Buddhismus

Buddhismus kommt vom Sanskrit Wort buddha, und bedeutet übersetzt „erwacht“, „der Erleuchtete“. Ihm zugrunde liegt das Sanskrit Wort bodhi, was mit „Erleuchtung“ übersetzt werden kann. Buddha ist kein Eigenname, sondern vielmehr ein Titel für jemanden, der erwacht ist. Somit beschreibt er mehr einen spirituellen Zustand.

Buddhas Lehren sind in unterschiedlichen Kanons aufgezeichnet und entstammen einer mündlichen Tradition. Der Pali Kanon ist dabei der Einzige, der noch vollständig erhalten ist. Sein Name entstammt der Sprache Pali, in der der Kanon verfasst ist (mit dem Sanskrit verwandt). Der Pali Kanon entstand um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. auf Sri Lanka. Er besteht aus drei Körben: die Abhandlungen des Buddha (in fünf Abteilungen unterteilt), die Ordensregeln und die Lehrschriften.

Geburt und Kindheit:
Buddhas Geschichte beginnt mit Traum von Maya, der Mutter Buddhas, die von der Empfängnis träumt. Dabei schlüpft ein weisser Elefant in ihre Rechte Seite hinein, während sie schläft. Als die Königin zum Traumdeuter geht, prophezeit ihr dieser, dass sie schwanger ist. In Indien war es damals Sitte, dass eine schwangere Frau zur Geburt aus ihrem Haus ausziehet und zurück ins Mutterhaus geht. Daher machte sie sich von der Hauptstadt Sakyas auf in die Heimat ihrer Verwandten. Als die Gruppe in einem Hain bei Lumbini (zwischen Indien und Nepal) Halt macht, kommt der künftige Buddha unter der Krone eines Baumes zur Welt. Es regnet Blütenblätter und himmlische Musik erklingt. Er erhält den Namen Siddhatta Gotama (auch Siddharta Gautama). Siddhatta bedeutet: «einer, der sein Ziel erreicht hat». Kurz nach der Geburt macht der kleiner Siddhatta sieben Schritte und bei jedem Schritt blüht eine Lotusblüte dort auf, wo er seinen Fuss aufsetzt. Zudem verkündet er, dass dies seine letzte Geburt sei. Die Mutter stirbt sieben Tage nach der Geburt und Siddhatta wird von ihrer Schwester grossgezogen, die später die zweite Frau von Siddhattas Vater, Suddhodanas, wird. Über die Kindheit Siddhattas ist nur wenig im Pali-Kanon überliefert. Jedoch geht daraus hervor, dass er ein Leben im Luxus innerhalb der Palastmauern seines Vaters lebte. Dabei soll er aber sehr aufmerksam, rücksichtsvoll und klug gewesen sein.

Die vier Ausfahrten und Entsagung:
Trotz des behüteten Lebens innerhalb der Palastmauern soll sich Sidhatta nach spiritueller Erfüllung gesehnt haben. In einem Streitwagen soll er vier Ausfahrten in die Stadt vorgenommen haben. Sein Vater ordnete an, dass alles geputzt wird und die Armen, Alten und Kranken von der Strasse verschwinden, damit Siddhatta nicht beunruhigt wird. Jedoch kam es, dass dieser bei seiner ersten Ausfahrt einen Greis entdeckte, erschrak und den Wagenlenker sofort zum Umkehren anhielt. Auf dem Weg dachte er über das Altern nach. Bei seiner zweiten Ausfahrt begegnete er einem Schwerkranken und auf der dritten einer Leiche, die zur Einäscherung getragen wurde. Zum ersten Mal erfuhr Siddhatta von der Vergänglichkeit des Lebens. Auf der vierten Ausfahrt begegnete er einem Bettelmönch, der ihn dazu inspirierte selbst eine Lösung für das menschliche Leid zu finden. Er beschloss den Palast, seine Frau und sein Kind zu verlassen, um ein Bettelmönch zu werden.Er kam zum Schluss, dass weder das extreme Fasten/die Entsagung noch das Leben im Schloss ihn glücklich machen wird. Daher entschloss er sich für den mittlere Weg (weder Luxus noch totale Askese) und beginnt zu meditieren. Unter dem Bodhi Baum wird er erleuchtet.

