und Merkmale und: Was ist eine Sekte? - Kurzdefinition.

 

2. Woran ist eine Sekte zu erkennen?

Siehe dazu dieselben Files: "Sekte" - Definition und Merkmale und: Was ist eine Sekte? - Kurzdefinition.

 

3. Seit wann gibt es Sekten?

Der heutige Sektenbegriff einer Gemeinschaft, die Autonomie einschränkt, macht nur Sinn in Gesellschaften, die Autonomie, persönliche Freiheit in der Lebensgestaltung, kennen. Deshalb ist die Frage nach Sekten im Europa vor der Aufklärung oder in Gesellschaften, die nicht den westlichen Freiheitsbegriff kennen, wenig sinnvoll. So kann eine Gemeinschaft, die im Westen sehr sektenhaft wirkt, weil sie das Leben ihrer Mitglieder bis in Details hinein regelt, in ihrem Herkunftsland u.U. nicht weiter auffallen, weil dort die Vorschriften der Gemeinschaft gesellschaftliches Allgemeingut sind und als Selbstverständlichkeit beachtet werden. Ebenso macht jede Form sozialen Zusammenlebens im Mittelalter z.B. einen sektenhaften Eindruck, wenn auf sie die modernen Sektenkriterien angewendet werden. So kann eine Zunft Wohnort, Beruf und z.T. auch Partnerwahl vorgeben.
Die Frage wäre folglich so zu beantworten: Gemeinschaften, die die persönliche Freiheit einschränken zu müssen glauben, gibt es, seit es persönliche Freiheit gibt.

 

4. Wie viele Sekten gibt es in der Schweiz?

Diese Frage ist aus zwei Gründen nicht zu beantworten: Zum einen, weil eine klare Abgrenzung sektenhaft strukturierter Gruppen wegen der Gradualität der Sektenmerkmale zwar bei radikalen Gemeinschaften ganz gut gelingt, bei moderateren jedoch schwer fällt. Zum anderen ist die grosse und weiter zunehmende Menge von Kleinsekten mit einem Dutzend oder auch 50 Mitgliedern nicht zählbar.
Als Näherungswert kann gelten: In der Schweiz gibt es rund 800 verschiedene religiöse und weltanschauliche Gemeinschaften mit über 100 Mitgliedern, davon können rund 200 als sektenhaft strukturiert gelten. Die Zahl von Kleinsekten überschreitet die Grenze von 1000.

 

5. Wie viele Sekten gibt es weltweit?

Da der westliche Sektenbegriff vom Freiheitsbegriff der Aufklärung abhängig ist, macht die Frage nach Sekten in Regionen, die traditionell andere Vorstellungen von Autonomie und Heteronomie haben, keinen Sinn.

 

6. Gibt es eine Liste aller Sekten in der Schweiz?

Eine solche Liste existiert aus den oben dargestellten Gründen nicht.

 

7. Welche Sekten gibt es (z.B. in der Schweiz)?

Beispiele von sektenhaften Gemeinschaften finden sich auf unserem File für Arbeiten und Vorträge.

 

8. Hat die Zahl der Sekten in der Schweiz in den letzten Jahren/Jahrzehnten zugenommen?

Ja. Zu den Gründen hierfür siehe die nächste Antwort.

 

9. Warum gibt es immer mehr Sekten?

Die Zahl weltanschaulicher Gemeinschaften allgemein und damit auch die Zahl erhöht sektenhafter Gruppen nimmt aus folgenden Gründen zu:
- Der zunehmende Austausch zwischen den Kulturen der Welt führt dazu, dass Gemeinschaften sich weltweit ausbreiten können.
- Die Individualisierung in der Gesellschaft bereitet grossen Organisationen, welche alle sozialen Schichten und Altersgruppen umfassen möchten, Schwierigkeiten. Kleinere Gruppen, die sich auf eine spezifische Schicht und Altersgruppe konzentrieren, sind im Vorteil.
- Die Verstädterung beendet die selbstverständliche Einbettung in einen sozialen Kontext, wie ihn das Dorf anbot. Hier leisten familiär wirkende weltanschauliche Kleingruppen Ersatz.
- Ebenso sind vorgegenbene Lebens- und Verhaltensmuster fraglich geworden. Wer von der dadurch ermöglichten Wahlfreiheit überfordert ist, findet in autoritären Gruppen vorgegebene Wertesysteme.
Aus den geschilderten Gründen zeigt sich zur Zeit ein Trend hin zu Kleingruppen, welcher die Zahl der Gemeinschaften natürlich immens vermehrt.

