Chinesische Volksreligion

Der chinesische Begriff 中国民间信仰 in der Republik China und 中國民間信仰 in Taiwan (Zhōngguó mínjiān xìnyǎng) = «chinesischer Volksglaube» wird für spezifische Gemeinschaften, die sog. «Heilsbringersekten» verwendet. Hier soll aber die traditionelle chinesische Religion diskutiert werden, die an der Basis der chinesischen Kultur steht und das tägliche Leben in China beeinflusst.

Die Ursprünge der chinesischen Volksreligion stammen aus dem Schamanismus. Dieser überlebte bis heute in einer abgeänderten Form und war u.a. die Grundlage des Daoismus. Die Spuren des Schamanismus sind sichtbar in archäologischen Funden und werden in Verbindung mit den ersten chinesischen Schriftzeichen gebracht. Diese Schriftzeichen wurden auf sog. „Orakelknochen“ (甲骨, Knochenpanzer), Schildkrötenpanzer oder Schulterblätter gefunden, mit welchen den Ahnen Fragen gestellt wurden. Anhand von Rissen, die durch Hitze entstanden, wurden Antworten gelesen. Die Ahnen sind göttliche Kräfte, die nach dem Tod den Nachkommen helfen können, sofern diese Opfer bringen und die Ahnen ehren. Auch wurden in den frühen Tagen des chinesischen Schamanismus vergöttlichte Menschen und kosmische Kräfte wie Erdgötter angebetet.

In der Han-Dynastie (202 v.Chr. – 220) wurden Verehrungsgruppen gebildet, die sich jeweils an einem gemeinsamen Altar trafen, um Gottheiten anzubeten. Meist waren dies landwirtschaftliche Gottheiten oder vergöttlichte Personen. Nachdem der Buddhismus nach China kam, wurden die Prinzipien des Schamanismus und des Buddhismus verschmolzen. Die Art der Feierlichkeiten im Buddhismus und der Volksreligion sind sich ähnlich, die Tänze und Prozessionen ergänzten sich sehr gut. Schon vorher wurde die Volksreligion zu einem eigenständigen Glauben, der durch die Einführung von Daoismus und Konfuzianismus Form annahm. Diverse Kulte hinduistischer Gottheiten wie Ganesha entstanden ebenfalls zu dieser Zeit und werden als Abzweigungen des Volksglaubens betrachtet.

Im China des 19. Jahrhunderts wurde die Volksreligion verfolgt. Tempel wurden in Revolutionen (Taiping (1850-1864) und Boxer (1899-1901)) zerstört oder umfunktioniert, um Soldaten zu beherbergen. Die alte Religion wurde als Hindernis der Modernisierung angesehen, ein Überbleibsel einer vergangenen Zeit das in der Gesellschaft keinen Platz mehr hat. 1904 wurden die noch übrig bleibenden Tempel weiter gefährdet durch ein Gesetz, dass die Bildung von Schulen auf Tempelgrund erlaubte. 1928 gab die Kuomintang Richtlinien für die anzubetenden Götter, die ausser dem mythischen ersten Kaiser der Xia-Dynastie (2070-1600 v.Chr.), Yu der Grosse (大禹), Guanyu (關羽, ein berühmter General der Han-Zeit) und Konfuzius alle in Vergessenheit geraten sollten.

In der Kulturrevolution (1966 – 1976) waren weitere Massnahmen zur Eindämmung der Volksreligion in Kraft gesetzt, doch schon ab 1978 begann der Neuaufbau vieler Tempel und die Wiederbelebung der Volksreligion in der breiten Masse. Die Regierung Chinas begann eine Laissez-faire Einstellung gegenüber den ländlichen Gegenden. Manche lokalen Regierungen der Gegenden wurden im Laufe der Jahre sogar zu Unterstützer der Volksreligion und priesen sie als Kulturerbe. Heute ist die Volksreligion im Alltag vieler Chinesen verankert, entweder durch kleine tägliche Rituale oder durch die öffentlichen Feiern und Festtage.

Die Frage um einen allmächtigen Gott oder um ein Leben nach dem Tod steht in China nicht im Vordergrund. So gibt es das Konzept des Himmels tian 天, doch im Grunde besteht alles, was existiert, aus der Lebenskraft qi 氣/气. Qi ist die Kraft des Universums und wird auch Ch’i, Ki oder Gi genannt. Übersetzt bedeutet es „Dampf“, „Wolke“, „Atem“, „Nahrung“ und „Kommunikation“. Es ist die Luft, der Atem, die Atmosphäre und die Quelle der Lebensenergie. Diese Kraft ist immer fliessend. Im Alltagsgebrauch wird von „schlechtem Qi“ gesprochen, doch es ist der Einfluss auf das Qi der schlecht ist. Schlechtes Qi muss in Harmonie mit gutem Qi stehen (wobei aber die Ansammlung von viel gutem Qi erwünscht ist).

Qi kann in die Yin阴und Yang阳-Energien (alternative: 陰陽) aufgeteilt werden, wobei das Yin-Qi besonders positiv dargestellt wird und das Yang-Qi negativ. Yin und Yang bezeichnet die Gegensätzlichkeit von dunkel und hell, aktiv und passiv, männlich und weiblich, warm und kalt. Die bekannteste Darstellung von Ying und Yang ist das Taijitu, ein Kreis, in der das individuelle Yin und Yang in gegensätzlicher Verbindung stehen. Die Lehre besagt, dass es zwei Basiskräfte gibt, aus der das Universum zusammengestellt ist und nur in ihrer Harmonie kann das Universum funktionieren. Ohne Hell gibt es kein Dunkel, ohne Kalt kein Warm etc. Yin (dunkel, kalt, weiblich) ist dabei eine negative Kraft, Yang (hell, warm, männlich) eine positive.