Ausgangspunkt und Mitte des Buddhismus ist ein Geschehen, durch das Siddharta Gautama, aus dem Lokaladelsgeschlecht der Shakyas im 6. Jhdt. v.Chr. zum «Buddha», d.h. zum «Erleuchteten» oder «Erwachten» wurde. Bis heute ist genuiner, sich selbst treu bleibender Buddhismus der Versuch, allen dieses Erwachen suchenden Menschen auf ihrem Erleuchtungsweg beizustehen. Wo der Buddhis- mus – was auch immer wieder geschah und geschieht – dieses Erleuchtungserleben vergisst und sich anderen, unwesentlichen Lehren oder Erfahrungen zuwendet, wo er sich in magischem Ritualismus oder in metaphysischen Spekulationen verliert, wo die Verehrung irgendwelcher Formeln, heiliger Institutionen, göttlicher Kinderäbte oder himmlischer Wesenheiten zum Selbstzweck wird, da verkommt genau besehen der Buddhismus zum hölzernen Eisen, zum Widerspruch in sich selbst.

Selbstverständlich werden uns sehr unterschiedliche Deutungen dieses Erleuchtungserlebnisses vorgelegt. Auch wenn der Buddha wahrscheinlich meinte, dass Erleuchtung auf dem einen ewig gleichen Wege erreicht werden kann, und viele buddhistische Meister später ihre Deutung des Erleuchtungsweges als ewig gleichen Weg verstanden, die Geschichte und die Ausbreitung des Buddhismus in die verschiedensten Kulturkreise hinein hat diese Ansicht gründlich überholt.

Gemäss der buddhistischen Überlieferung soll Buddha sich im Moment der Erleuchtung an eine grosse Zahl von vergangenen Leben erinnert haben.
Im Buddhismus glaubt man an die Wiedergeburt und damit an den Kreislauf der Wiedergeburten, samsara genannt. Diese Wiedergeburtsvorstellung gab es schon vor dem Buddhismus in anderen Kulturen und Religionen, wie beispielsweise der Antike. Speziell an der indischen Reinkarnationsvorstellung ist jedoch, dass die Wiedergeburten an das Karma gekoppelt sind. Damit ist das künftige Leben vom Handeln im jetzigen Leben abhängig. Im buddhistischen Weltsystem gibt es sechs Reiche der Wiedergeburt, die in der Kunst häufig als Rad des Lebens dargestellt werden. Drei dieser Reiche gelten als unglücklich (die unteren drei) während die oberen drei ein schöneres Leben ermöglichen. Eine Person kann dabei die Reiche mehrfach durchwandern. Insgesamt sind 31 Wiedergeburtsschicksale möglich. Als unterste Stufe gilt die Hölle, die in eine kalte und eine heisse Hölle getrennt ist. Darüber befindet sich das Tierreich, was eine Wiedergeburt als Tier nicht erstrebenswert erscheinen lässt. Darüber ist das Reich der Geister (meist frühere Menschen, die nicht von der Erde loskommen). Die vierte Stufe machen die Titanen aus, dämonische Krieger, die gewalttätigen Impulsen unterworfen sind. Die fünfte Stufe macht die menschliche Welt aus, was als erstrebenswerte Stufe gilt aber nur schwer zu erreichen ist. Auf den Ebenen 6-31 befinden sich die Häuser der Götter. Auch diese sind dem Kreislauf der Wiedergeburt unterworfen. Erstrebenswert ist eine Wiedergeburt in der menschlichen Ebene, da es hier durch den „mittleren Weg“ möglich ist, Nirvana zu erreichen, also aus dem Kreislauf der Wiedergeburten auszusteigen.