 

10. Welches ist die grösste Sekte?

Sektenhaftigkeit ist eine graduelle Sache, es gibt nicht Sekten und Nichtsekten mit klarer Grenze dazwischen, sondern bloss sektenhaftere und weniger sektenhafte Gruppen, siehe dazu das File: "Sekte" - Definition und Merkmale. Die Wertung radikaler Gruppen fällt dabei meist leicht, bei weniger radikalen wird die Frage "Sekte oder nicht" im Einzelfall recht schwierig. Da sich nun weniger Menschen für einen radikalen Weg entscheiden als für einen weniger radikalen, sind die Organisationen im "Graubereich" oft viel grösser als die radikalen "eindeutigen" Sekten, weshalb obige Frage nur schwer zu beantworten ist - und auf jeden Fall in die Irre führt, wenn mit dem Status als "grösste Sekte" eine besondere Gefährlichkeit mitgemeint wäre.
Von den Gemeinschaften, die von jeder Fachperson, welche den Begriff Sekte überhaupt verwendet, als Sekte bezeichnet werden, sind in der Schweiz die Zeugen Jehovas mit über 18 000 Mitgliedern mit Abstand die grösste Organisation. Wird die Neuapostolische Kirche (deren Sektenhaftigkeit deutlich geringer ist als diejenige der Zeugen Jehovas z.B.) als Sekte gewertet, ist sie mit gegen 40 000 Mitgliedern die grösste.
Für die ganze Welt ist die Frage schon deshalb nicht zu beantworten, weil der Sektenbegriff nur in westlich geprägtem Kontext Sinn macht, s. dazu oben.

 

11. Welches ist die "schlimmste"/gefährlichste Sekte?

Die Gefährlichkeit von Sekten ist - mit Ausnahme der Gemeinschaften, die den Weg in den kollektiven Selbstmord gingen (Volkstempler 1978, Sonnentempler 1994, 96, 97, Heaven's Gate 1996), und derjenigen, die Aussenstehende an Leib und Leben gefährdeten (Aum Shinri Kyo 1995) - für verschiedene Menschen durchaus unterschiedlich.
Während eine Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas mit Einschränkungen in der Lebensgestaltung verbunden ist, besteht für Leib und Leben keine Gefahr, solange nicht eine Bluttransfusion notwendig wird. Ist dies der Fall, kann sich das Verbot der Transfusion u.U. höchst problematisch auswirken.
Dazu kommt, dass verschiedene Menschen auf dieselbe Gemeinschaft durchaus unterschiedlich reagieren. Manche Menschen etwa, die bei den Zeugen Jehovas aufgewachsen und im Jugendalter ausgetreten sind, empfinden sich als höchst belastet, während andere mit ihrer Zeit bei den Zeugen keinerlei Probleme haben. Aehnliches gilt durchaus auch für radikalere Sekten.
Manche Gemeinschaften behandeln die Geschlechter unterschiedlich und wirken sich deshalb je anders aus, ob eine Frau oder ein Mann Mitglied wird. Bei den vielen Gruppen berichten Ehemalige, die ihre Kindheit in der Sekte verbrachten, von einer stärkeren Belastung als diejenigen Menschen, die im Erwachsenenalter zur Gemeinschaft stiessen.
Es ist bei der Abschätzung der "Gefährlichkeit" einer Gemeinschaft deshalb immer vom Einzelfall auszugehen.