Der chinesische Volksglaube beinhaltet Anspielungen auf Mythologie, Geschichte und die Theorien sowie Rituale aus verschiedenen Religionen. So sind Daoismus und Konfuzianismus ebenso wie der Buddhismus vertreten. Die Verschmelzung dieser diversen Religionen bildet ein harmonisches Zusammenleben von ähnlichen oder gleichen Konzepten und die Verschmelzung von Feiern und Anbetungsarten.

Im Vordergrund stehen die Ahnen, die verstorbenen Vorfahren der Familie. Dabei gilt die männliche Erbfolge, denn Töchter werden bei der Heirat Teil der Familie ihrer Ehemänner. Die Verehrung der Ahnen kann durch kleinere Opfergaben wie Speis und Trank oder Weihrauch abgehalten werden und findet oft im Haus selbst statt. Die Ahnen sind wohlwollende Entitäten, die Familien leiten sollen. Der älteste männliche Bewohner eines Hauses ist meist der Überbringer der Opfergaben.

Im Volksglauben sind neben den Ahnen auch kulturelle Helden, Gottheiten und Prinzipien wichtig. Die Konzepte von Karma und konfuzianische Richtlinien finden sich ebenso abgebildet.

-Baoying

Das Konzept von Baoying (报应) ist das eines moralischen Universums, in dem gute Taten auch gute Folgen haben, schlechte Taten aber ebenfalls schlechte Auswirkungen erreichen. So wird es auch kosmische Vergeltung genannt, wobei es im Buddhismus und Daoismus als dharmische Vergeltung ebenfalls vorkommt.

-Mingyun

Mingyun (命运) ist das Konzept der vorgegebenen Bahn des eigenen Lebens, das aber gleichzeitig flexibel durch Baoying beeinflusst werden kann. Es ist die statische persönliche Bestimmung im Leben im Zusammenhang mit den Folgen der individuellen Wahl durch die Taten, die man vollbringt.

-Yuanfen

Mit dem buddhistischen Konzept von Karma vergleichbar ist Yuanfen (缘分), die Schicksalsbestimmung zwischen Personen. Yuanfen ist interaktiv und wird durch die Taten vorhergegangener Reinkarnationen beeinflusst. Yuanfen wird in Beziehungen aufgerufen und kann als Grund für eine Trennung genannt werden. Doch ist nicht nur das Liebesleben ein Fokus des Einflusses des Yuanfen, sondern alle interpersonellen Beziehungen sind durch Yuanfen vorherbestimmt.

-Wu

Das Bewusstsein von Baoying wird Wu (悟) genannt. Dieses Bewusstsein bringt den Menschen in Aktion und beeinflusst die Verantwortung gegenüber dem Menschen selbst und den Mitmenschen positiv.

Auch Wuismus (巫教) genannt, der chinesische Schamanismus gilt als eine der ältesten Traditionen.

In der Shang-Dynastie (1600-1046 v.Chr.) entstanden die Grundzüge des Schamanismus mit der Ahnenverehrung sowie der Anbetung von Naturphänomenen und Sternen wie Planeten. Die Methode der wu (巫, Schamanen) wurde gleichzeitig wie die Orakelknochen verwendet, je nach dem Gebrauch der Vorhersagen.

Später wechselte der Fokus der Schamanen auf landwirtschaftliche statt kosmische Fragen.

Die Dynastie der Qing (1636-1912) verband Schamanismus mit dem Staat und liess offizielle Bücher über Schamanismus schreiben, um die Kunst nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

In der Praxis wird der chinesische Schamanismus mittels ekstatischen Tänzen, Gesang und Ausrufen ausgeübt. Die Tänze sollen die Drachen und Götter schmeicheln und diese um z.B. Regen bitten.

Das Konzept des tian ist im Konfuzianismus, wie auch im Daoismus ähnlich. Dieses Grundprinzip des Himmels, das der Erde als Vorbild und Spiegel dienen soll, ist eine Erklärung für das Himmelsmandat, das Recht des Kaisers auf Herrschaft. Im Himmel sind ausserdem Sternenkonstellationen, wobei das Sternbild des Grossen Wagens im Mittelpunkt steht, umringt in den vier Himmelsrichtungen mit je sieben Sternzeichen. Jede Himmelsrichtung wird einem mythischen Lebewesen zugeordnet. So ist im Norden die Schwarze Schildkröte, im Osten der Weisse Tiger, im Süden der Rote Vogel oder der Phönix und im Westen der Grüne Drache verteilt.

Die Planeten Venus (Metall), Jupiter (Holz), Merkur (Wasser), Mars (Feuer) und Saturn (Erde) sind den jeweiligen Elementen zugeordnet und waren somit auch Teil von Weissagungen. Gestirne und deren Bewegung und Stand sind wichtig für die korrekte Ausführung von Riten. Somit wurde in vielen Kaiserhöfen ein Astrologe angestellt.

Die kosmologischen Einflüsse auf Orakel wie z.B. I Ging basieren auf den Sternenbahnen und –Positionen.

Mit der Entstehung von Mythen wurde das Konzept eines Himmels (tian 天) entwickelt. Dabei besteht das Konzept der Erde aus einem Viereck (den Himmelsrichtungen entsprechend) und Tian wird von Säulen (Bäume, Berge oder anderes wie z.B. die Beine einer Schildkröte) in der Höhe gehalten. Dabei ist tian ein Abbild der Erde, also hat ebenfalls eine Hierarchie wie das chinesische Kaiserreich. Es herrscht also ein Kaiser, der einen Palast hat und eine grossflächige Bürokratiegesellschaft mit allen möglichen Funktionen die es für ein Reich braucht. Im Daoismus wird der Kaiser als der „Jadekaiser“ bezeichnet. Die Landschaft des tian beinhaltet die Sterne und Sternzeichen, die mit wichtigen Orten oder Gebäuden assoziiert werden.