Als Kernaussage des Buddhismus und Inhalt der ersten Lehrrede des Buddha gelten die vier edlen Wahrheiten. Sie sollen dabei helfen das Leben zu bewältigen und Probleme zu überwinden.

1.Die Wahrheit vom Leiden (dukkha): Leben ist Leiden
2.Die Wahrheit vom Entstehen des Leidens (samudaya): Leiden entsteht durch Begehren
3.Die Wahrheit von der Aufhebung des Leidens (nirodha): Leiden kann beendet werden.
4.Die Wahrheit vom Weg (magga): Es gibt einen Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt.(Dieser wird achtfacher Pfad genannt, da er acht Schritte umfasst: rechte Einsicht, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Handeln, rechter Lebenserwerb, rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit, rechte Konzentration. Die acht Glieder lassen sich in drei Bereiche einteilen: Weisheit (Prajna), Ethik (Sila) und Sammlung (Samadhi))

Es gibt nicht „den“ Buddhismus. Vielmehr wird von verschiedenen Schulen gesprochen, die sich in der Auslegungstradition und Diskursgemeinschaften unterscheiden. Es gab verschiede buddhistische Konzilien, welche zu Spaltungen und unterschiedlichen Auffassungen führten.
Grob wird zwischen Dhammayana (auch Hinayana oder „kleines Fahrzeug“), Mahayana (auch „grosses Fahrzeug“ genannt) und Vajrayana (auch Tantrayana, tibetischer Buddhismus oder Diamantfahrzeug) unterschieden. Aus dem Dhammayana ist der Theravada hervorgegangen, welcher insbesondere in Sri Lanka, Burma/Myanmar, Thailand, Laos und Kambodscha vertreten ist. Dazu gab es auch frühere Schulen, die vom Dhammayana abstammen aber heute ausgestorben sind. Das Mahayana hat verschiedene Untergruppen (u.a. Zen und Amida) und ist insbesondere in Japan, Korea, China, Taiwan, Vietnam, Europa und den USA verbreitet. Auch das Vajrayana hat verschiedene Untergruppen wie Shakya, Kagyü, Gelugpa oder Nyingma.

Der Buddhismus gelangte über Indien, China und Japan in den Westen nach Europa und in die USA, wo er von wissenschaftlichen und intellektuellen Kreisen mit grossem Interesse beobachtet wurde. Erst durch die Reisen von Marco Polo im 13. Jahrhundert nach Zentralasien, kam der Westen mit dem Mahayana-Buddhismus in Kontakt. Erst um 1498, als die Portugiesen einen Seeweg nach Indien entdeckten, gab es länger anhaltende Kontakte zwischen Ost und West, wobei sich das gegenseitige Interesse auf den Handel beschränkte. Ein ernsthaftes Interesse wurde dem Buddhismus erst von den Jesuiten entgegengebracht. Sie begegneten ihm in China und Japan, wobei sich dieses Interesse erst im 19. Jahrhundert festigte. Ab dieser Zeit waren die buddhistischen Lehren auch bereits der breiten westlichen Öffentlichkeit bekannt. Der Buddhismus kam insbesondere durch Wissenschaftler, Philosophen, Intellektuelle, Schriftsteller, Künstler und die Einwanderung von asiatischen Immigranten in den USA und Europa in den Westen.

In der Kolonialzeit, als europäische Regierungsbeamte in unterschiedliche asiatische Regionen versetzt wurden, begannen sich akademische Kreise vermehr für den Buddhismus zu interessieren.  Dabei leisteten insbesondere die britische Regierungsbeamten B.H. Hodgson und T. W. Rhys, einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Mahayana- und Theravada-Buddhismus. Neben den Intellektuellen spielten aber auch Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern spielten eine wichtige Rolle in der Vermittlung des Buddhismus im Westen. Eugène Burnouf veröffentlichte 1844 beispielsweise die «Introduction à l’histoire du buddhisme indien» und übersetzte das Lotus Sutra. Hermann Oldenberg weckte mit seinem Buch «Buddha. Sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde» das Interesse im Westen. Als 1893 zum ersten Mal das Weltparlament der Religionen in Chicago stattfand, war der Sri-Lanker Anagarika Dharmapala als Vertreter der buddhistischen Delegation eingeladen, der den amerikanischen Zweig der Maha Bodhi Society, die erste internationale buddhistische Vereinigung mit Hauptsitz in Kalkutta, gründete. Dieser neue Standort bildete damit die erste buddhistische Organisation im Westen. Bis zu diesem Zeitpunkt konzentrierte sich die Forschung auf den südasiatischen Buddhismus konzentriert. Nach 1900 nahm das Interesse durch chinesische und tibetische Quellen auch am Mahayana Buddhismus zu.