 

12. Gibt es auch "harmlose" Sekten?

Wie in der vorhergehenden Antwort erwähnt, hängt die "Gefährlichkeit" einer Sekte vom Einzelfall ab. Ein und dieselbe Gemeinschaft kann für verschiedene Menschen ganz unterschiedlich problematisch oder auch "harmlos" sein.
Daneben stellt sich natürlich die Frage, was denn "harmlos" bedeuten soll: Wenn mit einer "harmlosen" Sekte eine gemeint ist, die ihre Mitglieder nicht an Leib und Leben gefährdet, dann ist dies der Normalfall. Wenn "harmlos" hingegen meint, dass ich in einer Gemeinschaft Mitglied bin und trotzdem tun und lassen kann, was ich will, dann ist eine "harmlose Sekte" ein Widerspruch in sich selbst.

 

13. Was sind die Gefahren einer Sekte?

Wenn ein autonomes, selbstbestimmtes Leben als erstrebenswert gesehen wird (wie das in unserer Gesellschaft i.A. geschieht), dann steht die Mitgliedschaft in einer radikalen Gruppe dem ganz eindeutig entgegen. Die Abhängigkeit, die ein Mitglied einer radikalen Gruppe von der Gemeinschaft erfährt, macht es aber auch anfällig für weitere Gefahren, die aber von Gemeinschaft zu Gemeinschaft (und von Mitglied zu Mitglied) variieren. Deshalb kann die Frage nach Gefahren nur für jede Gemeinschaft einzeln sinnvoll diskutiert werden.

 

14. Haben Sekten auch Vorteile/gute Seiten?

Selbstredend, sonst wäre wohl niemand so dumm, einer Sekte beizutreten. Gerade die Abgabe von Autonomie kann für Menschen in einer Krise für eine Zeitlang (allerdings kaum auf Dauer) entlastend wirken. Daneben hat jede Gemeinschaft ihre spezifischen Vorzüge und Werbe-Argumente.

 

15. Warum werden Sekten gegründet?

Sekten werden in der Regel nicht als Sekten gegründet, sondern beginnen als relativ lockere weltanschauliche Bewegung. Die sektenhafte Struktur ergibt sich erst mit der Zeit, meist aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren: einem unbescheidenen Anspruch des Meisters/der Meisterin, negativer Reaktionen der Aussenwelt, die in einen inneren Zusammenschluss führen, und Erwartungen der Mitglieder bezüglich der Elitarität der Organisation. Die Persönlichkeit des Führers spielt beim Prozess der "Versektung" meist ebenso mit wie die Erwartungen der Anhänger und die Reaktion der Aussenwelt.

 

16. Geht es den Sektenchefs nicht bloss ums Geld?

Wer schnell zu Geld kommen will und über das Charisma und die Menschenkenntnis verfügt, die ein erfolgreicher Sektenchef haben muss, findet in der modernen Gesellschaft angenehmere und einträglichere Formen des Geldverdienens.
Am Anfang einer Sekte steht immer auch ein weltanschauliches Anliegen, eine Botschaft, die der Meister, die Meisterin, der Menschheit bringen zu müssen meint. Dass daneben auch andere Motive mitschwingen können, ist klar, allerdings sind die Faktoren Macht und Sex für Sektenchefs meist wichtiger als das Geld. In Saus und Braus lebt kaum ein Sektenchef, meist werden die finanziellen Ressourcen der Mitglieder für die Ausbreitung der Sekte (also den Machtgewinn) reinvestiert.

 