Ebenso entstand ein Konzept der Unterwelt, oder der „Hölle“. Auch dort spiegelt sich das Leben auf der Erde, nur mit der zusätzlichen Folter der Seelen von Übeltätern bis diese zur Reinkarnation bereit sind. Dabei gibt es auch in der Unterwelt eine Bürokratie mit strengen Regeln und Aufgaben. Diese „Hölle“ wird Diyu (地狱) genannt. Der buddhistische dharmapala Yama (Yanwang 阎王 oder auch Yanluo Wang 閻羅王) soll als Herrscher von Diyu eingesetzt worden sein. Er habe Diyu in zehn Teile unterteilt, die jeweils ein König haben und ihm folgten. Später wurde Diyu auf 18 Höllen erweitert.

Der Begriff tian 天 kann „Himmel“ oder auch eine Gottheit bezeichnen. Als Gott ist Tian vergleichbar mit Shangdi, dem obersten Herrscher, doch oft werden diese zu einem einzigen Gott zusammengefügt und als Synonym verwendet. Es besteht die Annahme, dass tian zuerst nur den Ort (Himmel) bezeichnete und Shangdi der oberste Ahnenherrscher im Himmel war. Tian wurde zuerst in der Zeit der Zhou (1046-256 v. Chr.) genannt.

Tian war für die Bevölkerung deshalb wichtig, weil unter Tian die Fruchtbarkeit und der Einfluss der jeweiligen Herrscher aufblühen oder vergehen können. So sind Naturkatastrophen ein Zeichen von schlechter Herrschaft, die oft dann einem Dynastiewechsel vorgehen. Um dies zu verhindern liegt es am Kaiser/an den Königen die Macht mit Opfern zu besänftigen.

Die Herrscher werden als „Sohn des Himmels (tianzi 天子)“ bezeichnet und erhielten ihr Herrschermandat (tianming 天命) von Tian. Dieses Herrschermandat kann aber auch entzogen werden, sollte der Herrscher dem Volk nicht gerecht sein.

Im Verlauf der Geschichte wurde tian nicht mehr als eine Person oder ein Ort angesehen, sondern wurde zum Konzept von „natürlich“ und „Schicksal“ und somit auch zur Herkunft vom moralischen Gesetz.

Die 12 chinesischen Sternzeichen werden nach Jahr geordnet und repräsentieren jeweils ein Tier, das einem der 12 Erdzweigen (antikes Datierungssystem), entweder Yin oder Yang, einem astrologischen Aspekt und einem Element zugeordnet ist. Das Sternzeichentier soll wie die westlichen Sternzeichen ein Indikator für Orakel und Persönlichkeit sein. Neben dem Jahrestier gibt es auch ein Monatstier, ein Tagestier und sogar ein Tier der Stunde, was für ein Orakel benötigt wird. Die Tiere sind Ratte, Ochse, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd, Ziege, Affe, Hahn, Hund und Schwein. Das neue Jahr (im chinesischen Kalender) steht für einen Wechsel des Jahrestiers in der genannten Reihenfolge. Nach dem Jahr des Schweines kommt das Jahr der Ratte.

Die Sanxing (三星) sind die Personifikationen der drei wichtigsten Sternenkonstellationen der chinesischen Astrologie und Mythologie: Jupiter, der Grosse Wagen (Ursa Major) und Canpous, einer der hellsten Sterne am Himmel. Sie werden als drei weise alte Männer mit Bart dargestellt und stehen für Glück, Reichtum und langes Leben. Somit werden sie vor allem beim chinesischen neuen Jahr verehrt.

Die drei Sternengötter sind:

Fuxing (福星), der personifizierte Planet Jupiter (Fu 福), der Stern des Wohlstandes und Reichtums.

Luxing (祿星), der personifizierte Stern Mizar (Lu 祿) im Sternbild des grossen Wagens. Er steht für Einfluss und Glück.

Shouxing (壽星), der Stern Canpous (壽) ist für die Lebenslänge der Menschen verantwortlich. Somit steht er für die Langlebigkeit und wird manchmal mit Laozi zusammengefügt.

Pangu (盘古/盤古) ist die Urgottheit in einem der chinesischen Ursprungsmythen. Er entstand in einem kosmischen Ei als Folge der idealen Balance aus Yin und Yang Energien, nachdem das kosmische Ei 18’000 Jahre ruhte. Pangu ist ein haariger Riese mit Hörnern auf dem Kopf und wird als primitiv dargestellt. Mit einer Axt spaltete Pangu das Yin vom Yang und erschuf die Erde und den Himmel. Um diese auseinanderzuhalten nahm er den Himmel auf die Schultern und drückte ihn nach oben. Dabei wurde er von den vier Himmelstieren unterstützt, Schildkröte, Qilin (ein mythisches Huftier), Phönix und Drache.

Nach weiteren 18’000 Jahren atmete Pangu und sein Atem wurde zu Wind, Nebel und Wolken, seine Stimme wurde zum Donner, seine Augen zu Sonne und Mond, sein Kopf zu Bergen, sein Blut zu Flüssen, seine Muskeln zu nahrhaftem Land, seine Gesichtsbehaarung zu Sternen (u.a. die Milchstrasse), sein Fell zu Büschen und Wäldern, seine Knochen zu Mineralien, sein Knochenmark zu Juwelen, sein Schweiss zu Regen und die Fliegen auf seinem Fell wurden zu Tieren.