 

Auch die Philosophie, Kultur und Kunst hatten einen erheblichen Einfluss auf die Verbreitung des Buddhismus im Westen. Insbesondere Arthur Schopenhauers Schriften zum Buddhismus inspirierte die westliche Gesellschaft seiner Zeit. Er erachtete den Buddhismus, aufgrund mangelnder Quellen, als dem Christentum überlegen und bezog sich dabei auf Schriften, in denen der Buddhismus als atheistische, rationale und ethische Lehre bezeichnet wurde. Durch seine Anmerkungen zum Buddhismus in seinen Schriften, wurden viele westliche Intellektuelle auf den Buddhismus aufmerksam. Auch Edwin Arnolds «The Light of Asia», welches das Leben von Buddha beschreibt, machte den Buddhismus in der viktorianischen Mittelschicht des Westens beliebt. Mit der Gründung der Theosophischen Gesellschaft 1875 wurde der Buddhismus dann salonfähig. Eine Unzahl an Bücher und Filme (z.B. «Little Buddha», «Kundun» oder «Seven Years in Tibet») überschwemmten den Markt und sprach damit ein populäres Publikum an. Insbesondere Schriftsteller galten damals als wichtige Vermittler der neuen religiösen Gedanken. Hermann Hesse und seine Werke «Siddharta» und «der Steppenwolf» wurden beispielsweise zu Kultbüchern in den USA und Europa. Sie boten den entstehenden Protestbewegungen der damaligen Gesellschaft eine spirituelle Alternative für die damalige Gesellschaft.

 

Weiter waren auch asiatische Einwanderer für den Aufschwung des Buddhismus im Westen verantwortlich. Insbesondere die USA erlebte eine grosse Einwanderung, als um 1830 chinesische Arbeiter für den Eisenbahnbau und die Goldminen in die USA kamen und sich zusammen mit Japaner auf Hawaii niederliessen. Nach dem Vietnamkriegs kamen chinesische Immigranten und ungefähr eine Million chinesischer Buddhisten aus Südostasien in die USA. Meist bauten sie lokale Tempel auf, um ihre kulturelle Identität zu bewahren. Ab der ersten und zweiten Generation stiessen auch Menschen mit anderen kulturellen Herkünften hinzu und brachen die ethnischen Gruppen auf. In Grossbritannien kamen vorwiegend indische Einwanderer, die Hindus oder Muslime waren. In Europa waren die meisten Buddhisten Konvertiten. Heute sind alle grossen Strömungen des Buddhismus im Westen vertreten, wobei die Zahl der Anhängerschaft aufgrund starker Schwankungen nur schwer festzustellen ist.

Besondere Bekanntheit erlangte das Zen, welches als erste buddhistische Bewegung nach dem zweiten Weltkrieg in den USA beliebt wurde. US-Soldaten begegneten dieser Richtung bei ihren Militäreinsätzen in Japan. Noch heute ist Zen eine beliebte Form des Buddhismus und wirkt für viele Menschen anziehend. Die Betonung der Spontanität und Einfachheit stillte die Bedürfnisse der Nachkriegszeit in den USA und sein antiautoritärer Geist fand in der Hippie-Bewegung der 1960er Jahren grossen Anklang. Psychedelische Drogen standen damals oft im Zusammenhang mit einer spirituellen Suche nach einer bewusstseinsverändernden Erfahrung, die man sich wie eine buddhistische Erleuchtung vorstellte.