17. Glauben die Sektenchefs selbst an das, was sie lehren?

Im Allgemeinen ja. Sekten entstehen meist aus weltanschaulichen Bewegungen und werden langsam zur Sekte (siehe oben). Der Meister, die Meisterin, meint, eine Botschaft an die Menschheit zu haben. Im Lauf der Versektung kann es aber sein, dass der Meister, die Meisterin, merkt, dass sich der Glaube der Anhänger durch Tricks noch verstärken lässt. Diese werden dann möglicherweise angewendet, obwohl dem Meister, der Meisterin, klar ist, dass die Sache nicht stimmt. Er/sie geht aber davon aus, dass es sich um Betrug für einen guten Zweck handelt.
Zu diesem Ablauf scheint es gewisse Ausnahmen zu geben: Meister, Meisterinnen, die infolge ihres Vorlebens als mögliche grundsätzliche Betrüger in Frage kommen. Hier handelt es sich um Fälle, bei welchen schon die Gründung der Gemeinschaft ein Betrug wäre insofern, dass der Meister, die Meisterin, die Botschaft selbst nicht glaubte. Zu beweisen ist dies aber kaum. Auf jeden Fall wird im Lauf der Jahre das Gesetz der kognitiven Dissonanz spielen: Es ist einem Menschen nicht möglich, über Jahre permanent vorzugeben etwas zu glauben, ohne dass er es wirklich glaubt. Und da die Position als Meister ein Rund-um-die-Uhr-Job ist, fällt er der kognitiven Dissonanz fast sicher zu Opfer. Zudem wird sich eine Überlegung einstellen im Sinne von: Ich habe es zwar eigentlich als Witz gemeint, aber wenn Hunderttausende mich als Messias verehren, dann muss ichs wohl doch sein.
Meister, die in den Augen ehemals langjähriger Mitglieder permanent eine zynische Haltung vertreten, sind die grosse Ausnahme (vermutet wird dies z.B. seitens eines ehemaligen Mitglieds der Rael-Bewegung bei deren Führer Claude Vorilhon alias Rael). Aber auch solche grundsätzlich zynischen Meister werden sich - wenn es sie denn gibt - sagen, dass sie ihren Anhängern mit ihrer erfundenen Lehre Gutes tun.

 

18. Kann nicht jedeR eine Sekte gründen?

Allein schon die Tatsache, dass die meisten Sekten Kleingruppen bleiben, aber noch mehr das Faktum, dass die meisten Menschen, die Offenbarungen zu haben glauben, nicht mal einen einzigen Anhänger finden, widersprechen dieser Annahme. Zur Gründung einer erfolgreichen weltanschaulichen Gemeinschaft bedarf es eines gewissen Charismas und insbesondere des richtigen Angebots für das richtige Zielpublikum.

 

19. Wie sieht die Zukunft von Sekten aus?

Manche Sekten radikalisieren sich, insbesondere wenn Druck von aussen, z.B. staatlicherseits, dazukommt, immer weiter, bis nur noch der Weg in den kollektiven Suizid offen steht.
Andere Gruppen bleiben in ihrer Sektenhaftigkeit über Jahrzehnte unverändert.
Häufig kommt es nach dem Tod des Meisters, der Meisterin zum Auseinanderbrechen der Gemeinschaft. Manchmal bildet sich eine Nachfolgeorganisation, manchmal auch mehrere, die häufig weniger sektenhaft, aber auch nicht ganz selten sektenhafter als die Ursprungsor-ganisation sein können.
Ebenfalls zahlreich sind die Fälle einer allmählichen "Entsektung" einer Organisation, die sich z.B. bei generationenspezifischen Gruppen zeigen kann, wenn die Mitglieder "in die Jahre" kommen, oder auch dann, wenn eine radikale Kleingruppe grösser wird und nicht mehr alle Mitglieder im selben Mass intensiv einbinden kann. Im Fall einer christlichen Sekte kann dann von einem "Verkirchlichungsprozess" gesprochen werden.
Nicht gerade häufig, aber durchaus möglich sind Fälle, bei denen der Meister selbst die Sektenhaftigkeit seiner Organisation reduziert, so geschehen in der Bhagwan-/Osho-Bewegung nach dem Fall Sheilas und der Rückkehr Bhagwans nach Indien.

 

20. Was lehren Sekten?

Eine Sekte definiert sich durch ihre Struktur, nicht durch ihre Lehre (s. dazu das File: "Sekte" - Definition und Merkmale). Das heisst, dass Sekten alles Mögliche lehren können, es gibt keinerlei allen Sekten gemeinsame Lehre (hingegen sehr wohl gemeinsame oder doch vergleichbare Strukturen). Effektiv existieren sektenhaft organisierte Gemeinschaften in allen Weltanschauungen, es gibt atheistische Sekten, buddhistische Sekten, christliche Sekten, esoterische Sekten etc. etc.

 

21. Was sagen Sekten zu ... (einem bestimmten Thema)?
Erlauben/verbieten Sekten ... (eine bestimmte Sache/Handlung)?

Aus den in der obigen Antwort erwähnten Gründen können diese Fragen nur für jede Gemeinschaft einzeln, nicht für alle zusammen beantwortet werden. Es gibt wohl kaum etwas, was nicht von irgendeiner Gemeinschaft verboten würde, und sicher nichts, was von allen Gemeinschaften verboten wird.