Die Zwillinge Nüwa (女媧) und Fuxi (伏羲) sind die Erschaffer der Menschheit. Sie sind Nachkommen von Pangu und sind halb Mensch, halb Schlange und werden zusammen oft mit Schlangenunterkörpern die sich ineinander verwinden abgebildet. Sie sind aber gleichzeitig die Urmenschen und ihre Vereinigung war die erste Ehe. Eine der Legenden besagt, sie entschieden sich zu dieser Ehe als sie je ein Feuer errichteten, diese sich aber im Verlaufe der Nacht zu seinem Feuer vereinten. Sie erschufen Kinder, indem Nüwa sorgfältig mit Lehn die Menschen formte, bis es ihr zu viel wurde und sie ein schnelleres System entwickelte, um die Menschen in Massen zu produzieren. Dies wird als eine Erklärung für die sozialen Stände benutzt, da Nüwa die wenigen Menschen, die sie von Hand geschaffen hatte mit mehr Wichtigkeit betrachtete. Diese bildeten den Adel, die massenproduzierten Menschen den Bauernstand.

Nüwa war die zweite Herrscherin der Welt nach Pangu und unter ihr brachen die Pfeiler, deren Aufgabe es war, die Erde zu stützen, auseinander. Die Erde war somit plötzlich schräg und Chaos herrschte. Nüwa reparierte den Himmel, der im Durcheinander ein Loch bekam, mit fünf verschiedenfarbigen Steinen und jagte eine Schildkröte, deren Beine sie abschnitt und als Pfeiler einsetzte.

Unter Nüwa war jedoch noch nicht eine soziale Ordnung vorhanden, weshalb Fuxi übernahm und diese erstellte. Fuxi unterrichtete die Menschen im Kochen, im Jagen und Fischen und im Herstellen von Waffen. Er wird auch mit dem I Ging in Verbindung gebracht und gilt als dessen Erfinder.

Huangdi (黃帝 / 黄帝) ist auch unter dem Beinamen «Der Gelbe Kaiser» bekannt. Seine legendäre Regierungszeit soll von 2698-2598 v. Chr. gedauert haben und er wurde 113 Jahre alt. Ihm wurden die Begründung der chinesischen Kultur und zahlreiche Erfindungen nachgesagt.

Trotz seines legendären Status soll er wirklich existiert haben, doch Forscher meinen, er könnte auch als Gott mit der Zeit zu einem Menschen gemacht worden sein. Er wurde zuerst in der Zeit der Kriegerischen Staaten (475-403 v.Chr.) schriftlich erwähnt, nur einige Bronzegefässe nannten ihn schon früher. Diese Zeit war jedoch sehr wichtig für seine Legende, denn der erste Kaiser der Qin-Dynastie (221-207 v. Chr.), Qin Shi Huang (秦始皇), nahm an ihm sein Vorbild und nannte Huangdi seinen Ahnen.

Der Gelbe Kaiser soll viele Schriften verfasst haben, die u.a. den Daoismus inspiriert haben sollen und er wurde in diesem Fall auch mit Laozi verglichen. Später im 20. Jahrhundert wurde er zum Vorfahren aller Chinesen erhoben. Auf Banknoten wurde er 1912 verewigt als der Urahn der Fünf Rassen (Han-Chinesen, Mandschu, Mongolen, Tibetaner und Hui). Seine Verehrung wurde in der Kulturrevolution (1966-1976) verboten, doch 1980 wurde der Kult von der Regierung selbst wiederhergestellt.

Huangdi wurde nachgesagt, dass er von einer jungfräulichen Mutter geboren wurde, als diese von einem Blitz geschwängert worden sei. Er wurde ein Bauer in Hebei und zähmte sechs Bestien. Unter ihm wurde das Leben besser, denn er erfand das Konzept des Hauses, des Anbaus von Getreide und den Wagen sowie Boote und Kleider. Ausserdem erfand er Dinge wie das Diadem, die Astrologie, Mathematik und cuju (蹴鞠, antikes chinesisches Fussball). Er besiegte dämonenähnliche Horden und wurde so zum Kaiser. Vor seinem Tod (er lebte über 100 Jahre) soll er ein Phönix und ein Qilin (ein mythisches Huftier das nur Gutes unterstützt) getroffen haben.

Drachen sind in China nicht die feuerspeienden Bestien, die besiegt werden müssen, da sie eine Plage sind wie in der westlichen Tradition. Drachen in China sind die Personifikation von Flüssen, Regen und Wasser, sie sind Glücksbringer und eines der höchststehenden mythischen Tiere. Der Kaiser verzierte seine Roben mit Drachen, und die fünf Wufang Shangdi (五方上帝) reiten auf ihnen oder werden mit ihnen gleichgestellt. Auch der Kaiser stellt sich selbst als Drache dar, da der Drache auch für die kaiserliche Macht steht.

Der chinesische Drache long  (龍) besteht meist aus einem langen, schlangenartigen Körper und vier Beinen, die in Adlersklauen enden, die Fussballen sind die eines Tigers. Sein Kopf ist der eines Kamels, die Hörner eines Hirsches, die Augen eines Dämons und die Ohren einer Kuh. Sein Bauch ist der einer Muschel und die Schuppen die eines Karpfen. Auf seinem Kopf hat der Drache einen Klumpen, ein chimu (尺木), ohne welches er nicht in den Himmel aufsteigen kann. Viele Abbildungen lassen den Drachen eine Perle in der Klaue halten, die spiritueller Kraft, Weisheit, Wohlstand, Macht, Unsterblichkeit, Donner oder den Mond darstellt. Ausserdem ist der Drache mit der Yang-Energie verbunden und steht für die Kraft.