Im Gegensatz zur Schlichtheit des Zens steht der tibetische Buddhismus, welcher mit Ritualen, Symbolen und rituellen Objekten angereichert ist. Der tibetische Buddhismus erlangte seit dem Einmarsch der Chinesen in Tibet 1950 in Amerika und Europa zunehmend Bekanntheit. Die Faszination am tibetischen Buddhismus wurde insbesondere durch die Schriften des Dalai-Lamas gestärkt. Dalai Lama Tenzin Gyatso (14. Dalai Lama) flüchtete 1959 nach Indien, von wo aus sich der tibetische Buddhismus rasch bis nach Europa die USA verbreitete. An verschiedenen Orten wurden Klöster und Zentren gegründet und zahlreiche Praktizierende fanden zusammen. Charismatische, tibetische Lehrer begannen sich mit westlichen Psychologen über die Spiritualität der menschlichen Psyche auszutauschen. Auch die Berichterstattung der westlichen Medien zur Situation in Tibet hatte einen Einfluss auf den Diskurs. Im Westen schlossen sich Menschen zusammen, um gegen die chinesische Regierung zu demonstrieren und Filme mit Stars wie Richard Gere und Harrison Ford lenkte das Interesse auf das Thema.

Der Buddhismus verweist jeden Menschen auf seine eigenen Erfahrungen und lässt ihn nur als wahr annehmen, was sich bei eigener Prüfung als wahr erweist.

Der Verweis auf die eigene Erfahrung und der Verzicht auf blosses Glauben garantieren dem Buddhismus bei den kritischen Wahrheitssuchern des Westens schon seit Generationen einen Ehrenplatz. Überdies weiss der gebildete Westen – mit den dunkeln Kapiteln in der Geschichte des Christentums sattsam vertraut – kaum um die schwierigen Passagen in der Geschichte buddhistischer Tradition. Der Buddhismus gilt im Westen nur halbwegs zu Recht als die friedliche Religion par excellence. Ein an christlichen Vorstellungen und Lehren irre gewordenes und doch mystikhungriges Denken sieht sich heute fast automatisch auf buddhistische Vorstellungen und Lehren verwiesen, wobei es sich mit diesen im Westen noch unbelasteten und unverbrauchten Vorstellungen und Lehren problemlos anfreunden kann.

Dieser sich vor allem unter Künstlern und Gebildeten ausbreitende Neo-Buddhismus des Westens bekennt sich zwar in seiner Selbstbezeichnung fast immer zur einen oder anderen der traditionellen buddhistischen Schulen. Der kritische Betrachter der neobuddhistischen Szene gewinnt aber den Eindruck, dass sich nach dem Theravada, dem Mahayana und dem Vajrayana in unseren Tagen ein viertes Fahrzeug in den Formen eines westlichen Buddhismus entwickelt, ein Buddhismus, für den der Weg wichtiger wird als das Ziel. «Prozessfahrzeug» oder pragmatischen Buddhismus könnten wir diese neue Form buddhistischer Spiritualität nennen. Das Nirvana, die Leere, die vollkommene Erleuchtung – all dies interessiert die Neobuddhisten wahrscheinlich nur am Rande. Auch Spekulationen über geistige Wesenheiten, über zahllose Vorleben und eventuell weitere Leben, über Buddhas anderer Zeiten und anderer Welten, kurz der ganz spirituelle Kosmos, der sich im Verlaufe der Jahrhunderte im Buddhismus entfaltete, ist Nebensache. Hauptsache: Der Buddhismus hilft mir hier und heute meinen Geist so zu schulen und zu reinigen, dass ich klarer, würdiger, gelassener, heiterer meinen Alltag bewältigen kann. Wenn ich buddhistisch meditiere, muss ich in Kürze positive Veränderungen in meinem Geist und meinem Leben spüren. Sonst schlage ich andere spirituelle Wege ein. Offensichtlich erleben zahlreiche Westler den Buddhismus als die valable, d.h. in kurzer Zeit positiv wirksame Spiritualität.