 

22. Wie leben Sektenmitglieder?

Aus den in den vorangehenden Antworten geschilderten Gründen unterscheidet sich das Leben der Mitglieder von Gemeinschaft zu Gemeinschaft ganz erheblich. Das Gemeinsame besteht darin, dass ein Mitglied je nach Sektenhaftigkeit der Gruppe eine stärkere oder schwächere Einschränkung seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit hinnehmen muss, dass z.B. in radikalen Sekten die meisten Fragen des täglichen Lebens von der Gemeinschaft beantwortet werden. Gemeinsam ist auch die hohe Bedeutung der Gemeinschaft für das Mitglied: Zur Gruppe zu gehören ist das wichtigste Identifikationsmerkmal. Alles weitere siehe in den Texten zu den einzelnen Gemeinschaften.

 

23. Welches sind die Werbemethoden von Sekten?

Wie bei den obigen Antworten gilt: Die Werbemethoden sektenhafter Gruppen sind sehr unterschiedlich, beeinflusst durch die jeweilige Lehre und angepasst an das jeweilige Zielpublikum. Die Frage ist nur für jede Gemeinschaft einzeln zu beantworten.

 

24. Warum und wie wird jemand Mitglied einer Sekte?

Zu den Gründen für einen Sektenbeitritt siehe das File: Sektenbeitritt - Gründe und Merkmale.
Der Verlauf des Beitritts sieht bei den einzelnen Gemeinschaften ganz unterschiedlich aus, da die Gemeinsamkeit sektenhafter Gemeinschaften ja in der Struktur, nicht in Lehren und Praktiken besteht. In letzteren unterscheiden sich Sekten je nach Tradition fundamental. Siehe deshalb bei den einzelnen Gemeinschaften, insbesondere bei Erfahrungsberichten. Auf unserer Site z.B. (aus Gemeinschaften mit unterschiedlicher Sektenhaftigkeit): Mun-Bewegung, Sri Chinmoy und Yogaschule Heinz Grill.

 

25. Wenden Sekten Gehirnwäsche an?

Der Begriff der Gehirnwäsche meint die Umerziehung von Menschen unter Anwendung von Folter und Einschliessung. Er sollte, um seine Griffigkeit zu bewahren, für dieses Phänomen reserviert bleiben und deshalb im Zusammenhang mit Sekten keine Anwendung finden. Die Manipulationsmethoden radikaler Sekten, die z.B. mit zeitlicher Inanspruchnahme, Schlafentzug und Unterdrückung eigenen Nachdenkens operieren können, werden demgegenüber als "mind control", Bewusstseinskontrolle bezeichnet.

 

26. Halten Sekten ihre Mitglieder mit Gewalt bei der Sekte?

Sekten operieren mit (wenn auch z.T. manipulativer) Ueberzeugung, nicht mit Gewalt. Lässt ein zweifelndes Mitglied sich nicht mehr überzeugen, wird es in aller Regel ausgeschlossen (da es andere Mitglieder mit seinen Zweifeln anstecken könnte.)

 

27. Wie kommt frau/man aus einer Sekte wieder heraus?

Zu den Wegen, eine Sekte zu verlassen, siehe das File: Wege aus der Sekte.

 

28. Werden Aussteiger von der Sekte bedroht oder gar verfolgt?

Wenn Versuche, das ausstiegswillige Mitglied wieder von der Sekte zu überzeugen, scheitern, erfolgt der Kontaktabbruch. Die Mitglieder sollen mit dem Aussteiger nichts mehr zu tun haben.
Fälle von Verfolgung kommen vor bei Kleingruppen, wobei sich hier infolge der engen Beziehungen der Mitglieder untereinander Sektenstrukturelles und Privates unentwirrbar vermischt.
Bei grösseren Gemeinschaften wurden Fälle von Belästigung erwähnt im Zusammenhang mit Ex-Mitgliedern, die im Begriff standen, die Oeffentlichkeit über ihre Erlebnisse zu informieren.
Die grosse Mehrheit grösserer Gemeinschaften lässt ihre Ex-Mitglieder aber in Ruhe.