Es gibt vier Drachenkönige, die sich unter dem Drachengott Longwang (龍王) vereinen. Longwang bekommt seine Aufträge direkt vom Jadekaiser. Die Drachenkönige stehen für jeweils einen Wasserkörper. Der Gelbe Drache Huanglong (黃龍) steht für keinen, da er den Gelben Kaiser, oder Huangdi/ Huangshen (黄帝, 黄神), der Gelbe Gott verkörpert. Jeder Drachenkönig hat den Nachnamen Ao (敖, spielerisch oder stolz). Nach der chinesischen Namensgebung wird der Nachname vor dem Vornahmen genannt.

Blaugrüner Drache/Azurblauer Drache (Qinglong靑龍): Sein Reich ist das Ostchinesische Meer. Er ist der Drachengott des Ostens und des Frühlings und wird auch Ao Guang genannt (敖光).

Der Schwarze Drache Xuanlong oder Heilong (玄龍, 黑龍) ist der Drachengott des Nordens und des Winters. Sein Wasserkörper ist der Baikalsee und er wird auch Ao Shun (敖順) oder Ao Ming (敖明) genannt.

Der Rote Drache Zhulong (朱龍, auch Chilong赤龍) ist der Drachengott des Südens und des Sommers. Sein Meer ist das Südchinesische Meer und sein Name ist Ao Qin (敖欽).

Der Weisse Drache Bailong (白龍) steht für den Westen und den Herbst. Er verkörpert den Qinghai-See und wird auch Ao Run (敖閏), Ao Jun (敖君) oder Ao Ji (敖吉) genannt.

Shennong (神農) ist der himmlische Bauer, ein mythologischer Herrscher und Gottheit. Sein Körper ist der eines Menschen und sein Kopf der eines Bullen, doch wird er auch als ganzer Mensch abgebildet. Er soll den Menschen die Agrikultur beigebracht haben und für die medizinische Praxis des Akupunktierens sowie die Anpflanzung medizinischer Heilkräuter verantwortlich sein. Er soll auch die Hacke, den Pflug, die Axt und viele andere landwirtschaftliche Gegenstände und Gebräuche (z.B. den Markt) erfunden haben.

Shangdi, Shang-ti oder auch nur Di (上帝/ 帝) ist der höchste Gott in klassischen Texten und wird oft mit tian gleichgesetzt. Heute wird der Begriff noch im christlichen Kontext und in chinesischen Heilsbringerglauben sowie als nichtreligiöse Übersetzung vom Gott der abrahamischen Religionen verwendet. In klassischer Bibelübersetzung wird Gott神 (shen) genannt.

Shangdi wurde zuerst auf den Orakelknochen der Shang-Dynastie (ca. 1600-1046 v. Chr.) genannt. Orakelknochen wurden für Vorhersagen verwendet. Beim Orakel wurde eine Frage auf Schulterblätter oder Schildkrötenpanzer eingeritzt, der Knochen erhitzt und anhand der Risse, die sich dadurch bilden, eine Antwort abgelesen.

Shangdi regiert über den Himmel und hat wie Tian die Macht, den Kaiser als sein Sohn auf Erden einzusetzen. Wie auch Tian wird er dem Himmel gleichgesetzt und ist eine Gottheit mit Einfluss auf die Natur und das Schicksal der Menschen. Er ist ausserdem für die Seelen der Verstorbenen und eine Hierarchie anderer Götter zuständig. Seine Position sollte die des Kaisers im Himmel spiegeln. Der Jade-Kaiser des Daoismus basiert auf seinem Vorbild.

Die Wufang Shangdi (五方上帝) sind fünf Formen von Shangdi/Di (上帝/ 帝). Sie haben jeweils eine Kreationsphase, Farbe, Himmelsrichtung, heiliger Berg und ein Element sowie ein Planet assoziiert. Ausserdem besitzen sie eine himmlische, menschliche (Himmelsrichtung) und chthonische (Drachen) Form. Die Drachengötter sind zugleich auch ihre Reittiere wie eine Form, die sie annehmen können. Sie wurden zuerst in der Shang-Dynastie (ca. 1600-1046 v. Chr.) verehrt und gerieten in Vergessenheit bis zur Qin-Dynastie (221-207 v. Chr.), worauf der Glaube in sie durch eine Opfergabe und Zentralisierung von Tempeln wieder in den Vordergrund geriet.

Die fünf Götter sind:

Huangdi/ Huangshen (黄帝, 黄神), der gelbe Gott. Er ist der Gott der Erde Di sowie ein Held, der den Wagen erfunden hat. Er steht für Licht und Blitz, Saturn sowie den Gelben Drachen Huanglong (黄龙). Seine menschliche Form wurde von einer Jungfrau geboren, und er wurde für eine spirituelle Form von Huangdi (黄帝), dem Gelben Kaiser gehalten. Sein Berg ist der Kunlun, die Brücke zwischen Himmel und Erde. Er wird mit Brahma gleichgesetzt und manchmal mit vier Gesichtern dargestellt.

Cangdi/Cangshen (蒼帝, 蒼神) ist der Grüne Gott des Ostens. Er wird mit Holz, Frühling und Fruchtbarkeit assoziiert, sein Drache sowie seine Tierform sind der Blaugrüne Drache Qinglong (青龙). Er wird auch mit Fuxi(伏羲), dem Schöpfergott gleichgestellt und entspricht dem Planeten Jupiter sowie dem Berg Tai Shan.