Anders lässt sich die Beliebtheit buddhistischer Meditationspraktiken im Westen nicht erklären. Wo aber der Weg wichtiger ist als das Ziel, ist auch die Welt und das Hier und Jetzt wichtiger als das Nichts, als das weltlose letzte Erlöschen. Mit seiner Bewertung des Hier und Jetzt und mit seinem Ja zur Welt hat das «Prozessfahrzeug» innerhalb der Geschichte des Buddhismus nochmals völlig neue Akzente gesetzt. Das befreiende Nichts des Erlöschens verblasst in der Liebe der neuen Buddhisten zum geläuterten Leben im Hier und Heute.

Eine vollständige Übersicht über alle im deutschsprachigen Mitteleuropa heute aktiven buddhistischen Gruppen und Zentren ist nicht mehr möglich. So müssten in der Schweiz – so die Schätzungen – heute etwa 100 Gruppen oder Zentren erwähnt werden mit 1000 bis 3000 aktiven «Mitgliedern» und bis zu 300 000 Sympathisanten (Tendenz steigend). Die Frage, wer als Buddhist gelten kann, lässt sich nur schwer entscheiden, da buddhistische Gemeinschaften oft keine offizielle Mitgliedschaft kennen oder fordern.

Keine Religion: Im Zuge der Rationalisierung des Buddhismus im Westen wurde er vermehrt als Philosophie oder Lebensstil gesehen und seine religiöse Natur negiert. Diese Anschauung hängt mit der westlichen Buddhismus-Rezeption zusammen, in dem der Buddhismus rationalistisch interpretiert wurde. Insbesondere der Theosoph Henry Steel Olcott und der von ihm beeinflusste singhalesische Buddhismus-Reformer Anagarika Dharmapala (gründete Maha Bodhi Society: erste buddhistische Organisation im Westen) trieben die Rationalisierung des Buddhismus voran. Durkheim fragte Aus religionswissenschaftlicher Sicht steht fest, dass der Buddhismus alle typischen Merkmale einer Religion aufweist: sangha als Heilsgüter vermittelnde Institution («Heilsanstalt» nach M. Weber),  Vergemeinschaftsformen, kohärentes Lehrsystem, Rituale, Mythologie, verbindliche Normen, konsistente Weltdeutungen und Weltbilder, sakrale Gegenstände und Handlungen, eine Heils- und Vergeltungslehre, welche Himmel und Hölle einschliesst, den Glauben an übermenschliche Mächte, Heiligenverehrung, usw.

Gewaltlosigkeit: Das friedfertige und tolerante Image des Buddhismus im Westen ist in den letzten Jahrzehnten relativiert worden durch Terrorhandlungen von Radikalgruppen, zu denken an Aum Shinri Kyo des Shoko Asahara mit ihren Giftgasanschlägen im Jahr 1995 in Tokyo, durch die Vertreibung der muslimischen Minderheit aus dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar, durch Missbrauchsskandale um buddhistische Meister und durch islamophobe, rechtslastige Äusserungen westlicher Buddhisten.

Keine Missionierung: Entgegen der geläufigen Annahme der Buddhismus missioniere nicht, lassen sich in der Geschichte des Buddhismus verschiedene Formen der Mission beobachten. Dass die zahlenmässig erfolgreichste buddhistische Organisation in der Schweiz, Soka Gakkai, betont missionarisch ist, relativiert das Bild vom auf Werbung verzichtenden Buddhismus. Auch die Anzeigen für buddhistische Meditationsretreats zeigt, wie der Buddhismus im Westen um Interessenten wirbt. Bereits Buddha soll zu seiner Zeit einen Missionsbefehl gegeben haben, wobei die Verbreitung des Dharma als verdienstvoll galt und die Methoden sehr unterschiedlich waren.