 

29. Was ist zu tun, wenn sich einE AngehörigeR/BekannteR einer Sekte anschliesst?
Was kann frau/man tun, wenn frau/man jemanden kennt, der in einer Sekte ist?

Hinweise zum Umgang mit Sektenmitgliedern geben die Files: Wege aus der Sekte und: Sekten - Diagnose und Therapie.

 

30. Wie kann ich mich (und andere) vor Sekten schützen?

- Entscheidend ist die Information. Wer Sekten und Sektenstrukturen kennt, kann sie in der Praxis wiedererkennen.
- Die Sektenanfälligkeit eines Menschen ist umgekehrt proportional zur Stärke seines sozialen Netzes und seiner sozialen Kompetenz. Alles, was diese fördert, wirkt sektenpräventiv.
- Elitäre Gemeinschaften und solche, die schnellen Erfolg versprechen, sind weniger interessant für Menschen, die eigene Besonderheit erleben dürfen und Möglichkeiten benutzen, ihr Leben aktiv zu beeinflussen.
- Da Sektenbeitritte in der Regel aus Krisensituationen heraus erfolgen, wirken eine hohe Konfliktfähigkeit und Frustrationstoleranz sektenpräventiv.
- Wer häufig über "Gott und die Welt" diskutiert und damit in weltanschaulichen Fragen über eine Sprache und ein Instrumentarium zur Prüfung von Behauptungen verfügt, stellt für Sektenmissionare die weit grössere Knacknuss dar als ein Mensch, welcher letzte Fragen aufs Pflegeheim verschiebt.

 

31. Warum werden Sekten nicht einfach verboten?

Zwar haben Länder, die keine Weltanschauungs- und Religionsfreiheit kennen, tatsächlich oft kein Sektenproblem. In westlicher Sicht ist die Religionsfreiheit aber ein hohes Gut, das nicht aufgegeben werden kann. Und da Freiheit nur dann Freiheit ist, wenn sie auch Freiheit zu weniger verständlichen Entscheidungen ist, sind Sekten staatlicherseits grundsätzlich zu tolerieren, solange sie sich an die Rechtsordnung halten. Die Gewährleistung tatsächlicher Freiwilligkeit beim Sektenbeitritt hat nicht über ein Verbot, sondern z.B. auf dem Weg der Information zu erfolgen (wichtig insbesondere bei Gemeinschaften, die den Anzuwerbenden gegenüber nicht ehrlich sind). Dem besonderen Schutz des Staates anbefohlen sind jedoch diejenigen, die Mitglied einer Sekte sind, ohne sich dafür entschieden zu haben: Die Kinder. Hier wird von Expertenseite z.B. eine Durchsetzung der Schulpflicht und eine Zurückhaltung bei der Bewilligung sekteneigener Privatschulen gefordert.

 

32. Soll frau/man Sekten nicht einfach gewähren lassen?

Diese der obigen entgegengesetzte Frage wird nicht selten von Menschen gestellt, die dann harscheste Reaktionen fordern, sobald persönliche Angehörige Mitglied einer Sekte werden ("können Sie meine Freundin da heraus holen - allenfalls mit Hilfe der Polizei?"). Hintergrund ist ein eigenartiges, aber verbreitetes Verständnis von Liberalität: Jeder soll machen, was er will, solange er mich und die Meinen damit in Ruhe lässt. Bei allen Problemen, die besser durch Prävention als durch Therapie angegangen werden - die Sektenproblematik gehört eindeutig dazu - taugt diese Sicht allerdings wenig.

 

33. Sind Sektierer nicht einfach irgendwie dumm oder alles Spinner?

Sektenmitgliedschaft ist weder eine Folge minderer Intelligenz noch einer psychischen Erkrankung, im Gegenteil. Die meisten Sekten setzen eine gewisse Mindestintelligenz und ein Mindestmass an psychischer Gesundheit voraus. Allgemein als "Spinner" bezeichnete Menschen sind demgegenüber nicht in eine Gemeinschaft zu integrieren, schwerlich zur Unterordnung bereit und werden deshalb kaum von einer Organisation aufgenommen. Richtig ist vielmehr, dass auch hohe Intelligenz nicht vor einer Sektenmitgliedschaft schützt, wie z.Bsp. Akademiker in den Reihen von Uriellas Orden Fiat Lux schlagend belegen.