Heidi/Heishen (黑帝, 黑神) ist der Schwarze Gott des Nordens. Er wird durch eine Schildkrötenschlange dargestellt und mit Wasser und Winter assoziiert. Sein Drache ist der Schwarze Drache Xuanlong (玄龙) und sein Planet ist Merkur. Er wird auch als Beiyuedadi (Grosser Gott des Nördlichen Gipfels 北岳大帝) bezeichnet. Heidi ist ein Krieger, der für Sieg und den Triumph über das Böse steht.

Chidi/Chishen (赤帝, 赤神) ist der Rote Gott des Südens. Sein Element, das Feuer, spielt in diversen Mythen eine Rolle, wobei er als der Gegner von Huangdi dargestellt wird (die sich aber nach Chidis Niederlage ergänzen als Gegensätze). Er wird auch mit Shennong (神农, der menschliche Urherrscher von den Drei Souveränen 三皇) gleichgesetzt. Sein Drache ist der Rote Drache Zhulong (朱龙) und der Phönix gilt als sein Tier. Er steht für Sommer, Agrikultur, Tierhaltung, Medizinpflanzen und der Markt. Somit ist er der Schutzgott der Ärzte und Apotheker sowie der Wissenschaft. Mars ist sein Himmelskörper.

Baidi/Baishen (白帝, 白神) ist der Weisse Gott des Westens. Er wird als Shaohao (少昊), der Sohn von Huangdi verehrt und steht für Metall und Herbst. Sein Tier ist der weisse Tiger und sein Drache ist Bailong (白龙), der Weisse Drache. Im Himmel verkörpert ihn Venus.

Der Jadekaiser, Yu Di (玉帝) oder Yu Huang (玉皇) genannt, wird als der (spirituelle) Vater und Ahne des irdischen Kaisers angesehen. Der Jadekaiser regiert über den Berg Kunlun, der ein idealer Mikrokosmos des irdischen Reiches darstellt, wo die Unsterblichen (Xian) leben. Seine Herrschaft wird als Idealbild des Kaisers auf Erden angesehen. Der Jadekaiser ist der wichtigste Gott im Konfuzianismus.

Seine Gabe an die Menschheit ist die Jade und die Methoden zur Bearbeitung derselben, was zu einer technischen Entwicklung in der mythologischen Xia-Dynastie (ca. 2200 – 1800 v.Chr.) führte. Jade ist im chinesischen Glauben ein Mineral, das eine ausserordentliche Reinheit besitzt und mit dem man in die Verbindung zum Göttlichen gelangen kann. Seine Aufgabe ist es, wie der Kaiser über Himmel und Erde zu herrschen. Er entscheidet über die Position und den «Beruf» seiner untergebenen Götter.

Die Acht Unsterblichen haben einen zentralen Platz im Daoistischen Weltbild. Allesamt waren sie einst sterblich und erlangten die Unsterblichkeit durch diverse Methoden. Sie zeigen den Weg des Dao. Als Unsterbliche werden sie verehrt, so sind sie auch sehr nahe an den Menschen, feiern sie doch gerne lange, ausgelassene Trunkgelage.

– Lü Dongbin (呂洞賓) ist der Anführer der acht Unsterblichen und wird mit dem Fliegenwedel der Daoisten sowie einem Schwert dargestellt. Diese zwei Attribute sind die Zeichen eines reinen und seriösen Daoisten. Er ist der Schutzheilige der Barbiere.

– He Xiangu (何仙姑) wird als eine weibliche Xian mit Lotusblüte und einem Pfirsich dargestellt. Sie hat ebenfalls ein Instrument, eine Sheng-Mundorgel. Ihre Keuschheit und Askese machten sie unsterblich.

– Cao Guojiu (曹國舅) ist angeblich mit dem Song-Kaiserhaus verwandt. Seine Attribute sind Kastagnetten und eine Jadetafel. Er ist der Schutzpatron der Schauspieler.

– Lie Tieguai (李鐵拐) wird als geistig gestört dargestellt, mit einer eisernen Krücke und einem Flaschenkürbis (ein Behälter für Medizin). Er ist der Schutzheilige der Kranken und hilft den Schwachen und Bedürftigen.

– Lan Caihe (藍采和), dessen Geschlecht nicht bestimmt ist, wird mit einem Blumenkorb dargestellt. Dieser Xian ist Schutzheiliger der Blumenhändlers und der Gärtner.

– Han Xiangzi (韓湘子) ist angeblich der Neffe eines Gelehrten aus der Tang-Dynastie (617/8-907). Sein Attribut ist eine Flöte und er ist Schutzpatron der Musiker.

– Zhang Guolao (張果老) ist ein alter Gelehrter, der mit dem hohen Alter assoziiert wird. Seine Attribute sind ein Maultier und eine Bambustrommel.

– Zhongli Quan (鍾離權) wird oft mit einem Fächer dargestellt, er ist zuständig für Militär und Tod. Er soll im Besitz der Fähigkeit sein, Silber und Gold zu erschaffen.

Xian (仙/仚/僊) sind die Lebewesen, die unsterblich sind. Am häufigsten wird das Wort und Konzept im daoistischen Kontext benutzt, aber auch in der Alchemie, Mythologie und in der Literatur spielen die xian eine Rolle. Dabei sind sie fähig, zu fliegen, müssen nichts essen und brauchen keinen Schlaf. Die Suche nach der Unsterblichkeit endet mit dem Erreichen von xian.

