Boykottaufrufe gegen Läderach an der Gegendemonstration zum «Marsch fürs Läbe»

«Ufe mit de Frauerächt, abe mit de Fundis!» – So klang es an Samstag durch Zürich, als circa 500 Menschen sich der genehmigten Gegendemonstration der Juso anschlossen. «Bunt, queer und laut zu sein,» war die Aufforderung an die Teilnehmenden als ein Protest gegen den «Marsch fürs Läbe», der am Samstag den 14. September 2019 um 14.00, zur gleichen Zeit wie die Gegendemonstration, geplant war.

Marsch fürs Läbe

Der Marsch fürs Läbe ist eine Veranstaltung von «Pro-Life»-Gruppierungen, die sich gegen Abtreibung aussprechen. Träger sind unter anderem die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) und die Vereinigung katholischer Ärzte der Schweiz. Schokoladenfabrikant Jürg Läderach, der die Finanzen der Veranstaltung betreut, ist wohl eines der bekanntesten Mitglieder des Vereins. Er spricht sich als Abtreibungsgegner unter anderem auch gegen LGBT-Rechte aus.

Mit Plakaten und Flyern mit Kindern und der Aussage «Danke, dass ich leben darf» wurde für den Marsch geworben, der nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Teilen der Welt stattfindet.

Gegendemonstration der Juso

Von den Juso wurde ein Antrag für eine Gegendemo eingereicht, der auch bewilligt wurde. Zugleich wurde von der Revolutionären Jugend Zürich eine zweite, unbewilligte Demo durchgeführt, die dann auch in Konfrontation mit der Polizei geriet.

Mit einem scharfen, getrommelten Rhythmus und lauten Parolen startete die Gegendemo der Juso um 14.50 Uhr, nachdem sich der Helvetiaplatz mit den Teilnehmern füllte. Der Zug folgte der geplanten Route, endete um 15.35 Uhr am selben Ort und verlief friedlich. Neben Rufen und Klatschen waren auch Pfeifen und Triller zu hören.

Menschen aller Sexualitäten und Geschlechteridentitäten marschierten mit, Fahnen wurden geschwenkt und der Regenbogen war überall. Die Stimmung wurde mit Liedern immer wieder in Schwung gebracht.

Vor dem Marsch wurden direkt unter dem Denkmal der Arbeit Reden gehalten.

Ansprache von Anna Luna Frauchiger

Anna Luna Frauchiger, Co-Präsidentin der Juso Stadt Zürich, meinte in ihrer Ansprache, dass der Marsch fürs Läbe Sexismus, Queerfeindlichkeit, Trans- und Islamophobie propagiere. Dies sei keine Meinung, sondern Diskriminierung. Die Gegendemonstration stelle sich gegen reaktionäre Hetze und nicht gegen die Meinungsfreiheit, denn am wichtigsten sei die Selbstbestimmung der Frau.

Fundamentalistische Christen gäben sich gerne tolerant, grenzten aber stattdessen aus. Jürg Läderach würde sich auch bei Opfern einer Vergewaltigung gegen Abtreibung aussprechen, und eine solchen Haltung dürfe nicht finanziell unterstützt werden. Es ginge auch nicht an, auf Kosten behinderter Kinder Werbung zu machen. Als Konsequenz wurde deshalb zum Boykott der Firma Läderach aufgerufen.

Weiter wurde die Freiheit der Bestimmung über Körper, Liebe und Leben gefordert, denn trotz grosser Schritte in Richtung Gleichberechtigung sei die Schweiz immer noch verbesserungsfähig. So sei zum Beispiel keine Anzeige möglich, wenn ein Fall von Transfeindlichkeit vorliegt.

Der Aufruf von Hass und Gewalt gegen queere Personen sei nicht christlich. Gefordert wurde eine Ehe für alle, die den Namen auch verdient, ohne halbe Sachen. Menschen seien mehr als nur binär und Familien existierten in vielen Formen.

Rede von Jolanda Spiess-Hegglin

Jolanda Spiess-Hegglin, Politikerin der Grünen, verwies auf Zitate aus der Webseite des Vereins Marsch fürs Läbe. Die Anhänger lebten von Bibelzitaten, vergässen jedoch den Vers Mt 7,1 «Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werden». Jeder erlangte Fortschritt sollte wieder rückgängig gemacht werden, es solle wieder alles vom Wohlwollen der Männer abhängen. Die Entscheidung sollte aber nicht bei fundamentalistischen Christen stehen, sondern bei der Person selbst. Die Rückkehr in eine mittelalterliche patriarchische Gesellschaft sei nicht zu verantworten.

Berichtet wurde auch von der deutschen Ärztin, die durch den Hinweis auf den Abtreibungs-Service ihrer Klinik auf ihrer Website nun Haft oder Geldstrafe droht. Auch seien Kliniken, die eine Abtreibung anbieten, oft Ziel von Belagerungen und Beschimpfungen. Die Ärztinnen und Ärzte würden mit Tätern aus Konzentrationslagern verglichen und seien für die Abtreibungsgegner das Böse in Person. Auf Foren würde für sie sogar die Todesstrafe verlangt.

Den Abtreibungsgegnern gehe es um den Schutz des Lebens, sie würden aber auch eine patriarchale Gesellschaft wollen, wo sie allein das Sagen hätten.

Zum Schluss forderte Spiess-Hegglin die Demonstanten auf, «Das Patriarchat, liebe Demonstrant*innen, werden wir nach diesem eindrücklichen Frauenjahr in alle Ewigkeit versenken, Amen. Protestiert friedlich, aber laut! Und esst Schoggi! Kauft sie aber in der Migros, nicht bei Läderach.»

Alain Liechti

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