 

34. Sind nicht alle weltanschaulichen Organisationen eigentlich Sekten?

Gegenfrage: Ist nicht jeder Mensch eigentlich krank? Wird der Begriff der Krankheit so weit definiert, verliert er jede Griffigkeit. Ebenso ist es mit dem Sektenbegriff. Wird er schon auf Gemeinschaften mit geringer Sektenhaftigkeit angewandt, bleibt kein Wort für Gemeinschaften, deren Mitglieder eine massive Einschränkung ihrer Autonomie entgegen nehmen müssen.

 

35. Was ist der Unterschied zwischen Religion und Sekte bzw. zwischen den grossen Religionen und Sekten?

Sektenhaftigkeit liegt in der Struktur einer Gemeinschaft begründet. Sekte ist folglich immer eine bestimmte Organisation. Eine Tradition, wie es die grossen Religionen darstellen, besteht hingegen aus ganz verschiedenen einzelnen Organisationen, die je als einzelne sektenhafter oder weniger sektenhaft sein können. So finden sich in allen grossen Religionen, aber auch in den grossen nichtreligiösen Weltanschauungen stark sektenhafte neben äusserst liberalen Gemeinschaften. Folglich ist der Atheismus keine Sekte, es gibt aber atheistische Sekten, es sind der Buddhismus, das Christentum keine Sekten, es gibt aber buddhistische, christliche Sekten usw.
Zum Unterschied zwischen sektenhaften und nichtsektenhaften weltanschaulichen Gemeinschaften siehe z.B. Was ist eine Sekte? oder "Sekte" - Definition und Merkmale.

 

36. Ist die Gemeinschaft/Organisation XY eine Sekte?

Siehe die Texte zu den jeweiligen Gemeinschaften, z.B. über das Lexikon-File. Zur Prüfung der Sektenhaftigkeit ansonsten unbekannter Kleingruppen siehe die Merkmalliste Was ist eine Sekte?
Wegen der Gradualität der Sektenhaftigkeit bringt die Frage: "Ist die Organisation, der ich begegnet bin, eine Sekte?" aber dann nicht viel, wenn es sich um eine Gruppe im "Graubereich" zwischen wenig sektenhaften und radikalen Gruppen handelt. Wird die Frage hier bejaht, kommen Befürchtungen auf, die vielleicht nicht gerechtfertigt sind. Wird sie verneint, geraten möglicherweise durchaus vorhandene Gefahren aus dem Blick. In diesen Fällen ist es besser, die Chancen und Gefahren der jeweiligen Gemeinschaft zu diskutieren, ohne sich ständig vom Vergleich mit weit radikaleren Gruppen leiten zu lassen.

 

37. Was ist die "Fischli-Sekte"?

Der Ausdruck "Fischli-Sekte" beruht auf einem Missverständnis.
Der Fisch auf dem Autoheck steht für den Ausdruck "Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser", welcher im Griechischen die Abkürzung Ichthys = Fisch ergibt. Der Fisch war deshalb geheimes Erkennungszeichen der ersten Christen. Verwendet wird das Symbol heute von sog. evangelikalen Menschen, die vor allem in Freikirchen, aber auch im evangelikalen Flügel der reformierten Landeskirche zu Hause sind. Der Fisch weist also auf eine bestimmte Theologie, eine bestimmte Form des Christentums, nicht auf eine bestimmte Gemeinschaft hin.
Zum Evangelikalismus siehe: Kurzgefasste Einführung in die Hauptthemen des Evangelikalismus und die Verzeichnisse zu charismatischen und nichtcharismatischen Freikirchen.