Kein „Glaube“: Häufig wird davon gesprochen, dass der Buddhismus, wenn er eine Religion ist, kein blinder Glaube an eine Lehre verlang. Vielmehr soll der Mensch zur persönlichen Einsicht aufgrund eigener Erfahrungen kommen. Die Lehre Buddhas sei lediglich ein Hilfswerk aber zur Erkenntnis müsse jeder selbst gelangen. Das ist eine stark vereinfachte und nur teilweise richtige Annahme. Denn um Buddhist zu sein muss man daran glauben, dass Buddha wirklich ein Erwachter war. Ebenso muss man an den Kreislauf der Wiedergeburten und die karmische Vergeltung glauben. Der Glaube ist dabei ebenso zentral wie in anderen Religionen. Zentrale Texte des Buddhismus gelten als das Wort Buddhas und sind nicht Sammelsurien rationaler Argumente.

Nur Meditation: Typisch ist auch die Ansicht, dass sich der Buddhismus vollkommen auf die Meditationspraxis ausrichtet. Jedoch spielt die Meditationspraxis eher eine untergeordnete Rolle in der monastischen Praxis. Die Schule des Reinen Landes oder die Nichiren-Tradition weisen nicht einmal solche Formen der Meditation auf. Dieses Vorurteil geht, wie so vieles, auf die frühe westliche Buddhismusrezeption zurück, in der der Buddhismus rationalisiert wurde. Erneut waren es insbesondere Henry Steel Olcott und Anagarika Dharmapala, die diese Sicht prägten. Auch der japanische Laien-Buddhist D.T. Suzuki, der das Bild des Zens massgeblich bestimmte, war an der Verbreitung des Meditation-Topos beteiligt. Interessanterweise beeinflusste die westliche Begeisterung für die Meditation auch den asiatischen Buddhismus, wo die Zen-Meditation einen Aufschwung erlebt. Jedoch gilt im asiatischen Buddhismus weiterhin, dass die Meditationspraxis nicht unabhängig von religiösen Anschauungen funktioniert.

Kein Himmel, keine Hölle: Der Buddhismus wird oft als Religion dargestellt, die keinen Himmel und keine Hölle hat. Dies ist eine falsche Annahme, da der Buddhismus eine Vielzahl an Himmeln kennt. Im Theravada beispielweise gibt es 26 Himmel. Der berühmteste ist Tusita, aus dem der Buddha Sakyamuni auf die Erde niederkam und in dem der künftige Buddha Maitreya auf seinen Einsatz wartet. Eine Geburt in einem Himmelsbereich war für Buddhisten schon immer erstrebenswert, wobei im Pali-Kanon Praktiken zur Realisierung dieses Wunsches niedergeschrieben sind. Auch die Hölle ist im Buddhismus vertreten. Zu Beginn war es. Noch eine grosse Hölle, die sich im Verlaufe der Zeit zu einem System von acht Höllen mit jeweils vier zugeordneten Höllen entwickelte. Schliesslich wurden die Höllen in acht heisse und acht kalte mit kleinen Nebenhöllen eingeteilt. Die Zeit in der Hölle ist, wie in jedem anderen Bereich des buddhistischen Daseins, nur bergrenzt und dauert so lange wie das schlechte Karma dauert.

Vegetarismus: Überzeugte Buddhisten essen kein Fleisch – so die weitverbreitete Annahme. Zwar gehört der Vegetarismus zu den Merkmalen des chinesischen Buddhismus aber die Ordensregeln schreiben ihn nicht vor. Mönchen und Nonnen ist es verboten, als Almosen angebotene Speisen abzulehnen, auch wenn es sich um Fleisch oder Fisch handelt. Jedoch ist der Fleischverzehr an drei Bedingungen geknüpft, die das Fleisch «rein» machen: Das Fleisch darf nicht von einem Tier stammen, vom den der Mönch oder die Nonne annimmt, nicht gesehen oder gehört hat, dass es für sie getötet wurde. Damit steht die Entkoppelung von Verzehr und Tötung im Fokus. Der Mönch, die Nonne darf nicht die Ursache für das Leiden des Tieres sein.

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