Xian werden kann man indem man spirituell, körperlich oder mittels dem Elixir des Lebens die Unsterblichkeit erreicht. Die xian sind schöne Wesen, die über dem Normalsterblichen existieren, oder auch Einsiedler. Die Acht Unsterblichen sind die bekanntesten xian. Meist sind Unsterbliche wohlwollend und von der lebenden Welt nicht allzu sehr beeinflusst.

Die Geister hingegen werden nicht immer so positiv dargestellt. Während auch die Ahnenverehrung mit Geistern zu tun hat, ist die Mehrzahl der Geister böswillig. Sie sind bestrafte Seelen, die nach einer Weile sogar zu Dämonen werden können.

Die Konzepte von Göttern, Geistern und Reinkarnation sowie Karma spielen in der chinesischen Volksreligion eine grosse Rolle. Ausserdem werden Bodhisattvas und Devas als wohlwollende Wesen verehrt und vergöttert. Die Verehrung der Vorfahren, verbunden mit der Hoffnung, dass sie dadurch friedlich gestimmt sein und damit Frieden bringen würden, hat ebenfalls vom buddhistischen Einfluss profitiert. Das Verbrennen von Weihrauch ist ein gemeinsamer Faktor in der chinesischen Volksreligion und im Buddhismus sowie auch im Daoismus und Konfuzianismus.

Guanyin, Guan Yin oder Kuan Yin (觀音) ist ein Bodhisattva des Mitgefühls (Avalokiteśvara). Guanyin wird entweder als Frau oder als Mann dargestellt und ist die beliebteste Bodhisattva in China. So hat Guanyin auch diverse Rollen in der Mythologie sowie in klassischen Geschichten, am bekanntesten die «Reise in den Westen».

Im Lotussutra werden die Lehren von  Avalokiteśvara im 25. Kapitel aufgeführt und zeigen ihn als wohlwollenden Bodhisattva, der alle Gedanken hört und den Hilfesuchenden hilft. Durch diese Merkmale ist Guanyin in China sehr populär und hat viele Assoziationen: Fruchtbarkeit, Landwirtschaft, Glück, Gesundheit und Einsatz für Kranke und Hilflose.

Im chinesischen Volksglauben wird der Konfuzianismus gerne angewendet, denn die strikten Regeln und die Ordnung, die an erster Stelle steht, sind sehr beliebt. Viele Rituale werden von konfuzianischen «Weisen der Riten» abgehalten. Dabei ist der Daoismus genauso vertreten und wird oft auch gemeinsam praktiziert. Die Abfolge der Riten eignet sich sehr gut für die philosophischen Grundzüge des Konfuzianismus, und im Konfuzianismus selbst wird viel Wert auf Riten gesetzt. Der Daoismus wird als sog. Volksdaoismus praktiziert, der nicht dem «offiziellen» Daoismus angehört, sondern eine eigene Kategorie der Volksreligion bildet.

Das Mondfest (中秋节) ist eine Feier, die jährlich am 15. Tag des 8. Monates abgehalten wird. Dabei steht der Mond im Mittelpunkt, und es wird an die Legende von Houyi und Chang’e erinnert.

Das Ehepaar Houyi (后羿) und Chang’e (嫦娥) waren Unsterbliche. Wie bei vielen Mythen gibt es verschiedene Versionen, manchmal ist Houyi nicht ein xian, manchmal ist er selbst sterblich, doch Chang’e ist in den meistern Versionen bereits unsterblich. Houyi ist dabei immer ein begnadeter Bogenschütze.

Die zehn Söhne des Jadekaisers verwandelten sich eines Tages in zehn brennende Sonnen, die auf der Erde Zerstörung und Unheil anrichten. Mit seiner Geduld am Ende verlangte der Kaiser von Houyi, neun seiner Söhne vom Himmel zu schiessen, damit die Erde gerettet werden kann. Houyi war dabei erfolgreich. Nachdem diese Tat vollbracht war, bereute der Jadekaiser den Tod seiner neun Söhne und verbannte Houyi auf die Erde, zusammen mit Chang’e.

Chang’e trauerte jedoch dem Leben im Jadepalast nach und so kam es, dass Houyi eine Unsterblichkeitspille oder ein Unsterblichkeitselixir erlangte, sodass er und seine Frau wieder in den Himmel aufsteigen konnten. Solche Pillen und Elixire sind das Opus Magnum der chinesischen Alchemie und können Sterbliche in Unsterbliche verwandeln. Chinesische Alchemie besteht aus der Herstellung von Pillen mit allen möglichen Wirkungen, im Gegensatz zum Fokus auf die Metall-Transmutation der westlichen Alchemie. Entweder durch einen Eindringling gezwungen oder durch Neugier und/oder Gier geführt, nimmt Chang’e das gesamte Elixir ein, wobei nur die Hälfte schon gereicht hätte. Durch diesen Überschuss flog Chang’e am Himmel vorbei und landete auf dem Mond. Houyi gelingt es nicht, sie abzuschiessen, entweder aus Liebe zu ihr, oder weil er nicht trifft.

Chang’e ist deshalb die Mondgöttin und Herrin des Mondes. Ihre Weggefährten sind ein Hase und manchmal ein bestrafter Mann namens Wu Gang (吳剛), der auf alle Ewigkeit einen Baum fällen muss, der aber entweder immer wieder nachwächst, oder sich selbst vom Axtschlag heilt.

Tudi  (土地, lit. Erde-Grund) ist ein Sammelbegriff für Gottheiten, die einen spezifischen Ort beschützen. Abgeleitet davon ist Tudigong (土地公), der «Herr der Erde und des Grundes». Dieser Gott ist sehr volksnah und wird gerne «Grossvater» genannt, was die enge Beziehung zeigt. Er hat eine Frau, Tudipo (土地婆), die als sein Gegenüber nicht verehrt wird (sie sind jedoch zusammen auf Altären dargestellt), denn sie hält ihren Ehemann vor der Verteilung zu vieler Gaben an seine Anbetenden zurück.