 

38. Sind die Satanisten eine Sekte?

Sekte ist immer eine Gruppe, eine Organisation, der Satanismus als Ganzes aber eine Bewegung (die - mindestens - zu 50% aus Menschen besteht, die ihre Weltanschauung ohne jeden Anschluss an eine Gruppe praktizieren.) Die Frage muss deshalb präzisiert werden: Gibt es innerhalb des Satanismus sektenhaft strukturierte Gemeinschaften?
Zudem ist eine Klarstellung notwendig: Die im Buch "Lukas - vier Jahre Hölle und zurück" beschriebene "internationale satanistische Gemeinschaft" existiert nicht (siehe dazu: Vier Jahre Horrortrip?).
Satanistische Gemeinschaften und Gruppen sind sehr unterschiedlich strukturiert und reichen von losen Sponti--Gruppen bis hin zu recht engen Zirkeln. Die grossen Organisationen stehen dabei strukturell - nicht weltanschaulich! - auf der eher harmlosen Seite (so ist die Church of Satan, die Satanskirche Anton Szandor LaVeys heute eher ein kommerzielles Unternehmen mit Ämterschacher als eine gut strukturierte Organisation. Problematisch ist hingegen der dort vertretene radikale Sozialdarwinismus).
Gruppen jugendlicher Satanisten können recht sektenhaft sein im Sinne von "einer gibt den Ton an und nimmt die anderen mit Ausschluss- oder Strafandrohungen unter Druck". Das kriminelle Potenzial einer solchen Gruppe kann - abhängig von der psychischen Verfassung des Führers und der Hemmschwelle der Mitglieder - u.U. recht hoch sein, im deutschsprachigen Raum sind in diesem Zusammenhang gar einzelne Mordtaten bekannt geworden. Die meisten satanistischen Cliquen sind aber "demokratischer" aufgebaut und neigen weniger zu Straftaten.
Beim Jugendsatanismus sind die verschiedenen Stufen satanistischer Beschäftigung junger Menschen zu beachten, siehe dazu z.B.: Bernd Harder, Die jungen Satanisten, Pattloch Verlag 2002, sowie unser File zum Jugendsatanismus.

 

39. Gibt es Opferrituale oder gar Menschenopfer in Sekten?

Falls die Frage auf okkulte resp. satanistische Gemeinschaften zielt, siehe dazu die vorangehende Antwort.
Abgesehen vom okkulten Bereich gehören Tieropfer einerseits in den Bereich polytheistischer Hochreligionen (im Hinduismus werden sie allerdings kaum mehr geübt) und ins Feld der sog. traditionalen oder Natur-Religion. Von hier aus sind Tieropfer in den afroamerikanischen Religionen (z.B. Voodoo) durchaus nicht ungebräuchlich. Hingegen greifen Neuheiden den Opferkult ihrer keltischen und germanischen Vorbilder nicht auf.
Gruppierungen, die die Tötung von Menschen als kultischen Dienst verstanden, wie die Assassinen oder die Thugs, sind heute wohl nur mehr Legende.
Von den üblicherweise auf Zusammenstellungen von Sekten erscheinenden Gemeinschaften werden keine Tier- oder gar Menschenopfer geübt.

 

40. Sind Geheimbünde wie der Ku Klux Klan oder die Mafia Sekten?

Geheimbünde teilen mit Sekten weniger Merkmale, als es auf den ersten Blick scheinen könnte. Die (landläufige) Parallelisierung der beiden Phänomene beruht auf der gemeinsamen Wahrnehmung als "unheimliche Gemeinschaften". Die Unterschiede sind aber erheblich: Geheimbünde liefern keine ausgestaltete Weltanschauung, sondern allenfalls manche weltanschauliche Elemente. Sie kennen kaum Regulationen fürs Privatleben, sondern beschränken sich in ihren Regeln auf den Bereich ihrer Tätigkeit. Sie erheben im Gegensatz zu Sekten meist nicht den Anspruch, die ganze Menschheit aufnehmen zu wollen. Dafür stehen Geheimbünde auch Menschen offen, die weltanschaulich dem Mainstream ihrer Gesellschaft angehören wollen - und sind nicht zuletzt deshalb politisch meist viel einflussreicher als Sekten.
Geheimbünde und Sekten sind verschiedene Kategorien, die mit Vorteil auseinander zu halten sind.

 

Georg Otto Schmid, 2004


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