Die Chenghuangshen (城隍神, Gott des Grabens und der Grenze) ist eine kleine Gottheit, die Schutz über eine Stadt verspricht. Eine Stadt mit Stadtmauer und –Graben wird von einem oder mehreren Chenghuangshen beschützt, die meist verstorbene Amtsträger sind. Diese Amtsträger wurden offiziell als Gott verewigt und bei Unwetter, Ernteknappheit und Gerichtsentscheidungen um Hilfe angefragt. Manche Städte errichteten ihnen Tempel und hielten offizielle Feiern und Zeremonien zur Anbetung des Chenghuangshen. Andererseits kann der Gott auch von den Menschen bestraft werden, sollte er seinen Aufgaben nicht nachkommen. Er ist schliesslich nur ein kleiner Gott.

In der chinesischen Mythologie werden die Erfinder und Entdecker geehrt, aber auch ausserordentliche Personen, die sich im Krieg oder durch ihre tugendhaften Verhaltensweisen vom Rest der Bevölkerung hervorheben. So ist z.B. der Erfinder der Schriftzeichen, Cangjie (倉頡), ein Held, ebenso wie Hua Mulan (花木蘭), die aus den Disney-Filmen bekannte Kriegerin.

Die Geschichte Chinas ist lang und vielseitig, so ist auch die Liste der Helden endlos. Kaiser, wie auch Bauern, Gelehrte und Philosophen gehören dazu. Laozi (老子), der Begründer des Daoismus und Sun Wukong (孙悟空), der Affenkönig und ein Protagonist des Romans «Die Reise in den Westen» sind weitere bekannte Helden.

Die Praxis der Chinesischen Religion wird in fünf «Methoden» eingeteilt:

-Die diskursive-schriftliche Methode, die das Rezitieren und Predigen klassischer Texte (u.a. daoistischer Texte) beinhaltet,

-Die persönliche Kultivierung, die mit Qigong, Daoismus und Alchemie praktiziert wird und das Erreichen von xian als Ziel beinhaltet,

-Die liturgische Methode, bei der Riten aus dem Daoismus, Konfuzianismus und dem Fengshui abgehalten werden,

-Die sofort effektive Methode, bei der schnelle Resultate durch einfache Rituale und Magie (Orakel, Talismane, Geistmedizin etc.) erwartet werden,

-Und die relationale Methode, bei der die Verbindung zwischen Göttern und den Menschen gestärkt wird (Opfer, Prozessionen, Wallfahrten und Feiern).

Rituale sind in allen dieser Methoden ein Teil der Grundlagen, die aus einfachen bis zu komplexen, tagelangen Abläufen bestehen können. Rituale sollen die Brücke zwischen den Menschen und dem Göttlichen bauen und den Menschen Harmonie bringen.

Ein einfaches Ritual ist die Darbringung von Weihrauch, welches ein Zeichen von Respekt gegenüber den Göttern ist. Neben Weihrauch kann auch Essen geopfert werden, wobei den Göttern rohes oder ganzes Essen und den Ahnen gekochtes Essen angeboten wird. Mit Ritualen zeigt der Mensch auch, dass er den Göttern dankbar ist. Mit Ritualen für das Erreichen des Erwachsenenalters wird aber auch das persönliche Wachstum gefeiert.

Der Ort, an dem Rituale abgehalten werden, kann privat oder öffentlich sein, die öffentlichen Tempel sind meist für mehrere Götter oder sogar ein genereller Ort des Polytheismus.

Die Verehrung der Ahnen ist ein Mittel, um tian näher zu kommen. Die fast ausschliesslich männlichen Ahnen (Frauen geben den Nachnamen nicht weiter) einer Familie werden mittels Orakel um Rat gefragt oder um Hilfe angefleht. Viele Familien besitzen eine Ahnentafel, die auf einem Hausaltar aufgestellt und verehrt wird. Die Verehrung erfolgt durch die Opferung von Essen, Getränken oder Geistergeld, künstliches Geld, das am Altar verbrannt wird, um den Seelen ein gutes Nachleben zu ermöglichen. Der älteste männliche Nachkomme ist verantwortlich für die Ausübung der Rituale und ist das Sprachrohr zu den Ahnen.

Die Religion ist in der Volksrepublik China sowie Taiwan erlaubt, solange sie nicht die soziale Stabilität gefährdet. Heute ist die Volksreligion im Aufschwung, da die alte Kultur sehr beliebt ist und von lokalen Autoritäten sogar gefördert wird. Die konfuzianischen Regeln sind dabei besonders beliebt, doch auch die Feste und Feiern werden gerne gesehen. Laut einer Studie im jahr 2012 praktiziert über 55.5% der erwachsenen Bevölkerung im Festlandchina (ca. 578 Millionen Menschen) die Volksreligion. 20% der Bevölkerung ist dabei der Ahnenverehrung zugewandt und der Rest bildet kleinere Gruppen um lokale Gottheiten und Helden. Andere Studien erreichten höhere Prozentsätze, bis zu 88% der Bevölkerung, die Volksreligion praktiziert.

Tempel werden durch die Bevölkerung gesponsert und geben im Gegenzug Unterstützung zurück. Die religiöse Wirtschaft wird auch als eine Möglichkeit für ländliche Gegenden angesehen, sich im grösseren Wirtschaftsfeld auszubreiten.

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